Leserbriefe zu „Frankreich demonstriert, Deutschland lamentiert“ und „Gedankenlosigkeit überall! Beispiel Einkaufsverhalten: Shoppen im Netz“

Ein Artikel von:

Die Beiträge “Frankreich demonstriert, Deutschland lamentiert” und “Gedankenlosigkeit überall! Beispiel Einkaufsverhalten: Shoppen im Netz” riefen bei den NachDenkSeiten-Lesern einige Resonanz hervor, die wir nachfolgend veröffentlichen.
Vielen Dank an die Leser, für die vielen interessanten und anregenden Gedanken, und die weiterführenden Hinweise! Zusammengestellt von Moritz Müller.

1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

mit dem Artikel „Frankreich demonstriert, Deutschland lamentiert“

Haben Sie nicht nur einen wichtigen aufklärerischen Artikel über den Zustand der sich Linke nennenden verfasst, sondern auch noch mit dem Vorschlag, dass die Linke bei der nächsten Sitzung in gelben Westen erscheinen soll, für einen richtigen Knaller  gesorgt.

Haben Sie vielen Dank dafür. Mögen Ihnen noch viele solcher Einfälle kommen.

Meine Weste liegt schon seit längerem  auf dem Armaturenbrett.

Für die Solidarität mit unseren Nachbarn.  

Wir sitzen alle in dem gleichen Boot, ob wir es nun wahrhaben wollen oder auch nicht.

Freundlichst
R. Schley


2. Leserbrief

Was ein Kommentar! Spitzenklasse.

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Für Riexinger ist jedes Problem mit dem Kürzel AfD verbunden.

Hätte man vor dem Sturm auf die Bastille erst einmal sämtliche Wirrköpfe aussortiert, würden die Bourbonen wahrscheinlich heute Frankreich regieren.

Wenn Deutschlands Linke beim Protestieren lieber unter sich sein will, wird es schwer mit der Schlagkraft. Denn lammfromme Trillermärsche mit einer gemeinsamen, zuvor bis auf letzte Komma abgeschliffenen gemeinschaftlichen Erklärung, die dann auch garantiert niemandem wehtut, mögen ja nett sein … an den bestehenden Verhältnissen ändern sie jedoch in der Regel nichts. Die Linke muss schon wissen, ob sie lieber was erreichen oder in Schönheit sterben will.

Wenn man dies einmal in Ruhe sacken lässt, kommt meist das Argument, dass bei den Protesten in Frankreich ja Gewalt ausgeübt wurde und man sich aus diesem Grund doch von Demonstrationen distanzieren müsse, die von Randalierern, Plünderern und Hooligans für ihr schändliches Werk genutzt werden. So einfach ist es aber nicht. Das bringt niemand anders so schön auf den Punkt, wie die in Frankreich lebende Schauspielerin Pamela Anderson:

»Ich verachte Gewalt … aber was ist die Gewalt all dieser Menschen, was sind die verbrannten Luxusautos, verglichen mit der strukturellen Gewalt der französischen und globalen Eliten? Anstatt sich von den Bildern der Brände hypnotisieren zu lassen, müssen wir fragen, wo das alles herkommt.

Und die Antwort lautet: Es kommt von der wachsenden Kluft zwischen der städtischen Elite und den ländlichen Armen, zwischen der von Macron repräsentierten Politik und den 99 Prozent, welche unter der Ungleichheit leiden – nicht nur in Frankreich, sondern überall auf der Welt.«

Diese Worte hätte man eher dem Vorsitzenden einer Linkspartei als einer Schauspielerin, die vor allem aufgrund ihrer körperlichen Attribute bekannt wurde, zugetraut. Die Schauspielerin erklärt das Phänomen der strukturellen Gewalt und der Linkenchef lamentiert über die Gefahr einer imaginären Querfront. Verrückte Welt.

Die Gewerkschaften würden ohnehin keine Proteste unterstützen, bei denen sie nicht das Programm bestimmen können und SPD und Grüne haben mit Sozialprotesten ohnehin nicht viel am Hut; wer will schon gegen sich selbst auf die Straße gehen?

Die Rechten sind nur so stark, wie die Linke es zulässt. Die Vorsitzenden der Linkspartei sind da sehr großzügig. Was wäre es für ein Zeichen gewesen, wenn die komplette Linksfraktion bei der nächsten Sitzung des Bundestags mit gelben Westen erscheinen würde? Man kann den Protest nur dann zum Ziel bringen und ihn vor einem Kidnapping von rechts bewahren, wenn man sich an seine Spitze stellt. So gesehen wäre es Zeit, aufzustehen und voranzugehen.

