Hartz – “Reform”: Ankündigung und Wirklichkeit

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Das Programm “Kapital für Arbeit” aus dem Hartz-Katalog erweist sich nach Ansicht der hessischen Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) als “stumpfes Schwert”. Wie die Frankfurter Rundschau vom 29. Dezember 2003 berichtet, seien mit finanzieller Unterstützung aus dem Programm in Höhe von 31,8 Millionen Euro nur 368 Arbeitslose in eine Beschäftigung gebracht worden. Das ist ein Beispiel von vielen. Von Wolfgang Lieb.

Seit dem Frühjahr des Wahljahres 2002 werden wir nun mit den Verheißungen der Hartz-Vorschläge überschüttet. Die SPD baute ihre Wahlkampfstrategie darauf auf und der Meinungs-Mainstream überschlug sich in Zustimmung zu den Vorschlägen des VW-Direktors und verunglimpfte seine Kritiker, wie etwa die “Abweichler” im Bundestag oder die Gewerkschaften. Eine Halbierung der Arbeitslosenzahl wurde uns prophezeit. In ganzseitigen Anzeigen der Bundesregierung heißt es noch dieser Tage: “Mehr Chancen für den Arbeitsmarkt. Die Hartz-Gesetze eröffnen neue Beschäftigungsmöglichkeiten”.

Die zitierte Meldung aus dem Hessenteil der Frankfurter Rundschau passt – wie viele anderen ähnlichen Nachrichten – ganz und gar nicht zu dieser Schönrederei. Und leider ist es ja nicht der einzige Vorschlag aus dem Hartz-Modell, bei dem große Versprechungen nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun zu haben scheinen. Ähnlich enttäuschend sind bis jetzt die Erfolge mit den Personal Service Agenturen (PSA), dem “Job-Floater”, der Jobrotation, der Leiharbeit oder mit den Vermittlungsgutscheinen für eine private Arbeitsvermittlung. Das Mainzer Kombi-Lohn-Modell, mit dem sich Florian Gerster zum Chef der Bundesanstalt für Arbeit empfohlen hat, ist schon vor dem Ende seiner Test-Phase eingestellt worden.

Noch in seiner Neujahrsansprache hat Bundeskanzler Gerhard Schröder voller Zuversicht gesagt: “Wir haben versucht, Arbeit und das Schaffen von Arbeitsplätzen attraktiver zu machen, um endlich aus der Phase der wirtschaftlichen Stagnation herauszukommen.” Da ist es schon eine schallende Ohrfeige, wenn der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) nur einen Tag später – wiederum nur in einer kleinen dpa-Meldung im Wirtschaftsteil des Kölner Stadt-Anzeigers vom 2.Januar 2004 abgedruckt – eine bittere Zwischenbilanz dieser Arbeitsmarkreformen zieht: “Nach einer Umfrage bei mehr als 20 000 Unternehmen haben die seit einem Jahr gültigen Gesetze (Hartz I und II) dem Arbeitsmarkt keine positiven Impulse gebracht. Fast zwei Drittel der Unternehmen gaben an, dass sie 2004 kein einziges von den neu eingeführten zentralen Hartz-Instrumenten zur Einstellung von Personal nutzen wollen.”

Es wäre zynisch gegenüber den betroffenen Arbeitslosen, in Schadenfreude zu verfallen, aber die mäßigen Erfolge sind der nachträgliche Beweis dafür, was die oft verschmähten Kritiker des Hartz-Konzepts von Anfang an eingewandt haben: Wenn man Arbeitslosigkeit damit bekämpfen will, dass man nur die Arbeitslosen “fordert”, statt durch eine Wachstumspolitik Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, braucht man sich nicht wundern, wenn die Erfolge bescheiden bleiben. Oder um es bildlich zu sagen: Wenn man das Pferd am Schwanz aufzäumt, braucht man sich nicht wundern, wenn man nicht voran kommt.

Man wird in Zukunft auf die kleinen Meldungen versteckt im Wirtschafts- oder Landesteil der Zeitungen schauen müssen, um nachprüfen zu können, was von den Versprechungen eingehalten wurde. Die großen Schlagzeilen werden ja schon wieder von neuen “Reform”-Ankündigungen beherrscht. “Nach der Reform ist vor der Reform”!

Es drängt sich die Frage auf: Wollen die Modernisierer damit von den mäßigen Erfolgen der bisherigen Reformen ablenken oder bereiten sie die Erhöhung der “Reform”-Dosis vor? Das war in den vergangenen zwanzig Jahren immer die Strategie, wenn es darum ging, neoliberale Wirtschaftskonzepte durch zu setzen.