Giftiger Nebel – Die JAPCC- /Nato- Konferenzen in der Messe Essen und das Völkerrecht
Die Nato nimmt den Untergang der europäischen Zivilisation in Kauf: Inhalte der Strategie-Entwicklung offenbaren die Konferenzen des Joint Air Power Competence Centre (JAPCC), das in Kalkar stationiert ist und in Essen seine Jahres-Konferenzen abhält. Der Ersteinsatz von Nuklearpotentialen ist im Köcher der Nato; das ist nicht nur völkerrechtswidrig, es ist auch ein Verbrechen gegenüber den Lebensinteressen der Menschheit. Von Bernhard Trautvetter[*].
Schon der Titel der unmittelbar diesen Oktober (vom 9. bis zum 11.10.) anstehenden Konferenz ist für jeden friedliebenden Menschen eine Provokation: „Der Nebel des Tages Null – Luft und All an der Frontlinie“ – im englischen Text der Einladung heißt das: “The Fog of Day Zero – Air and Space in the Vanguard“.
Die militärische Strategieschmiede JAPCC wird aus Steuergeldern und Beiträgen aus 16 Nato-Staaten finanziert. Das JAPCC versteht sich als Denkfabrik der Nato, um militärisches Wissen, militärische Erfahrung und Informationen auszutauschen, zu vernetzen und für zukünftige Entwicklungen zu öffnen. Das JAPCC ist eines von derzeit 24 steuer-finanzierten Nato-Zentren außerhalb der Kommando-Struktur der NATO, um Nato-Führungskräfte zu bilden und zu trainieren. Ziel ist eine Strategie-Entwicklung für die Kriegsführung im 21. Jahrhundert sowie die Qualifizierung von Führungskräften.
JAPCC-Konferenzen bieten den Militärs, führenden Politikern und Rüstungsindustriellen wichtige Möglichkeiten, diesen Zielen zu dienen. Damit steht die Arbeit des JAPCC im Widerspruch zum Friedensgebot internationaler Verträge, des Völkerrechts und des Grundgesetzes.
Schon einige der Titel der Konferenzen machen deutlich, dass es nicht um das friedliche Zusammenleben der Völker geht, wie es der Vertrag zur Regelung der Einheit Deutschlands und das Grundgesetz verlangen –Beispiele: Militärische Handlungen als expeditorische Operationen (JAPCC-Konferenz 2007: ‚The Role of Air Power in Expeditionary Security and Stability Operations‘), Entscheidungs-Überlegenheit in der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts (JAPCC-Konferenzen 2008, 2012). Expeditorische Kriegshandlungen erinnern an Ingeborg Bachmanns Gedicht:
Alle Tage
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Nato verwischt, wie wir ja auch im sogenannten Anti-Terror-Krieg sehen, die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, da sie militärisch auch ohne Kriegserklärung z.B. Drohnen einsetzt. Einige Konferenz-Dokumente des JAPCC bestärken die Erkenntnis, dass hier das Friedensgebot gebrochen wird. Besonders deutlich wird das in Dokumenten der ‚Future-Vector‘-Konferenz, die noch im Internet verfügbar sind: Das Manuskript Future Vector Part I erklärt einen neuen großen Krieg in Europa für möglich (S.141). Die Antwort auf diese Erwartung der Militärs ist ein – wie es heißt – angemessener Mix aus konventionellen und nuklearen Kapazitäten.
Die Essener Konferenz der Militärs zum Thema ‚Strategische Kommunikation‘ im Jahr 2015 kritisierte G. W. Bush dafür, dass er den Irak-Krieg mit der Falsch-Aussage begründete, der Irak besäße Massenvernichtungswaffen. Im Vorbereitungsmanuskript hieß es dazu weiter:
„Wenn die Tatsache der Grausamkeit von Saddam Hussein breit kommuniziert und publiziert worden wäre, wäre die Unterstützung für den Krieg viel stärker gewesen…“
In der Tatsache, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelte, wird hier kein Problem gesehen.
Die JAPCC-Konferenz von 2017 befasste sich mit der Abschreckungsstrategie der Nato. Das Auswertungsmanuskript dieser Tagung bringt Überlegungen über den Einsatz nuklearer Potenziale in den Zusammenhang mit fiskalischen Kosten-Abwägungen: „Die Nato-Strategie kann eine Unterstützung der konventionellen Abschreckung über ein großes Aufgebot an glaubwürdigen weit vorne aufgestellten Kräften umfassen. Dies, allerdings, wäre in rein fiskalischen Begriffen kostenintensiv. Alternativ könnte man S. 13 ein Absenken der Nuklearschwelle und eine Wieder-Aufstellung nuklearer Mittelstrecken-Kräfte (Raketen, B.T.) in Erwägung ziehen(…).“
Die diesjährige Konferenz vom 9. bis zum 11. Oktober im Kongress-Zentrum Ost der Messe Essen unter dem eingangs erwähnten Titel „Der Nebel des Tages Null“ wird auf der Konferenz-Website in ihrer Unvereinbarkeit mit dem Völkerrecht noch klarer: Es wird erwähnt, dass die Nato in den zurückliegenden fünfundzwanzig Jahren gegen sog. minderwertige Gegner kämpfte. Das habe zu einer Selbstzufriedenheit und zu einer Aversion gegen Leid und Opfer geführt. Das Forum am 10. Oktober lautet „Hat die Nato die Einstellung und Bereitschaft, am Tag Null zu kämpfen?“ Dort gehe es darum, die Bevölkerung auf die Kern-Aufgaben der Nato zu re-orientieren.
Die Friedensbewegung fordert die Stadt Essen in einem auch online erreichbaren Appell auf, Konferenzen, die dem Völkerrecht widersprechen, nicht zuzulassen.
Am Samstag vor der Konferenz findet in Essen eine breit unterstützte Demonstration für den Frieden statt, auf der Sprecher der Linken, der SPD, der Grünen und aus dem gewerkschaftlichen Bereich die Vielfalt der Anhänger einer Friedenskultur sichtbar machen. Im Demonstrationsaufruf berufen sich die Friedensfreunde auf den ehemaligen Essener Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der Atombomben als »sogenannte Waffen« bezeichnete. Ihr Einsatz stellt die Negation der Zivilisation dar. Wer sie einsetzt, nimmt auch den eigenen Untergang in Kauf.
Ende September überreicht das Bündnis dem Oberbürgermeister die bis dann gesammelten weit über tausend Unterschriften unter dem Appell gegen diese Konferenzen. Die Demonstrationen gegen die Kalkarer Drehscheibe für den Hightech-Krieg finden am Tag der Deutschen Einheit, dem 3.10. in Kalkar und am 6.Oktober in Essen auf dem Willy Brandt-Platz nahe Hauptbahnhof statt. Die Demonstration in Kalkar beginnt um 11:30 Uhr und die Essener Demonstration am Wochenende vor der Nato-Konferenz beginnt dann um zwei Minuten vor zwölf. Dieser Zeitpunkt ist der, auf dem die Warnuhr vor dem Atomkrieg aktuell steht. Hier kann man den Appell unterschreiben, solche Konferenzen nicht mehr zuzulassen.
[«*] Bernhard Trautvetter, Jahrgang 1954, ist ehemaliger Berufsschullehrer, Friedensaktivist, Lyriker und Bildgestalter. Zudem schreibt er Artikel unter anderem für die junge Welt, das Neue Deutschland und KenFM.