Hinweise der Woche
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Brasilien
- Deutsch-russischer Dialog: „Die Beziehungen sind mehr als abgekühlt“
- Griechenland und die Lüge von der “überwundenen” Finanzkrise
- Nein heißt nein!
- Bund nimmt für Bad Bank FMS zusätzlich bis zu 30 Milliarden Euro auf
- Diesel: Hohn, ungefiltert
- Wie die Baslerinnen das Recht auf Wohnen gewannen
- Zuwanderung allein löst das deutsche Dilemma nicht
- Das schmutzige Geschäft mit Lkw-Fahrern aus Osteuropa
- Arbeitsrechte als Menschenrechte
- Bloß nicht Köln-Buchheim
- Diagnose Kapitalismus
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Brasilien
- Bolsonaro gewinnt erste Runde Brasilien: Rechtsaußen-Erfolg beflügelt die Märkte
Der klare Sieg des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro bei der ersten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen sorgt an den Aktien- und Devisenmärkten für große Freude.
Der brasilianische Leitindex Bovespa gewann zur Eröffnung in Sao Paulo 5,43 Prozent. In Frankfurt gewinnen die Titel des staatlichen Ölkonzerns Petrobras sogar über 13 Prozent.
Auch der Landeswährung Real hat der Wahlsieg Bolsonaros einen Schub verliehen. Der Real wertete zum Dollar um über drei Prozent auf. Somit müssen für einen Dollar nur noch 3,76 Real nach 3,84 Real am Freitag bezahlt werden. “Die Finanzmärkte favorisieren Bolsonaro, der im Falle eines Wahlsieges den Investmentbanker Paulo Guedes zum Superminister für Wirtschaft und Finanzen machen will”, sagte LBBW-Analyst Martin Güth.
Markt atmet auf
Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen sieht insgesamt nur ein begrenztes Aufwertungspotenzial für die brasilianische Währung. Denn ein Sieg Bolsonaros sei zu einem großen Teil schon eingepreist. Zudem müsse sich erst noch zeigen, wie viel Einfluss Guedes tatsächlich auf die Wirtschaftspolitik des Landes haben werde, sollte er es ins Amt schaffen.
Auf Bolsonaro entfielen bei der Wahl am Sonntag 46,3 Prozent der Stimmen. Sein linker Kontrahent Fernando Haddad erreichte 29 Prozent. Bolsonaro zieht nun als klarer Favorit in die zweite Runde der Wahlen am 28. Oktober. “Der Markt atmet auf, da Haddad, dessen Politik Brasilien nicht aus der wirtschaftlichen Talsohle befreien würde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Präsident werden wird”, sagte Edwin Gutierrez, Analyst bei Aberdeen Standard Investments. Bolsonaro kündigte unter anderem einen verschärften Kampf gegen Korruption und verstärkte Privatisierungen an.
Quelle: boerse.ARD.deAnmerkung Albrecht Müller: Kapitalisten setzen auf Faschisten. Ziviler und weniger präzise ausgedrückt: Anleger bevorzugen Reformer.
Wie auch immer, lesen Sie den Bericht von Börse.ARD zum Wahlergebnis in Brasilien und über die Reaktion der Börse und die Kommentare der Analysten. Nach allem was man über den Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro weiß, ist dessen Nähe zur Demokratie gleich null, er befürwortet Waffen und Gewalt, verachtet die Rechte der Frauen und setzt auf das Militär, wo er auch herkommt.
Es ist schon beachtlich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen solchen Bericht einschließlich der Kommentare der Analysten etc. präsentiert.
Das überrascht uns allerdings nicht. Schon 1973 konnten wir beobachten, wie in den wirtschaftsnahen Medien Deutschlands dem Putsch von Pinochet gegen Allende Beifall gezollt wurde.
Zur Ehrenrettung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks kann ich auf einen aufklärenden Beitrag im Deutschlandfunk von gestern Abend hinweisen:
- Klarer Sieg für Rechtsaußen
Der Rechtsruck der Wähler in Brasilien ist erschreckend, kommentiert Jule Reimer. Doch noch erschreckender sei, wie sehr Brasiliens traditionelle Elite Jair Bolsonaro hofiere. Nur Dank der Medien habe der Rechtsextreme mit seinen absurden Thesen beim Wahlvolk punkten können.
Wer etwas auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat gibt, blickt heute mit Entsetzen nach Brasilien. Zwar wird es Ende Oktober noch eine Stichwahl um das Präsidentenamt geben, doch die Ausgangsposition des Gewinners Jair Bolsonaro ist erschreckend gut. Jahrelang war er zwar eine etablierte, aber einsame Randfigur in der Politik. Einer, dem es vor allem dank häufigem Partei-Wechsel gelang, sich im brasilianischen Parlament zu halten.
