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- Kahlschlag und Misere
- Befristungen: Die ständige Verwundbarkeit vor Augen
- Mietpreisbremse
- Digitalsteuer: Olaf Scholz hat sich vergoogelt
- Westliche Doppelmoral: Saudi-Arabien, Russland und Syrien
- The Impossible Photo
- Ein neuer schmutziger Deal mit Erdogan droht
- Macron gegen Spitzenkandidaten – Ein progressives Bündnis?
- Der weite Weg nach Westen: Georgiens Geschichte am Rande Europas
- US-Sanktionen gegen Venezuela bedrohen Pressefreiheit
- Tödliche Feldversuche
- Religiöse Vorschriften haben an Schulen nichts verloren
- Wie die Sioux-Indianer in South Dakota versuchen, ihren Stamm aus dem Würgegriff des Alkohols zu retten
- Das Letzte: “Aufstehen”: Eine Bewegung für Verlierer
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Kahlschlag und Misere
Eine Partei zwischen Rechtspopulismus und Neofaschismus. Warum wählen Arbeiter die AfD? (Teil I)
Es hat keine fünf Jahre gedauert, bis aus der anfänglichen »Professorenpartei« AfD, entstanden aus einer von »Honoratioren« getragenen Bewegung gegen den Euro bzw. den »Euro-Rettungsschirm«, eine Formation mit politischer Prägekraft geworden ist. Die Partei dürfte mittlerweile die Sozialdemokraten als zweitstärkste politische Kraft in der BRD abgelöst haben. […]
Aus ihrer gemeinsamen Niederlage haben die etablierten Parteien offensichtlich nichts gelernt. Es ist Bestandteil der »Erfolgsbilanz« der AfD, dass sich fast alle politischen Kräfte der BRD deren chauvinistischer Postion in der Flüchtlingsfrage angenähert haben. Die Hoffnung, den politischen Konkurrenten auf diese Weise zurückdrängen zu können, hat sich nicht erfüllt. Am allerwenigsten sind die Sozialdemokraten in der Lage zu vermitteln, weshalb man sie wählen sollte. Aus beinahe jeder Äußerung des SPD-Personals wird deutlich, dass nichts, aber auch gar nichts aus dem dramatischen Absturz gelernt wurde. Versprochen wird zwar, die »Übertreibungen« der Hartz-IV-Zumutungen zu »korrigieren«, aber zu mehr als zu »Schönheitsreparaturen« scheint niemand bereit zu sein. Typisch ist die aktuelle Forderung der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles, die Sanktionen (Leistungskürzungen bei »Fehlverhalten«) für jüngere Hilfebedürftige abzuschaffen. Grundsätzlich wird damit allerdings weiterhin die Praxis akzeptiert, die Hilfssätze unter das Existenzminimum zu drücken – wovon jährlich fast eine Million Bedürftige betroffen sind. […]
Die Lebenssituation einer ehemals »gutsituierten Mitte« ist in der Regel dadurch charakterisiert, dass sie immer mehr und intensiver arbeiten muss, um »über die Runden« zu kommen. Gestiegen ist der zur Existenzsicherung notwendige Einsatz von Lebensenergie, ohne sich der erreichten Position jemals ganz sicher sein zu können, denn auf der erreichten sozialen Stufe scheint für alle kein Platz mehr zu sein. Das ist ein realistische Wahrnehmung. Die sozialstatistischen Daten dokumentieren, dass »nicht nur die Aufstiegsdynamik stagniert, [sondern] auch die Abstiege« sich häufen.
Was zu betrachten übrig bleibt, ist der arme Rest der Gesellschaftspyramide, also ziemlich exakt deren untere Hälfte, die sich zu 20 Prozent aus Menschen zusammensetzt, die in der einen oder anderen Form in Armut leben, und einer weiteren Gruppe – etwa 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung –, die permanent vom sozialen Absturz bedroht ist. Wie dramatisch sich die Verhältnisse in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, wird dadurch deutlich, dass 1965 nur jedes 75. Kind auf Sozialhilfe angewiesen war. Heute ist es (mindestens) jedes fünfte.
Zweifellos gibt es nicht wenige Lohnabhängige, gerade auch unter den Facharbeitern und mittleren Angestellten, die noch in gesicherten Verhältnissen leben. Aber ganz so »komfortabel« wie noch in der jüngeren Vergangenheit erleben sie ihre Situation nicht mehr. Beispielsweise wird in den Betrieben die unübersehbare Anwesenheit von prekär Beschäftigten (»Randbelegschaften«) als das erfahren, was sie im Sinne des Kapitals auch ist: eine ständige Erinnerung an die Unsicherheit der eigenen Existenz.
