Hinweise des Tages
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Koalition streitet über möglichen Syrien-Einsatz
- Moscow Has Upped the Ante in Syria
- State of the Union
- Der Jo-Jo Effekt der Finanzkrise
- Mit der EU-Urheberrechtsreform wird das Internet zerschlagen
- Deshalb sorgt Heils neuer Wurf zur Rentenreform für Ungleichheit
- Forscher: Riester & Co. helfen kaum
- Workers are £800 a year poorer post-crisis
- Pilotengewerkschaft zum Streik bei Ryanair: “Es geht um einfache Dinge wie geregelten Urlaub”
- Maulkorb für Beschäftigte
- Die Pfleger von heute sind die Pflegebedürftigen von morgen
- Fragwürdige Vertragsverhältnisse: Arbeitsgericht stoppt BMWs Werkvertrag-Tricks
- Wohngeld schafft keine Wohnungen
- OECD-Studie: Bildung bleibt eine Frage der Herkunft
- Vorwärts in die Vergangenheit?
- Der Staat im Staate
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Koalition streitet über möglichen Syrien-Einsatz
Merkel gegen Nahles, von der Leyen gegen Maas: Die Frage eines möglichen Bundeswehreinsatzes in Syrien spaltet die Koalition. In den USA dürfte die Auseinandersetzung mit Interesse verfolgt werden.
Zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD ist ein offener Streit über ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg ausgebrochen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte das klare Nein von SPD-Chefin Andrea Nahles zu einer deutschen Beteiligung an einem Vergeltungsschlag beim Einsatz von Giftgas. «Einfach zu behaupten, wir könnten wegsehen, wenn irgendwo Chemiewaffen eingesetzt werden und eine internationale Konvention nicht eingehalten wird, das kann auch nicht die Antwort sein», sagte die CDU-Vorsitzende in der Haushaltsdebatte im Bundestag.
Alle Antworten der Bundesregierung würden auf Basis des Grundgesetzes und im Rahmen der parlamentarischen Verpflichtungen gegeben. «Aber von vornherein einfach Nein zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein.» Während CDU und CSU dies stark beklatschten, herrschte bei der SPD Schweigen. SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles schaute demonstrativ auf ihr Handy.
Quelle: Stern OnlineAnmerkung unseres Lesers A.H.: In voller Kenntnis der Rechtslage, die ja durch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags nur einen Tag vorher mit bemerkenswerter Klarheit festgestellt wurde (ein Einsatz in Syrien wäre sowohl grundgesetz- als auch völkerrechtswidrig!) schwadronieren die Bundeskanzlerin und die Verteidigungsministerin mal wieder von der “gestiegenen Verantwortung”, die Deutschland in der Welt zu übernehmen habe. Offenbar besteht diese Verantwortung mindestens für die Union auch in der Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffen. Auch seinerzeit beim völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak hätte Frau Merkel ja gerne mitgemacht – auch wenn sie das heute einfach abstreitet. Offenbar hat man bei CDU/CSU nichts dazu gelernt!
Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Bundeskanzlerin und die Verteidigungsministerin kritisieren ihren Koalitionspartner auf offener Bühne dafür, dass dieser keinen Grundgesetz- und Völkerrechtsbruch begehen will. Dieser ausgemachte Skandal findet in den Medien leider nur begrenzten Widerhall!
Wie gehabt, gilt das Völkerrecht nur für andere, während man für sich selber das Recht in Anspruch nimmt, dieses zu brechen, wenn es grade passt (oder Washington das verlangt)! Eine solche Haltung beschädigt das Völkerrecht in einem ungeahnten Ausmaß und lädt andere Länder geradezu dazu ein, internationales Recht ebenfalls zu ignorieren, wenn man grade mal Lust darauf hat – und so verkommt das Völkerrecht zu einer Art unverbindlicher “Folklore” – das grade noch gut genug ist, um als mediale Waffe missbraucht zu werden, wenn man über die Völkerrechtsbrüche anderer Staaten ein paar Krokodilstränen weinen und politisch motivierte Sanktionen begründen möchte.
Man kann wirklich nur hoffen, dass die SPD stark bleibt und dem (erneuten) vorauseilenden Gehorsam der Union gegenüber der amerikanischen Administration, die sich noch nie groß um das Völkerrecht geschert hat, wenn es der Verwirklichung eigener Pläne im Wege stand, einen Riegel vorschiebt!
