Eigentlich sollte mit dem Ende des NSU-Prozesses in München das leidige Thema begraben werden. Nun taucht ein NSU 2.0 auf – nicht in Thüringen, sondern in Hessen, in Kreisen der Polizei. Von Wolf Wetzel.
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„Miese Türkensau!“ … „du machst Deutschland nicht fertig“ … „Als Vergeltung (…) schlachten wir deine Tochter“.
Unterschrieben wurde der Drohbrief mit „NSU 2.0“. Abgeschickt wurde er am 2. August 2018.
Der Drohbrief war an die Privatadresse der Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz gerichtet. Eine Privatadresse, die nicht im öffentlichen Telefonbuch zu finden ist. Genauso wenig wie der Namen ihrer Tochter.
Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz vertrat im NSU-Prozess die Familie des ersten NSU-Mordopfers Enver Simsek in der Nebenklage.
Sie erstattete Anzeige. Seitdem hat sie nichts mehr gehört. Es dauerte vier Monate, bis die Öffentlichkeit von diesem Vorgang, von dieser Anzeige erfuhr.
Nun spricht die Polizei doch – auch über ihre internen Ermittlungen. Eine Spur habe zu einem Computer im ersten Polizeirevier der Innenstadtwache in Frankfurt am Main geführt. „Dort seien die Melderegistereinträge zu Basay-Yildiz abgefragt worden. Und das offenbar ohne dienstlichen Grund.“ (fr.de vom 16.12.2018)
„Der größte Polizeiskandal der vergangenen Jahre“
Damit gerieten jene Polizisten in Verdacht, die Zugriff zu diesem Polizeicomputer hatten. Im Zuge weiterer Ermittlungen sei man „per Zufall auf die Whatsapp-Gruppe gestoßen“, in der Polizisten ihre rassistische und neofaschistische Gesinnung teilten. Vier Polizisten und eine Kollegin sind inzwischen suspendiert oder beurlaubt. Ob sie auch für den Drohbrief verantwortlich sind, will man nicht sagen.
Laut der FAZ dürfte es „sich um den größten Polizeiskandal der vergangenen Jahre handeln“. Die Zeitung fährt fort: „Unterdessen ist (…) ein weiteres Drohschreiben aufgetaucht, das an mehrere Strafverteidiger, Behörden und Medien geschickt wurde und auch dieser Zeitung vorliegt. Überschrieben ist es mit ‚NSU 2.0‘ – derselben Bezeichnung, die auch der oder die Verfasser des Faxes an die Frankfurter Strafverteidigerin Seda Basay-Yildiz verwendet hatten. Aus Sicherheitskreisen war zu hören, man nehme dieses neue Schreiben ernst, kann es aber noch nicht einordnen. Es könne sich um denselben Verfasser handeln, möglich sei aber auch ein Nachahmer.“ (faz.net vom 18. Dezember 2018)
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dazu am 17. Dezember 2018 sehr, sehr viel: „Das ist eine sehr ernste Geschichte. Da muss man sehr sorgfältig drangehen.“ Er gehe davon aus, „dass das sehr intensiv und umfassend aufgeklärt wird“. Er könne noch nicht absehen, „wie weit das geht“.
Man sollte diesem Mann sehr vorurteilsfrei begegnen, vor allem, wenn er alles, aber auch alles mit „sehr“, also einem Superlativ, verbindet.
Dieser Ministerpräsident hat in Sachen „intensiver und umfassender“ Aufklärung Übung. Es war genau jener Volker Bouffier, der entscheidenden Anteil daran hatte, dass die Polizei an der Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat in Kassel 2006 gehindert wurde. Als damaliger Innenminister verweigerte er die Vernehmung von V-Leuten, die der Geheimdienstmitarbeiter Andreas Temme „führte“:
„Ich bitte um Verständnis dafür, dass die geplanten Fragen … zu einer Erschwerung der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz führen würden.“ („Brauner Terror – Blinder Staat – Die Spur des Nazi-Trios“, ZDF-Sendung vom 26.6.2012).
Und er hat ein Gespür dafür, „wie weit das geht“, und was man dafür tut, dass man so weit nicht kommt. So wurden die Akten, die helfen könnten, zu begreifen, wie weit das geht, für sage und schreibe 120 Jahre gesperrt. Dann aber, also im Jahr 2134, wird es „sehr“ spannend, für die, die sich dann noch daran erinnern können.
