Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation
  2. Gelbe Westen – Protestform des 21. Jahrhunderts?
  3. Sparen hilft nicht
  4. Digitalsteuer: Frankreich will IT-Konzerne im Alleingang besteuern
  5. Bund will bei Firmenübernahmen mehr mitreden
  6. Solidaritätszuschlag: Milliarden für Topverdiener
  7. Fachkräftemangel
  8. Streiks bei Amazon: „Wir haben uns auf einen langen Kampf eingestellt“
  9. Die Unterdeckung wächst: Hartz-IV-Empfänger zahlen bei Wohnkosten 627 Millionen Euro drauf
  10. Verbraucherschutz: Der Schutz der Industrie vor dem Verbraucher
  11. »Unsere Stories im echten Leben finden«
  12. Wie soziale Ungleichheit nachhaltige Entwicklung verhindert

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation
    Das Ministerium finanziert mit der Integrity Initiative über ein obskures Institut eine antirussische Kampagne, die aber auch Labour-Politiker angriff, was nun zu einem politischen Streit führte
    Die von Telepolis bereits erwähnte britische Integrity Initiative, die u.a. vom britischen Außenministerium und der Nato finanziert wird, sich aber als nicht parteiisch und als nichtstaatliches Netzwerk gibt, kommt wieder in die Schlagzeilen. Gegründet wurde sie 2015 vom ebenfalls vom britischen Außenministerium gesponserten Institute for Statecraft (IfS), um die russischen Desinformationskampagnen zu bekämpfen. Dazu wurden nach geleakten Dokumenten europaweit “Cluster” aufgebaut, auch in Deutschland (Integrity Initiative: Britische Beeinflussungskampagne gegen Russland?).
    Das Budget der Integrity Initiative für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis 31. März 2019 beträgt immerhin 2 Millionen Pfund, großteils vom britischen Außenministeríum. Ob man kurz nach dem Nervengiftanschlag auf die Skripals so ausgabefreudig war? 2017/2018 hatte man noch nur 582.000 Pfund vom britischen Außenministerium beantragt und erhalten. Leiter der Initiative ist Chris Donnelly, der auch Direktor vom IfS und Fellow der Defence Academy of the United Kingdom ist, lange an der Royal Military Academy arbeitete und als Sonderberater des Nato-Generalsekretärs (1989-2003) fungierte.
    Sunday Mail, Labour nahestehend, hat darauf verwiesen, dass die Initiative des Institute of Statecraft, als “geheime, von der britischen Regierung finanzierte Infowar-Einheit in Schottland” bezeichnet und betrieben von ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern, nicht nur anti-russische Propaganda betrieb, sondern auch die Labour Party und vor allem Jeremy Corbin angreifen wollte. So wurde Corbyn auf einem Tweet über einen Link auf eine Zeitung als “nützlicher Idiot” denunziert, der Moskau unterstützt. Offensiv wird von der Initiative der Twitter- Account zur Verbreitung der antirussischen Botschaften verwendet. Die vom Außenministerium finanzierte Organisation verbreitete auch Tweets mit den Worten: “Unlike Galloway Corbyn does not scream conspiracy, he implies it” oder “It’s time for the Corbyn left to confront its Putin problem”. Tweets richteten sich auch gegen andere Labour-Abgeordnete.
    Quelle: Telepolis

    Lesen Sie dazu bitte auch “Die Infokrieger im Dienste ihrer Majestät“.

  2. Gelbe Westen – Protestform des 21. Jahrhunderts?
    Nach den Warnungen vor rechter Gefahr gibt es differenziere Sichtweisen zu der französischen Protestbewegung aus der außerparlamentarischen Linken.
    Auch am dritten Samstag im Dezember sind in vielen französischen Städten wieder Tausende auf die Straße gegangen. Es gab zahlreiche Festnahmen. Wenn auch die Zahl der Protestierenden wohl kleiner geworden ist, zeigte der 15. Dezember, dass die Bewegung trotz einiger Zugeständnisse des Präsidenten und dem verstärkten Druck nach dem islamistischen Anschlag von Straßburg, die Proteste einzustellen, handlungsfähig geblieben ist.
    Zwischen Weihnachten und Neujahr dürften die Aktivitäten zurückgehen. Es wird sich zeigen, ob es im neuen Jahr eine Fortsetzung geben wird. Selbst wenn ihr das nicht gelingt, können die Gelben Westen für sich reklamieren, dass sie erstmals den selbstsicher auftretenden Macron zu Zugeständnissen gezwungen haben…
    (…) Riot – wie aus dem Bilderbuch
    Inzwischen haben sich auch Theoretiker der parteiunabhängigen Linken zu Wort gemeldet und die Bewegung der Gelben Westen verteidigt. Dazu gehört auch der US-Soziologe Joshua Clover, der bekannt wurde, als er die Riots zur Protestform der Zukunft erklärte, die nach dem von ihm diagnostizierte Ende der fordistischen Produktionsweise, die Streiks ablösen.
    Durch die Gelben Westen sieht sich Clover bestätigt: Die Bewegung der Gilets Jaunes habe sich ihrer Gestalt nach geradezu idealtypisch herausgebildet. Sie sei ein Riot, wie wir ihn aus dem Lehrbuch kennen….Die Gelben Westen haben nun von Macron die Zugeständnisse erzwungen, die den gewerkschaftlichen Kämpfen nicht gelungen sind.
    Aufruf zu täglichen Vollversammlungen
    Auch in Frankreich haben antagonistische Linke schon längst Impulse in die Bewegung getragen. Genannt sei hier der Aufruf der Gelben Westen von Commercy zur Bildung von Volksversammlungen…
    Quelle: Telepolis

