Hinweise der Woche

Ein Artikel von:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Integrity Iniative
  2. Hackerangriff
  3. Der größte Steuerraub aller Zeiten muss endlich Konsequenzen haben
  4. Der 55-Milliarden-Coup
  5. Syrische Provinz Idlib: Die Dschihadisten erobern, die Türkei schaut zu
  6. USA brüskieren EU: Diplomatischer Rang der EU-Vertretung herabgestuft
  7. Die abgehängte Mitte
  8. Ein verlorenes Jahrzehnt für die Arbeitnehmer der Industrieländer
  9. Hartz IV: »Sanktionen als verfassungswidrig geißeln«
  10. Doch keine Erfolgsgeschichte: Das Scheitern des Liberalismus

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Integrity Iniative
    1. Damaging Ties: Why Germany is the Integrity Initiative’s ‘Most Important Target‘
      On the afternoon of January 4 I was putting the finishing touches to a series of articles about the Integrity Initiative’s activities in Germany, when hacking syndicate Anonymous released another tranche of files plucked from the organization’s internal servers. The content was so explosive I was forced to put the multi-part project on hold.
      The new trove included several highly incriminating files related to the poisoning of Sergei Skripal in March 2018, which raised a number of extremely serious questions about the shadowy British state and NATO-funded ‘think tank’ and its connections with the affair.
      A few hours after publishing an article based on a precursory investigation of the documents, I received a curious email from political scientist Hannes Adomeit — the subject line ‘Criminal Charges against Kit Klarenberg’ — which made me somewhat glad I’d postponed my German series.
      For several days, I’d been attempting to reach out to him and other individuals — prominent German politicians, businesspeople, military officials, academics and journalists — named in an ‘interim report’ on the German cluster. It appeared Adomeit led the cluster, and had produced the write up for his Initiative paymasters in October 2018. […]
      Germany is perhaps the key country of interest for the organization in this regard, and an internal ‘progress report on establishing national clusters’ produced July 2018 — a month after its German cluster was founded, following a two-day meeting in London between Institute/Initiative representatives and Adomeit — makes clear why. The document’s author states that due to the country’s “special vulnerability to Russian influence”, it’s a “very hard as well as most important target”.
      In the aforementioned October 2018 ‘interim report’ on the German cluster, in a section titled ‘Specifically German Conditions’, Adomeit further elaborates on the significance of Germany to the Initiative, and why it’s such a tough — and crucial — nut for the organization to crack.
      Quelle: Kit Klarenberg auf Sputniknews

      Anmerkung Jens Berger: Dieser Artikel ist eine sehr gute Ergänzung zu unserem Artikel zum Thema. Die juristische Argumentation von Hannes Adomeit ist schon sehr dreist. Folgt man seiner Logik, müssten sämtliche investigativ arbeitenden Medien, die mit Dokumenten arbeiten, die aus einem Leak stammen, sich wegen des „Ausspähens von Daten“ juristisch verantworten – zwischen Journalisten und Hackern gäbe es dann keinen Unterschied mehr. Die Artikel zu den Panama Papers, Football Leaks, Offshore Leaks und Luxemburg-Leaks sowie die Berichterstattung zu den Toll-Collect-Verträgen oder den ACTA- und TTIP-Verhandlungen wären demnach bei Androhung von Gefängnis verboten. Das ist schon ein sehr eigenwilliges Rechtsverständnis von den Stimmen, die sich immer wieder über die Pressefreiheit in Russland so große Sorgen machen. Der Artikel von Kit Klarenberg geht jedoch weit über diesen Punkt hinaus.

    2. „Integrity Initiative“ – Kopf der deutsche Zelle meldet sich zu Wort
      Auch an Tag Fünf nach den Leaks zum britischen antirussischen Geheimprogramm „Integrity Initiative“ herrscht in den deutschen Leitmedien dazu Schweigen im Walde. Dabei wird gerade eine Deutsche Zelle mit namhaften Journalisten aufgebaut. Eine davon hat sich nun geäußert. Und auch der Kopf der Zelle hat sich zu einer Reaktion hinreißen lassen.
