R. Dietrich Schwartz, liebevoll genannt „Blacky“, ist tot
Die meisten Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten werden nichts mit „Blacky“ anzufangen wissen. Und doch gedenken wir dieses Menschen. Er ist ein herausragendes Beispiel für unabhängigen und kritischen Journalismus. Albrecht Müller.
Rolf Dietrich Schwartz war von 1972-1999 als Korrespondent der Frankfurter Rundschau mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Bonn tätig. Er hat zehn Jahre lang die sozialliberale Koalition und dann die Regierung Kohl begleitet. Er zog nicht mit um nach Berlin, als die Bonner FR-Redaktion und die Bundesregierung Bonn verließen. 1999 hatte er einen Schlaganfall und starb am 16. Januar 2019 – fast 20 Jahre später.
In seinen Artikeln, als Fragesteller in der Bundespressekonferenz und als Disputant war Blacky verlässlich und ausgesprochen meinungsstark. Das bekamen wir in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes, deren Leiter ich in den ersten zehn Jahren von Blackys Wirken in Bonn war, positiv und kritisch zugleich zu spüren. Blacky war ein ausgesprochen anregender und freundlicher Gesprächspartner, wenn die Richtung stimmte. Er war hart, aber dennoch freundschaftlich, wenn es etwas zu kritisieren gab. Es gab viel zu kritisieren.
Eine Reihe von Zeitgenossen in der Politik und auch unter Kollegen war nicht immer einverstanden mit dem, was Rolf Dietrich Schwartz schrieb oder sagte. Manche hielten ihn vermutlich für zu kompromisslos, für zu hart im Urteil. Man kann diese kleine Skepsis ja verstehen. Dennoch sein manchmal unerbittliches Hinterfragen war wichtig und angebracht sowieso.
Es ist schade, dass Rolf Dietrich Schwartz seit 1999 nicht mehr in die öffentliche Meinungsbildung eingreifen konnte. Seine Stimme wäre äußerst hilfreich gewesen, als zum Beispiel die Agenda 2010 vorbereitet und eingeführt wurde, oder als die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht und die Steuern für die Großverdiener gesenkt wurden und als unentwegt weiter privatisiert und dereguliert wurde, und als die Spekulanten mit Steuergeldern gerettet wurden. Wir hätten den kompromisslosen Kritiker Blacky gebraucht. Aber er konnte dieses für einen fortschrittlichen Menschen unwürdige Geschehen nicht mehr als aktiver Journalist begleiten. In Gedanken wohl schon.
Die NachDenkSeiten, als Teil der kritischen Medien im Internet, hätten in den letzten Jahren einen klaren Kopf wie Blacky und seine Stimme in der Öffentlichkeit gebraucht. Er hätte vermutlich die Arroganz und die Feindseligkeit mancher etablierten Medienmacher gegenüber den kritischen Internet-Medien nicht mitgemacht; er hätte vermutlich wie wir für Partnerschaft zwischen den etablierten Medien und den neuen Medien geworben. Ich denke da an die unerträglichen Versuche, kritische Stimmen dadurch mundtot zu machen, dass man sie mutwillig in die sogenannte Querfront einordnet. Wenn es diese Versuche schon zu Zeiten der publizistischen Schaffenskraft von Blacky gegeben hätte, dann hätte man das vermutlich mit ihm, diesem unerbittlichen Kritiker, auch versucht.
Ohne ihn ungebührlich vereinnahmen zu wollen, würde ich gerne festhalten, dass Blacky eine Art Vorläufer der NachDenkSeiten war. Als im Januar 2001 die Idee zu diesem Projekt geboren wurde, war er schon von seiner Krankheit gezeichnet. Aber seine Fähigkeit und Bereitschaft, die politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Entwicklungen wirklich zu hinterfragen, nicht nur oberflächlich, nicht nur beruhigt von der ersten Antwort und Erklärung, das war und ist beispielhaft. Und dieses Beispiel schlägt sich in unserer Arbeit nieder. Deshalb hat es mich nicht überrascht, aus seiner Familie zu hören, dass Blacky bis zum Schluss die NachDenkSeiten las und dass er das Medium für einzigartig hielt. So mischt sich in die Trauer über seinen Tod auch die Freude darüber, in Blacky einen verlässlichen Begleiter gehabt zu haben.