Ergänzende Anmerkung André Tautenhahn: Wer die Generaldebatte gestern verfolgt hat, muss sich schon wundern. Da wurde in vielen Reden ein Aufstehen oder Zusammenschluss der Demokraten gefordert, gegen die AfD natürlich, auf der anderen Seite befürwortet aber eine Mehrheit dieser „Demokraten“ einen möglichen Vergeltungsschlag in Syrien oder zumindest das Nachdenken darüber. Dass die SPD-Fraktion da eine klare Gegenposition hätte, ist nicht sicher, zumal der Außenminister den letzten völkerrechtswidrigen Militärschlag gegen Syrien im April wie die Kanzlerin auch als angemessen und erforderlich bezeichnet hatte (An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert, wie ein Ministeriumssprecher am Montag erklärte). Es ist auch nicht so, dass die SPD ein militärisches Eingreifen in Syrien grundsätzlich ablehnt, schließlich beteiligt sich die Bundeswehr mit Zustimmung der Sozialdemokraten seit 2015 an Aufklärungsflügen. Ohne UN-Mandat wohlgemerkt, wurde der Syrien-Einsatz mehrfach verlängert, zuletzt im März 2018 bis 31.Oktober 2018. Glaubwürdiger wäre es daher, wenn zunächst ein Ende der militärischen Unterstützung für die sogenannte „Anti-Isis-Koalition“ gefordert würde.
- Moscow Has Upped the Ante in Syria
As Syrian forces backed by Russia launch the final showdown in Syria against jihadist extremists in Idlib province, the potential for a U.S.-Russia confrontation has never been greater, as VIPS warns in this memo to the president. September 9, 2018
MEMORANDUM FOR: The President
FROM: Veteran Intelligence Professionals for Sanity
SUBJECT: Moscow Has Upped the Ante in Syria
Mr. President:
We are concerned that you may not have been adequately briefed on the upsurge of hostilities in northwestern Syria, where Syrian armed forces with Russian support have launched a full-out campaign to take back the al-Nusra/al-Qaeda/ISIS-infested province of Idlib. The Syrians will almost certainly succeed, as they did in late 2016 in Aleppo. As in Aleppo, it will mean unspeakable carnage, unless someone finally tells the insurgents theirs is a lost cause.
That someone is you. The Israelis, Saudis, and others who want unrest to endure are egging on the insurgents, assuring them that you, Mr. President, will use U.S. forces to protect the insurgents in Idlib, and perhaps also rain hell down on Damascus. We believe that your senior advisers are encouraging the insurgents to think in those terms, and that your most senior aides are taking credit for your recent policy shift from troop withdrawal from Syria to indefinite war.
Quelle: Consortiumnews - State of the Union
Die EU soll “weltpolitikfähig” werden und als “Architekt der Welt von morgen” auftreten. Dies hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am gestrigen Mittwoch in seiner diesjährigen “State of the Union”-Rede gefordert, deren Bezeichnung der berühmten gleichnamigen Rede des US-Präsidenten vor beiden Kammern des Kongresses in Washington nachgebildet ist. Juncker will dazu insbesondere die Militarisierung der Union und die Hochrüstung ihrer Außengrenzen forcieren. Während der deutsch dominierte Staatenbund um jeden Preis zur Weltmacht aufsteigen will, nehmen die Spannungen im Inneren erheblich zu. Das gestern vom Europaparlament auf den Weg gebrachte EU-Verfahren gegen Ungarn, das seit Jahren demokratische Rechte abbaut, verschärft den Konflikt zwischen den westeuropäischen Machtzentren und dem Osten der Union. Das krasse Wohlstandsgefälle zwischen dem Zentrum der EU und der verarmten Peripherie besteht ungebrochen fort. Schwere Menschenrechtsverstöße vor allem gegen Flüchtlinge begleiten das globale Machtstreben der im Innern zerklüfteten Union.
Quelle: German Foreign Policy - Der Jo-Jo Effekt der Finanzkrise
Zehn Jahre sind seit Beginn der Finanzkrise vergangen. Bei der Bankenregulierung hat es Versäumnisse gegeben. Ein neuer Crash ist wahrscheinlich.
Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 mündete in die Wirtschafts- und Finanzkrise. 10 Jahre nach der Krise lautet die Frage nicht ob, sondern wann ein neuer Crash kommt. Dies hat mehrere Gründe:
Erstens, die milliardenschweren Rettungspakete für Banken und die Billionen an billigem Geld der Zentralbanken, haben zwar die Finanzmärkte beruhigt, aber bei Kürzung von öffentlichen Investitionen, Löhnen und Renten die Ungleichheit verschärft.
Das billige Geld der Zentralbanken landet so im Dax, bei Immobilien und Aktien statt in der realen Wirtschaft. Neue Finanzblasen entstehen. Die Privatisierung der Alterssicherung ist ein zusätzlicher Brandbeschleuniger für die Finanzmärkte, weil Rentengelder das Biest füttern. Es gibt daher weiter enormen Anlagedruck für Finanzinnovationen.
Nötig wäre stattdessen ein New Deal wie unter Roosevelt: Hohe Vermögen abschöpfen, das billige Geld gegen den Klimawandel und in die Infrastruktur investieren, die Binnenwirtschaft bzw. Löhne und Renten stärken. Und der ehemalige Präsident der US-Zentralbank hat Recht: Die einzige sinnvolle Finanzinnovation der letzten Jahre war der Geldautomat. Wir brauchen einen Finanz-Tüv zur Zulassung von Finanzprodukten, der neue Finanzprodukte auf Gefahren und volkswirtschaftlichen Nutzen prüft.