    dazu: »Die Sehnsucht nach dem Politischen ist groß«
    Warum Macrons Zugeständnisse an die Gelbwesten nicht genug sind, wie die Gewerkschaften versagen und welche Fragen sich jetzt stellen. Der Schriftsteller Guillaume Paoli im Gespräch mit Clemens Melzer.
    CM: Die Bewegung der Gelbwesten ist sehr heterogen und die Lage hat sich seit Ende Oktober verändert – was sind die aktuellen Forderungen der «gilets jaunes»?
    GP: Da es keine zentrale Organisation gibt, fehlt auch ein einheitlicher Forderungskatalog. Nach einer Online-Umfrage wurden 42 Forderungen veröffentlicht, doch auf lokaler Ebene werden andere gestellt. Generell würden die Leute vermutlich sagen: Mehr Kaufkraft, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Respekt. Und dass Macron zurücktritt.
    CM: Von Anfang an wurde diskutiert, ob die Bewegung als rechts oder links einzuordnen ist. Spätestens seit sich Schüler und Studenten, aber auch Teile der Gewerkschaftsbewegung mit den Protesten solidarisch erklärt haben, fällt es der Regierung schwerer, diese als «rechtsextrem» zu diffamieren. Aber ist die Gefahr, dass Le Pen von den Protesten profitiert, damit gebannt?
    GP: Die Bewegung ist deswegen untypisch, weil mehrheitlich von Menschen getragen, die politisch unerfahren und schwer einzuordnen sind. Wenn sie eines gemeinsam haben, dann allerdings die tiefe Abneigung gegen sämtliche Parteien und repräsentative Instanzen. Sicher gibt es unter ihnen Leute, die Le Pen gewählt haben, andere Mélenchon, wobei wahrscheinlich die meisten zu den 16 Millionen gehören, die sich bei der Stichwahl 2017 der Stimme enthalten haben. Doch alle wollen mit der etablierten Politik nichts zu tun haben, zu der auch Le Pen längst gehört. Schließlich entscheidet sich die rechte Klientel immer für Ordnung und Autorität, und nicht für Krawall und direkte Aktion.
    Quelle: ada

  3. Sparen hilft nicht
    Die EU-Kommisson behandelt ihre Mitglieder ungerecht. Von Italien verlangt sie eine strengere Sparpolitik. Dabei heißt das Problem Stagnation.
    Die italienische Regierung ist zwar populistisch, aber ökonomischen Sachverstand besitzt sie. Gnadenlos legen die Italiener offen, dass die EU-Kommission ihr Land viel härter anfasst als die anderen Eurostaaten. Jüngster Anlass: Der französische Präsident Macron plant jetzt mit einem Haushaltsdefizit von über drei Prozent für 2019, was aber in Brüssel niemanden aufregt. Italien hingegen wurden für ein angepeiltes Minus von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung Milliardenstrafen angedroht. Wie kann das sein?
    Die Italiener wundern sich zu Recht, zumal nicht nur Frankreich die Defizitregeln großzügig auslegt. Belgiens Haushalt, zum Beispiel, wies seit der Finanzkrise 2008 ständig hohe Defizite auf, und auch dieses Jahr dürfte das Minus bei knapp 6 Prozent liegen. Aber ein Defizitverfahren gegen die Belgier gab es nie.
    Trotzdem bleibt die EU-Kommission hart: Für die Italiener gälten andere Regeln, da ihre Schulden schon so hoch seien! Rom müsse sparen, um diese Last wieder abzubauen. Brüssel agiert, als wäre Italien mit Familie Mayer in Dinslaken zu vergleichen. Die Mayers dürfen ja auch keine Schulden machen, ohne sie zurückzuzahlen.
    Es ist jedoch ein Missverständnis, dass Staaten wie Familien sparen könnten, um Schulden zu reduzieren. Die Italiener sparen seit Jahrzehnten vergeblich. Pro Einwohner hat der Staat seine Ausgaben seit 1991 kaum erhöht, wie die italienische Ökonomin Antonella Stirati in einem taz-Interview vorgerechnet hat.
    Quelle: Ulrike Herrmann in der taz

    dazu passend: Frankreichs Schulden wohl doch höher
    Frankreich könnte 2019 mit seinem Haushaltsdefizit die EU-Obergrenze reißen. Das Defizit wird laut Premier Philippe voraussichtlich rund 3,2 Prozent betragen. Grund für die Verschuldung sind Zugeständnisse an die “Gelbwesten”. […]
    Vor Beginn der Protestwelle gegen hohe Lebenshaltungs- und Treibstoffpreise hatte Frankreich ein Defizit für 2019 von 2,8 Prozent des BIP geplant. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hatte am Donnerstag erklärt, ein Überschreiten der Defizit-Zielmarke in Frankreich könne toleriert werden, solange es sich um ein zeitweises Problem handele.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: Was den Franzosen recht ist, sollte den Italienern billig sein, verehrter Herr Kommissar Moscovici aus Frankreich.

