Nachtrag zu Campact und zum Aufruf, sich bei der Hessen-Wahl für eine der größeren Parteien zu entscheiden
Nur wenig wäre uns lieber als eine enge Zusammenarbeit von NachDenkSeiten mit einer kampagnenfähigen Einrichtung wie Campact. Aber wir glauben nicht an die Unabhängigkeit von Campact. Dieses mangelnde Vertrauen wurde mal wieder durch den Aufruf zur Wahl der CDU in Hessen bestätigt. Wie kann man so danebengreifen! – Am Freitagabend letzter Woche bin ich auf den Aufruf von Campact zur Hessen-Wahl aufmerksam gemacht worden. Den Leserbriefschreiber genauso wie mich irritierte, dass Campact hier zur Wahl der „größeren Parteien“, also auch der CDU aufgerufen hat. Wie der Leserbriefschreiber selbst habe ich das auch als gegen die Linkspartei gerichtet empfunden, nicht nur gegen die AfD. Am Samstag früh habe ich diesen Beitrag geschrieben. Darin ist sowohl mein Befremden über das unterschwellige Nein zur Linkspartei als auch über das offene Votum pro CDU ausgedrückt. Albrecht Müller.
Es kamen zu diesem Beitrag verschiedene Leserbriefe. Überraschend viele haben sich darüber beschwert, a. ich hätte Campact zu Unrecht vorgeworfen, gegen die Linkspartei votiert zu haben. Überraschend viele haben b., meine Kritik an dem Votum für die CDU, nicht aufgegriffen. – Das finde ich seltsam und ich überlege, wie es zu der gleichlautenden Interpretation kommen kann. Nun ja, der geschäftsführende Vorstand von Campact, Christoph Bautz, hat mir gestern eine Mail schicken lassen. Diese gebe ich am Ende dieses Beitrags wieder.
Zunächst einmal zu a., die NachDenkSeiten hätten zu Unrecht geschrieben, Campact habe sich als Gegner der Linkspartei geoutet. Dazu muss ich offenbar noch einmal zitieren, was am 27. Oktober auf den NachDenkSeiten zu lesen war:
„… Im konkreten Fall tritt die NGO (Campact, der Verfasser) für die Wahl der „größeren“ Parteien ein. Wörtlich (so Campact): „Wer in den nächsten Jahren keine laute, selbstbewusste AfD im hessischen Landtag sehen will, muss sich jetzt für eine der größeren Parteien entscheiden.“ Die Linkspartei zählt in Hessen nicht zu den „größeren Parteien“
So meine Feststellung. Will Campact ernsthaft behaupten, die Linkspartei zähle in Hessen zu den „größeren“ Parteien? Sie hat am Sonntag 6,5 % der Zweitstimmen erreicht, bei Umfragen lag sie davor gelegentlich bei 8 %. In meinem Text habe ich die letzten zwei Umfragen wiedergegeben. Da war klar erkennbar, welche Parteien zu den größeren Parteien gerechnet werden können: CDU, SPD und Grüne; die Linkspartei nicht.
Über diese Interpretation kann man streiten. Aber wenn Christoph Bautz in seinem Schreiben behauptet, diese unsere Interpretation „entbehre jeder inhaltlichen Grundlage“ und „verdrehe die Fakten“, dann zeugt das nicht gerade von der Bereitschaft zum normalen Umgang. Wo haben wir denn die Fakten verdreht?
Dann zu b., dem Aufruf zur Wahl der CDU:
Dass Campact zur Wahl der hessischen CDU aufruft, hat mich noch um vieles mehr empört als das von mir gesehene negative Votum zur Linkspartei. Mit letzterem habe ich mich in meinem Text nahezu nicht beschäftigt, mit dem Votum für die hessische CDU sehr wohl und ausführlich und gut begründet. Wenn man sich bei einer berechtigten Ablehnung der AfD zu einem Votum für die CDU hinreißen lässt, dann muss man sich auch mit den Fakten konfrontieren lassen. Das habe ich in meinem Beitrag vom 27. Oktober getan und ich ergänze das heute noch mit dem Hinweis auf einen Vorgang, der zeigt, in wessen Diensten die hessische CDU steht und dass sich ihre demokratische Qualität nur in Nuancen von der AfD unterscheidet:
Es geht um die „Steuerfahnderaffäre in Hessen“. Hessische Steuerfahnder wurden „erfolgreich kaltgestellt“, weil es der von der CDU geführten Landesregierung und ihren Hintermännern nicht passte, dass sich ein paar hessische Steuerbeamte vom großen Kapital nicht einschüchtern lassen wollten. Das war ein einmaliger Vorgang. Hier ist ein Bericht der Frankfurter Rundschau von 2009.