Quelle: Fabio De Masi im Handelsblattdazu: 10 Jahre Finanzkrise: Noch immer „zu groß zum Scheitern“
Zehn Jahre nach dem Crash hat sich nicht viel geändert. Noch immer sind die Banken zu groß und zu vernetzt. Global stieg die Anzahl der systemrelevanten Banken von 29 auf 30 (hier). Fast drei Viertel der Gesamtvermögen (banking total assets) werden von den 35 größten Banken Europas gehalten (hier). Und 13 europäische Banken halten mehr als ein Viertel des Vermögens anderer Banken (hier) („cross holdings of assets between banks globally“). Entsprechend hoch ist die Ansteckungsgefahr zwischen den Banken.
Dabei gab es nach dem Immobiliencrash durchaus Regulierungsvorschläge und Maßnahmen. Die EU-Kommission setzte eine Expertengruppe ein und übernahm deren Empfehlungen, große Banken wenn nötig aufzusplitten. Doch nach fünf Jahren intensiver Lobbyarbeit der Bankenindustrie wurden die Reformvorschläge Ende 2017 ad acta gelegt. Ganz im Gegenteil zu Reformbemühungen in den USA und Großbritannien (hier).
Nicht ausreichend sind auch die Reformen zur Regelung des Eigenkapitals und Verschuldungsstands der Banken in den letzten Jahren. Denn die Größe und Systemrelevanz der Banken resultiert nicht zuletzt aus den großen Mengen Fremdkapital, die sie für ihre Geschäfte einsetzen durften, ohne dabei eigenes Kapital vorhalten zu müssen (gut wird das hier ab Minute 2 erklärt). Eine höhere Eigenkapitalquote würde es den Banken aber ermöglichen, Verluste einfacher aufzufangen. Eine kapitalschwache Bank hingegen droht weitaus schneller Bankrott zu gehen und andere Banken sowie die Realwirtschaft mit in den Abgrund zu reißen.
Quelle: Zebrablogsdazu auch: ZDFzoom: Geheimakte Finanzkrise
Der Fall schien klar: Die US-Bank Lehman Brothers löste die Finanzkrise 2008 aus. ZDFzoom enthüllt nun, welche Verantwortung die Deutsche Bank trug und wie sie um ihr Überleben kämpfte.
Die Doku zeigt, dass die Deutsche Bank über Jahre wissentlich gefährliche Papiere verkaufte und 2007 provozierte, dass in Deutschland der Staat Banken stützen musste. Ihre eigenen Probleme vertuschte die Bank und rühmte sich, ohne staatliche Hilfe auszukommen.
Quelle: ZDFAnmerkung unseres Lesers S.K.: Zunächst einmal vorweg, diese Dokumentation ist sehr sehenswert! Die berichteten Fakten sind für Leser der Nachdenkseiten allerdings keine Neuigkeiten und waren vielen schon damals bekannt, als sie sich gerade zutrugen. Leider muss man zu dieser Dokumentation zwei Bemerkungen machen, die, je mehr man darüber nachdenkt, enorm wütend machen.
Erstens entsteht am Ende der Dokumentation der fatale Eindruck, es war ausschließlich die Deutsche Bank und insbesondere der mephistophelische Herr Ackermann, der die Politik verhexte und in Personalunion sowohl für das Entstehen der Krise als auch für die falsche politische Reaktion auf die Krise verantwortlich war.
Zweitens verlangt die Dokumentation geradezu zwingend nach einen zweiten Teil, der die Realität wieder vom Kopf auf die Beine stellt und das Primat der Politik in den Fokus der Verantwortung rückt.
So erfahren wir in der Doku, dass Wolfgang Schäuble in seinem ersten Amtsjahr als Finanzminister, erst allmählich das falsche Spiel des Josef Ackermann durchschaute und das Frau Merkel im Jahre 2018 zu der Erkenntnis kam, dass viele Banker reich geworden sind und gleichzeitig viele Menschen in Europa arbeitslos wurden und dürfen Herrn Eichels (richtige!) Aufregung vernehmen, dass eine Banken/Finanzkrise in eine Staatsschuldenkrise umgedeutet wurde.
Hier sehen wir also das Muster sich beklagender, verantwortlicher Politiker, die vorgeben, von einem Banker aus weitgefasstem Eigennutz belogen worden zu sein und deshalb genötigt waren, ‘alternativlos’ zu handeln, um gleichzeitig von diesen Politikern ein noch unglaublicheres Lügengebäude präsentiert zu bekommen, das sich Staatsschuldenkrise nennt, mit all seinen von Austeritätswahn getriebenen, tödlichen Konsequenzen für viele Menschen.
