Privatisierung und Ausverkauf. Langsam kommt ins Bewusstsein, welch einen Wahnsinn die Politik in Deutschland angestellt hat.
Vom vergangenen Freitag bis heute sind drei Sendungen im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgefallen, die sich mit Ausverkauf und Privatisierung beschäftigt haben. Beachtlich: In der Heute Show des ZDF vom 19. Oktober wurde die Privatisierung der Autobahn-Raststätten und -Tankstellen aufgespießt; in der Anstalt des ZDF vom vergangenen Dienstag wurde der Ausverkauf von öffentlichen Wohnungsbeständen thematisiert und kritisiert; plusminus/ARD vom vergangenen Mittwoch zeigte und hinterfragte, wie große westliche Kapitalgruppen, vermutlich steuerbegünstigt, Zahnarztpraxen übernehmen und zu Rendite-Unternehmen ausbauen. Albrecht Müller.
- Heute Show 19.10.2018
Ab Minute 15:09 wird über die Privatisierung der Autobahn-Raststätten und das Monopol von Tank und Rast berichtet.
Die Privatisierung der ehemals staatlichen Autobahnraststätten ist eine der typischen vielen Fehlentscheidungen, die im Zuge der Verbreitung der neoliberalen Ideologie getroffen worden sind. Die Tank- und Raststätten haben jeweils ein Monopol und dieses Monopol wird dadurch verstärkt, dass alle diese Einrichtungen zum gleichen Konzern gehören. Man kann also nicht einige Kilometer weiter fahren und dann bei der Konkurrenz einkehren. Wettbewerb gibt es nicht. In einem solchen Fall ist es selbst nach den Regeln der ökonomischen Theorie zwingend angebracht, ein solches Unternehmen in öffentlicher Regie zu führen.
Das Unternehmen hat in seiner kurzen Geschichte schon wechselnde Eigentümer erlebt. Heute hält die Allianz AG, die Münchner Rück, Abu Dhabi und ein kanadischer Investor das Kapital. Bei den jeweiligen Weiterverkäufen wurden offensichtlich beachtliche Gewinne erzielt. Eine recht gute Information bietet Wikipedia.
In der Sendung wurde dem Format der Sendung entsprechend vieles über die Nutzung von Toiletten berichtet. Das ist nicht verwunderlich und im Übrigen trifft es das Problem der Ausnutzung eines Monopols ganz gut.
- Die Anstalt vom 23.10.2018
Über die Anstalt haben wir schon berichtet. Dort ging es insgesamt vor allem um Immobilien und Mieten. Und es wurde gezeigt, wie öffentliche Bestände an Wohnungen verscherbelt wurden und damit auch der Bestand an Sozialwohnungen verringert wurde.
- Plus minus 24.10.2018
Ab Minute 11:55 Zahnarztpraxen als Renditeobjekte.
Nicht nur öffentliche Unternehmen sind in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten von großen Kapitalgruppen aufgekauft worden. Diese haben in den letzten zwei Jahrzehnten Tausende von Unternehmen übernommen. Sie haben jetzt auch einen Geschäftsbereich in der Zahnmedizin entdeckt. Große Finanzgruppen kaufen Praxen und hilfsweise marode Krankenhäuser auf und installieren medizinische Versorgungszentren. Plusminus hat über diese Vorgänge kritisch berichtet.
Die seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts forcierte Privatisierung und der Ausverkauf von Unternehmen im Zuge der sogenannten „Auflösung der Deutschland AG“ gehören endlich auf den Prüfstand einer öffentlichen Debatte. Insofern kann man nur froh sein, dass in einer Woche gleich in drei Sendungen auf dieses Thema eingegangen worden ist.
Es ist an der Zeit, dass vom Kinderglauben Abstand genommen wird, Privatisierung sei per se gut. Das ist auch wichtig, weil es immer noch ein paar öffentliche Unternehmen gibt, zum Beispiel die Deutsche Bahn AG und viele Schulen. Es gibt also noch einiges zu schützen. Und dazu muss die irre Vorstellung beseitigt werden, durch die Privatisierung werde Effizienz gewonnen.
Ein wichtiges Motiv für Privatisierung war im konkreten Fall die Vorstellung, Bund, Länder oder Gemeinden könnten durch Verkauf Schulden abbauen. Das ist im konkreten Fall ja auch richtig. Aber damit wird gleichzeitig Vermögen reduziert. Nur bei engstirnigem Denken kann man auf die Idee kommen, dass dabei etwas gewonnen werden könnte.
Dieses engstirnige Denken war in Kommunen offensichtlich weit verbreitet. Jedenfalls war das oft ein Motiv für den Verkauf von Wohnungsbeständen. Oft spielte auch das Motiv eine Rolle, Privaten etwas Gutes zu tun. So vermutlich beim Verkauf der Eisenbahnerwohnungen durch die Regierung Kohl an ein politisch nahestehendes Ehepaar. Es gab in diesem Bereich ausgesprochen sonderbare Vorgänge, zum Beispiel der Verkauf eines KfW-Anteils, also eines Anteils in öffentlicher Hand, von knapp 5 % an der Deutschen Telekom an Blackstone.
Die Regierung Schröder hat den Wechsel von Vermögenswerten steuerlich massiv begünstigt. Der Gewinn beim Verkauf von Unternehmensanteilen und Unternehmen ist seit dem 1.1.2002 steuerfrei. Das ist eine absolut unsinnige Steuerbegünstigung für Kapitaltransfers. Der ständige Weiterverkauf wie etwa bei Tank und Rast dürfte durch diese Steuerbegünstigung erleichtert worden sein. Von öffentlichem und volkswirtschaftlichem Interesse an solchen Vorgängen kann man wohl nicht sprechen. An Transfers verdienen Finanzinstitutionen, Rechtsanwaltskanzleien und Steueranwälte. Wo das öffentliche Interesse liegen soll, ist unklar.
Die Steuerbefreiung gibt es jetzt schon gut 16 Jahre. Frage: Gibt es unter NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern solche, die sich in der Praxis der Anwendung dieser Steuerbefreiung auskennen und Fälle kennen? Wir würden gerne darüber berichten.
Ansonsten sollte dieser Beitrag Journalistinnen und Journalisten anregen, Privatisierungen und Unternehmenstransfers in ihrem Umfeld nachzugehen und ähnlich, wie die Heute Show, die Anstalt und plusminus das getan haben, darüber zu berichten.