    außerdem: Portugal schwimmt gegen den Strom zum Erfolg
    Während der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Sommer 2016 angedroht hat, dass das Land bald wieder ein zweites Rettungsprogramm bekommen müsse, kam es ganz anders. Die Aufkündigung des absurden Kurses, einfach die Ausgaben überall zu kürzen, führte zum Erfolg. Die von den konservativen Vorgängern gekürzten Löhne und Renten wurden wieder erhöht, eingeführte Sondersteuern wieder abgeschafft und Steuererhöhungen zurückgenommen. Es wurden aber auch Steuern erhöht, wie die Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer. Mit der Zusatzgrundsteuer wurde zudem eine Vermögenssteuer auf Immobilien eingeführt. Ein Freibetrag sichert aber, dass das kleine Häuschen oder die normale Wohnung der einfachen Leute steuerfrei bleibt. […]
    Zentral war, die Binnennachfrage, Investitionen und Konsum insgesamt zu stärken. Mit Touristen, Rentnern und Investoren wird zahlungskräftiges Potential ins Land geholt. Zudem wurde die Kaufkraft der Portugiesen erhöht, die es dringend nötig haben. Geld wurde dort geholt, wo es nicht ausgegeben wird, bei Vermögenden.
    Mit der Strategie wurde schnell die Arbeitslosigkeit auf nur noch 6,7% gesenkt. Das schafft Beitragszahler für die Sozialversicherung und generiert Steuereinnahmen. Darüber wurde das Haushaltsdefizit 2017 sogar auf gut 2% gedrückt, deutlich unter die Stabilitätsgrenze von 3% und deutlich unter die Brüsseler Vorgabe von 2,4%. Inzwischen wird das Land sogar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hofiert, auch die großen Ratingagenturen mussten die Erfolge anerkennen, womit sich auch die Zinskosten für portugiesische Staatsanleihen verringert haben. Das Land kann so frühzeitig teure Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen und verschafft sich damit weiter Spielraum für Investitionen und Sozialleistungen.
    Im Vergleich zum Nachbarland Spanien werden die Erfolge besonders deutlich. Das Land, in dem der Austeritätskurs auch unter der neuen sozialdemokratischen Regierung weiter angewendet wird, riss 2017 das Defizitziel erneut. Die Arbeitslosenquote ist knapp 15% hoch und wird nur von Griechenland übertroffen. Und obwohl die Arbeitslosigkeit mehr als doppelt so hoch wie im Nachbarland ist, gibt Spanien nur 24,2% der Wirtschaftsleistung (BIP) für Sozialschutz aus, hat die europäische Statistikbehörde Eurostat errechnet In Portugal waren es dagegen 25,2% und in Deutschland 29,4%.
    Quelle: Telepolis

    auch passend: Die deutsche Frage
    Berliner Regierungsberater und Außenpolitikexperten mahnen zu Kurskorrekturen in der deutschen EU-Politik. Eine gravierende Schwäche der Union bestehe darin, dass die Eurozone bis heute “längst nicht krisenresilient” sei, urteilt die Forschungsdirektorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die deutschen Austeritätsdiktate beim Vorgehen gegen die Eurokrise und die Berliner Migrationspolitik hätten auf dem ganzen Kontinent das “Misstrauen gegen angebliche deutsche Alleingänge und Hegemoniestreben wiederaufleben lassen”, warnt der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK). Mit Blick auf die deutsche EU-Politik urteilt ein Historiker, die schon aus der Zeit des Kaiserreichs in anderen Staaten Europas verbreitete Wahrnehmung Deutschlands als “unberechenbar” sowie als “Bedrohung” sei heute wieder verbreitet; “die Frage nach der Verträglichkeit der deutschen Stärke mit der europäischen Ordnung” – “die deutsche Frage von 1871” – werde derzeit erneut gestellt. Deutschland stehe “wieder da, wo es 1914 stand”.
    Quelle: German Foreign Policy

  4. Digitalsteuer: Frankreich will IT-Konzerne im Alleingang besteuern
    Amerikanische IT-Konzerne machen in Europa Milliardengewinne. Steuern zahlen sie dort aber kaum. Die sogenannte Digitalsteuer könnte das ändern. Weil eine EU-weite Lösung nicht in Sicht ist, plant Frankreich den Alleingang.
    Eine sogenannte Digitalsteuer ist ein Thema, um das in Europa heftig gerungen wird. Die Idee dahinter ist, dass die riesigen Digitalkonzerne wie Google oder Facebook ihre Gewinne dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden und nicht mehr zum Beispiel komplett in Irland abrechnen, wo sie fast keine Steuern bezahlen. Frankreich würde eine solche Steuer gerne europaweit und am liebsten gestern einführen. Deutschland bremst dagegen gewaltig. Jetzt erhöht Frankreich den Druck massiv.
    Milliarden Umsätze in Frankreich – und fast keine Steuern bezahlt
    Um zu verstehen, warum die Steuer eine französische Herzensangelegenheit ist, reicht ein Blick auf die nackten Zahlen. Im Jahr 2017 haben allein die ominösen GAFA, also Google, Amazon, Facebook und Apple in Frankreich geschätzt rund 12 Milliarden Euro umgesetzt. Die gezahlten Steuern beliefen sich dagegen auf gerade mal knapp über 40 Millionen Euro. Fast nichts also. (Anmerkung WM: das sind 0,33% vom Umsatz!)
    In der Bevölkerung wird das als große Ungerechtigkeit wahrgenommen. Der Kampf gegen internationale Steuervermeidung ist eins der dringendsten Anliegen der Protestbewegung der sogenannten Gelben Westen, die Präsident Macron gerade in eine schwere politische Krise stürzen. Denen hatte Macron bereits vergangene Woche in einer Fernsehansprache versprochen:
    „Große Unternehmen, die hier Profit machen, müssen auch hier Steuern zahlen. Das ist nur gerecht.“
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Marco Wenzel: Hier muss man die französische Regierung ausnahmsweise einmal loben. Wenn sie es denn auch durchziehen. Die anderen Länder sind dazu zu feige und reden sich damit heraus, dass eine solche Steuer, wie auch eine Finanztransaktionssteuer, nur dann Sinn mache, wenn sie von allen Ländern der EU gleichzeitig eingeführt würde. Ein Alibi fürs Nichtstun, das die Staatshaushalte jährlich hunderte Milliarden entgangener Steuereinnahmen kostet. Steuergelder, die für die Instandhaltung der Infrastruktur und für Sozialprogramme fehlen.

    Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Peinlich, dass Frankreich nun umsetzt, was der SPD-Star Olaf Scholz aus Rücksicht auf die Großkonzerne sich nicht umzusetzen traut.

    dazu: Digitalisierung macht das Land reicher – und ungleicher
    Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt. Es ist durchaus möglich, sie zu gestalten und Gewinne endlich gerecht zu verteilen – zum Beispiel nach dem Vorbild Alaskas.
    Viele der großen ökonomischen Trends unserer Zeit – Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung – haben eines gemeinsam: Sie sind gut für die Gesellschaft, aber nicht unbedingt gut für jeden Einzelnen. Der Wandel der Wirtschaft führt zu einer stärkeren Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung. Gerade auf dem Arbeitsmarkt schafft die neue Ökonomie auch Verlierer. Es war ein großer Fehler der Politik, dass sie dieser Entwicklung zugesehen hat wie einem Hurrikan, der übers Land fegt.
    Aber Globalisierung und Digitalisierung sind keine Naturgewalten. Wirtschaftspolitik kann sie gestalten und sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnen. Wie? Im Prinzip ganz einfach: Die Regierenden hätten den Globalisierungsgewinnern einen Teil ihrer Profite nehmen und sie den Verlierern geben müssen. So aber riss die Entwicklung einen tiefen gesellschaftlichen Graben auf, der den Aufstieg von Populisten beschleunigt hat. Der Spalt ist gewaltig, er darf durch den rasenden technologischen Fortschritt, den westliche Volkswirtschaften gerade durchlaufen, nicht noch größer werden. Dieses Mal muss es den Regierenden gelingen, die Märkte zum Wohle aller zu bändigen.
    Die wachsende Kluft lässt sich durch klassische Umverteilung nur schwer schließen. Denn ein Großteil dieser Umverteilung wird über die Systeme der Sozialversicherung geleistet, die finanzieren sich aber vorwiegend aus den bedrohten Arbeitskommen. Da die Lohnquote sinkt, gerät dieses System zunehmend selbst unter Druck. Auch eine Robotersteuer wäre der falsche Ansatz, folgt sie doch der rückwärtsgewandten Logik der Maschinenstürmer aus dem 19. Jahrhundert: Angriffe auf neue Technik, die Arbeitsplätze und soziale Verhältnisse zerstörte. Der Preis für eine neue Maschinenstürmerei wären erhebliche Wachstumseinbußen.
    Quelle: SZ

  5. Bund will bei Firmenübernahmen mehr mitreden
    Die Einkaufstour chinesischer Investoren in Europa sorgt für Diskussionen. Nun hat sich die Bundesregierung laut einem Medienbericht darauf geeinigt, wie sie Übernahmepläne leichter prüfen und notfalls stoppen kann. (…)
    Kern der Novelle der Außenwirtschaftsverordnung ist demnach eine Absenkung der Schwelle, ab der die Bundesregierung einen Anteilserwerb durch einen Investor außerhalb der Europäischen Union prüfen und gegebenenfalls untersagen kann. Bislang liegt diese Schwelle bei einem Firmenanteil von 25 Prozent. Laut dem Gesetzentwurf soll sie auf zehn Prozent sinken. Dieser Schritt geht über die bisherigen Pläne von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hinaus, der ursprünglich 15 Prozent als Zielmarke formuliert hatte.
    Die künftige Schwelle von zehn Prozent bezieht sich ausdrücklich nur auf Unternehmen aus sicherheitsrelevanten Bereichen. Dazu zählen unter anderem die Verteidigung und die sogenannten kritischen Infrastrukturen wie Energieversorger, Schienen-, Straßen- oder Datennetze. Unter die Regelung können aber auch Lebensmittelproduzenten fallen, wenn sie eine bestimmte Größe überschreiten. Die Liste der sicherheitsrelevanten Unternehmen solle im Zuge der Reform um Unternehmen der Medienwirtschaft erweitert werden, berichtete das “Handelsblatt”.
    Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte auf dpa-Anfrage lediglich, dass die Novelle der Außenwirtschaftsverordnung “demnächst ins Kabinett soll”. Nähere Angaben zum Inhalt machte das Ministerium aber nicht.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Ob im Gesetzentwurf wohl auch steht, wie die Übernahme deutscher Firmen durch US-amerikanische Investoren wie BlackRock & Co. durch die Bundesregierung geprüft und notfalls gestoppt werden kann? Ein Schelm wer so denkt! Schließlich vertritt die Bundesregierung doch dieselbe Werteordnung wie die US-amerikanischen Investoren. Und man lässt sich in deutschen Landen lieber von verbündeten Ländern die Wirtschaft ruinieren, als von “fremden Finsterlingen” aus dem fernen Reich der Mitte.