      Der Politologe Hannes Adomeit ist Kopf der deutschen Zelle des britischen Thinktank-Programms „Integrity Initiative“, dessen Aufgabe es sein soll, antirussische Kräfte in Medien und Expertenkreisen zu bündeln. Die Hackergruppe Anonymous hatte am 4.Januar einen Scan von Geheimdokumenten des britischen Datenprojekts „Integrity Initiative“ veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass im EU-Raum eine eigene Einheit für Desinformation tätig ist. Es handelt sich bei dem Leak um mehrere Dutzend Dokumente zur Tätigkeit dieser Geheiminitiative in Großbritannien und vielen anderen Ländern. Später wurde auch ein Zwischenbericht zur Bildung einer Deutschen Zelle („German Cluster“) der Initiative geleakt, der im deutschsprachigen Raum erstmals am 7. Januar von der Website „Nachdenkseiten“ analysiert wurde.
      Quelle: Sputniknews
    3. Neues von der britischen Beeinflussungskampagne des ominösen Institute of Statecraft
      Neue Dokumente zeigen, wie der Skripal-Fall ausgeschlachtet wurde und welche Strategien und Narrative unterstützt werden
      Über die bis zum ersten Leak im Verborgenen agierende britische Beeinflussungskampagne gegen Russland hatte Telepolis schon Ende November 2018 berichtet (Integrity Initiative: Britische Beeinflussungskampagne gegen Russland?). Das britische Außenministerium finanziert mit anderen Geldgebern wie der Nato, dem US-Außenministerium oder dem litauischen Verteidigungsministerium über das Institute of Statecraft die 2015 gegründete Integrity Initiative, um die Demokratie gegen russische Desinformation zu verteidigen. Sie versucht nach geleakten Dokumenten, die bislang in ihrer Authentizität nicht bestritten wurden, in vielen Ländern “Zellen” mit einflussreichen Personen aufzubauen, um eine transatlantische, anti-russische Agenda in Medien und Öffentlichkeit durchzusetzen. Ansonsten werden Veranstaltungen durchgeführt, Artikel verbreitet und auf Twitter Stimmung gemacht.
      Dazu wurde auch in den sozialen Netzwerken versucht, Jeremy Corbyn und seine Anhänger in einer Desinformationskampagne als Handlager Russlands zu bezeichnen, was zumindest in Großbritannien auch im Parlament für Ärger gesorgt hat (Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation). Deutlich wurde auch, dass letztes Jahr eine Kampagne gegen den nicht ganz Nato-linientreuen Militär Pedro Banos durchgeführt wurde, um zu verhindern, dass dieser zum Chef der Dirección de Seguridad Nacional de España ernannt wird. Das war von Erfolg gekrönt. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez setzte stattdessen den General Miguel Ángel Ballesteros auf den Posten.
      Quelle: Telepolis
  2. Hackerangriff
    1. Oh G0d, wie peinlich: So verrannte sich Bild-Chef Julian Reichelt beim Hacker-Angriff mit seiner Russen-Theorie
      Kaum ein Medium lag mit der Berichterstattung zum Hackerangriff auf Politiker und Prominente so daneben wie die Bild. Chefredakteur Julian Reichelt hatte nur Stunden vor Präsentation des geständigen Einzeltäters im Podcast von Gabor Steingart “staatliche Unterstützung” und “eine größere Struktur” hinter der Aktion ausgemacht. Am Ende präsentierten die Behörden als Hacker “G0d” ein “armes Würstchen” – einen Schüler, der noch bei den Eltern wohnt.
      Noch Montagabend wähnte er sich auf der richtigen Spur: Im Morning-Briefing von Gabor Steingart äußerte sich Bild-Chef Julian Reichelt zum Hackerangriff und möglichen Hintermännern. Der Bild-Macher, Steingart in seinem Newsletter, sitze “mit einer Truppe hochspezialisierter Investigativreporter auf dem riesigen Datenschatz der Hacker, der nun nach allen Regeln der Kunst gesichtet und analysiert wird”. Die bisherigen Erkenntnisse der Bild-Rechercheure ließen demnach folgende Schlussfolgerungen zu: “Das waren nicht ein oder zwei Jungs, die bei Pizza und Cola light im Keller gesessen haben”, so Reichelt gegenüber Steingart. “Das muss eine größere Struktur gewesen sein.” Das Wahrscheinlichste sei, dass es “zumindest staatliche Unterstützung – von welcher Seite auch immer – für diesen Hack gab”.