Aber eigentlich ist das doch alles schon Geschichte …
Denn der Rechtsstaat hat in Sachen NSU alles aufgeklärt. Nach 438 Verhandlungstagen kam das Oberlandesgericht in München zu dem Ergebnis, das bereits von Anfang an feststand:
- Der NSU bestand aus exakt drei Mitgliedern (Trio-Version)
- Es gab dreizehn Jahre lang keine „heiße“ Spur zum NSU
- Staatliche Institutionen waren weder am Aufbau, an der Vorbereitung und am Begehen von NSU-Straftaten, noch an der Verhinderung von möglichen Festnahmen beteiligt
Mit den Urteilen in München ist der Schlussstrich gezogen, das konstatierte „komplette Behördenversagen“ in trockenen Tüchern. Natürlich gibt es Zweifel, die man haben kann, wenn ihnen keine Konsequenzen folgen.
Wer also auch immer von NSU 2.0 redet, kann nur spinnen, sät Misstrauen, glaubt den vielen bedauerlichen Einzelfällen, Zufällen und Pannen nicht und saugt sich etwas aus den Fingern. Schnell und einig hätte man einer solcher Verdächtigung einen Aluhut (Kopfbedeckung für alle Verschwörungsliebhaber) aufgesetzt.
Es gab zwar einige Stimmen, die der Mär vom „Terror-Trio“ keinen Glauben schenkten, die von einer elfjährigen Pannenserie nicht viel hielten.
Es gab auch welche, also wenige, die anhand der vorhandenen Fakten belegten, dass es den NSU ohne eine staatliche Beteiligung, ohne staatliches Zutun nicht gegeben hätte. Eine Beteiligung, die viele Arten einschließt: einen durchschnittlichen Rassismus, der die möglichen Täter im Fremden sucht. Polizisten, die mit dem NSU sympathisieren und ziemlich viele, denen das gleichgültig ist, die sich nicht gegen ihre Kameraden stellen (von wegen „Kameradenschwein“) und einfach nur ihren Job machen wollen.
Staatliches Zutun mit vielen Facetten
Es geht um staatliches Zutun, das ebenfalls viele Facetten aufweist:
Man wollte und will aus politischen Gründen nichts von einem „braunen Untergrund“ wissen.
Man hat(te) nicht nur den NSU im Auge, sondern wollte und will über die Unzahl an V-Leuten die internationalen Strukturen des Neofaschismus infiltrieren und ist bereit, Opfer in Kauf zu nehmen. Dabei ist der „Quellenschutz“ wichtiger als der eigentliche Auftrag, Morde zu verhindern bzw. aufzuklären.
Man verhinderte die Aufklärung, denn eine „lückenlose“ Aufklärung hätte bedeutet, zuzugeben, dass man die Entwicklung des NSU von Anfang an begleitet hat, was politisch und juristisch die Frage aufwirft, ob es eine Staatshaftung für das gibt, was dem NSU zur Last gelegt wird.
Das ist ganz und gar nicht philosophisch oder psychologisch gemeint: Wenn staatliche Institutionen von Mordplanungen Kenntnis haben, wenn sie einen Mord verhindern könnten, Festnahmemöglichkeiten nicht wahrnehmen, dann macht sich der Staat strafbar – zum Beispiel in Form der Beihilfe zum Mord.
Wenn also ein Geheimdienstmitarbeiter, wie Andreas Temme vom Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen, sich gar nicht zufällig in dem Café aufhielt, in dem wenige Minuten später der Besitzer hingerichtet wurde, müssten alle Fakten auf den Tisch, die seine Verbindungen und seine Zusammenarbeit mit Neonazis, also auch mit Mitgliedern des NSU-Netzwerkes, einschließt.
Korpsgeist und Mobbing
Die Frage nach dem staatlichen Zutun würde aber auch die wenigen Polizisten zu Wort kommen lassen, die für ihren fehlenden Korpsgeist gemobbt und auf vielfältige Weise bestraft wurden.
Dazu gehören jene Polizisten, die tatsächlich in alle Richtungen ermittelt und dies auch sehr konsequent gemacht hatten, wie die SOKO Café in Kassel, die den Mord an Halit Yozgat 2006 aufklären sollte.