Aber jetzt votierten 46 Prozent der Wahlgänger für diesen rechtsextremen Waffennarr, der sich lieber einen toten als einen schwulen Sohn wünscht, der die Zeit der brasilianischen Militärdiktatur als die gute alte und Demokratie als Schwachsinn verkauft, der frauenfeindliche Sprüche klopft, der Lügen und Beschimpfungen hemmungslos in die Welt twittert.
Leidet das halbe Land unter Gedächtnisschwund?
Quelle: Deutschlandfunk - Warum so viele Brasilianer einen Radikalen wollen
In Brasilien gewinnt der Rechtsextreme Jair Bolsonaro die erste Runde der Präsidentschaftswahl. Es ist das Ergebnis eines gescheiterten politischen Systems.
Brasilien steht ein politisches Erdbeben bevor. Der rechtsextreme Politiker Jair Bolsonaro hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen mit 46 Prozent der Stimmen gewonnen und verfehlte damit die absolute Mehrheit nur knapp. Der 63-Jährige gilt nun als großer Favorit für den zweiten Wahlgang im größten, bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Land Lateinamerikas.
In der Stichwahl in drei Wochen trifft er auf den ehemaligen Bildungsminister und Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad. Der 55-Jährige holte 29 Prozent der Stimmen. Er gehört zur linken Arbeiterpartei, die von 2003 bis 2016 das Staatsoberhaupt stellte, zunächst mit Lula da Silva und dann mit Dilma Rousseff. Letztere wurde in einem umstrittenen Impeachmentverfahren gestürzt, seitdem regiert Michel Temer von der konservativen MDB, der nicht antrat.
Den dritten Platz erlangte der linksliberale Ex-Minister Ciro Gomes mit zwölf Prozent. Er hat bereits seine Unterstützung für Haddad erklärt. Bei der „Wahl zwischen Demokratie und Faschismus“ sei klar, auf welcher Seite er stehe.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung unseres Lesers G.R.: Es ist schon interessant: Wochenlang war es unseren Leitmedien nur eine kurze Meldung wert, dass Brasiliens Favorit auf die Präsidentenwahl, Lula, mit juristischen Tricks von der Wahl ferngehalten wurde. Jetzt tun aber alle so, als sei das Kind so urplötzlich in den Brunnen gefallen. Wie wäre es wohl gewesen, wenn westliche Medien und westliche Politiker sich stärker für Lula eingesetzt hätten? Aber Lula ist bekanntlich ein Linker, der nicht immer nach der neoliberalen Pfeife tanzt. Da riskieren wir es doch lieber, dass ein Faschist in Brasilien ans Ruder kommt und zeigen nach der Wahl eifrig Entsetzen. Das ist einfach nur verlogen!
- The CIA Has Its Fingerprints on Brazil’s Election
The growth of Bolsonarian fascism in the final stretch of the election campaign, turbo charged by an avalanche of fake news disseminated on the internet, is not surprising. It is an old tactic developed by American and British intelligence agencies, with the goal of manipulating public opinion and influencing political processes and elections. It was used in the Ukraine, in the Arab Spring and in Brazil during 2013. There is science behind this manipulation.
Quelle: Truthdig - Future of Western Democracy Being Played Out in Brazil
Nothing less than the future of politics across the West – and across the Global South – is being played out in Brazil. Stripped to its essence, the Brazilian presidential elections represent a direct clash between democracy and an early 21st Century, neofascism, indeed between civilization and barbarism.
Quelle: Consortium NewsAnmerkung unseres Lesers E. J.: Ein Streifzug mit dem Brasilianer Pepe Escobar durch die Weltinnenpolitik. Geschichte wiederholt sich nicht – sie reimt sich (Mark Twain). Die Parallelen der westlichen Politik nach 2008 zu 1929/1933 sind augenfällig. Dem Gefühl des Kontrollverlustes der Bevölkerung gegenüber dem unisono von der politischen Klasse gepredigten Allheilmittel der nationalen und internationalen wirtschaftspolitschen (und kulturellen) Entgrenzung begegnet rechte und neofaschistische Politik mit dem Konzept der Ausgrenzung als Ersatz. (…).
- Bolsonaro gewinnt erste Runde Brasilien: Rechtsaußen-Erfolg beflügelt die Märkte
- Deutsch-russischer Dialog: „Die Beziehungen sind mehr als abgekühlt“
Die Zeiten von Partnerschaft oder gar Freundschaft zwischen Deutschland und Russland sind nach Ansicht des SPD-Politikers Matthias Platzeck vorbei. Im Dlf sagte der Vorsitzende des deutsch-russischen Forums, nun müsse es darum gehen, wenigstens wieder mehr Berechenbarkeit hinzubekommen.