B.T.


3. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

einige Anmerkungen zu Ihrem treffenden Kommentar:

Viele der Forderungen kann man 1:1 unterschreiben; manches fehlt (aber das ist Mäkelei); die Integratonsformel finde ich verkürzt und diskussonswürdig, aber man muss sie im Kontext lesen.
Schon den einleitenden Satz kann man sich auf der Zunge zergehen lassen: “Abgeordnete Frankreichs, wir übermitteln Ihnen die Direktiven des Volkes”. Klar, das mag man anmaßend finden, aber es verweist auf das zentrale Moment der Demokratie – alle Gewalt geht vom Volke aus. Und was ist dieser Satz im Vergleich zu den Anmaßungen der Eliten in den letzten Jahrzehnten.

Hier in Deutschland delegitimiert sich mittlerweile fast täglich ein Teil der LINKEn selbst; Pamela Anderson hat mehr Durchblick als Riexinger, schrieb ich gestern schon meiner Frau (so wird man denn auch mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert). Was die von Anderson angesprochene strukturelle Gewalt konkret bedeutet, hat die Le Monde diplomatique im Mai 2018 beschrieben:
Entlassungen bei Goodyear 2014 in Amiens; etwas mehr als 1000 Beschäftige betroffen; Bilanz 2017: Scheidungen zu Dutzenden, Alkoholismus, Überschuldung, Wohneigentum verloren, 15 Selbstmorde. Wo also liegt der Ursprung der Gewalt? Bezeichnenderweise (?) gab es keine Übersetzung in der deutschen Ausgabe …

Interessant sind übrigens nicht nur Entstehung und Forderungskatalog der Gilets jaunes. Die Routen der Proteste verliefen anders als üblich sozusagen auf den “Korridoren der Macht”. Und der französische Philosoph und Ökonom Fréderic Lordon schreibt, es handele sich nicht um eine “soziale Bewegung”, sondern um einen Aufstand. Wenn man “soziale Bewegung” mit der vielbeschworenen “Zivilgesellschaft” gleichsetzt, erscheint mir das tatsächlich als die treffendere Kategorisierung.

Viele Grüße
Heiner Biewer


4. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

mit Ihrer Analyse der Sozialproteste in Frankreich treffen Sie den Nagel auf den Kopf!

Herzliche Grüße
Felix Schönfelder


5. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

soeben habe ich den im Betreff erwähnten Artikel von Jens Berger gelesen. Er hat mich geradezu begeistert. Spricht mir aus dem Herzen.

Daher mein Impuls, den Nachdenkseiten ein Lebenszeichen von Peter Klein zu senden. Den Artikel, den ich unten anhänge, können Sie gerne auch auf Ihren Seiten veröffentlichen. Er stammt aus dem Jahre 2016 und ist auf der Homepage der „Streifzüge“ zu finden.
Ich hoffe, Sie können meine Wortmeldung als hilfreich und als Unterstützung empfinden.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Suffert


6. Leserbrief

Irgendwann musste ein Ende der immer weiteren Verschärfung der Ausbeutungspolitik zum Nachteil der kleinen Leute kommen. In Griechenland konnte die EU – Führung noch die geplante Umsteuerung durch die Syriza -Regierung verhindern. In Italien wird es gerade versucht – Ergebnis noch unklar. Aber in Frankreich ist die Hyper – Ausbeutungspolitik – getarnt als notwendige ökologische Maßnahme und notwendige Einsparung im Bildungsbereich am Ende. Am Ende, weil das Volk mit den größten revolutionären Traditionen und Erfahrungen in Europa aufsteht. Wenn, wie gemeldet, die Polizeigewerkschaften streiken werden, kann Präsident Macron eigentlich zurücktreten. Ob er es tun wird, bleibt abzuwarten. Aber er ist mit seiner als „Sparpolitik“ und „Reformen“ getarnten Betrugsmasche am Volk gescheitert. In Frankreich stehen die Worte „Liberté, Egalité, Fraternité“ sowohl an öffentlichen Gebäuden als auch im Bewusstsein der breiten Massen. Deshalb mischen sich auch rechtsextreme, linksextreme und Fußballrowdys unter die eigentlich friedlichen Massenproteste. Das wird nicht zu verhindern sein. Aber die Geheimdienste und der Staatsapparat sind am Ende machtlos, wenn zu viele der betrogenen kleinen Leute auf die Straße gehen. Wie 1989 in der DDR. Oder vorher in Polen. Auch noch so ausgeklügelte Meinungsmache und Manipulationen der Medien helfen nicht mehr, weil letztlich das Sein das Bewusstsein bestimmt. In Deutschland kann Merkel noch so oft wiederholen, dass es uns doch allen gut gehen würde. Die Manipulatoren können noch so oft vom Gefühl des abgehängt Seins reden. Irgendwann, wenn es den breiten Massen in ihrer täglichen Lebenswelt mit viel Arbeit bei schlechter Bezahlung noch schlechter geht, werden sich auch in Deutschland die Massen gelbe Westen anziehen. Angeblich soll Merkel ja außerordentlich intelligent sein. Vielleicht tritt sie daher schon einmal langsam zurück.
R. Maaß