  6. Solidaritätszuschlag: Milliarden für Topverdiener
    Die Union will den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen. Neue Zahlen zeigen, wem das nützt
    Auf dem Parteitag der CDU haben die Delegierten beschlossen, dass der Zuschlag auf die Einkommensteuer noch in dieser Legislaturperiode vollständig abgeschafft werden soll. Ein großer Schritt “hin zu mehr Glaubwürdigkeit” sei das, sagt Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung in der Union. Schließlich verspricht seine Partei schon lange das Ende der Sondersteuer, die eingeführt wurde, um die deutsche Einheit zu finanzieren. Die Mauer ist vor fast 30 Jahren gefallen, der Soli existiert immer noch.
    Es gibt aber ein Problem: Im Koalitionsvertrag steht etwas anderes….
    Worum also geht es?
    Diese Frage lässt sich anhand von der ZEIT vorliegenden Berechnungen des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums erstmals im Detail beantworten. Das Ergebnis sieht zusammengefasst so aus: Vom Koalitionsbeschluss würden vor allem Menschen mit niedrigen, mittleren und gehobenen Einkünften profitieren, der Unionsvorschlag entlastet vor allem Spitzenverdiener.
    (…) Für den Staat würde die Angelegenheit allerdings ziemlich teuer: Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Rabatte kosten schon 10,2 Milliarden Euro. Die zusätzlichen Steuerentlastungen für die Topverdiener schlagen mit rund 11,5 Milliarden Euro zu Buche. Jahr für Jahr…
    Quelle: Zeit online
  7. Fachkräftemangel
    1. Fachkräftemangel? Schön wär’s!
      So langsam versteht Florian Bange* die Welt nicht mehr. Der 33-Jährige gehört eigentlich zu einer angeblich extrem gefragten Spezies, händeringend gesucht, wie es immer heißt: Er ist Ingenieur. In Hamburg hat er Verfahrenstechnik studiert, nach elf Semestern das Diplom mit der Note 1,9 abgeschlossen, danach mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni für seine Promotion geforscht. Es gibt keinen auffälligen Makel in seinem Lebenslauf. Und trotzdem findet Florian Bange keinen Job.
      Zwei Tage in der Woche nimmt er sich, um nach Stellenausschreibungen zu schauen und Bewerbungen zu schreiben, 107-mal hat er seine Unterlagen in diesem Jahr schon verschickt, 15-mal wurde er zu einem Gespräch eingeladen, meistens bei Zeitarbeitsfirmen. Eine Stelle war nicht dabei. Er hat Freunde seiner Eltern gebeten, den Lebenslauf zu prüfen, einen Headhunter und eine Personalreferentin. Aber auch der professionelle Rat half nicht. “Dass die Suche einen Augenblick dauern würde, war mir ja klar”, sagt er. “Aber dass es so ein großes Problem wird, hätte ich nicht gedacht.”
      Banges Erfahrung erstaunt. Denn das, was auch er Tag für Tag in den Nachrichten liest, zeichnet ein ganz anderes Bild vom Arbeitsmarkt. Aus den verschiedensten Branchen heißt es: Hilfe, wir finden keine Leute mehr! Angeblich mangelt es im großen Stil an Fachkräften, Menschen also, die eine Berufsausbildung oder sogar ein Studium abgeschlossen haben. …
      Und seit Jahren schon hört man immer wieder die Klage, dem Land gingen die Ingenieure aus, stets mit neuen, einander überbietenden Horrorzahlen über die Dimension des Personalmangels. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft vermeldete im September, Monat für Monat seien in Deutschland 129.470 offene Stellen für Ingenieurinnen und Ingenieure ausgeschrieben, elf Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor – und der höchste Wert seit Beginn der Studie 2011. …
      Auch das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Bewerbern und Arbeitslosen ist so niedrig wie lange nicht mehr. Trotzdem ist Forscher Bossler zurückhaltend, wenn von einem vermeintlichen Fachkräftemangel die Rede ist. “Es kommen immer noch zwei Arbeitslose auf eine offene Stelle”, sagt er. “Man kann also nicht sagen, dass es einen generellen Engpass gibt. Im Durchschnitt sind genügend Arbeitskräfte vorhanden.” Die Mitarbeitersuche mag für viele Unternehmen zwar schwieriger geworden zu sein – trotzdem sind sie auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor in einer günstigeren Position als die Menschen, die eine Stelle suchen.
      Quelle: Zeit

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Gut, dass die ZEIT den Mythos vom Fachkräftemangel auch mal dekonstruiert. Selbst da, wo die Arbeitskräfte tatsächlich etwas knapper sind (z. B. in der Pflege), bleiben die Löhne und Gehälter weiterhin hart gedeckelt; und dann beschweren sich die Arbeitgeber (bei wem eigentlich, wenn sie selbst verantwortlich sind???), über den angeblichen “Fachkräftemangel”. Dass man als Arbeitnehmer angesichts von deutlich über 3 Millionen Arbeitslosen und der deutschen Dumpinglohnpolitik gegen noch mehr Arbeitskräftezuwanderung sein sollte, als es ohnehin schon gibt, liegt auf der Hand.

    2. IT-Spezialisten sind den meisten Firmen zu teuer
      Rund 82.000 offene Stellen für IT-Experten hat es laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom 2018 in Deutschland gegeben. Das bedeutet einen Anstieg von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einen neuen Höchststand beim IT-Fachkräftemangel. Einer entsprechenden Umfrage zufolge haben 82 Prozent der Firmen einen Mangel an IT-Spezialisten – Tendenz steigend. Fast 60 Prozent rechnen mit einer Verschärfung der Lage.
      „Quer durch alle Branchen werden IT-Spezialisten händeringend gesucht“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der Studie zufolge dauert es derzeit im Durchschnitt fünf Monate, bis Unternehmen eine offene IT-Stelle besetzen können. Der Fachkräftemangel könne schon bald zu einer „bedrohlichen Wachstumsbremse“ werden, so Rohleder.
      Als Hauptgrund für die Probleme bei der Besetzung von IT-Stellen gaben die Unternehmen die Finanzen an. 76 Prozent der Firmen erklärten, dass die Bewerber zu viel Gehalt forderten. Fehlende fachliche Qualifikation beklagen 38 Prozent, Soft Skills wie etwa Sozialkompetenzen vermissen 35 Prozent der befragten Unternehmen.
      Quelle: t3n

      Anmerkung JK: Deutlicher geht es nicht wofür das Fachkräftezuwanderungsgesetzt herhalten soll. Marktwirtschaft geht für Unternehmer nur in eine Richtung, ein möglich großes Arbeitskräfteangebot soll die Löhne drücken. Dabei ist die Lösung des „Fachkräftemangels“ naheliegend, einfach marktgerechte Löhne zahlen. Allerdings sind Angaben zu angeblich fehlenden Fachkräften von Branchen- und Lobbyverbänden immer mit Vorsicht zu betrachten. Es liegt in deren ureigenen Interesse die Situation zu dramatisieren.