Matthias Platzeck im Gespräch mit Dirk Müller
Platzeck: (…) Ein hochrangiger russischer Vertreter, mit dem wir sehr lange schon uns austauschen, hat gesagt: Weißt Du, wir haben immer darauf geachtet, lange Zeit darauf geachtet, was für Noten ihr uns gebt, in Westeuropa insbesondere, für das, was wir tun. Die Zeiten sind jetzt vorbei. Wir machen, was wir für richtig halten. Welche Noten ihr dann gebt, das ist eure Sache, aber es interessiert uns nicht. Es hat sich wirklich verhärtet und trotzdem bleibt der eine Satz von Egon Bahr wahr: Russland liegt unverrückbar mit uns auf einem Kontinent. Heißt auf Deutsch: Wir können es uns gar nicht aussuchen. Wir müssen immer und immer wieder versuchen, vernünftige Nachbarschaft wenigstens zu organisieren….
Wir müssen jetzt sehen, wo wir Schnittmengen finden – ich sage es noch mal –, um wenigstens… ich rede nicht mehr über Partnerschaft, Freundschaft oder solche Dinge. Tut mir zwar weh, aber die Zeiten sind vorbei. Aber wir müssen – früher nannte man so was friedliche Koexistenz – wenigstens wieder mehr Berechenbarkeit hinkriegen, und da – es war ja im Bericht schon deutlich angeklungen – gibt es im Moment ein Schlüsselprojekt und das hat man gestern den ganzen Abend bis in die Nacht hinein bei den Debatten gemerkt, von dem viel abhängt, von dem ausgehend aber auch einiges danach möglich sein wird, und das ist die Frage Northstream II. Da ist mehr als nur ein wirtschaftlicher Gehalt drin. Für die Russen ist es wie gesagt eine Schlüsselfrage geworden und ich könnte mir durchaus vorstellen, wenn man das einigermaßen gut bewerkstelligt kriegt, auch in Absprache mit der Ukraine, dann sind vielleicht auch andere Deeskalationsschritte danach durchaus denkbar.
Quelle: Deutschlandfunkdazu: Bleibt Russland im Europarat oder setzen sich Moskaus Gegner durch?
Seit im April 2014 die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) Sanktionen gegen die 18 russischen Parlamentarier verhängt hat, kämpft das Gremium mit einer Krise. Die droht sich bis zum Austritt oder Ausschluss Russlands zuzuspitzen. Mit einem Kompromiss wird am Dienstag versucht, das abzuwenden.
Die russischen Abgeordneten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) boykottieren seit Mitte 2014 deren Sitzungen. Das meldete die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) am Montag. Erst zwei Sätze später wurde der Grund für das Verhalten genannt: Die im April 2014 in Folge der Ukraine-Krise und der Krim-Rückkehr zu Russland verhängten Sanktionen gegen dessen Parlamentarier. Ihnen war das Stimmrecht entzogen worden und sie wurden von bestimmten PACE-Ämtern und Missionen ausgeschlossen.
(…) Beim Europarat handelt es sich um das älteste europäische Gremium zur Integration. Er wurde 1949 gegründet – vor der Europäischen Union (EU) und deren Vorläufern sowie unabhängig von diesen. Vor allem die Menschenrechte seien das Thema für den Europarat, erklärte Hunko. Dieser habe 47 Mitgliedsstaaten, darunter Russland, und umfasse den möglichen gemeinsamen Wirtschaftsraum zwischen Lissabon und Wladiwostok….
Quelle: Sputnik - Griechenland und die Lüge von der “überwundenen” Finanzkrise
Mit Zahlenakrobatik wird das Eingeständnis umgangen, dass Griechenland und seine Banken längst hoffnungslos bankrott sind
Wer in der vergangenen Woche die Vorgänge im griechischen Bankensystem verfolgte, der rieb sich verwundert die Augen: Die vier größten Geldinstitute – Piräus Bank, Eurobank, Alpha Bank und National Bank – erlebten an der Athener Börse ein wahres Erdbeben.
Seit Anfang September hatte es im Bankensektor des Landes bereits gekriselt, doch in den ersten Oktobertagen verschärfte sich die Situation dramatisch: Die vier Institute mussten Einbußen von bis zu vierzig Prozent hinnehmen, der Aktienkurs der Piräus Bank brach um fast 30 Prozent ein, der Athener Bankenindex fiel auf den tiefsten Stand seit 31 Monaten.