Wenn die Interessen des Großen Geldes und wenn seine Beziehungen bis in politische Entscheidungen über die Praxis der Steuerfahndung hineinreicht und dann auch noch mit üblen Tricks zur Ausschaltung der Steuerfahnder gearbeitet wird, dann kann man von Demokratie nicht sprechen. Dann sollte man die Kritik an der demokratischen Gesinnung und Praxis auch nicht nur an der AfD anbringen, sondern auch zum Beispiel an der CDU und man sollte besser nicht zur Wahl dieser „größeren Partei“ aufrufen.
Diese Kritik am Aufruf von Campact war mir sehr viel wichtiger als die Randnotiz zur Behandlung der Linkspartei. Seltsam, dass der geschäftsführende Vorstand von Campact und auch eine Reihe von Leserbriefschreibern auf diesen viel wichtigeren Teil der Kritik nicht eingehen.
Die Enttäuschung der NachDenkSeiten über Campact ist ja nicht neu.
Ich verweise auf frühere Artikel zum Thema und ergänze gleich, dass wir Kritik an Campact sofort unterlassen würden, wenn diese Organisation ein inhaltlich und programmatisch verlässlicher Partner beim Aufbau einer kritischen Öffentlichkeit wäre. Aber eine Organisation, die zur Wahl der hessischen CDU aufruft, ist das nicht. Bisher jedenfalls nicht.
Nun also zwei Links auf alte Texte und dann die Mail des geschäftsführenden Vorstands von Campact an die NachDenkSeiten:
- 13. Oktober 2016
Ist Campact zu trauen? M. E. nicht. Machen Sie Ihre eigene Prüfung und – wenn möglich – Recherche. - 4. November 2016
Nicht zu fassen: Campact bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen. Hilfsarbeiter beim Feindbildaufbau.
Mail des geschäftsführenden Vorstandes von Campact, Christoph Bautz, an die Redaktion der NachDenkSeiten vom 29.10.2018:
Sehr geehrter Herr Müller,
in Ihrem Artikel vom 27.10.2018 „Campact lässt die Maske fallen, die NGO outet sich als Unterstützer von CDU, Grünen und SPD und als Gegner der Linkspartei“ unterstellen Sie uns, wir hätten in Hessen ausschließlich zur Wahl von CDU, Grünen und SPD aufgerufen. Das entbehrt jeder inhaltlichen Grundlage und verdreht die Fakten, die in der Mail an die Abonnent/innen unseres Newsletters vom 26.10.2018 klar dargelegt waren.Wir haben geschrieben: „Über jede Stimme für eine Mini-Partei – wie Die Partei oder die Piraten – freut sich dagegen die AfD. Denn wenn die Partei unter fünf Prozent bleibt, spielen ihre Stimmen bei der Verteilung der Sitze keine Rolle mehr.“ Unter Kleinstparteien, die voraussichtlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern, ist die Linkspartei selbstverständlich nicht einzuordnen. Wie Sie selbst darlegten, bewegte sich die Linkspartei in den letzten Umfragen vor der Landtagswahl bei 8 Prozent. Bei der Wahl erreichte sie dann 6,3 Prozent.
Wir möchten Sie bitten, gegenüber den Leser/innen der NachDenkSeiten hier die Fakten richtig zu stellen. Wir haben dazu aufgerufen, zur Wahl zur gehen und eine größere, demokratische Partei zu wählen, die es wahrscheinlich über die 5-Prozent-Hürde schafft – um damit die AfD zu schwächen. Zu diesen Parteien zählen CDU, Grüne, SPD, FDP und Linke.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand Campact e.V.