      Quelle: Meedia
    2. Sechs Mythen über den “Hackerangriff”
      Private Daten Hunderter Politiker, Prominenter und Webstars stehen im Netz: Der Donnerstagabend bekannt gewordene Daten-Leak sorgt weiter für Wirbel. Doch nicht alles, was man dazu hört, ergibt Sinn.
      “Mega-Cyber-Angriff”, “Mega-Hack”, “der größte Hackerangriff Deutschlands”: Viele Medien überbieten sich mit aufregenden Formulierungen rund um den Daten-Leak, der vor allem Politiker sowie Fernseh- und YouTube-Stars betrifft. Was die mediale Resonanz angeht, ist der Vorfall für deutsche Verhältnisse einzigartig, zum eigentlichen Geschehen jedoch passen solche Überhöhungen nur bedingt: […]
      Mythos 1: Es handelt sich um einen besonders spektakulären Hackerangriff. […]
      Mythos 2: Es sind so viele Daten erbeutet worden – der oder die Täter müssen doch Profi-Hacker sein. […]
      Mythos 3: So schlimm ist Doxing für die Betroffenen ja auch nicht. […]
      Mythos 4: “Das BSI hätte…” […]
      Mythos 5: Für genau solche Fälle fehlt das Recht zum digitalen Gegenschlag. […]
      Mythos 6: Die Sicherheitsbehörden werden daran scheitern, den Täter zu finden.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Diese Darstellung von SPON ist löblich und empfehlenswert. Zu ergänzen wäre jedoch noch Mythos 7: „Alle großen Hacks werden von staatlichen Akteuren aus Russland und China begangen“ … genau dies wurde nämlich am Freitag in einigen Medien wie der BILD-Zeitung schon wieder bar jeder Indizien kolportiert.

  3. Der größte Steuerraub aller Zeiten muss endlich Konsequenzen haben
    Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen den Investigativ-Journalisten Oliver Schröm. Es geht um den Strafvorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Geschäftsgeheimnisses von Schweizer Banken. Schröm soll bei Recherchen zu Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften, also grob illegaler, ja strafbarer Aktiendeals, gegen Paragraf 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen haben. Bei diesen Geschäften wurden viele Jahre lang Steuern an den deutschen Fiskus einmal gezahlt, aber zwei oder noch mehrmals rückerstattet.
    Untersuchungen deutscher Finanzbehörden und Staatsanwälte laufen inzwischen bundesweit gegen kriminelle Dealer und Großbanken wie die Deutsche Bank. Der Gesamtschaden aus diesen Verbrechen zu Lasten der deutschen Steuerzahler wird inzwischen auf mehr als 50 Milliarden Euro geschätzt, der größte Steuerraub aller Zeiten.
    Statt den Journalisten Schröm für seine Recherchearbeit und Verdienste um die Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte zu loben und öffentlich zu preisen, wird er wie ein Verbrecher verfolgt. Die Pressefreiheit droht dabei auf der Strecke zu bleiben. (…)
    Gerade in der Woche, in der Schröm von dem Strafverfahren gegen sich erfahren hat, diskutierte der Bundestag ein Gesetz zur Strafbarkeit des Verrats von Geschäftsgeheimnissen. Dieser wird generell unter Strafe gestellt. Anlass ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie vom Juni 2016 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
    Anders als in dem deutschen Gesetzentwurf steht in der EU-Richtlinie, dass die Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Medien nicht eingeschränkt werden darf, insbesondere was den investigativen Journalismus anbelangt. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen sollte nicht für deren Offenlegung gelten, insoweit diese dem öffentlichen Interesse dient, also ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird.
    Im Gesetzentwurf fehlen solche Einschränkungen der Strafbarkeit. Journalisten haben in Deutschland zwar das gesetzlich verbriefte Recht, die Aussage vor Gericht über ihre Informanten und selbst erarbeitetes Journalistenmaterial zu verweigern, aber keinen ausdrücklichen Schutz vor Strafverfolgung ihrer journalistischen Arbeit. Eine solche Konkretisierung des Grundrechts aus Artikel 5 des Grundgesetzes gibt es nicht.