7. Leserbrief

Werter Herr Berger!

Danke für diesen Super Artikel!!! Besser kann man das Thema nicht auf den Punkt bringen. Über das Dilemma oder besser gesagt die Posse um Riexinger und die Linken, kann man nur noch den Kopf schütteln. Da die Linke immer stärker unterwandert und wie die Grünen oder die SPD ihr Gesicht verlieren wird, setzte ich meine letzte Hoffnung auf die Bewegung “Aufstehen”. Nur sollte man nicht nur versuchen (Wie von Aufstehen propagiert!), über Proteste die etablierten Parteien zu einer sozialeren Politik zu bewegen, sondern aktiv diese Politik mitgestalten. Man kann nur hoffen das man bei “Aufstehen” nicht anfängt, die Leute nach Gusto zu sortieren. Sonst wird die AfD dafür sorgen, dass der deutsche Michel seinen Hintern doch noch mal hoch bekommt. Mit frdl. Grüßen Ralf Matthias, Hannover


8. Leserbrief

Liebe NachDenkSeiten-Redaktion, lieber Jens Berger,

ein Bekannter der jüngst – und auch öfter – in Frankreich war, berichtete, dass die privaten französischen Medien fast pausenlos über die Ereignisse im Land berichten, und das die Polizei bei Aktionen, wie der Blockade von Autobahnen, die für Nichtzahler geöffnet wurden, nicht einschritt. Das deutet daraufhin, dass die von Macron ausgebooteten Eliten den Massenprotest nutzen, um an dem nassforschen Parvenu Macron Revanche zu nehmen.

Befremdlich ist in Deutschland beispielsweise, dass auf der DGB-Gegenblende vom Freitag, als erster Kritiker Bernard-Henri Lévy die “Gelbwesten” zu diskreditieren versucht – ohne das die soziale Bewegung zuvor vom DGB gewürdigt wurde. Der Philosoph, Publizist und Verleger hat m.W.n. wiederholt für Macron Partei ergriffen, und gehört selbst zu der von den “Gelbwesten” verachteten neoliberalen Elite Frankreichs. Das sollte der DGB-Vorstand den Gewerkschaftsmitgliedern einmal erklären.

LG, Ansgar Lanwert


Leserbriefe zu “Gedankenlosigkeit überall! Beispiel Einkaufsverhalten: Shoppen im Netz

9. Leserbrief

Liebes Nachdenkseitenteam,

wenn es ja so einfach wäre seine Einkäufe in der Stadt zu erledigen, denn im Prinzip haben Sie ja Recht.
Aber ” shoppen” schon  dieses grauenvolle Wort, ich kaufe Dinge ein, die ich benötige.

Ich suchte für unsere Hunde: ein Halti, Hundezahnpasta und Bürsten, sowie normale Hundebürsten und Striegel. In unserer Stadt gibt es solche Dinge nicht zu kaufen, also ab in die nächste Stadt zum Tiermarkt. Haltis gab es in der erforderlichen Größe überhaupt nicht, desgleichen die Zahnpasta und die Hundezahnbürsten also die 35 Km umsonst gefahren und problemlos später alles bei Zooplus im Internet bestellt.

Seit vielen Jahren kaufe ich unseren Wein direkt bei einem deutschen Biowinzer, früher Bestellung per Postkarte und heute  im Internet.
Versuchen Sie doch einmal Artikel aus Biobaumwolle im Handel zu kaufen,negativ, also ich bestelle beim Ökoversand im Internet.

