Hinweise des Tages (2)

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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Der “Gemeinwohl”-Vorstoß von Hannelore Kraft, der vorhergesagte Mieterschreck Gagfah, Hartz IV, angebliche Selfmademen aus dem Süden, schäbige Entschädigung von NS-Opfern (KR)

  1. Mit Null-Euro-Jobs in die falsche Richtung
  2. Rösler in der Engspur
  3. Mieterschreck Gagfah
  4. Fricke – Viel Wind um wenig Wunder
  5. Sparen bei Hartz IV:  Fordern und Kürzen
  6. Forbes-Liste der Reichsten: Selfmademen aus dem Süden
  7. Interview in “National-Zeitung”: CDU-Mann “ohne Scheuklappen”
  8. Entschädigung: Im Zweifel gegen die Opfer

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Mit Null-Euro-Jobs in die falsche Richtung
    Die SPD spricht gern von Neuanfang. Doch der “Gemeinwohl”-Vorstoß von Hannelore Kraft unterwirft sich der alten Logik vom schlanken Staat.
    Quelle: Freitag
  2. Rösler in der Engspur
    Der liberale Gesundheitsminister und sein Vorstoß gegen die Pharmaindustrie: Wenn Teppichhändler für Qualität bürgen.
    Quelle: Freitag
  3. Mieterschreck Gagfah
    Mit dem Immobilienunternehmen Gagfah übernahm US-Finanzinvestor Fortress Tausende Wohnungen. Mit bundesweit 170.000 Wohneinheiten und mehr als 350.000 Mietern ist das Unternehmen Deutschlands größter börsennotierter Immobilienkonzern. Die Konzernzentrale steht in Essen, offizieller Firmensitz ist Luxemburg. Mehrheitsaktionär ist der angeschlagene US-Finanzinvestor Fortress. Und das ist das Problem. Seit Monaten beklagen Mieterschützer und Immobilienexperten, dass der Investor aus Übersee die deutsche Tochter bis auf den letzten Cent ausquetsche.
    Zulasten der Mieter. “Fortress schickt die Gagfah auf den Strich. Die muss Knete ranschaffen, egal wie”, sagt ein Gagfah-Insider. Die eher investorenfreundliche “Immobilien Zeitung” schreibt: “Die Gagfah wird behandelt wie ein Steinbruch.” Und Sven Janssen, Immobilienanalyst bei Sal. Oppenheim, sagt sogar: “Die Frage ist, wann genau das Kartenhaus zusammenbricht.” Willkommen im Heuschreckenland – betreten auf eigene Gefahr. Es ist wie ein böses Erwachen. Laut dem Maklerhaus Cushman & Wakefield erwarben Finanzinvestoren zwischen 2003 und 2008 dank billiger Kredite rund 870.000 Wohnungen in Deutschland. Die Geschäftsidee war simpel: Die Immobilientöchter mussten für die Schulden aufkommen und Sonderdividenden ausschütten, anschließend wurden sie umgebaut, ausgeschlachtet, weiterverkauft. Für Fortress hieß das: Schlecht verwaltete Wohnungsbestände erwerben, Verwaltungskosten senken, Mieten erhöhen, Wohnungen an Mieter verkaufen – und schrittweise alles wieder losschlagen. 2004 kauften die Amerikaner 81.000 Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, darunter auch die 720 Wohnungen in Wuppertal-Rehsiepen. Dazu kauften sie Tausende kommunale Wohnungen, zum Beispiel 48.000 in Dresden. Der Aufschrei damals war groß. Viele Mieter fürchteten, dass die Investoren nur Geld verdienen wollten. Doch die Ängste wurden angesichts der verlockenden Geschäfte beiseitegewischt. Nun ist es so weit. Zwar verhalten sich die meisten Finanzinvestoren vergleichsweise sittsam, etwa der britische Investor Terra Firma mit seiner Tochter Deutsche Annington oder die zu Goldman Sachs gehörende GSW und die Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Doch der Fall Gagfah zeigt, dass die Sorgen der Kritiker nicht unbegründet waren.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon deprimierend, wie sich über die Jahre all die Befürchtungen bewahrheiten, die sich mit der großangelegten Privatisierungspolitik, mit PPP und mit der Deregulierung der Finanzmärkte wie auch des Arbeitsmarktes, generell mit dem Rückzug der Staates aus den Gemeinwohl verbinden. Erschwerend kommt hinzu, dass fast alle Parteien in diese Entwicklung involviert sind. Zu hoffen ist, dass sich kritischen Kräfte in den Parteien durch diese Fakten bestärkt fühlen und nicht aufgeben. Konkret unterstützen kann der Bürger diese Kräfte z.B. durch ein starkes Protestsignal bei den Wahlen in NRW.