    Quelle: Hans-Christian Ströbele in T-Online
  4. Der 55-Milliarden-Coup
    Dies ist eine Geschichte von zwei Steuerbeamten. Einem, der dem Schweizer Staat treu blieb. Und einem, der dem deutschen Staat den Krieg erklärte.
    Es ist die Geschichte des vielleicht genialsten Wirtschaftsverbrechens des 21. Jahrhunderts. Hunderte Banken, Investoren, Beratern betrieben es – eine kleine, über den halben Planeten verbreitete Industrie.
    Trotzdem gebührt unseren beiden Steuerbeamten eine Hauptrolle: Der eine half, die Schweizer Bundeskasse zu schützen. Der andere brachte seinen Kunden bei, wie man Finanzämtern Steuergeld so wegnimmt, dass es keiner merkt.
    Der erste lebt in Bern. Er ist klein und höflich und fährt jeden Morgen mit dem Tram zur Arbeit, zu seinem schlichten Büro in der Eidgenössischen Steuerverwaltung in der Eigerstrasse 65. Seine Eltern haben ihm drei Dinge mit auf den Weg gegeben: Sei ehrlich, sei aufrichtig, sei bescheiden. Er ist jetzt Mitte vierzig, aber daran hält er sich bis heute.
    Der zweite ist gross und laut und 2012 in die Schweiz geflohen. Sein Name: Hanno Berger. Eine Schar deutscher Ermittler arbeitet daran, ihn für lange Zeit hinter Gitter zu bringen. Hanno Berger hält rein gar nichts von Journalisten, empfing die Republik aber trotzdem an zwei Tagen bei sich daheim. Er war mal Finanzbeamter, schwang sich empor zum König der Steueroptimierer und fiel; so tief, wie man nur fallen kann. Nun hat er sich, reich und verbittert, im Oberengadin verschanzt und führt von dort seine Wutreden gegen den deutschen «Unrechtsstaat».
    Denn: Es war ja alles rechtens. Denn: Es gab ja diese Gesetzeslücke. Diese Idee, die in der Geschichte des Steuerwesens an Dreistigkeit nur schwer zu übertreffen ist: die Steuerverwaltung neu zu sehen, nicht als Ärgernis, sondern als Einnahmequelle.
    Der Name dieser Idee klang wie eine exotische Sexualpraktik: Cum-Ex. Sie war eine der wertvollsten Ideen der Welt: Sie brachte ihren Kennern Milliarden ein.
    Quelle: Republik
  5. Syrien
    1. Syrische Provinz Idlib: Die Dschihadisten erobern, die Türkei schaut zu
      In Nordsyrien rückt die Terrormiliz HTS vor, ein fatales Signal. Die Offensive zeigt: Entweder ist die Türkei nicht in der Lage, die Macht der Dschihadisten zu brechen – oder nicht willens.
      “Trump hat Recht in Sachen Syrien. Die Türkei kriegt das hin”: So hat Recep Tayyip Erdogan einen Gastbeitrag in der “New York Times” überschrieben, in dem er dafür wirbt, dass sein Land nach dem beschlossenen Rückzug der US-Truppen die Ordnungsmacht im Nordosten Syriens wird.
      Aber kriegt die Türkei das wirklich hin? Die Ereignisse in der Region um Idlib seit Jahresbeginn lassen daran zweifeln. Dort ist die Terrororganisation Hayat Tahrir al-Scham (HTS) auf dem Vormarsch. Die Miliz ging 2016 aus der Nusra-Front hervor, dem syrischen Zweig des Terrornetzwerks al-Qaida. In den vergangenen Tagen eroberte die HTS mehrere Dörfer und zwei Kleinstädte. Diese hatten Milizen kontrolliert – von der Türkei unterstützt.
      (…)
      Der Fall von Atarib zeigt zum anderen, dass die Türkei entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Macht der Dschihadisten in Idlib zu brechen. Im September 2018 trafen Russlands Staatschef Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan eine Vereinbarung über die Zukunft von Idlib. Das Abkommen sah zum einen die Schaffung einer entmilitarisierten Pufferzone rund um die Provinz vor. Zum anderen sollte die Macht der Terrormiliz HTS geschwächt werden.