    3. Geringqualifizierte mit Arbeitsvertrag sollten befristet bei uns arbeiten dürfen
      Das geplante Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften wird von allen Seiten kritisiert. Vor Weihnachten soll es möglichst noch verabschiedet werden. Gestritten wird darüber, ob mehr Arbeitskräfte kommen sollen und mit welcher Qualifikation. […]
      Sollten Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium sich einigen, dürfte das Ergebnis noch weiter abgestimmt werden, bevor es ins Kabinett geht. Insbesondere aus der Union kamen zuletzt kritische Töne; Abgeordnete warnten vor „Missbrauchsmöglichkeiten und möglichen Fehlanreizen“ für Ausländer auf Jobsuche.
      Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geht der Entwurf hingegen nicht weit genug. Er teile die Einschätzung vieler Unternehmer, dass Baden-Württemberg die Zuwanderung von Arbeitskräften benötige, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“.
      Dies gelte nicht nur für Hochqualifizierte, sondern auch für Geringqualifizierte: In vielen Branchen herrsche schon jetzt ein eklatanter Mangel an Fachkräften, aber auch an gering Qualifizierten. „Man sollte vereinbaren, dass Geringqualifizierte, die vorab einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben, zeitlich befristet bei uns arbeiten dürfen.“
      Quelle: WELT

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Kretschmann ist ja schon durch die absonderlichsten Äußerungen aufgefallen (“Die Grünen sind schon immer Autofahrerpartei gewesen”), aber diese hier zeigt ihn nicht nur einmal mehr als Lakaien der Unternehmen, sondern man fragt sich ernsthaft, was in seinem Hirn passiert. 3,1 Millionen Arbeitslose gibt es offiziell in Deutschland, real sicher noch ein paar Hunderttausend mehr. Wenn das keine der gesuchten Fachkräfte sind (was faktisch falsch ist), dann doch wenigstens “Geringqualifizierte” – oder? Irgendwo müssen doch die Millionen Arbeitslosen einzuordnen sein. Und warum übernimmt Kretschmann ohne jede Nachfrage die Diagnose eines (lokalen) Arbeitskräftemangels und der “offensichtlichen” Symptombekämpfung “Zuwanderung von Geringqualifizierten”, wenn gleichzeitig in Deutschland deutlich über 3 und in der gesamten EU etwa 20 Millionen Menschen arbeitslos sind – gibt es darunter allen Ernstes keine “Geringqualifizierten”? Oder ist “Geringqualifiziert” nicht vielmehr ein Codewort für “Menschen, die bereit sind, zum Niedrigstlohn zu arbeiten”? Die völlig naheliegende Lösung: Anwerbung von – man wagt es kaum auszusprechen – in Deutschland beheimateten, arbeitslosen Menschen durch Zahlung von akzeptablen (also deutlich höheren) Löhnen, fällt wahrscheinlich auch deshalb flach, weil die Jobs nur “befristet” sind. Das macht Kretschmanns Konstruktion noch absurder und positioniert den Vorschlag noch näher an offener Sklaverei: ein Mensch z. B. aus Serbien (oder Nigeria?) würde für z. B. drei Monate (“befristet”) nach Stuttgart einreisen, um sich für 9 Euro pro Stunde als Lagerarbeiter (oder Paketzusteller) anstellen zu lassen. Vom Lohn könnte er nicht einmal seine Wohnung zahlen kann, die er aber in Stuttgart eh nicht fände… und nach erfolgter Ausbeutung wieder ins Herkunftsland zurückgeschickt. Angesichts der ultramiesen Bezahlung, die kaum zum Überleben reicht und Hin- und Rückflug (-fahrt?) und Wohnungskosten nicht abdeckt, lohnt sich das nicht einmal für die Ärmsten der Armen. Sehr menschenfreundlich, die Grünen.

  8. Streiks bei Amazon: „Wir haben uns auf einen langen Kampf eingestellt“
    (…) Armbrüster: Frau Widmann, Streiken mitten im Weihnachtsgeschäft, ist das fair?
    Widmann: Ja! Das ist natürlich immer die Natur einer Dienstleistungsgewerkschaft, dass es natürlich immer die Endkundinnen und Kunden trifft. Aber nachdem wir das jetzt nicht zum ersten Mal machen und das auch schon seit mehreren Jahren machen, müsste es klar sein, dass jeder der bei Amazon bestellt inzwischen auch weiß, was das für ein Unternehmen ist.
    Was man auch sagen muss ist, dass es sich ganz, ganz schnell beenden ließe, wenn Amazon sich mit uns an einen Verhandlungstisch setzt.
    (…) Widmann: Das sind zum einen technokratische Dinge. Die Frage ist schon, worauf sich Amazon bezieht. In dem einen Land sagt Amazon, wir sind ein Händler, in dem anderen ein Logistiker, je nachdem welcher Tarifvertrag ihnen gerade besser passt. Das muss man auch einfach mal sehen. Der Tarifvertrag für die Logistik ist ein bisschen niedriger. Allerdings muss man auch ganz deutlich klarstellen: Amazon zahlt überhaupt nicht nach Tarifvertrag, sondern sie sagen, sie orientieren sich an etwas. Das ist erst mal begrüßenswert, natürlich! Das ist aber nichts, worauf sich irgendjemand verlassen kann. Das kann sich morgen ändern.
    Da kann Amazon sagen, ach nein, jetzt machen wir das doch anders, euer Weihnachtsgeld, auf das ihr euch jetzt schon verlassen habt, machen wir doch nicht. Das ist nichts Verbindliches. Was die Menschen allerdings brauchen ist schon, zu wissen, was erwartet mich denn in den nächsten Jahren, was erwartet mich bis zur Rente. Und man muss auch ganz ehrlich mal sagen: Das was Amazon letztendlich den Beschäftigten vorenthält, nämlich ein auskömmliches Gehalt, das ist das, was wir als steuerzahlende Gemeinde früher oder später wieder auffangen müssen. Das muss man einfach auch ganz klarsehen…
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Marco Wenzel: Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind unter aller Sau. Die Gewerkschaft ruft zum Streik auf. Und der „Deutschlandfunk“ ist in Sorge darum, dass die Weihnachtspakete zu spät geliefert werden könnten! Stell dir vor, es wird gestreikt und keiner merkt es!

