Lloyd Blankfein tritt ab – es ist vollbracht, Gottes Werk ist verrichtet!
Eine Ära geht zu Ende. Lloyd Blankfein, Chef der Investmentbank Goldman Sachs, tritt ab. Anfang dieser Woche übergab der 64-Jährige sein Amt an den Vize David Solomon, der bereits seit dem Frühjahr als Nachfolger feststeht. Blankfein war das Gesicht von Goldman Sachs in der Finanzkrise, 2006 kam er ins Amt, davor war er Vizepräsident bei der Investmentbank. Doch was gibt es über Lloyd Blankfein nun zu sagen? Von Thomas Trares
Die Betriebswirtschaftslehre kennt das Ideal des „ehrbaren Kaufmanns“, für den Werte und Tugenden wie Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Integrität Grundlage des geschäftlichen Handelns bilden. Klar ist an dieser Stelle schonmal; als Inbegriff des „ehrbaren Kaufmanns“ wird Blankfein nicht mehr in die Geschichtsbücher eingehen. Denn seine Bank Goldman Sachs ist nicht irgendwer; sie stand lange Zeit in Verruf, die „gierige Krake“ im System zu sein, die Verkörperung des Raubtierkapitalismus schlechthin.
Wetten gegen die eigenen Kunden, der Kollaps des US-Versicherungsriesen AIG, Schuldenkosmetik beim Euro-Beitritt Griechenlands, der Milliardenskandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB Flüchtlinge als Versuchskaninchen bei der biometrischen Datenerfassung – überall hat oder hatte Goldman Sachs seine Finger im Spiel. Zudem sitzen oder saßen ehemalige Goldman-Mitarbeiter vielerorts an den Schalthebeln der Macht. Henry „Hank“ Paulson war Finanzminister in den USA, Mario Monti Ministerpräsident in Italien, Mario Draghi ist Präsident der Europäischen Zentralbank, und nicht zuletzt verdingt sich der frühere EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nun als Lobbyist für Goldman Sachs.
„Die Angestellten von Goldman Sachs gehören zu den produktivsten Menschen der Welt“, sagte Blankfein dereinst. .Kurze Zeit später schrieb der Goldman-Mitarbeiter Greg Smith in der „New York Times“ den Artikel „Warum ich Goldman Sachs verlasse“, in dem er das „giftige und zerstörerische“ Wesen der Bank anprangerte. Berühmt geworden ist Blankfein indes mit der Behauptung, dass der Banker es ist, der „Gottes Werk verrichte“. Mit diesen quasi blasphemischen Worten rechtfertigte er vor rund zehn Jahren die exorbitanten Boni in der Branche. Damit repräsentiert Blankfein heute nicht nur die Hybris des Investmentbankers der nuller Jahre, sondern ist zugleich auch die späte Antwort auf das Fragment „Kapitalismus als Religion“ des Philosophen Walter Benjamin aus dem Jahre 1921.
Welches Denken in den Köpfen von Blankfein & Co vorherrscht, hat kürzlich erst der neue Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, offenbart. In einer schriftlichen Mitteilung appellierte er an seine Mitarbeiter, die „Jägermentalität“ zurückzugewinnen. Damit hat Sewing, wohl ohne es zu wissen, das bestätigt, was Kritiker schon lange über moderne Investmentbanken sagen, nämlich dass diese ein räuberisches und ausbeuterisches Geschäft betreiben und mit der Realwirtschaft eine parasitäre Beziehung eingegangen sind. Schon um das Jahr 1900 herum schrieb Thorstein Veblen, der Urvater der heterodoxen Ökonomen: „In den Finanzberufen herrschen noch immer Willkür, Unterwürfigkeit und verschlagene Praktiken vor, die an den räuberischen Betrug erinnern“.
Das Kerngeschäft einer Investmentbank ist es, Unternehmen bei der Emission von Wertpapieren oder aber bei der Übernahme anderer Unternehmen zu beraten. Wie groß Blankfeins Verdienste auf diesen Gebieten sind, sei einmal dahingestellt und tut hier auch nicht zur Sache, denn immerhin, und so viel kann man doch sagen, hat Lloyd Blankfein jetzt etwas geschafft, was Angela Merkel und Jogi Löw ganz sicher nicht mehr schaffen werden – rechtzeitig abzutreten!