      Die Dschihadisten setzen sich fest
      Das Gegenteil ist der Fall: Inzwischen kontrollieren die Dschihadisten rund zwei Drittel der Region um Idlib, in der knapp drei Millionen Menschen leben. Und sie setzen sich fest: Ähnlich wie einst ihre Rivalen der Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS) installieren sie eigene Gerichte, eine eigene Verwaltung und eine sogenannte “Regierung der Errettung” – obwohl das türkische Militär in dem Gebiet stationiert ist und zwölf sogenannte Beobachtungsposten eingerichtet hat.
      Die Türkei hat ihre Militärstützpunkte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und den Eigenschutz ihrer Truppe erhöht, unternimmt ansonsten aber nichts. Damit setzt Ankara derzeit seinen Teil der im September getroffenen Abmachung mit Russland, nämlich die HTS in Schach zu halten, nicht konsequent um.
      Das von der Türkei unterstützte Rebellenbündnis “Nationale Befreiungsfront” (NFL) hat für die nächsten Tage eine Gegenoffensive angekündigt, um die HTS zurückzuschlagen. Doch diese verschiedenen, teilweise untereinander verfeindeten Milizen sind kaum in der Lage, die HTS entscheidend zu schwächen.
      Das könnte Russland und seinem Verbündeten, dem syrischen Diktator Baschar al-Assad, über kurz oder lang doch noch den Vorwand für eine Bodenoffensive gegen Idlib liefern. Assad hat das Ziel, diese Region wieder unter seine Kontrolle zu bringen, nie aufgegeben.
      Quelle: SPON

      Anmerkung Albrecht Müller: Das ist ein interessanter, typischer Artikel des „Spiegel“. Da wird gejammert über die sich ausbreitenden Macht einer Terrormiliz in einem Bereich Syriens (Idlib), den man kurz zuvor noch vor der Wiederübernahme durch die syrische Regierung mit allen propagandistischen Mitteln zu „schützen“ vermocht hat. Und auch jetzt wird so getan, als sei es selbstverständlich, dass in einem Staat andere Staaten das Recht hätten, Besatzung zu spielen. Im letzten Absatz wird die Absurdität dieser Politik und Agitation besonders sichtbar. Man hat die Menschen dieser Region dem Terror ausgesetzt und jammert jetzt darüber, dass die rechtmäßige Regierung dieses Landes auch diese Region wieder unter ihre Kontrolle bringen will.

      Es wäre an der Zeit zu bilanzieren, wie viele Tausende Menschen diese imperiale Politik des Westens und der sie unterstützenden Journalisten vom Typ Sydow auf dem Gewissen haben.

    2. Bundestags-Gutachten: Türkei ist in Syrien Besatzungsmacht
      Mit dem Abzug der US-Truppen aus Syrien verschiebt sich das Kräfteverhältnis in der gesamten Region endgültig. Die türkische Armee hält bereits seit gut einem Jahr syrische Grenzgebiete besetzt und sieht jetzt die Chance, die Kurden weiter zurückzudrängen. Ein Gutachten für den Bundestag kommt zu dem Schluss, dass der Nato-Partner mit der Besetzung gegen das Völkerrecht verstößt.
      Die Türkei ist nach einem wissenschaftlichen Gutachten des Bundestags Besatzungsmacht in Syrien. Eine von der Linksfraktion in Auftrag gegebene Expertise kommt zu dem Schluss, dass “die türkische Militärpräsenz in der nordsyrischen Region Afrin sowie in der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung erfüllt”.
      Die Bundesregierung hält sich bislang mit einer völkerrechtlichen Bewertung der Afrin-Offensive zurück. Außenminister Heiko Maas hatte allerdings bereits im März gesagt, dass die Militäroperation “sicherlich nicht mehr im Einklang mit dem Völkerrecht wäre”, wenn türkische Truppen dauerhaft in Syrien blieben. Linksfraktionsvizechefin Sevim Dagdelen nannte das Gutachten einen Weckruf.