Zum Thema Lieferung: wir haben mit DHL einen Ort vereinbart, wo die Pakete abgelegt werden. Dies funktioniert seit Jahren problemlos.

Fazit für mich, was ich in unserer Kleinstadt bekomme kaufe ich hier,  der kleinere Rest wird im Internet bestellt. Geschäfte sollten erkennen, dass  das Internet nicht ihr “Feind” ist sondern sich dort auch präsentieren.

Mit freundlichen Grüßen
aus einer lebenswerten Kleinstadt
Erika Trapper


10. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
 
ja, es stimmt:  es gibt leider immer mehr tote Innenstädte, aber sind daran immer Amazon & Co. schuld? Ich wage es zu bezweifeln.
 
Wenn man von Köln bis Waren (Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern) immer dieselben Einzelhandels-Ketten repräsentiert sieht, dann stimmt etwas nicht an der ganzen kommerziellen Infrastruktur. Dann wurden Textil Meyer und  Schuhe Huber von Primark, bzw. C&A verdrängt, da die Herren Meyer, bzw. Huber mit der Dumpingpreispolitik der Giganten nicht mithalten können. Was tun also die beiden Herren, um nicht unterzugehen? Richtig, sie gründen Online-Shops! Womöglich noch mit Anbindung zu eBay, und da fängt das ganze Elend von vorne an.
Weil: eBay ist das moderne System der Galeerensklaven, in dem nur der belohnt wird, der am kräftigsten rudern kann. In einer Welt, in der die Kapazitäten der Logistiker von der überbordenden Paketmasse längst übertroffen werden, hält eBay noch immer dogmatisch am E+1-System fest, d.h. Ware, die an einem bestimmten Werktag bestellt wird, muss unter allen Umständen noch am selben Werktag raus und tunlichst am nächsten Werktag zugestellt werden-von diesem System hat sich selbst Amazon inzwischen verabschiedet, und die liefern zunehmend über den eigenen Logistiker aus.
 
Innerhalb dieser Warenhausketten findet zunehmend eine Kannibalisierung der eigenen Ressourcen statt, bestes Beispiel dafür ist Karstadt. Deren Lebensmittelsparte hieß Karstadt Perfetto und bot neben (überteuerten) Allerweltslebensmitteln auch einige exquisite Marken zu erschwinglichen Preisen an. Irgendein Shareholder Value-Cleverle aus dem Vorstand fand dieses für überflüssig und machte folgende Milchmädchenrechnung auf: wenn wir die gehobene Sparte mit einer Allerwelts-Sparte ersetzen, dann hat Karstadt mehr Besucher, die ggf. auch in die anderen Abteilungen reinsehen und dies oder jenes kaufen-das “Trickle-Down”-Prinzip im neuen Gesicht.
 
Gesagt, getan. Karstadt Perfetto wurde mit Aldi Süd-Filialen ersetzt. Ob Karstadt insgesamt davon profitiert? Die Frage bleibt offen. Weil: wenn ich zu Aldi Süd gehe, will ich Lebesmittel zu einem günstigen Preis einkaufen. Dasselbe gilt aber nicht für Kosmetika, Bettwäsche, Schuhe, Bekleidung , Accesoires usw., die ich bei Karstadt nach wie vor hochpreislich erhalte. Die meisten Aldi Süd-Einkäufer werden die Karstadt-Filiale sofort verlassen, um ihre Einkäufe bei anderen, günstigeren Ketten fortzusetzen. Eine Instinktlosigkeit diesen Ausmaßes, die selbst die Einkaufs-Präferenzen der eigenen Einkommensklasse ignoriert, kann man nur unter verbohrten Kostenrechnern finden…
 
Die Frage, die sich mir (und nicht nur mir) stellt, ist: wo finde ich die exquisiten Marken, die mir einst bei Karstadt Perfetto angeboten wurden? Bingo: im Netz! Allerdings mit Auflagen: konnte ich den leckeren Sekt aus dem Süddeutschen früher bei Karstadt flaschenweise kaufen, muss beim Hersteller nun ein 6er Karton gefüllt werden..schwemmt ja auch mehr Geld in die Kasse..
 