Wie konnte das sein? War Griechenland nicht erst im August unter großem Beifall der Politik aus dem Euro-Rettungsschirm entlassen worden? Und hatten die vier Großbanken nicht erst im Mai einen Stresstest der EZB bestanden?
(…) Gelöst werden die Probleme Griechenlands also auf keinen Fall, aber zwei Dinge sind schon jetzt sicher: Die nächsten Hilfszahlungen werden kommen müssen, und bezahlen wird dafür in erster Linie die arbeitende griechische Bevölkerung, von der 35 Prozent bereits an oder unter der Armutsschwelle lebt, deren Mittelschicht inzwischen von einer Steuerlast von bis zu 75 Prozent erstickt wird und deren Senioren im Januar eine weitere (die 23.) Rentenkürzung, diesmal um 18 Prozent, werden hinnehmen müssen.
Egal, von welcher Seite aus man die Entwicklung in Griechenland betrachtet: Was sich dort abspielt, ist nichts anderes als eine von der Regierung in Zusammenarbeit mit ungewählten Bürokraten der EU und der EZB organisierte vorsätzliche und kriminelle Insolvenzverschleppung zugunsten der internationalen Finanzindustrie auf Kosten der Mittelschicht und der schwächsten Teile der Bevölkerung.
Quelle: Telepolis - Nein heißt nein!
Warum eine Wiederholung des Brexit-Referendums undemokratisch wäre.
(…) Beide Seiten – Befürworter und Gegner des Austritts – fühlen sich betrogen. Obwohl mit dem Brexit die Souveränität des Parlaments wiederhergestellt hätte werden sollen, hat das Parlament in Wirklichkeit kein echtes Mitspracherecht in diesem Prozess, der Großbritannien über die nächsten Jahrzehnte prägen wird. Die Schotten und die Menschen in Nordirland sind Geiseln eines zutiefst englischen Zerwürfnisses, das ihnen gravierenden Schaden zufügen könnte. Die Jungen haben das Gefühl, von den Alten um ihre Zukunft gebracht zu werden, während die Alten glauben, dass ihr Wissen und ihre berechtigten Sorgen von Insidern ignoriert werden, die hinter verschlossenen Türen im Namen ihrer Eigeninteressen schlechte Vereinbarungen aushandeln. Kurzum: die britische Demokratie fällt bei ihrer jüngsten und härtesten Prüfung durch.
Ein neues Referendum kann allerdings nicht die Antwort auf das durch die ursprüngliche Abstimmung ausgelöste Desaster sein. Im Juni 2016 standen die Menschen in Großbritannien vor einer schwerwiegenden Entscheidung: die EU verlassen oder in ihr verbleiben. Obwohl man durchaus hinterfragen kann, ob es klug ist, eine derartige kollektive Entscheidung im Rahmen eines Referendums zu treffen, war die logische Kohärenz des Unterfanges unbestritten.
(…) Ein zweites Referendum stellt eine zweite Bedrohung der Demokratie dar. Seit den 1970er Jahren, als der Neoliberalismus begann, die demokratische Entscheidungsfindung einzuschränken und alle wichtigen politischen Entscheidungen an Finanzinstitutionen und nicht gewählte „unabhängige“ Instanzen (beispielsweise Zentralbanken) zu übertragen, haben die Menschen zu Recht das Gefühl, dass es sich bei Abstimmungen um die ritualisierte Bestätigung von Entscheidungen eines Establishment jenseits ihrer Kontrolle handelt. Das Brexit-Referendum war eine seltene Ausnahme. Die Wahlbeteiligung erreichte einen Höchststand, wobei über 17 Millionen Menschen – viele davon zum ersten Mal in ihrem Leben – gegen die Wünsche aller wichtigen Institutionen des Establishments abstimmten.
Meines Erachtens ist es höchst bedauerlich, dass die Menschen beschlossen, durch die Unterstützung des Brexit ihre Macht wiederzuerlangen. Diejenigen unter uns, die zwar gegen den Brexit sind, aber auch verzweifelt eine Wiederbelebung der Demokratie anstreben, können kein zweites Referendum unterstützen, weil man diesen Menschen damit im Wesentlichen mitteilen würde: „Ihr habt die falsche Entscheidung getroffen. Jetzt überlegt noch einmal und liefert dann das ‚richtige‘ Urteil ab.” Wenn wir das tun, bestätigen wir ihren Verdacht, dass die Demokratie nur respektiert wird, wenn sie nicht respektiert werden. Die einzigen Nutznießer wären im Endeffekt Boris Johnson und Konsorten, die wollen, dass die schweigende Mehrheit weiterhin still, reaktionär und bestürzt bleibt, während sie regieren…
Quelle: Yanis Varoufakis im IPG - Bund nimmt für Bad Bank FMS zusätzlich bis zu 30 Milliarden Euro auf
Der Bund wird wegen Altlasten aus der Finanzkrise bis zu 30 Milliarden Euro mehr Geld bei Investoren einsammeln. “Der Bund wird ein zusätzliches Volumen an Bundeswertpapieren begeben”, sagte der Geschäftsführer der Finanzagentur, Tammo Diemer, in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Der Erlös werde der FMS Wertmanagement – der Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE) – für deren langfristige Refinanzierung zur Verfügung stehen. “In den kommenden Jahren könnte dadurch das Volumen ausstehender Bundeswertpapiere um bis zu 30 Milliarden Euro gesteigert werden”, so Diemer, dessen Finanzagentur sich um das Schuldenmanagement des Bundes kümmert.