      Es ist skandalös, den Einmarsch und die Besatzung von Teilen Syriens durch den Nato-Partner Türkei entgegen aller Expertise und Stellungnahmen aller Bundestagsfraktionen nach wie vor nicht als Völkerrechtsbruch zu bewerten.
      Sevim Dagdelen, Vizechefin der Linksfraktion im Bundestag
      Quelle: MDR
    3. Syrien: Bolton knüpft Abzug der USA an Bedingungen
      Gegner eines eindeutigen und schnellen Rückzugs versuchen gegenzusteuern. Der Nationale Sicherheitsberater fährt Trump mit diffusen Forderungen in die Parade
      In der US-Regierung ist man sich offensichtlich uneinig über den Abzug der US-Truppen aus Syrien. Trump hatte am 19. Dezember für eine Sensation gesorgt, als er den Abzug der geschätzt etwa 2.000 Soldaten ankündigte, der nach seinem Willen bald erfolgen sollte, wie er andeutete: “Sie kommen alle heim und sie kommen jetzt heim”. Pressesprecherin Sanders bestätigte den verblüfften Medien, dass der Abzug bereits begonnen habe und Vertreter des Pentagon äußerten, dass der Präsident angeordnet habe, dass der Abzug “binnen 30 Tagen vollständig erledigt werden sollte”. Unmöglich, sagten viele.
      Es setzten Gegenbewegungen ein: der Rücktritt des Verteidigungsministers Mattis, eine Serie von Äußerungen aus dem Militär, vom Verteidigungsministerium, von Senator Lindsey Graham und schließlich Andeutungen von Trump selbst, dass der Abzug vier Monate dauern könnte.
      Die derzeit letzte Pointe in dieser “I never said fast or slow”-Show wurde am gestrigen Sonntag mit der Behauptung gesetzt, dass sich der Abzug auch “Monate oder Jahre hinziehen könnte”.
      Zu lesen ist dies in der New York Times, die sich in ihrem Beitrag auf Äußerungen des Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton bezieht. Der stellte Bedingungen für den Abzug auf, die ihn verzögern. Bolton zählte auf: den Kampf gegen Reste der IS-Milizen, Garantien der Türkei, die Kurden der YPG zu verschonen, sowie die Aktivitäten Irans, die eine Präsenz der USA in al-Tanf, im Süden Syriens an der Grenze zum Irak, nötig machen würden.
      Quelle: Telepolis
  6. USA brüskieren EU: Diplomatischer Rang der EU-Vertretung herabgestuft
    Die USA haben den diplomatischen Status der EU-Vertretung in Washington überraschend heruntergestuft – ohne den Botschafter offiziell zu informieren. EU und USA verhandeln in der Sache weiter.
    Bereits Ende vergangenen Jahres hat die US-Regierung den diplomatischen Status der – wie sie offiziell heißt – “Delegation der Europäischen Union für die Vereinigten Staaten” herabgestuft. Der Schritt war offenbar nicht angekündigt und bedeutet, dass die EU aus der Sicht der US-Regierung von der staatlichen Ebene auf den Status einer internationalen Organisation gesunken ist.
    (…) Politische Motivation vermutet
    Beobachter schließen politische Beweggründe nicht aus. Ein Diplomat aus einem EU-Mitgliedsstaat, der die Herabstufung ebenfalls bestätigte, kritisiert den Schritt: “Das ist definitiv keine Frage des Protokolls, sondern etwas mit einem sehr eindeutigen politischen Hintergrund.” Er fügte hinzu, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten diese Kritik teilen.
    Die diplomatische Rückstufung der EU-Delegation in Washington scheint im Einklang mit der anti-europäischen Haltung der Trump-Regierung zu stehen. Während seines Wahlkampfes war Trump ein eifriger Unterstützer des Brexit. Auch als Präsident greift er bei Themen wie Handel und Verteidigung wiederholt die Europäische Union an.
    In einer außenpolitischen Grundsatzrede Anfang Dezember in Brüssel lobte Außenminister Mike Pompeo den selbsternannten Nationalisten Trump und forderte die Mitglieder der Europäischen Union auf, ihre nationale Souveränität gegenüber der EU-Zentrale in Brüssel zu behaupten.