    dazu: Alle Jahre wieder
    Erneut Streiks bei Amazon. Geschenkelieferungen gefährdet
    (…) Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linkspartei, Pascal Meiser (MdB), solidarisierte sich am Montag mit den streikenden Amazon-Beschäftigten. »Es ist doch obszön, dass Amazon-Chef Jeff Bezos inzwischen zum reichsten Mann der Welt geworden ist«, während seine Angestellten, so Meiser, zum Teil nicht wüssten, wie sie ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest bescheren sollen. »Und das nur, weil Amazon ihnen das im Versandhandel übliche Weihnachtsgeld verweigert.« Meiser sagte, Amazons Lohndumping gehe nicht nur zu Lasten der Beschäftigten, sondern auch zu Lasten der Konkurrenz im stationären wie im Versandhandel, die noch »anständige« Tariflöhne zahle.
    Quelle: junge Welt

  9. Die Unterdeckung wächst: Hartz-IV-Empfänger zahlen bei Wohnkosten 627 Millionen Euro drauf
    Im August 2018 erhielten über drei Millionen Haushalte in Deutschland Hartz-IV-Leistungen zur Deckung ihrer Wohnkosten. Denn für Haushalte im Hartz-IV-Bezug übernehmen die Jobcenter Miete, Betriebs- und Heizkosten, die so genannten Kosten der Unterkunft (KdU). Das allerdings nur bis zu einer „angemessenen“ Obergrenze, die von der jeweiligen Kommune in Orientierung an günstigen Mieten des örtlichen Mietspiegels bestimmt wird (O-Ton berichtete).
    Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigen aber, dass die Obergrenze für angemessene Wohnkosten an der Lebensrealität vieler Hartz-IV-Empfänger vorbeigeht und gleichzeitig zu erheblichen Einsparungen auf der Seite der Jobcenter führt: Von Januar bis Dezember 2017 summierte sich die Lücke zwischen den anerkannten und den tatsächlichen Kosten der Unterkunft aller in Deutschland lebenden Hartz-IV-Empfänger auf knapp 627 Millionen Euro. Verglichen mit dem Vorjahr ist die Unterdeckung der tatsächlichen Wohnkosten um rund 25 Millionen Euro gestiegen, obwohl insgesamt weniger Haushalte Hartz IV bezogen.
    Die Annäherung zwischen tatsächlichen und anerkannten Wohnkosten im Jahr 2016 wurde somit wieder zunichtegemacht. 2016 gab es eine Anhebung der Wohngeldsätze, die sich nach Einschätzung von Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Sell auch auf die Bedürftigkeit von Haushalten in der Grundsicherung auswirkte. Zuletzt betrug die Differenz rund 50,7 Millionen Euro (August 2018, Werte nur mit Wartezeit verfügbar).
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

    dazu: Hartz-IV-Regelsatz reicht nicht mehr für Stromkosten
    Strom soll 2019 teurer werden. Schlechte Nachrichten für alle – ganz besonders aber für Arbeitslose. Schon jetzt zahlen sie beim Strom drauf. Obwohl Hartz-IV-Empfänger künftig höhere Bezüge erhalten, reicht der Regelsatz bei Weitem nicht aus.
    Anhand der durchschnittlichen Stromkosten und dem Hartz-IV-Regelsatz für Energie haben die Experten von Check24 ermittelt, dass ein arbeitsloser Single in Deutschland pro Jahr rund 129 Euro mehr für Strom bezahlt, als der Staat vorsieht. Während der Regelsatz höchstens 542 Euro beträgt, liegen die Stromkosten im Bundesdurchschnitt bei 671 Euro.
    Am meisten zahlen Hartz-IV-Empfänger in Schleswig-Holstein drauf. Hier liegen die Stromkosten pro Jahr rund 168 Euro über dem Regelsatz – das sind 14 Euro im Monat. Dahinter liegen Mecklenburg-Vorpommern (164 Euro) und Brandenburg (163 Euro). Im Osten ist die Mehrbelastung mit durchschnittlich 145 Euro deutlich höher als im Westen (126 Euro/mit Berlin). …
    Ein Grund für den große Kluft zwischen Regelsatz und Strompreis ist, dass die meisten Hartz-IV-Empfänger beim teuren Grundversorger gemeldet sind. Da sie häufig verschuldet sind und deshalb eine negative Schufa-Auskunft haben, können sie ihren Anbieter aber nicht wechseln.
    Quelle: Focus

    dazu auch: UN-Rat sieht in Deutschland schwere Defizite bei sozialen Menschenrechten
    Der UN-Sozialrat wirft Deutschland schwere Defizite bei der Umsetzung der sozialen Menschenrechte vor. Zahllose ältere Menschen lebten “unter entwürdigenden Bedingungen, auch in bestimmten Pflegeheimen”, heißt es im neuen Staatenbericht des Gremiums, aus dem die “Neue Osnabrücker Zeitung” zitiert. Außerdem werde hierzulande zu wenig gegen Kinderarmut getan.
    Aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal erhielten diese Menschen “keine angemessene Pflege”. Wie schon im Bericht vor fünf Jahren wird die Regierung ermahnt, “unverzüglich” mehr Geld für die Ausbildung von Pflegern bereitzustellen sowie Pflegeheime “häufiger und gründlicher zu kontrollieren”. (…)
    Dem Bericht zufolge leben in Deutschland 2,55 Millionen Kinder in Armut, der Großteil von ihnen bei nur einem Elternteil. Das Gremium moniere mangelnde Informationen und bürokratische Hürden, die verhinderten, dass Eltern die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen.
    Überdies bezweifelten die Experten, dass die Leistungen vom Kindergeld über Kinderzuschlag bis zum Teilnahme-Paket ausreichten, “um den grundlegenden Bedarf zu decken”.
    Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte Bundestag und Bundesregierung auf, die Mahnung UN-Sozialrats ernst zu nehmen und endlich Bedingungen für ein gutes Aufwachsen armer Kinder in Deutschland zu schaffen. Die Kritik an der zu hohen Kinderarmut in Deutschland dürfe “nicht wirkungslos verpuffen”, sagte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann. (…)
    Erst vor wenigen Tagen hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband von der Bundesregierung eine wirksamere Bekämpfung der Armut in Deutschland verlangt. “Unerlässlich und unaufschiebbar” seien unter anderem eine Reform der Altersgrundsicherung mit auskömmlichen Regelsätzen, die Erhöhung des Mindestlohns auf 12,63 Euro und der Umbau von Kindergeld und Kinderzuschlag zu einer “echten existenzsichernden Kindergrundsicherung”, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Mit 13,7 Millionen Menschen sei hierzulande jeder Sechste von Armut betroffen. Damit sei „eine neue traurige Rekordmarke seit der Vereinigung erreicht“.
    Quelle: Tagesspiegel