Quelle: Reuters - Diesel: Hohn, ungefiltert
Luxemburgs grüner Umweltstaatssekretär Claude Turmes sagte nach der EU-Sitzung über Svenja Schulze: „Ich habe hier eine Umweltministerin gesehen, die sitzt am Tisch, hat aber praktisch nichts zu sagen. Das Kanzleramt telefoniert dagegen mit den Hauptstädten. Das ist eine einmalige Situation. Ich weiß nicht, ob es so etwas schon einmal in dieser Schärfe gab in der deutschen Umweltpolitik.“ (…) In kaum einem Politikbereich wird das politische Versagen der Großen Koalition so deutlich wie in der Verkehrs-, Umwelt- und Klimapolitik. Ihre angebliche Lösung für den Diesel-Skandal hat sich innerhalb kürzester Zeit pulverisiert. Ihre Hörigkeit gegenüber der unbeweglichen Autoindustrie ist keinen Deut kleiner geworden.
Quelle: Der Freitagdazu: Das Vermögen der Familie Porsche wächst gewaltig – trotz Dieselskandal
“Keine der größeren deutschen Unternehmerdynastien erlebt eine solche Krise wie die Porsches. Doch trotz des Dieselskandals ist ihr Vermögen stärker gewachsen als das fast aller anderen Milliardäre.
Nach Bekanntwerden des Dieselskandals folgten Milliardenstrafen in den USA und eine unübersichtliche Zahl von Verfahren, auch in Deutschland. Staatsanwaltschaften in Niedersachsen und Bayern ermitteln. In etlichen deutschen Städten drohen Fahrverbote, die Autohersteller stritten mit der Bundesregierung um die Kosten der Nachrüstung.
Im Frühjahr wechselte der CEO bei Volkswagen: Auf Matthias Müller folgte Herbert Diess. Und bei Audi wurde der langjährige Chef Rupert Stadler verhaftet, der immer als besonderer Intimus der Familie Porsche galt.
Dem Vermögen hat das im Laufe des vergangenen Jahres nicht geschadet. Es ist um 3,5 Milliarden auf insgesamt zwölf Milliarden Euro gestiegen. Das ergibt die neueste Schätzung des Vermögens der 1001 reichsten Deutschen des manager magazin. Die Sippe zählt damit zu den größten Gewinnern unter den Reichsten und reiht sich als Newcomer sogar ein in die Riege der zehn reichsten Deutschen.
Der Grund für das Wachstum: Die Börsenwerte von VW und der Porsche SE – in der die Porsches gemeinsam mit dem Familienstamm der Piëchs ihre 52 Prozent der VW-Stammaktien bunkern – haben sich wieder erholt. Denn die Geschäfte der Autohersteller laufen trotz allem erfreulich. Volkswagen konnte 2017 den Nettogewinn verdoppeln und im ersten Halbjahr 2018 abermals Rekorde melden. Das macht die Porsches immer reicher. Ganz egal, was Staatsanwälte oder Richter meinen.”
Quelle: SPON - Wie die Baslerinnen das Recht auf Wohnen gewannen
Die Baslerinnen haben im Juni überraschend das Recht auf Wohnen in die Verfassung gestimmt – und das ist nur eine von mehreren Verbesserungen für Mieterinnen. Ein Teilerfolg, dem viele Kämpfe vorausgingen.
(…) Was wurde entschieden?
In der Schweiz können Stimmberechtigte, Parteien oder Interessenverbände auf Bundes,-Kantons, sowie Gemeindeebene direkt Initiativen lancieren und damit bestehende Gesetze ändern oder neue einführen. Drei der vier Initiativen wurden vom Basler Mieterinnen- und Mieterverband lanciert. Die Vierte kam vom Netzwerk Wohnungsnot, einem Zusammenschluss von verschiedenen sozialen Institutionen im Bereich Armutsbekämpfung und Selbsthilfe.