    Quelle: Focus

    Anmerkung Marco Wenzel: Die USA brüskieren die EU und ihre Regierungen hören nicht auf, ihnen hinterher zu laufen wie kleine Kinder hinter der Blaskapelle. Ständig faseln sie, wie Frau Merkel, von „unseren amerikanischen Freunden“ und handeln sogar gegen ihre eigenen Interessen, nur um den USA zu gefallen oder aus Furcht davor, sie zu erzürnen. Die USA aber scheren sich einen Dreck um die Befindlichkeiten anderer Länder, nicht nur in der EU. Die Bemerkung von Victoria Nuland, „fuck the EU“ im Jahre 2014 war mehr als nur eine einmalige verbale Entgleisung der assistant secratary of state sondern drückt die Grundhaltung der USA in Bezug auf ihre „Verbündeten“ aus.

  7. Die abgehängte Mitte
    Seit sieben Wochen mischen die Proteste der Gelbwesten die französische Politik auf. Und das ganze Land diskutiert heiß: Wer sind diese Gelbwesten? Was sind die wahren Gründe für ihren Aufstand? Und was wollen sie nun, nachdem die Regierung auf ihre Kernforderungen eingegangen ist? Eine Analyse
    Quelle: gegenblende.dgb.de

    Anmerkung unseres Lesers A.L: Nach Bernard-Henri Lévy ist Jean Pisani-Ferry der zweite Vertreter der bürgerlichen Elite Frankreichs, der auf dem gewerkschaftlichen Debattenblog “Gegenblende” die Gelegenheit bekommt, seine Sicht auf die Bewegung der Gilets Jaunes kundzutun. Die Redaktion der DGB-Pressestelle, oder der Gegenblende, hat es bis jetzt nicht geschafft, die Gilets Jaunes selbst zu Wort kommen zu lassen, oder eine/n Vertreter/in der französischen Gewerkschaften, oder einen linken Intellektuellen, um eine Einschätzung zu bitten – was auf einem gewerkschaftlichen Debattenblog eigentlich selbstverständlich sein sollte. Was soll damit die gewerkschaftliche Debatte fördern?

  8. Ein verlorenes Jahrzehnt für die Arbeitnehmer der Industrieländer
    Trotz guter Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit ist das weltweite Lohnwachstum so schwach wie seit zehn Jahren nicht mehr. Globalisierungskritiker erhalten damit neue Argumente. Die grassierende Unzufriedenheit mit den Regierungen scheint sich auch aus dieser Unwucht zu speisen.
    Die Globalisierung ist in aller Munde. Dass globale Entwicklungen entscheidend für die Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Ländern sind, ist fast eine Binsenweisheit geworden. Wenn allerdings die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Sonderorganisation, an der Arbeitgeber und Gewerkschaften mitwirken, einmal im Jahr analysiert, wie sich weltwirtschaftliche Entwicklungen auf Löhne und Gehälter auswirken, dann findet das nur wenig öffentlichen Widerhall.
    Quelle: Norbert Häring
  9. Hartz IV: »Sanktionen als verfassungswidrig geißeln«
    Ex-BGH-Richter Wolfgang Neškovic zur Notwendigkeit der Abschaffung der Hartz-IV-Strafen
    Am 15. Januar tagt das Bundesverfassungsgericht dazu, ob Sanktionen in Hartz IV verfassungskonform sind. Sie halten Kürzungen in der Grundsicherung für verfassungswidrig – als einer der wenigen. Wundert Sie das?
    Das wundert mich nicht. Unter deutschen Jurist*innen entspricht es einer langen juristischen Tradition, dass dem im Grundgesetz festgelegten Sozialstaatsprinzip wenig verfassungsrechtliche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Im Verhältnis zum Rechtsstaatsprinzip fristet es in der juristischen Wirklichkeit ein Schattendasein, obwohl es verfassungsrechtlich den gleichen Rang beansprucht. Soziale Empathie in juristische Denkmodelle umzusetzen, fällt diesen konservativ denkenden und vorwiegend technokratisch ausgebildeten Jurist*innen schwer. Das hat auch oft mit ihrer sozialen Herkunft zu tun.
    Warum müssen die Sanktionen weg?