Ich möchte doch meinen, selbst wenn man diesen Staatsdienern in ihrer Opferrolle auf den Leim gehen möchte, sollte doch eines immer gelten: Unschuldige sollten nicht für die Verfehlungen/Verbrechen anderer Leiden. Was kann also der einzelne, vielleicht bereits verstorbene Grieche dafür, dass im großen Finanzcasino Welten auf’s Spiel gesetzt wurden? Auch hier hat die Politik keine Schutzzonen/Haltelinien eingezogen, sondern skrupellos Leben geopfert. Hierzu ließe sich noch sehr viel sagen, was unbedingt der Inhalt eines zweiten Teiles sein müsste.
- Mit der EU-Urheberrechtsreform wird das Internet zerschlagen
Die Verschärfung des Urheberrechts fördert Zensur und zeigt, dass das EU-Parlament Netzaktivisten, IT-Koryphäen und Bürger ignoriert hat. Es sei ein guter Tag für Kreative, wird von denen herausposaunt, die sich für das neue EU-Urheberrecht starkgemacht haben. Doch der Etappensieg traditioneller Medienkonzerne im Europaparlament bedeutet vor allem eines: das Ende des Internets, wie wir es kennen. Entgegen aller Kritik, trotz Protestaktionen und fast einer Million Unterschriften von skeptischen Bürgern stimmte die konservative Mehrheit im Parlament am Mittwoch für Uploadfilter und ein Leistungsschutzrecht. Das bedeutet: Inhalte, die auf Plattformen hochgeladen werden, müssen künftig auf Urheberrechtsverletzungen geprüft werden. Zudem dürfen Aggregatoren wie Google News und Co keine Titel und Anreißertexte von Medien mehr kostenlos anzeigen. Die katastrophale Folge ist das Ende für Memes, Zusammenschnitte von Sportveranstaltungen und kleinste Textausschnitte von Medien. Nach dem Scheitern des Erstentwurfs war ein Kompromiss versprochen worden. Der beschränkt sich jedoch auf Formalitäten: Nicht mehr alle Plattformen, sondern nur jene, die nutzergenerierte Inhalte teilen und bewerben, sollen einen Uploadfilter nutzen müssen – im Fokus stehen vor allem soziale Medien. Eine Zensurmaschine also, die den wichtigsten Kommunikationskanal des 21. Jahrhunderts vorab prüft, soll nun verpflichtend werden.
Quelle: der Standarddazu: Niederlage in Sachen modernes Urheberrecht
„Die heutige Abstimmung war eine schwere Niederlage für alle, die sich für ein modernes Urheberrecht und ein freies, nicht von großen kommerziellen Akteuren dominiertes Internet einsetzen“, erklärt Petra Sitte, Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf die heutige Abstimmung des Europäischen Parlaments über sein Verhandlungsmandat zur Urheberrechtsreform. Nachdem eine erste Abstimmung im Juni vertagt und die Abstimmung über Änderungen im Plenum ermöglicht wurde, wurden die Artikel 11 (Leistungsschutzrecht für Presseverlage) und 13 (Uploadfilter) heute dennoch angenommen. „In jedem Falle muss allen, die sich in den letzten Monaten und Jahren gegen teils abenteuerliche Lobbykampagnen für ein modernes Urheberrecht eingesetzt haben, gedankt werden.“ Sitte weiter:
„Um ein innovationsfeindliches, in Deutschland bereits auf ganzer Linie gescheitertes Leistungsschutzrecht und Uploadfilter, die eine kaum kontrollierbare Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellen, jetzt noch zu verhindern, bleiben nur noch die Trilogverhandlungen unter Beteiligung der Mitgliedsstaaten. Hier muss die Bundesregierung endlich Farbe bekennen und insbesondere der deutlichen Ablehnung von Uploadfiltern im Koalitionsvertrag Taten folgen lassen.“
Quelle: DIE LINKE. im Bundestagdazu auch: Das EU-Parlament legt einen Schleier über das Internet: Votum für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht [Update]
Der nun beschlossene Entwurf sind Ergebnis eines jahrelangen Tauziehens. Anstoß für die Reform war ein Vorschlag des damaligen EU-Digitalkommissars Günther Oettinger, einem CDU-Politiker mit guten Kontakten zu Lobbyisten und der Industrie. Schon im ersten Entwurf legte die Kommission das klare Ziel fest, die Position der Presseverlage und anderer Rechteinhaber zu stärken. Auf zeitgemäße Ideen wie einem Recht auf Remix und großzügige Ausnahmeregeln für nichtkommerzielle Verwendung von Inhalten im Internet verzichtet sie hingegen. Die Gegner dieser Art von Reform kämpfen seither einen erbitterten, aber größtenteils erfolglosen Abwehrkampf.