  10. Verbraucherschutz: Der Schutz der Industrie vor dem Verbraucher
    Ernährungsministerin Julia Klöckner bat die Lebensmittelkonzerne recht freundlich um Selbstverpflichtung: Sie sollen Salz, Zucker und Fett freiwillig reduzieren. So viel Laissez-faire hat selbst die Lebensmittelindustrie bis dato noch nicht gesehen.
    Eigentlich ist eine Ernährungsministerin die oberste Verbraucherschützerin im Lande. Jedenfalls sollte das so sein. Sie hätte zudem sogar Weisungsbefugnis und könnte nicht nur den Verbraucherschutz nach Maßgabe der hiesigen Gesetzeslage verwalten: Sie könnte die Gesetzeslage sogar ändern und anpassen. Trotzdem hat sie vor einigen Wochen die Lebensmittelunternehmen um eine freiwillige Selbstkontrolle gebeten. Nach ihren Vorstellungen sollten diese die Portionsgrößen verschiedener salz-, zucker- und fetthaltiger Tiefkühlprodukte verkleinern, um so zur Volksgesundheit beizutragen.
    Quelle: Makroskop
  11. »Unsere Stories im echten Leben finden«
    In Belgien zieht eine linke Partei Wählerinnen von Sozialdemokraten wie auch Rechtsextremen. Ihr Vorsitzender erklärt, wie das geht.
    (…) Was wir stattdessen in den Vordergrund stellen wollten, war die soziale Frage, was so gut wie überall hieß, sich mit Wohnraum und Miete zu beschäftigen. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, zum Beispiel, hat es seit Jahren keine Investitionen gegeben, ebenso wenig wie Ausbesserungen an der Substanz, an feuchten Wänden und so weiter. Wir haben konkrete Initiativen gestartet und das Thema medial auf die Agenda gesetzt. Unsere Strategie ist, bei den Sorgen anzusetzen, die im Leben der Leute präsent sind. Und dann bei diesen Themen immer und immer am Ball zu bleiben, statt in allgemeine politische Reden auszuweichen.
    DB: Du sprichst von konkreten Lokalthemen; aber im Gegensatz zu Parteien wie La France Insoumise oder Podemos, die jenseits von Links und Rechts stehen wollen, kommt die PTB aus einer marxistisch-leninistischen Tradition, aus dem Zusammenschluss der Kommunistischen und der Arbeiterpartei. Wie kam es zustande, dass ihr im Laufe des letzten Jahrzehnts euer Auftreten und euren Ansatz geändert habt?
    PM: Wir haben gemerkt, dass die rechten Parteien wahnsinnig erfolgreich waren mit den Geschichten, die sie erzählen. Die fangen bei ganz konkreten Dingen an und verallgemeinern das dann in Richtung einer allgemeineren imperialistischen Agenda. Aber sie beginnen mit kleinen Vorkommnissen, zum Beispiel Betrugsfällen, in denen Leute fälschlicherweise Sozialleistungen oder Behindertenaufschläge bekommen haben. Solche Geschichten schaffen es auf die Titelseiten. Und alle sagen dann, dass sie selber auch jemanden kennen, die auf illegale Weise vom sozialen Sicherungssystem profitiert hat. Und dann gibt es eine Linke – ich spreche jetzt von Belgien, aber ich denke, das ist weit verbreitet – die darauf mit Statistiken zur Ungleichverteilung und Einkommenstabellen antwortet, Sachen, die alle gut und schön sind, aber ganz abstrakt bleiben und emotional nicht ankommen. Diese Linke erreicht die Gehirne, aber nicht die Herzen. Wir müssen auch von links unsere Stories im echten Leben finden und erst von da aus allgemeiner werden…
    Quelle: ada
  12. Wie soziale Ungleichheit nachhaltige Entwicklung verhindert
    Die Revolte der Gelbwesten zeigt: Verteilungsgerechtigkeit ist eine zentrale Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit von Umweltschutzmaßnahmen. Der entfesselte Kapitalismus mit seiner grotesken Ungleichheit muss hier scheitern.
    (…) Es ist eine evidente Tatsache, dass ein auch nur einigermaßen sinnvoller Einsatz der gemeinsamen Ressourcen mit dem neoliberal entfesselten Kapitalismus völlig unvereinbar geworden ist. In Anbetracht dessen ist es beinahe eine Anmaßung, das neoliberale System überhaupt als »Ökonomie« zu bezeichnen.
    Vielmehr ist es ein System der »ungeheuren Warensammlung« (Marx), deren Gegenbuchung – Ressourceneinsatz, -verbrauch und -zerstörung – gänzlich ausgeblendet wird. Die Außerachtlassung der gesellschaftlichen Folgekosten ist eines seiner zentralen Fehler, der es gerade nicht zu einer Ökonomie, sondern zu einem System der irrationalen, exploitativen, verschwenderischen Bedürfnis- und Begierde Befriedigung macht. Es zehrt nach und nach seine eigene Grundlage auf. Man sollte das gegenwärtige Wirtschaftssystem daher eigentlich als ein »non-ökonomisches« System bezeichnen….
    Bis heute werden die Themen Umweltschutz und Verteilungsgerechtigkeit häufig isoliert voneinander diskutiert. Das ist frappierend, weil sie sich gegenseitig bedingen. Oder anders: Soziale Ungerechtigkeit ist der größte Hemmschuh einer Nachhaltigen Entwicklung.
    Quelle: Makroskop

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