Und noch eine Bemerkung: dass die Anzahl der Pakete im Online-Handel so zugenommen hat, ist auch der Verfügbarkeit des Internets über mehrere Hardware-Träger zu verdanken (Smartphone, Tablets usw.) und auch der Tatsache geschuldet, dass Social Media-Plattformen sich auch als Shopping-Kanäle verstehen (z.B. Facebook). Da haben IT-Konzerne mit Top-Anbietern von Online-Shopping-Plattformen Hand in Hand gearbeitet..kein Wunder, wenn dieselben Aktionäre dahinterstecken…kann sich allerdings ein Logistiker ohne gravierende Auswirkungen auf seinen Aktienwert aus diesem Wahnsinn ausklinken? Ich weiß nicht…
 
Zu guter Letzt: weder der Wahnsinn des Shareholder Value, noch die steile Entwicklung von Amazon, eBay & Co. sind ausserirdische Keime, die per Zufall auf die Erde gelangten. Sie sind nur die logische Entwicklung einer galoppierenden Konsum-Propaganda, die in den Neunzigern vor allem florierte: wenn jemand, der um die 50.000€/p.a. sein Einkommen nennt, konsumieren muss wie einer, der 100.000€/p.a. verdient, der wiederum das Kaufgebaren eines zeigen muss, der 500.000€/p.a. verdient, der wiederum so tun muss, als würde er 1 Million/p.a. verdienen, usw. -und das Ganze, nur um “beachtet” zu werden-dann stimmt an dem ganzen System etwas nicht, und früher oder später wird es kollabieren…was z.T. bereits geschah..
 
Alles Gute aus Mülheim,
Arno Gündisch


11. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

im Grunde geben ich Ihnen in Sachen Online-Shopping ja recht – aber was ist z.B. mit den Menschen auf dem flachen Land, die ansonsten auf das magere Shopping-Angebot im nächsten Kreisstädtchen angewiesen sind? Oder mit denjenigen, die zehn  Stunden am Tag im Büro hocken und für jede Besorgung über den täglichen Bedarf hinaus einen halben Tag frei nehmen müssten? Okay, früher ging das ja auch – aber früher gab es z.B. hier in meinem Wohnbereich auch jede Menge kompetente Fachgeschäfte für so gut wie alles. Mittlerweile sind diese Geschäfte  einer Schwemme von Backshops, Nagelstudios, Ein-Euro-Läden, Sisha-Lounges und Ramschläden gewichen. Bevor ich mich also ins Auto setze und im 25-km-Umkreis diverse Geschäfte etwa nach einem passenden Staubsauger-Ersatzteil abklappere, mache ich es dann doch lieber online. Da muss ich dann auch nicht hören “hamwer gerade nicht da, müssen wir bestellen, kommen Sie nächste Woche nochmal.” Aber klar, man kanns mit der Bequemlichkeit auch übertreiben.
 
Mit freundlichem Gruß, ihr stets zufriedener Leser Peter Ludewig


12. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

ich meine, dass das Kind bereits spätestens in den Brunnen gefallen ist, als abseits von Innenstädten Einkaufszentren mit Discountern geschaffen wurden, die eine entspannte Parkplatzsituation und kurze Laufwege für Produkte ohne dringenden Beratungsbedarf bieten. Den Rest hat “billig statt günstig” erreicht. Ein fehlendes Mobilitätskonzept kommt auch noch dazu. Jeder wusste, was längerfristig in den Innenstädten passieren musste.

Jetzt von Gedankenlosigkeit beim Einkaufen zu sprechen, trifft nicht mehr den Kern der Problematik. Wenn wir über den Standard-Warenkorb sprechen, glaube ich noch nicht an einen Online-Erfolg, wobei Amazon mit dem eigenen Zustelldienst jetzt den letzten Schritt macht. Das, was man an Weg zum Discounter spart, verwendet man dann für den “Pappe-Kreislauf”. Systemboxen würden das aber bereits lösen.
Das System ist dabei aber bereits ganz auf billig getrimmt: Minimal akzeptierte Qualität bei maximaler Marge…ein begehbares Lager ohne Beratung.

Insgesamt ist das Angebot aber inzwischen auch qualitativ so ausgedünnt, dass es für mich kaum noch Sinn macht, Ladengeschäfte zu besuchen und die notwendigerweise hohen Preise für halbwegs passendes Zeugs zu zahlen.
Besonders bei technischen (Ersatz)-Teilen hat die Globalisierung und der Fortschritt zusätzlich so viele Varianten und Spezialisierungen eines Produkts geschaffen, dass ein überschaubares Ladengeschäft dies nicht abdecken kann. Auch Baumärkte beschränken sich z.B. auf die lukrativen Produkte und fordern dafür sportliche Preise – ohne brauchbare Beratung.
“Neu statt Ersatz” ist Trumpf, auch im Handwerk. Dabei interessiert es gar nicht mehr, ob die alte Lösung – repariert – sogar hochwertiger wäre.