Wichtigster Freund der Verlagslobby im EU-Parlament ist der Abgeordnete Voss. Der CDU-Politiker schrieb den Entwurf für die nun beschlossene Verhandlungsposition des Parlaments in den abschließenden Verhandlungen zur Reform. Seine Vorschläge haben weitreichende Folgen. […]
Die Verlagslobby will sich damit einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google und andere Plattformen mit Anzeigen rund um Teasertexte und Links zu Verlagsangeboten verdienen. Einer Berechnung von Golem.de zufolge würden bei einer Einführung des EU-Leistungsschutzrechts 64 Prozent der Gesamteinnahmen in Deutschland an den Axel-Springer-Verlag gehen.
Das Gesetz bringt zudem absurde Folgen mit sich: Überall im Netz müssten dann Textschnipsel und Links auf Urheberrechtsverletzungen überprüft werden. Bisherige Vorschläge von Rat, Kommission und Parlament sind zudem nicht allzu klar formuliert. In ihrer härtesten Form stellen die Vorschläge aus Sicht eines Expertenberichtes des EU-Parlaments eine Gefahr für die Meinungsfreiheit dar. Allein die Unklarheit spricht gegen den vorliegenden Entwurf des Leistungsschutzrechts.
Quelle: netzpolitik.org - Deshalb sorgt Heils neuer Wurf zur Rentenreform für Ungleichheit
Wer nicht bis zur Rente arbeiten kann, soll bessergestellt werden. Doch Arbeitsminister Heils Reform benachteiligt Alters- und Altrentner. Verzichten wird er darauf aber nicht.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat wieder herumverbessert – wieder an der Erwerbsminderungsrente. Die neuen Änderungen für höhere Erwerbsminderungsrenten treten am 1. Februar 2019 in Kraft – und benachteiligen rund 1,8 Millionen heutige Rentner. Denn allein die für 2019 geplanten Änderungen führen zu einer Erhöhung des Rentenanspruchs nur für Neurentner um mehr als 100 Euro. Das geht aus übereinstimmenden Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hervor, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen.
Heißt: Jemand, der in diesem Jahr im Dezember wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente beantragen muss, muss gegenüber jemandem, der bis Januar 2019 warten kann, für den Rest seines Lebens mit einer um 100 Euro niedrigeren Rente zurechtkommen. SPD und Union nehmen diesen Nachteil für Altrentner bei dieser Reform jedoch in Kauf – aus Angst vor den hohen Kosten.
Quelle: Handelsblatt - Forscher: Riester & Co. helfen kaum
Gut die Hälfte der rentennahen Erwerbstätigen kann Konsum im Ruhestand nicht halten – Absenken der gesetzlichen Rente verschärft Problem
Viele Erwerbstätige, die kurz vor der Rente stehen, werden sich im Ruhestand einschränken müssen: Mehr als die Hälfte, 58 Prozent, der 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen hätten nicht genug Ansprüche an die gesetzliche, betriebliche oder private Altersversorgung, um ihr aktuelles Konsumniveau aufrecht zu erhalten, wenn sie jetzt in Rente gingen. Falls sie noch bis zum durchschnittlichen Renteneintrittsalter auf ihrer aktuellen Position weiterarbeiten können, sind immer noch rund 50 Prozent davon betroffen. Ein weiteres Absenken des gesetzlichen Rentenniveaus würde das Problem verschärfen. Entlastend würde eine Stärkung der gesetzlichen ersten Säule wie in Österreich wirken. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Quelle: Hans Böckler Stiftung - Workers are £800 a year poorer post-crisis
The analysis done for the BBC by the Institute for Fiscal Studies shows that on average people’s real annual wages are £800 lower. And that people who are aged between 30 and 39 now are earning £2,100 a year less than people of the same age group in 2008. That’s a drop of 7.2%.
For those in their 20s, the decline is 5%, compared with the drop for the over-60s in work of 0.7%, or £130. At the time of the financial crisis in 2008, the average wage was £24,100. In 2017, it was £23,300.
Quelle: BBCAnmerkung Jens Berger: Es ist nicht sonderlich überraschend, dass vor allem die Jungen den Preis zu zahlen haben. Die BBC vertut sich jedoch bei der präzisen Formulierung. Hier geht es weniger um die Folgen der Krise, sondern mehr um die Folgen der Austeritätspolitik, mit denen die Mitte-Regierungen auf die Krise reagierten.
- Pilotengewerkschaft zum Streik bei Ryanair: “Es geht um einfache Dinge wie geregelten Urlaub”
Piloten und Flugbegleiter der Billig-Fluglinie Ryanair streiken erstmals gemeinsam. Dabei gehe es nicht nur um Fragen der Vergütung, sagte Markus Wahl von der Vereinigung Cockpit im Dlf, sondern um selbstverständliche Dinge wie geregelten Urlaub und den Schutz vor Kündigung oder Strafversetzung. […]
Zum einen geht es natürlich um die Vergütungsstruktur. Es geht nicht um die Höhe der Vergütung, sondern um die Struktur, um den Unterschied zwischen variablen Gehaltsanteilen und festen Anteilen. Aber viel wichtiger: Es geht um Rahmenbedingungen, um Arbeitsbedingungen. Da geht es um so einfache Dinge wie geregelten Urlaub oder einen Kündigungsschutz oder den Schutz davor, dass Ryanair die Piloten von heute auf morgen quer durch Europa versetzen kann und dann sagen kann, ab morgen arbeitest du für den Rest deiner Arbeitszeit jahrelang dort. Und das sind Dinge, die sind eigentlich selbstverständlich, bei Ryanair allerdings nicht.