  4. Fricke – Viel Wind um wenig Wunder
    Die Deutschen kriegen es hin, Tag und Nacht über Hartz zu zanken – ohne dass jemand fragt, ob die Reform gebracht hat, was sie sollte. Die Antwort könnte ernüchternd ausfallen. Was den Kern des ursprünglichen Anliegens angeht, spricht einiges dafür, dass gekürzte Hilfen manchen dazu gebracht haben, schneller eine Stelle anzunehmen. Als die Arbeitslosigkeit im Aufschwung 2007/08 fiel, sank auch die Zahl offener Stellen. Dieser Effekt dürfte aber eher unter als über 100.000 Jobs gebracht haben, nur einen Miniteil der fast zwei Millionen, die bis 2008 Arbeit fanden. Es gebe “immer noch einen erheblichen Sockel von Personen, die den Ausstieg aus der Hilfsbedürftigkeit nicht schaffen”, räumen die Experten des IAB-Instituts ein. Der größere Schock dürfte indirekt gewirkt haben. Nach IAB-Umfragen hat die neue Angst vor dem Hartz-IV-Abstieg dazu geführt, dass Jobsuchende wie Beschäftigte “konzessionsbereiter” wurden, also billiger. Ob die makroökonomische Bilanz seit 2005 positiv ist, ist fraglich. Ohne Hartz IV würden bei gegebenem Wachstum weniger Jobs geschaffen. Dafür würden deutsche Aufschwünge nicht so einseitig vom Export getragen, und das Wachstum wäre womöglich höher. Es gäbe weniger Abnehmerländer mit Wettbewerbskrisen und weniger globale Ungleichgewichte. Und Banken hätten nicht so viel Geld aus Exportüberschüssen, das sie in Subprime-Anlagen und anderen Unsinn stecken. Noch so ein Experiment sollten sich die Deutschen besser sparen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Leider wagt sich Thomas Fricke nicht an die Frage heran, ob ohne die Hart I-IV Regelungen Armut, Niedriglohnsektor und wachsende Ungleichheit ein solches Ausmaß erreicht hätten, deren volkswirtschaftliche Kosten auf Jahre mögliches Wachstum mindern. Allein schon bei einer stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer an den Gewinnen des Exportkapitals wäre das volkswirtschaftliche Wachstum stärker ausgefallen. Freihandel, der große Popanz der Neoliberalen, bewirkt selbst unter neoklassischen Annahmen nur dann wachstumsfördernd, wenn der Freihandelsgewinn gesamtwirtschaftlich verteilt wird.