    Seit der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 gibt es ein unmittelbares, verfassungsrechtliches Gewährleistungsrecht auf Zusicherung eines menschenwürdigen »Existenzminimums«. Es erstreckt sich auf alle Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Dazu gehört neben der physischen Existenz des Menschen auch seine Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Die Formulierung »Minimum« heißt unmissverständlich, dass jeder Betrag, der unterhalb dieser festgelegten Grenze liegt, verfassungswidrig ist. Dann gab es noch zwei weitere wichtige Aspekte in dem Urteil.
    Welche?
    In der 2010er Entscheidung zum Recht auf Existenzminimum erklärte das Bundesverfassungsgericht zudem, dass dieser gesetzliche Leistungsanspruch »stets« den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers decken muss. Dass es also es keine Ausnahmen geben kann. Zudem findet sich noch der Verweis darauf, dass das Existenzminimum »unverfügbar« ist und eingelöst werden muss. Das heißt, dass niemand darüber verfügen kann – auch nicht der Staat, indem er durch Sanktionen den Geldbetrag, der das Existenzminimum darstellt, kürzt oder ganz streicht.
    Quelle: Neues Deutschland
  10. Doch keine Erfolgsgeschichte: Das Scheitern des Liberalismus
    Nach dem Zerfall der Sowjetunion war der Liberalismus weltweit das einzig verbliebene politische System. Mit der Globalisierung trat er seinen Siegeszug an – und steht heute vor dem Zusammenbruch. Die Eliten sind zu Korrekturen nicht in der Lage. Eine Fehleranalyse.
    Von den großen Gesellschafts-Entwürfen, die im zwanzigsten Jahrhundert erprobt wurden, ist nur einer übrig geblieben: Der Liberalismus. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist er anscheinend auf dem Siegeszug. Unter dem Begriff “Globalisierung” ist er angetreten, die ganze Welt in seinen Ordnungsrahmen zu zwingen. Auf diesem Siegeszug rund um den Globus zeigte er sehr unterschiedliche Facetten. Von seinem ursprünglichen Anspruch, eine “natürliche” Weltordnung jenseits aller Ideologie zu sein, die angeblich die Freiheit des Individuums in den Mittelpunkt stellt, ist dabei wenig übrig geblieben.
    Der “Liberalismus” – so wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer deutlicher – ist eine auf Ausbeutung basierende Wirtschaftsordnung, die sich dadurch stabilisiert, dass sie Gesellschaft in kleinste Gruppierungen aufspaltet, die sie gegenseitig in Konkurrenz bringt, so dass eine solidarische Organisation und Opposition unmöglich wird. Die einzelnen Gruppen erleben dabei ihre Unterscheidung vom “Rest” der Gesellschaft als individuelle Freiheit.
    Darüber hinaus ist ein weiterer Punkt wichtig. Der Liberalismus erkennt die Souveränität der Nationalstaaten nicht an, sofern sie sich nicht dem ökonomischen Diktat des Liberalismus fügen. Die liberale Weltordnung nimmt sich gegenüber internationalen Verträgen und Richtlinien das Recht heraus, diese zu brechen, wo immer es ihr beliebt, und bei Bedarf zu intervenieren, bis hin zum Vernichtungskrieg. Sie hält sich für einen posthistorischen Universalismus – einen nachgeschichtlichen natürlichen Endzustand der menschlichen Gesellschaft.
    Doch dieses Modell stößt mehr und mehr an Grenzen. Zunächst ganz faktisch an seine Außengrenzen. Die zunehmende Anzahl an Kriegen und Konflikten, die formal im Namen von Demokratie und Menschenrechten, faktisch jedoch um Machtbereiche, Einfluss-Sphären, Ressourcen und Transportwege geführt werden, sind hierfür deutlicher Beleg. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem damit verbundenen Siegeszug jener liberalen Ordnung haben die vom Westen geführten Kriege und damit das zugefügte Leid zugenommen und nicht etwa abgenommen. Der Liberalismus scheitert an seinen eigenen vorgeblichen moralischen Werten. Er ist keine freie und friedfertige Ordnung, sondern eine Ordnung, die auf Ausübung von Gewalt, auf Unterdrückung, Verletzung von Verträgen, Bruch von Recht und Souveränität anderer beruht.
    Quelle: Gert Ewen Ungar auf RT Deutsch

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!