Sie hielten Andreas Temme für einen Verdächtigen und gingen dieser Spur nach. Sie observierten ihn, beobachteten, wie sich Vorgesetzte mit ihm an einer Raststätte trafen. Sie hörten wochenlang die Telefonate ab, die er geführt hatte. Dabei fielen Worte wie „Assibude“ und „Dreckstürken“. Und sie hielten fest, wie seine Frau – mit Blick auf den Besuch des Internetcafés – ihm anraunzte:
„Willst du nicht mal auf mich hören? Ich sage noch, ne, nimm keine Plastiktüte mit!“ (tagesspiegel.de vom 8.6.2015)
Das ist nicht unerheblich, denn ein Zeuge im Internetcafé hat Andreas Temme mit einer Plastiktüte gesehen, in der er einen schweren Gegenstand vermutete.
Die Polizisten machten das so gut, dass alles in Bewegung gesetzt wurde, um Andreas Temme zu beschützen: Angefangen von seinem Vorgesetzten im Landesamt für Verfassungsschutz, über den Geheimschutzbeauftragten Gerald Hasso Hess vom Landesamt für Verfassungsschutz/LfV, bis hin zum damaligen Innenminister Volker Bouffier, der es abgelehnt hatte, dass die von Andreas Temme geführten V-Leute vernommen werden konnten.
Dazu gehören ganz sicher zwei Polizisten.
Nicht viele, wenn man die Hunderten von Polizisten vor Augen hat, die in den elf Jahren konzentriert, ohne Murren und ohne Widerspruch in die falsche Richtung ermittelt hatten und zufällig zu ein und demselben Ergebnis kamen: Die Morde an Menschen mit Migrationshintergrund können nur von ihresgleichen getötet worden sein – Ausländerkriminalität, Organisierte Kriminalität eben.
Der eine Polizist heißt Mario Melzer. Er war über 20 Jahre beim LKA und als Zielfahnder in der SOKO Rechtsextremismus in Thüringen tätig, also mit den polizeilichen Ermittlungs- und Fahndungsmöglichkeiten bestens vertraut.
„Schon vor 1998 hatte man ihn der ‚Hexenjagd‘ bezichtigt, als er immer wieder über den seltsamen Schutz klagte, den bestimmte Personen aus der Neonaziszene bei Ermittlungen und Gerichtsverfahren genossen. Etliche Ermittlungsverfahren gegen Tino Brandt, den Anführer des so genannten Thüringer Heimatschutzes, zu dessen engstem Umfeld auch die späteren Terroristen gehörten, führten damals zu keinem einzigen rechtskräftigen Urteil. Später stellte sich heraus, dass dieser Brandt der wohl bestbezahlte Spitzel des Thüringer Verfassungsschutzes war und mit Honoraren von insgesamt 200.000 Mark nicht nur das Netzwerk, sondern vermutlich auch das flüchtige Terrortrio unterstützte.“ („Man kann fast alles aufklären – man muss nur dürfen“, Stern Nr. 14/2016)
Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags berichtete er ausführlich über „die Einschüchterungsversuche seiner Vorgesetzten (…) Und dass er wie viele Ermittler – damals und heute – immer noch vermutet, die späteren NSU-Mitglieder hätten zumindest auf dem Weg in den Untergrund eine Art passive, wenn nicht sogar aktive Strafvereitlung im Amt genossen.“ (s.o.)
Dieses fachliche und praktische Wissen führte ihn – mit Blick auf die Selbstmordversion – zu der Einschätzung:
„Wer an die offizielle Version glaubt, glaubt auch an die Zahnfee.“
Bremste ein Minister die Ermittlungen?
Der andere Polizeibeamte war Gerhard Hoffmann (GH) – Leitender Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums Nordhessen und damaliger Leiter der „SOKO Café“, die den Mord in Kassel 2006 aufklären sollte. Was dieser vor dem NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss (UA) in Berlin im Juni 2012 gesagt hat, gibt Mely Kiyak wie folgt wieder:
„GH: Innenminister Bouffier hat damals entschieden: Die Quellen von Herrn T. können nicht vernommen werden. Als Minister war er für den Verfassungsschutz verantwortlich.