Wenn ich Ersatzteile für das Auto brauche, kann ich zum Großhändler fahren oder das Material bestellen. Ökologisch macht – wegen der Distanzen und Staus – vermutlich sogar letzteres mehr Sinn. Das, was Digitalisierung (die vor 10 Jahren diesbezüglich abgeschlossen war) erreicht hat, ist die Bereitstellung von weitreichenden Produktinformationen. Das ist ein sehr positiver Aspekt.

Ein großes Problem in diesem Kontext sehe ich bei Wertschöpfung und Nachhaltigkeit.
Es wird mit hohen ökologischen Fußabdruck produziert und bei minimalen Fehlern oder “Veraltung” weggeworfen und die Möglichkeit zur Reparatur durch leichtfertiges oder absichtlich dummes Design massiv erschwert.
Dies ist inzwischen gesellschaftlich als nahezu unausweichlich akzeptiert wird inzwischen von Unwillen/Unvermögen begleitet.

Durch das große Online-Angebot kann ich dies für mich etwas in Zaum halten und bekomme aus China für €15 eine neue Beleuchtung für einen 2,01 Jahre alten Fernseher, statt ihn wegzuwerfen. Andere generieschere Ersatzteile kommen sogar aus der Nähe.
Ein neues Auto aus einer großen Serie wegzuwerfen, nur weil die Abgasreinigung – bis zur Nichtfunktion – deformiert wurde, ist für mich der aktuelle symptomatische und kranke Gipfel der Entwicklung!

Wenn hinter Amazon ein halbwegs wohlwollendes Kollektiv stünde, wäre die Struktur nicht so schlecht: ein Großhandelslagerinfrastruktur mit Endkundenportal und Lieferstruktur. Leider gibt die Ausbeutungskomponente in der ganzen Wertschöpfungskette dem System die dominierende üble Komponente. Und nein: ich benötige keine Zustellung innerhalb von 24h.

MfG
Jörn Plewka


13. Leserbrief

Lieber Herr Müller,
 
haben Sie herzlichen Dank für Ihren engagierten Bericht über das Online-Shopping. Doch jede Medaille hat auch zwei Seiten.
 
So las ich kürzlich und weiß nicht mehr genau wo, dass über das digitale Einkaufen sehr viel für die Umwelt getan werde. Wenn z.B. 100 Pakete in meinem Ort ausgefahren werden, fährt nur ein Auto durch die Stadt. Wenn alle 100 Menschen nun mit ihrem eigenen Auto in diese fahren, hätte man alle in der Stadt mit den üblichen Nebenwirkungen wie neben der Luftverschmutzung auch noch Parkplatzsuche, verstopfte Straßen, endlos lange Schlangen an den Kassen in den Kaufhäusern, Drängelei und Stoßerei, gestresste und gehetzte Menschen um sich herum. Mit Kleinkindern und Kinderwagen ist es noch schwieriger. Von daher finde ich den Online-Einkauf gut und als Alternative akzeptabel. Er spart Zeit, Geld und Benzin.
 
Selbst der Nahverkehr mit Bus in die Stadt ist erdrückend eng und voll. In einer Stadt wie Frankfurt, wo alle 2 Minuten eine U-Bahn fährt, mag das anders sein. Auf dem Land ist es nicht so gut.
 
Nicht akzeptabel ist natürlich und damit bin ich voll auf Ihrer Seite, was die Bezahlung und den unwürdigen Stress, dem die Paketzusteller ausgesetzt sind, angeht. Das ist, soweit ich das sehe, eine Sache der Politik und Gewerkschaften, die dafür sorgen MÜSSEN, dass diese Personengruppen ordentlich bezahlt werden. Die Politik und Gewerkschaften dürfen Arbeitsunrecht nicht schützen, was sie tun, sondern müssen es bestrafen, wie jeder kleine Schwarzfahrer oder Parksünder auch bestraft wird.
 