  5. Sparen bei Hartz IV:  Fordern und Kürzen
    Die Bundesagentur für Arbeit (BA) warnt vor einer Verschärfung der Langzeitarbeitslosigkeit durch die von Union und FDP auf den Weg gebrachte Kürzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik um 900 Millionen Euro.
    In einem internen Papier, das der Frankfurter Rundschau vorliegt, prognostiziert sie “mehr Arbeitslose in der Grundsicherung” und “weniger Personal” zur Betreuung der Hartz-IV-Empfänger.
    Rund 100 Arbeitsgemeinschaften würden voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte “nicht mehr handlungsfähig” sein, heißt es in der Analyse. Viele Jobcenter hätten Programme zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen schon eingekauft und könnten sich dann keine weitere Hilfe mehr leisten.
    Quelle: FR
  6. Forbes-Liste der Reichsten: Selfmademen aus dem Süden
    In China und Indien gibt es mehr Milliardäre, der Anteil der US-Bürger unter den Super-Reichen ist hingegen gesunken. Viele, die in der Krise viel verloren hatten, sind jetzt wieder dabei. Der reichste Mensch der Welt heißt diesmal – anders als in den letzten 15 Jahren – weder Bill Gates noch Warren Buffet, und er stammt auch nicht aus den USA. Angeführt wird die Liste erstmals von dem Mexikaner Carlos Slim Helú. Sein Vermögen wird auf 53,5 Milliarden US-Dollar geschätzt, 18,5 Milliarden mehr als im Vorjahr.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung: Vielleicht haben auch kritische Blätter angesichts solcher Listen keine Kraft mehr gegen diese Liste obszöner Ungleichheit anzuschreiben, aber diese Milliardäre durchweg Selfmademen zu nennen, ist eine mehr als unangemessene Überhöhung. Nehmen wir Spitzenreiter, Carlos Slim Helú, dessen Vermögen etwa 6 Prozent des mexikanischen BIP (2009) entspricht. Slim Helú steht exemplarisch für einen Repräsentanten des Finanzkapitalismus, den Spekulanten, in Wirtschaftsblättern gerne Investoren genannt. Bereits in den 80er Jahren hat Slim Helú das väterliche Vermögen gut eingesetzt, aber der Clou gelang ihm Anfang der 90er Jahre. Als unter Staatspräsident Carlos Salinas die Telefongesellschaft Teléfonos de Mexiko zur Privatisierung freigeben wurde, erhielt das Konsortium unter Führung von Slim Helú für 1,8 Mrd. US-Dollar den Zuschlag. Dass hier Korruption im Spiel war zeigt sich schon allein daran, dass bereits damals das Unternehmen auf 12 Mrd. US-Dollar geschätzt wurde. Telmex hat einen Anteil am mexikanischen Telekommunikationsmarkt von ca. 80 Prozent, und die Preise zählen zu den höchsten der Welt. Telmes ist heute u.a. in Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Peru und Uruguay tätig. Seit Ende der 90erJahre legte Slim Helú sein Geld zunehmend in den USA an.
    Ein Licht auf das Umfeld, in dem Slim Helú agiert, wirft sein Freund Carlos Salinas, der Mexiko als Staatspräsident in die Nafta führte und das Land mit einer beispiellosen Privatisierungswelle überzog, die vor allem der herrschenden Oligarchie zugute kam. Salinas lebt heute im Exil. Einen Monat nach seinem Ausscheiden aus dem Amt kam es zu einer massiven Wirtschaftskrise (Tequila-Krise), nur das Eingreifen der USA verhinderte den Zusammenbruch der mexikanischen Volkswirtschaft. Vor allem aber die Verbindung zu seinem Bruder Raúl zwang Salinas, ins Ausland zu fliehen. Dieser hatte mehrere Hundert Millionen US-Dollar mit Schutzgeldern aus dem Drogenhandel verdient und ließ zur Deckung seiner Taten den Generalsekretär der Regierungspartei PRI ermorden. Wer die Milliardäre des Südens zu Selfmademen hochstilisieren möchte, sollte diese und sein Umfeld schon näher untersuchen. Wer gar die wachsende Zahl der Milliardäre im Süden als Indikator für einen wachsenden Wohlstand der Bevölkerung in diesen Ländern interpretieren, wird im Fall Mexikos eines Besseren belehrt. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in Armut. Mehr als ein Viertel müssen mit weniger als 2 US-Dollar am Tag auskommen, ein Zehntel mit weniger als 1 US-Dollar. Mexiko leidet wie fast kein anderes Land unter Gewaltkriminalität und der Allgegenwart der Drogenkartelle.

  7. Interview in “National-Zeitung”: CDU-Mann “ohne Scheuklappen”
    Der Pressesprecher der sächsischen CDU-Fraktion äußert sich in der rechtsextremen Wochenzeitung des DVU-Gründers Gerhard Frey. Die Opposition wundert sich, die Nazis jubeln.
    Der Pressesprecher der CDU-Fraktion in Sachsen hat sich in der rechtsextremen “National-Zeitung” geäußert und sich damit heftige Kritik der Opposition eingehandelt.
    Die größte rechtsextreme Wochenzeitung Deutschlands kündigt die Äußerungen von CDU-Fraktionssprecher Dirk Reelfs als “Interview” gleich auf der Titelseite ihrer aktuellen Ausgabe an. Im Innenteil der Zeitung des DVU-Gründers Gerhard Frey folgen dann zwei knappe Antworten zum sächsischen Versammlungsgesetz und zur umstrittenen militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle. Auf derselben Seite findet sich noch ein  längeres Gespräch mit dem sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel zu denselben Themen.
    Quelle: TAZ
  8. Entschädigung: Im Zweifel gegen die Opfer
    Trotz eines Urteils des Bundessozialgerichts warten Zehntausende ehemalige NS-Ghettoarbeiter immer noch auf eine deutsche Rente. Schuld sind Versicherungsbürokraten – und eine knausrige Bundesregierung.
    Quelle: SPIEGEL

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