Quelle: Deutschlandfunk - Maulkorb für Beschäftigte
Wenn der Chef definiert, was ein Geschäftsgeheimnis ist.
Ein neues Gesetz soll Standards setzen, was als “Geschäftsgeheimnis” gilt. Das Problem: Die Unternehmen selbst dürfen festlegen, was sie als Geschäftsgeheimnis definieren. Das macht es Beschäftigten schwer bis unmöglich, auf Missstände im Unternehmen aufmerksam zu machen – denn sie riskieren hohe Strafen.
Fast unbemerkt ist kurz vor der Sommerpause ein Gesetzentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen durchs Kabinett gegangen, bald soll er im Bundestag ankommen. Das Gesetz droht zum Maulkorb für Beschäftigte und ihre Interessenvertreter zu werden.
Das Problem ist nicht, dass das Geschäftsgeheimnis erstmals gesetzlich definiert werden soll. Problematisch ist, wem die Definitionshoheit eingeräumt wird: Unternehmer und Manager sollen selbst entscheiden, was ein Geheimnis ist. Das kann eine Software zur Manipulation von Abgasen sein, aber auch Informationen über geplante Entlassungen oder eine Werkschließung. Selbst Fachkenntnisse, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer Tätigkeit erworben haben, könnten als Geschäftsgeheimnis deklariert werden. Dabei reicht schon der Verdacht eines Arbeitgebers aus, um gegen Mitarbeiter vorzugehen. Die Sanktionen sind hart, sie liegen bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.
Quelle: DGB - Die Pfleger von heute sind die Pflegebedürftigen von morgen
Roberto J. De Lapuente über fehlende technologische Investitionen in Pflegeberufen
In Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt es ziemlich viel zu tun; der Pflegebedarf ist immens. Eigentlich wird jede helfende Hand gebraucht. Aus dieser Einsicht resultieren Vorschläge wie jener, Langzeitarbeitslose oder Flüchtlinge in einer generalstabsmäßig geplanten Aktion als Pflegehelfer zu verpflichten. Umbetten, Saubermachen, Löffeln und auf Klingelzeichen in Zimmer eilen – das kann ja jeder machen. Qualifikation steht bei solchen Planungen hintan, ebenso die Basics des Berufs: Werte wie Empathie oder Nächstenliebe, werden dabei nicht beachtet.
In der deutschen »Pflegepolitik« gilt jeher nur eines: Viel hilft viel. Die Manpower soll es richten. Dahinter steckt ein altmodisches Konzept. Man stellt sich die Pflegerepublik Deutschland nämlich als einen Ort vor, in der der Dienst am kranken oder alten Menschen mit einer Armee von Pflegerinnen und Pfleger vollbracht wird. Technologische Erleichterungen für den Berufsstand, Entlastungen durch Apparate und Roboter stehen hingegen nicht auf der Agenda.
Druckgeschwüre werden weiterhin vornehmlich händisch entlastet; umgebettet wird unter vollem Körpereinsatz. In den meisten Kliniken sind Patientenkräne oder -lifter seltene Einrichtungsgegenstände. Pflegeroboter und moderne Überwachungssensoren kommen im deutsche Pflegealltag so gut wie gar nicht zum Einsatz. Der Frage des Gebrauchs solcher Mittel begegnet man mit moralischen Allüren, man zitiert die Menschenwürde der Patienten, die man hier gefährde – und vergisst darüber hinweg, dass auch jene, die täglich unter Einsatz ihrer körperlichen Unversehrtheit, für das Wohl der Patienten da sind, auch genau diese Würde innehaben.
Quelle: Heppenheimer Hiob - Fragwürdige Vertragsverhältnisse: Arbeitsgericht stoppt BMWs Werkvertrag-Tricks
Systematisch nutzt BMW billiges Personal externer Dienstleister und begibt sich dabei immer wieder in arbeitsrechtliche Grauzonen. Jetzt stoppt das Arbeitsgericht München mit einem noch nicht rechtskräftigen Urteil die weiß-blaue Trickserei. In drei Fällen muss der Konzern Ex-Werkverträgler wie eigene Mitarbeiter behandeln und soll Löhne und Rentenversicherungsbeiträge in Millionenhöhe nachzahlen.