Solange also auf die Aktionäre großer Online-Portale immer wieder Rücksicht genommen wird und deren Steuerabwanderungen in Steueroasen und das Lohn-Dumping-Verhalten schulterzuckend hingenommen wird, machen sich Gewerkschaften, Bundesregierung und Bundestag zum Mittäter bei der Ausbeutung der Gesellschaft. Eine Regierung und die entsprechenden Parteien, die diese bilden und die Opposition im deutschen Bundestag erweisen sich seit Jahren als feige und mutlos, wenn es darum geht, diesem unwürdigen Betragen der Finanzindustrie Grenzen zu setzen.
 
Zu Punkt A mit den Untergruppen haben Sie fast alles gesagt. Auch hier sieht man deutlich die Kleingeistigkeit und Kleingläubigkeit der handelnden Politiker, die sie unfähig macht im Sinne der Bevölkerung tätig zu werden. Sie bringen es nicht fertig, sich auf diese, von denen sie gewählt wurden, einzulassen und nur einen kleinen Finger für sie zu krümmen, weil sie Angst haben vor den Konsequenzen der grauen Finanz-Eminenzen. Nicht einmal das Soziale im Namen einer Partei noch das C konnte ihnen bisher Auftrieb und Mut geben, sich für die einzusetzen, denen sie öffentlich verpflichtet sind, ihren Wählern.
 
Vielleicht noch ein kleines Beispiel, warum ich den Online-Handel positiv sehe.
Ich benötige eine Tortenbox. Wo bekomme ich sie in der Stadt? Ich weiß es nicht und stehe vor der Frage: Fahre ich in die Stadt oder suche ich im Internet.  In die Stadt fahren bedeutet, Parkhaus, was teuer ist, Parkplatzsuche ist ein herumkurven durch verschiedene Straßen, überziehe ich die Parkgebühr riskiere ich ein Knöllchen von 10-20 Euro. Hat das alles geklappt suche ich die Geschäfte, die so etwas haben könnten und finde sie nicht.  Überall Klamottenläden. Karstadt hat sie vielleicht, da ist noch eine kleine Porzellan-/Haushaltswarenabteilung. Wie teuer wird sie sein? Wenn sie nur die teure haben kann ich weiter suchen. Und wo? Ich werde gut zwei bis drei Stunden unterwegs sein um eine Tortenbox zu kaufen. Ich sehe bei Amazon nach, meistens meine erste Anlaufstelle um mich über Preise zu informieren. Amazon hat massenweise Tortenboxen. Ich bestelle eine, am nächsten Tag ist sie da.
 
Herzliche Grüße
Karola Schramm


14. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

leider wird Ihr Beitrag zu dem Thema von zu wenigen Leuten gelesen.

Ich war, bin und bleibe ein Gegner von “Online-Shopping”, insbesondere sind Firmen wie Amazon absolute Ausbeuter ihrer MitarbeiterInnen, sie erpressen die Verlage, sie machen den Einzelhandel kaputt und zahlen keine Steuern. Es ist außerdem ein Skandal, wenn in Wohnstraßen manchmal Fahrzeuge von drei bis vier Paketdiensten (Ausgeburt der Privatisierungen) in zweiter Reihe stehen und die Straße blockieren.

In einer Diskussionsveranstaltung meiner Bundestagsabgeordneten mit dem Vorsitzenden des ace, Stefan Heimlich, bei der es u.a. um LKW-Verkehre ging, warf ein Diskussionsteilnehmer mir vor, ich müsse doch Verständnis für die haltenden Fahrzeuge haben, wenn ich bei Amazon bestellen würde, worauf ich zur Erheiterung der Anwesenden sofort entgegnete, dass ich prinzipiell nicht bei Amazon bestelle.

Hier müssten auch die Kommunalpolitiker endlich aufwachen, indem sie nicht ständig die Ansiedlung großer Einkaufszentren fördern, die wiederum Autoverkehre hervorrufen, sondern die innerörtlichen Läden unterstützen, die dann auch eher fußläufig zu erreichen sind, und die vor allem zum Erhalt der Innenstädte und -gemeinden beitragen. Allein in meiner Stadt Göppingen stehen mindestens 50 Läden leer, anderen Fenstern Plakate hängen, die Fassaden verrotten o.ä., weil die Eigentümer auch teilweise mit den Preisen spekulieren, so dass weiter kostbare Naturflächen mit Umweltschäden versiegelt werden. Hier sollte das Allgemeinwohlprinzip nach Art. 14 Abs. 2 GG Anwendung finden!

In diesem Sinne verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Peter Boettel

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