Mieterinnen haben in Zukunft mehr Rechte: Mit 72 Prozent der Stimmen gelang es dem Mieterinnen- und Mieterverband, per Gesetz eine Formularpflicht einzuführen, bei der Vermieterinnen bei Neuvermietungen Mieterhöhungen transparent machen müssen. Knapp kam das ebenfalls vom Verband eingebrachte Begehren für bezahlbare Mietgerichtsverfahren durch: Neu können der Mieterschaft nicht mehr als 500 Schweizer Franken an Gerichtsgebühren angelastet werden. Abgeschreckt durch enorm hohe Kosten war das finanzielle Risiko überhaupt mietrechtliche Schritte zu unternehmen, für viele Mieterinnen bis dahin zu groß.
(…) Schließlich wird durch die ebenfalls deutliche Annahme der Initiative „Recht auf Wohnen“ das Recht auf eine bedarfsgerechte, bezahlbare Wohnung auf kantonaler Ebene in der Verfassung verankert…
Quelle: ada - Zuwanderung allein löst das deutsche Dilemma nicht
Um den Fachkräftemangel zu mildern, setzt Deutschland darauf, dass viele Arbeitnehmer aus dem Ausland kommen. Eigentlich muss die Bundesrepublik aber ein anderes Problem lösen. Sonst droht die Stimmung zu kippen.
Wenn Eigeninteressen auf dem Spiele stehen, werden allgemein anerkannte wissenschaftliche Einsichten rasch vergessen. Das gilt momentan in besonderem Maße beim überall beklagten Fachkräftemangel. Landauf, landab wird behauptet, dass das Fehlen qualifizierter Arbeitskräfte die Volkswirtschaft Milliarden Euro und die Gesellschaft viele Wohlstandsprozente koste.
In jedem Lehrbuch lässt sich nachlesen, dass in einer solchen Mangelsituation, also wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist, der Preis steigen muss. Das gilt für jegliches Alltagsgut von Kaffee bis Konzertkarte.
Damit lautet die zentrale Frage, warum eigentlich in Deutschland die Löhne für Fachkräfte nicht viel stärker ansteigen. Höhere Löhne hätten einen Doppeleffekt: Sie würden es einerseits für viele Menschen attraktiver machen, mehr als heute zu arbeiten, und andererseits die Arbeitgeber zu einem Umdenken zwingen. Für diese würde es nämlich attraktiver, Menschen durch Maschinen zu ersetzen.
(…) Kurz: Von einem „Wachstum dank Zuwanderung“ profitieren deutsche Fachkräfte eher weniger, jedoch alle anderen, insbesondere die Arbeitgeber, deutlich mehr. Kein Wunder also, dass von Unternehmen die Klage des Fachkräftemangels besonders laut vernehmbar ist.
Quelle: Die WeltAnmerkung unseres Lesers J.A.: Ein ganz harter Neoliberaler sieht die Löhne durch Zuwanderung unter Druck, plädiert für eine höhere Lohnquote und weniger Zuwanderung (auch wenn er das Märchen vom “Fachkräftemangel” auftischt) – ganz erstaunlich.
- Das schmutzige Geschäft mit Lkw-Fahrern aus Osteuropa
Pylnev, muskulös, kahlgeschoren und mit einem schüchternen Lächeln auf dem Jungsgesicht, ist ein moderner Wanderarbeiter. Er fährt für eine Spedition in Polen, aber dort ist er nicht im Einsatz. Zum Dienstantritt fährt er stattdessen mehr als 2000 Kilometer aus der Ukraine nach Deutschland, um dort den Lastzug von einem Kollegen zu übernehmen. Dieses Mal in München. Anschließend steuert er zwei Monate lang kreuz und quer durch Westeuropa, mindestens 10 000 Kilometer im Monat. Wohin er welche Ladung bringt, erfährt er von Tag zu Tag neu per SMS. Derzeit bringt er „irgendwas aus Glas“ nach Belgien. Vor dort kann es nach Italien gehen oder nach Schweden. „Ist mir auch egal“, sagt er. Seine Frau und seinen zehnjährigen Sohn sieht Pylnev nur alle drei Monate. „Das ist sehr hart”, gesteht er und wirft einen traurigen Blick auf das Foto neben den Armaturen. Aber der ukrainische Mindestlohn beträgt 100 Euro im Monat. „Hier kriege ich bis zu 1800 Euro“, sagt er, und das weitgehend steuerfrei und ohne Sozialabgaben. Die werden lediglich für den polnischen Mindestlohn von rund 500 Euro bezahlt. Dazu erhält er eine Pauschale von 50 Euro für jeden Arbeitstag, solange er unterwegs ist. Für seine Zeiten in der Heimat, für Krankheit und Altersvorsorge bekommt er dagegen fast nichts. Er hätte Anspruch darauf, so schreiben es die Gesetze der Länder vor, in denen er tätig ist. Aber das kümmert weder seinen Arbeitgeber noch die Behörden. „Und was soll ich schon machen?“, fragt er achselzuckend.