Die reine Freude am Fahren war es nicht, warum Robin Bühner* bei PS-starken Zweirad-Messen wie der Intermot in Köln glänzende BMW-Motorräder vorführte. Der Profi-Biker lebte seit dem Jahr 2000 hauptberuflich von der Präsentation der BMW-Maschinen. Angestellt war der BMW-Markenbotschafter aber bei einem unbekannten Dienstleister namens KMF Messe- und Fuhrparkservice aus dem bayrischen Pfaffenhofen, der im Wesentlichen offenbar von einem Kunden lebte: BMW.
Die Vertragskonstruktion zwischen dem Premium-Konzern und dem Kleinunternehmen, so urteilte jetzt das Arbeitsgericht München, war von Anfang an illegal. Faktisch, entschied das Gericht – bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit – am 22. August, dass KMF Bühner und zwei ebenfalls klagende Kollegen wie Leiharbeiter an BMW überlassen habe. Dafür aber fehlte KMF die Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung. Und dadurch, so die rechtliche Schlussfolgerung der Richterin, waren Bühner und die anderen die Motorrad-Profis von KMF faktisch Mitarbeiter von BMW und müssen nachträglich auch so behandelt werden.
Quelle: WirtschaftsWoche - Wohngeld schafft keine Wohnungen
Am Vorschlag von Wirtschaftsprofessor Friedrich Breyer, den sozialen Wohnungsbau abzuschaffen und stattdessen die Mieter mit Wohngeld zu unterstützen, lässt Rolf Gaßmann kein gutes Haar. Der Vorsitzende des Mieterbunds Baden-Württemberg kann auf Marktradikales aus der Mottenkiste verzichten.
riedrich Breyer, Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Universität Konstanz und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, hält den sozialen Wohnungsbau für eine Scheinlösung, da nicht für jeden bedürftigen Mieter eine Sozialwohnung bereitstehe. Statt Geld in die Wohnbauförderung zu investieren, empfiehlt er, dieselbe Summe dafür auszugeben, die Bemessungsgrenzen des Wohngelds anzuheben. Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins und des Mieterbunds Baden-Württemberg, widerspricht.
“Der Herr Professor sitzt im Elfenbeinturm und hat von den realen Nöten vieler Wohnungssuchender offensichtlich keine Ahnung”, ätzt Gaßmann in einer Pressemitteilung noch am selben Tag, an dem Breyer im Interview mit der “Stuttgarter Zeitung” seine These erläutert. Wer sozialen Wohnungsbau als “weiße Salbe” bezeichne und die Wohnraumversorgung dem Markt überlassen wolle, der “handelt sozial unverantwortlich. Modelle aus der Studierstube ersetzen keine soziale Wohnungspolitik, die bezahlbaren Wohnraum schafft und dauerhaft erhält.”
Quelle: Kontext: Wochenzeitung - OECD-Studie: Bildung bleibt eine Frage der Herkunft
Für Kinder aus ärmeren Familien und Einwandererkinder ist ein Aufstieg durch Bildung immer noch schwierig. Das zeigt eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Migranten in erster und zweiter Generation erreichen laut einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seltener einen höheren Bildungsabschluss als andere.
Zwar hat Deutschland der Untersuchung zufolge in den vergangenen Jahren in der Bildung in einigen Bereichen deutlich aufgeholt. Laut der OECD-Untersuchung galt für Einwandererkinder jedoch: Je älter sie zum Zeitpunkt der Einwanderung in ein Land waren, umso schwieriger wurde, an den örtlichen Bildungsangeboten teilzuhaben. Als Gründe wurden Probleme mit der Sprache oder dem für die Betroffenen fremden Bildungssystem genannt.
Quelle: Tagesschaudazu: “Bildungserfolg hängt immer noch vom Status der Eltern ab”
“Wir haben in den letzten zehn Jahren viel bewegen können”, sagte Katja Urbatsch, Gründerin von Arbeiterkind.de, im Dlf. Dennoch hätten sich die Hürden, als Erster in der Familie ein Studium aufzunehmen, nicht verringert. Vor allem die Studienfinanzierung sei eine große Herausforderung.
Quelle: Deutschlandfunk - Vorwärts in die Vergangenheit?
Auch das Politische befindet sich auf dem Rückzug. Die Idee der reflexiven Gestaltung des Sozialen, die durch die Jugendkultur der Alternativbewegungen in den 1980er Jahren in die Gesellschaft hineingetragen worden war, wurde zunächst aus dem Alltagsleben getilgt und schließlich auch durch die expertokratische Politik der Alternativlosigkeit und den Rückbau demokratischer Verfahren der Entscheidungsfindung aus den politischen Institutionen vertrieben. Die daraus entstandenen Mentalitäten sind zwar nicht explizit rechts, doch enthalten sie eine spezifische Grundbotschaft: Die Gesellschaftsordnung ist nicht verhandelbar und verlangt unbedingte Anpassung und Unterordnung.