UA: Er war doch auch Ihr Minister! Ist Ihnen das nicht komisch vorgekommen? Jedes Mal, wenn gegen V-Männer ermittelt wurde, kam einer vom Landesamt für Verfassungsschutz vorbei, stoppt die Ermittlung mit der Begründung, der Schutz des Landes Hessen ist in Gefahr. Aus den Akten geht eine Bemerkung hervor, die meint, dass man erst eine Leiche neben einem Verfassungsschützer finden müsse, damit man Auskunft bekommt. Richtig?
GH: Selbst dann nicht …
UA: Bitte?
GH: Es heißt, selbst wenn man eine Leiche neben einem Verfassungsschützer findet, bekommt man keine Auskunft.“ (FR vom 30. Juni 2012)
Niemand hat diesen Polizeibeamten gelobt. Niemand hat sein „Zivilcourage“ gewürdigt. Er hatte etwas ausgesprochen, was mehr als die berühmten „schwarzen Schafe“ wissen, woran sich alle (in der Herde) halten. Einen solchen Polizeibeamten alleine zu lassen, bedeutet, den anderen den Weg freizuhalten!
Das sind wahrlich nicht viele, die sich so klar gegen die allgegenwärtige Bereitschaft zur Vertuschung und zum Duckmäusertum gestellt hatten. Womit sie rechnen mussten und müssen, hat Mario Melzer klar zur Sprache gebracht:
„Anders als andere habe ich nichts zu verlieren. Keine Familie, keine Schulden und spätestens seit meinen ersten Aussagen auch keine Karriere mehr.” (Stern Nr. 14/2016)
Ein staatliches Zutun beim Zustandekommen des NSU und bei der Nicht-Aufklärung der NSU-Taten schließt ein, dass die politisch Verantwortlichen kein Interesse daran hatten, den Mord in Kassel 2006 aufzuklären, sondern alles taten, um einen Mitarbeiter des Geheimdienstes zu schützen, der so „braun“ war wie der NSU selbst.
Die Frage ist also nicht, ob es ein Zutun staatlicher Stellen beim NSU gab, sondern einzig und alleine die verschiedenen Formen des aktiven und passiven Zutuns.
NSU 2.0
Nun ist in Hessen eine Polizei-Zelle aufgeflogen, die sich selbst mit NSU 2.0 schmückt. Diese eine Polizei-Zelle hat ihr Zuhause in Frankfurt am Main, im Polizeirevier 1, im Gerichtsviertel. Im ersten Anflug der Empörung wurde sogar in historischen Kontexten gedacht:
„Von den Fenstern des Polizeireviers 1 in der Frankfurter Innenstadt aus blickt man auf einen historischen Sandsteinbau, ein altes Gericht. Hier stemmte sich Fritz Bauer, Frankfurts Generalstaatsanwalt in der jungen Bundesrepublik, gegen den Mainstream von Altnazis unter seinen Kollegen in Polizei und Justiz; gegen einen Strom, der die Verbrechen der NS-Täter am liebsten vergessen machen wollte. Bauer kämpfte gegen Kollegen, die ihn sabotierten. Ein Satz, der ihm zugeschrieben worden ist, lautet: ‚Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland‘.” („Die Polizei hat ein Haltungsproblem“, SZ vom 18. Dezember 2018)
Mittlerweile haben wir bereits den Halbzeitwert dieses Skandals erreicht. Nun liegt das ganze Besteck aus Beteuerungen, Beschwichtigungen, Vertuschungen und Verhinderungen vor uns. Das Besteck, das man elf Jahre lang im NSU-VS-Komplex erfolgreich eingesetzt hatte und nun wieder zum Einsatz bringt.
Warum auch nicht? Wenn alle, die beim NSU-VS-Komplex angeblich „versagt“ haben, befördert wurden, dann weiß man, dass man auch den nächsten Skandal bestens überlebt.
Die Empörung ist vorbei und das Wellenbad aus Beschwichtigungen setzt bereits ein, ohne eine Minute die Ermittlungen abzuwarten: Es gäbe keine „braune Polizei“, es handele sich um ein paar schwarze, also braune Schafe, um ein, zwei, also wenige Einzelfälle. Ansonsten ist die Polizei toll und verdient unser vollstes Vertrauen.