So wie Pylnev leben Hunderttausende auf den Straßen Westeuropas. Ihre bis zu 500 PS starken Maschinen sind fast alle in Polen und anderen östlichen EU-Ländern registriert. Die Fahnen an ihren Frontscheiben verraten, dass die Fahrer selbst meist noch weiter im Osten zu Hause sind, in Weißrussland, der Ukraine, in Moldawien, Serbien und Kasachstan. Sie führen ein einsames Leben auf der Autobahn und sind zugleich das logistische Rückgrat der europäischen Ökonomie mit ihren Lieferketten über die Grenzen hinweg. Ohne sie würde kein Auto gebaut, blieben die Supermärkte leer und die Fabriken stünden still. Doch beim Umgang mit seinen motorisierten Lastenträgern zeigt sich Europa von seiner schlechtesten Seite.
Quelle: TagesspigelAnmerkung unseres Lesers H.M.: Bei der Ost-Erweitung der EU waren diese Folgen absehbar, bei diesem Wohlstandsgefälle. Die Erweitung der EU in Richtung Osten mit freiem Warenverkehr (neue Absatzgebiete), Kapital- und Arbeitskräfteverkehr wollte vor allem die Wirtschaft – mit willfähriger Unterstützung der Politik. Die Wirtschaft und einige (nicht alle) Politiker wussten genau, was das bedeutet. Das gemeine Volk wurde für dumm verkauft, die Erweiterung schmackhaft gemacht mit dem Argument von mehr Freizügigkeit beim Reisen durch den Wegfall von Grenzkontrollen.
Wer das u. a. auszubaden hat, zeigt der Artikel auf. Diesen Beitrag sollten alle, die offene Grenzen wie eine heilige Monstranz vor sich tragen, sehr aufmerksam lesen.
- Arbeitsrechte als Menschenrechte
Arbeit und Arbeitsrechte sind im gegenwärtigen westlichen Kapitalismus in mehrfacher Hinsicht nicht existent, oder wenn, dann am häufigsten in Gestalt gefälschter Statistiken. Arbeit und Arbeitsrechte sind ein subpolitical topic, also politisch nicht existent, wie noch nie in der jüngeren Geschichte. Arbeitsrechte gelten vor allem im führenden Staat des Westens, in den USA und für global führende Konzerne als subpolitical topic. Arbeitsrechte zählen nicht zu den ansonsten hochgehaltenen Menschenrechten, sei es unter republikanischen Präsidenten wie Bush und Trump, sei es unter demokratischen Präsidenten wie Clinton und Obama. Finanziell, rechtlich und moralisch niederwertige Niedriglohnsektoren und working poor werden in den westlichen Metropolen und in globalen Lieferketten gezielt erweitert. In den USA, in der EU und in Deutschland herrscht weitgehend ein Arbeits-Unrechts-Staat.
Quelle: Arbeitsunrecht.de - Bloß nicht Köln-Buchheim
Bildung Lehrermangel, welcher Lehrermangel? Bürgerliche Schulen sind bei Pädagoginnen beliebt.