Schließlich hat sich auch die gesellschaftliche Blickrichtung verändert: Nicht mehr die Zukunft, sondern die Vergangenheit erscheint als verheißungsvoller Ort. Ein Hauch von Nostalgie durchweht die Gesellschaft: Historisierende Architektur feiert fröhliche Urstände, im Kino sind in den letzten Jahren etliche Filme erschienen, die sich in der ästhetischen Verklärung der sechziger Jahre gegenseitig überbieten, und schließlich stechen auch die von Jahr zu Jahr kostspieliger ausfallenden Abiturbälle ins Auge, auf denen junge Frauen in nahezu identischen Ballkleidern und junge Männer in Anzügen eine glatte Fassade der Zeitlosigkeit gegen die wachsenden Ungewissheiten ihres Lebens errichten. Nicht zu vergessen sind auch die Heerscharen von Politikern, die versuchen, den Problemen der Gegenwart mit »Lösungen von gestern« beizukommen. Und vielleicht war Didier Eribons Wiederentdeckung der Arbeiterklasse auch deshalb eine so erfolgreiche Idee, weil die Arbeiterklasse in den westlichen Industrieländern schon lange von der Bildfläche verschwunden ist. […]
Statt in eine ungewisse Zukunft investiere man alle Hoffnungen in die Restauration eines halbvergessenen Gestern, an dem man vor allem dessen vermeintliche Stabilität und Vertrauenswürdigkeit schätzenswert findet. Gefahren, so Bauman, gingen vor allem von der restaurativen Spielart der Nostalgie aus, wie sie uns in nationalen und nationalistischen Revivals überall auf der Welt begegne, die mithilfe des Rückgriffs auf nationale Symbole und Mythen eine reaktionäre Mythologisierung der Geschichte betrieben. Die Zukunft, einst »natürliches Habitat der Hoffnung und berechtigter Erwartungen«, werde nun zum »Schreckensszenario drohender Alpträume«: vom Verlust des Arbeitsplatzes und der an ihn geknüpften sozialen Stellung, von der Pfändung des auf Kredit erworbenen Eigenheims, von der Ohnmacht der Entfremdung und des Kontrollverlusts angesichts des sozialen Zurückfallens und des sinkenden Werts der mühsam erlernten Qualifikationen. Vor diesem Hintergrund erscheint der Weg zurück ins Gestern als Ausweg. (…)
Quelle: MerkurAnmerkung Moritz Müller: Ein lesenswerter Artikel, der reichlich Stoff zum Nachdenken gibt. Vor allem in der zweiten Hälfte werden einige sehr interessante Thesen aufgestellt, für die die es sich lohnt den nicht ganz leicht verständlichen Beitrag zu lesen.
- Der Staat im Staate
Über rechte Netzwerke im Verfassungsschutz und anderen Behörden
In Deutschland gibt es nicht nur ein Problem mit rassistischen Demonstrationen und einem Rechtsruck in der Parteienlandschaft. Die Indizien mehren sich, dass staatliche Organe bis in Führungspositionen hinein mit Sympathisanten und Unterstützern der rechten Szene durchsetzt sind. Wenn jüngst der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen öffentlich mutmaßte, dass Videos gefälscht seien, die rassistische Übergriffe in Chemnitz zeigen, und zwar ohne Belege oder Indizien dafür vorweisen zu können, dann greift er nicht nur den Ermittlungen vor, sondern fördert aktiv rechte Propaganda. Dass Maaßen möglicher Weise die AfD dabei beraten hat, wie sie einer Überwachung durch den Verfassungsschutz entgehen kann, passt ins Bild.
Der Fall Maaßen ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Die NSU-Untersuchungsausschüsse und der Prozess gegen Beate Zschäpe haben gezeigt, dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch einige Landesämter die rechte Szene durch V-Leute zu großen Teilen finanzieren, ihre Aktivitäten decken und Ermittlungen massiv behindern. Der Verfassungsschutz ist keineswegs auf dem rechte Auge blind, wie immer wieder gesagt wird, sondern im Gegenteil im rechtsextremen Milieu bestens informiert und aktiv. Bereits seit 1998 wusste das Bundesamt für Verfassungsschutz von der Existenz des Trios Mundlos-Böhnhardt-Zschäpe als gewaltbereiter rechtsterroristischer Gruppe. Auch das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Thüringen waren informiert und besaßen sogar eine Adressliste von Uwe Mundlos mit dem Who-is-Who der ultrarechten Szene. Ein Verhaftungsversuch des LKAwurde laut Zeugenaussagen vom Verfassungsschutz vereitelt. Im Frühjahr 2000 war das Terrornetzwerk auch dem Generalbundesanwalt bekannt. Nicht nur haben alle diese Organe nichts dagegen unternommen, der Verfassungschutz hat sogar dabei zugesehen, wie mithilfe der eigenen V-Leute aus dem Umfeld des Trios weiter Waffen gekauft wurden. Wenige Monate später begann die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, dem zehn Menschen zum Opfer fielen.
Quelle: Kontext-TV