Ich würde mich nicht wundern, wenn am Ende dieses Skandals eine weitere Aufstockung des Polizeietats stünde. Ein längst eingeübter Flickflack.
Scheingefechte
Es geht nicht darum, alle Polizisten zu Neonazis zu machen. Nicht alle Polizisten haben mit dem NSU sympathisiert und nicht alle Polizisten haben am NSU 2.0 ihre helle Freude.
Vielleicht war es sogar ein Polizist, der diese verschleppten und intern geführten „Ermittlungen“ öffentlich machte, als er es nicht länger aushielt, wie man auch diese Schweinerei unter den Dienstteppich kehren wollte.
Man darf sich vorstellen, dass die interne Fahndung nach diesem Leck mit großem Ernst und Hochdruck betrieben wird.
Wenn man also gerade nicht davon ausgeht, dass alle Polizisten Neonazis und Rassisten sind, dann kommt man an die richtigen Fragen und an die wirklichen Nahtstellen dieses Skandals: Wer hat diese Neonazis in Polizeiuniform gedeckt? Wie viele Kollegen haben deren neofaschistische Gesinnung mitbekommen, die sie nicht nur im Gruppen-Chat teilen und posten? Wie viele haben das im Polizeialltag mitbekommen und das Maul gehalten?
Aber es gibt eben nicht nur diejenigen, die schweigen, die keinen Ärger haben wollen, die nicht als „Kameradenschweine” gelten wollen. Es geht eben auch darum, wie die Vorgesetzten darauf reagieren, wie weit sie selbst darin involviert sind. Wenn also – wie in Heilbronn – nicht nur „einfache“ Polizisten Mitglieder im rassistischen Ku Klux Klan (KKK) sind, sondern auch der Vorgesetzte einer Polizeieinheit! Dann wird man schnell erleben, wie die Sache im Sand verläuft.
Dass es kein Interesse daran gibt, solche Strukturen aufzudecken, solche Strukturen zu verhindern, lässt sich sehr klar belegen: Es gibt immer wieder solche „bedauerlichen Einzelfälle“. Warum gibt es nicht eine Anweisung, eine Dienstvorschrift, dass die Ermittlungen extern stattzufinden haben, wenn Polizeibeamte in den Fall verwickelt sind? Warum überlässt man es seit Jahrzehnten der Polizei, den Fall zu „melden“ bzw. abzugeben?
Das hat eben nichts mit den paar schwarzen, braunen Schafen zu tun, sondern mit den politisch Verantwortlichen, die diesen Korpsgeist beschützen und ihn im Kern teilen.
„Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen“
Der Schriftsteller Michael Köhlmeier hielt im österreichischen Parlament am 4. Mai 2018 eine Rede. Anlass war eine Veranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Für gewöhnlich fällt eine solche Rede nicht aus dem Rahmen, diese schon:
„Präsident Sobotka hat mir Mut gemacht, als er gesagt hat, man muss die Dinge beim Namen nennen und bitte, erwarten Sie nicht von mir, dass ich mich dumm stelle. (…) Was wirst du zu jenen sagen, die hier sitzen und einer Partei angehören, von deren Mitgliedern immer wieder einige, nahezu im Wochenrhythmus, naziverharmlosende oder antisemitische oder rassistische Meldungen abgeben. (…) Willst du so tun, als wüsstest du das alles nicht? (…) Gehörst du auch zu denen, höre ich fragen, die sich abstumpfen haben lassen, die durch das gespenstische Immer-Wieder dieser ‚Einzelfälle‘ nicht mehr alarmiert sind, sondern im Gegenteil, das häufige Auftreten solcher ‚Fälle’ als Symptom der Landläufigkeit abtun, des Normalen, des ‚Kenn-ma-eh-Schon‘, des einschläfernden ‚Ist-nix-Neues‘?
Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan.“
Titelbild: Von tsyklon/shutterstock
Quellen:
- Man kann fast alles aufklären – man muss nur dürfen, Stern Nr. 14/2016
- Rede des Schriftstellers Michael Köhlmeier vor dem Parlament.
- kontrast.at – Köhlmeier-Kritik an FPÖ: Mit vielen kleinen Schritten zum großen Bösen + Die Rede im Original + Video