Gregor Stiels leitet die Grundschule „An St. Theresia“ in Köln-Buchheim, einem Brennpunkt auf der rechten Rheinseite. Rund 200 Kinder aus 40 Nationen kommen jeden Morgen in den Unterricht. Als vor eineinhalb Jahren eine Sonderpädagogin schwanger wurde, musste Stiels eine Studentin anheuern, die neben der Uni lehrt. Eine Fachkraft war einfach nicht zu bekommen. Zu diesem Schuljahr schrieb Stiels zwei Lehrerstellen aus. Einmal bekam er drei Bewerbungen, das andere Mal gar keine. „Es ist verrückt“, sagt der Rektor. „Vor drei Jahren hätten wir noch 90 Zuschriften pro Stelle bekommen und eine echte Bestenauslese für unsere Schülerinnen und Schüler vornehmen können. Jetzt ist das unmöglich.“
So wie Gregor Stiels geht es derzeit vielen Schulleitern. Lehrkräfte werden rar im Land. Die Bertelsmann-Stiftung hat vor einigen Monaten ausgerechnet, dass 60.000 Grundschullehrerinnen bis 2025 in den Ruhestand gehen und ersetzt werden müssen. Weitere 26.000 Pädagogen würden benötigt, um die steigenden Schülerzahlen aufzufangen, 19.000 zusätzliche Kräfte bräuchte es allein für den Ausbau der Ganztagsbetreuung – insgesamt also mehr als 100.000. Die Universitäten dürften im selben Zeitraum aber nur 70.000 Lehramtsstudierende verlassen. Was Schulen derzeit erleben, sind dabei nur die Vorwehen eines Bildungsnotstandes: Den richtig großen Mangel erwarten die Bertelsmann-Forschenden erst in zwei Jahren. …
Quelle: Freitagdazu: Expedition Ost. Schulen in der DDR: Warum der Osten so schlau war
Ganztagsschulen mit Mittagessen, langes gemeinsames Lernen, stärkere Praxisorientierung – vieles, was heute als moderne Schulpolitik gilt, gab es vor über dreißig Jahren bereits. In den 80er-Jahren kamen sogar skandinavische Delegationen nach Ost-Berlin, um sich Tipps für ihren Schulumbau zu holen. Nach der Wende galt die DDR-Schule als Hort der Entmündigung, nicht nur der Staatsbürgerkunde-Unterricht wurde abgeschafft, es wurden auch andere Erfahrungen entwertet. Doch es gibt viel zu entdecken! Über die Bedeutung des ersten Schuljahres, eine bessere Lehrerausbildung und Elitenförderung. Drei Lehrer berichten.
Nach der Wende verdammten viele das DDR-Bildungssystem. Von staatlicher Bevormundung wollte keiner mehr etwas wissen. Viele waren froh, dass es keinen Fahnenappell und keinen Wehrkunde-Unterricht mehr gab. Erst als die internationalen Pisa-Studien dem bundesdeutschen Schulsystem ein schlechtes Zeugnis ausstellten, änderte sich der Blick.
Vieles, was in den vergangenen Jahren getan wurde, um die bundesdeutschen Bildungseinrichtungen besser zu machen, gab es im DDR-Schulsystem bereits: Ganztagsschule samt Mittagessen, längeres gemeinsames Lernen, Abitur nach zwölf Jahren. Für die elementaren Fähigkeiten wie Lesen, Rechnen und Schreiben existierten Lehrpläne, die eigens dafür ausgebildete Lehrer für die unteren Klassen (LuK) ausführten…
Quelle: Berliner Kurier - Diagnose Kapitalismus
Suitbert Cechura zeigt, dass im Gesundheitswesen nicht einfach etwas »schiefläuft«: Geschäftszwecke haben Vorrang
Über Ärzte, Medikamente und Krankenhäuser wird in Deutschland gerne geredet und viel geklagt. Suitbert Cechura, Rehabilitationswissenschaftler, langjähriger Psychotherapeut und zuletzt Professor für Gesundheitswesen und Sozialmedizin, hat nun eine ziemlich umfassende Untersuchung des Gesundheitswesens in Deutschland vorgelegt. Die Ergebnisse seiner Analyse sind klar und gewichtig: 1. Ein durchaus relevanter Teil der Krankheiten, an denen heute gelitten und gestorben wird, haben ihre Ursachen in der kapitalistischen Ökonomie dieser Gesellschaft; 2. Der Staat hat die Behandlung der Krankheiten einem letztlich von ihm geschaffenen Gesundheitsmarkt überantwortet und damit verschiedene Geschäftsmöglichkeiten eröffnet, die im Widerspruch zu Zwecken wie Prävention und Heilung stehen.
Die klassischen Seuchen der Vergangenheit (Tuberkulose, Diphterie, Typhus usw.) sind mehr oder weniger besiegt. Das heißt aber nicht, dass die Menschen heute gesünder leben. Im Gegenteil: Der Gesundheitsmarkt wird als einer der größten »Zukunftsmärkte« gehandelt. Herz-Kreislauf-Leiden, Krebs, Erkrankungen des Bewegungsapparats und der Atemwege sowie psychische Leiden (Burnout und Depressionen) sind die neuen »Volkskrankheiten«, die im Mainstream-Diskurs (auch im wissenschaftlichen!) auf die moderne »Zivilisation« zurückgeführt werden. Das muss – so der Autor – merkwürdig anmuten, da man mit »Zivilisation« ja zunächst Fortschritt verbinde und Studien darüber hinaus zeigten, dass keineswegs diejenigen kränker sind und früher sterben, die es in dieser Zivilisation am weitesten gebracht und den größten Reichtum erworben haben, sondern »diejenigen, die wenig von dieser Zivilisation haben und deshalb als arm gelten«.
Quelle: Junge Welt