Quelle: junge Weltdazu: Der Reflex der Bedrängten
Wachsender Einfluss der Rechten in den Betrieben. Warum wählen Arbeiter die AfD? (Teil II und Schluss)
Was eine gesellschaftliche Linke am Aufstieg einer rechten Bewegung in der Bundesrepublik vorrangig interessieren muss, ist die Frage, warum so viele »sozial Schwache« zum Rechtspopulismus tendieren, aber auch Gewerkschafter bereit sind, bei Wahlen der AfD ihre Stimme zu geben. Auf den ersten Blick sprechen die Zahlen für sich: Der Anteil der Wahlberechtigten mit AfD-Präferenzen liegt bei Beschäftigten mit einfacher beruflicher Qualifizierung und bei Arbeitern bei 36 Prozent. Auch bei den Gewerkschaftsmitgliedern in diesen Beschäftigtengruppen beträgt er noch 24 Prozent.
In den Betrieben hat die AfD organisatorisch noch nicht flächendeckend Fuß fassen können, aber immerhin wichtige Brückenköpfe erobert: Betriebsgruppen gab es Ende 2017 beispielsweise bei Volkswagen, im BMW-Werk Leipzig, bei Opel in Rüsselsheim und bei Daimler in Rastatt. Bei den Betriebsratswahlen 2018 erzielte die AfD-nahe Liste »Zentrum Automobil« im Daimler-Werk Untertürkheim ein Stimmenergebnis von 13,2 Prozent und kann damit sechs Betriebsräte stellen.
Quelle: junge Weltdazu auch: Wie die AfD das Land verändert
Seit die Alternative für Deutschland (AfD) in das Europaparlament, mehrere Landtage und den Bundestag eingezogen ist, wo sie hauptsächlich durch Provokationen, Verbalradikalität und minderheitenfeindliche Inhalte auffällt, hat sich Deutschland nicht unwesentlich verändert. Sein parlamentarisches, Regierungs- und Parteiensystem, jahrzehntelang ein wahrer Hort der Stabilität, scheint ebenso Schaden genommen zu haben wie die politische Kultur und das soziale Klima. Wenn die demokratische Gegenöffentlichkeit versagt, leben wir am Ende in einer anderen Republik.
Die entweder zuletzt bereits eingetretenen oder sich deutlich abzeichnenden Veränderungen betreffen fast alle Gesellschaftsbereiche: Durch die Reformen der »Agenda 2010« und die Hartz-Gesetze ist der Arbeitsmarkt dereguliert und der Sozialstaat demontiert worden, was zusammen mit einer Steuerpolitik nach dem Matthäus-Prinzip (»Wer hat, dem wird gegeben, und wer kaum etwas hat, dem wird auch das noch genommen«) zu einer Polarisierung der Sozialstruktur in Deutschland geführt hat. Während der vergangenen zwei Jahrzehnte sind die Reichen reicher und die Armen zahlreicher geworden. Unter besonderen Druck geriet dadurch die Mittelschicht, in der sich die Angst vor dem sozialen Abstieg verbreitet hat.
Quelle: Christoph Butterwegge in Ossietzky - Befristungen: Die ständige Verwundbarkeit vor Augen
3,2 Millionen Beschäftigte arbeiten befristet. Im Vergleich zum Vorjahr haben befristete Beschäftigungsverhältnisse um 10,5 Prozent zugenommen. Der Anteil von Befristungen an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt bei 8,3 Prozent. Noch nie waren Anteil und die Anzahl von Befristungen so hoch. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort (PDF) auf die Kleine Anfrage von Susanne Ferschl eingeräumt.
Einen Hochstand mit 1,58 Millionen verzeichnen die sachgrundlosen Befristungen und zum ersten Mal gibt es mehr Befristungen ohne Sachgrund als mit Sachgrund (53%).
2017 wurden 42,3 Prozent (+2.7 %-Punkte) der befristet Beschäftigten übernommen und 32,8 Prozent (-3.1 %-Punkte) verlängert. Jeder vierte Befristete wurde nicht übernommen oder verlängert.
1.032 Millionen sind länger als 18 Monate und 300.000 länger als 37 Monate befristet beschäftigt. Für 60 Prozent aller befristeten Beschäftigungsverhältnisse werden noch vor Ablauf von 12 Monaten wieder beendet, die Hälfte davon, 665.000, nach sechs Monaten.
Im Vergleich zu 2012 gab es bei deutschen Befristeten einen Rückgang um 7,6 Prozent auf 2.420 Millionen und bei ausländischen Befristeten eine Zunahme um 60,7 Prozent auf 648.000.
Besonders hohe Befristungsquoten finden sich in den Branchen Kunst, Unterhaltung und Erholung (17.9%), Erziehung und Unterricht (17.7%) und Gastgewerbe (11.5%).
Dazu erklärt Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:
“Befristung bedeutet: Unsicherheit, materieller Mangel und ständig die eigene Verwundbarkeit im Beruf wie im Privatleben vor Augen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind nichts anderes als die Verlagerung von Marktrisiken auf die Beschäftigten und eine Verlängerung der Probezeit.
Es ist ein Skandal, dass die CDU/CSU das Verbot der sachgrundlose Befristungen blockiert. Wenn es um Ordnung und Sicherheit geht spielt sich die CDU/CSU gerne auf – von ordentlichen und sicheren Arbeitsverhältnissen will sie im Interesse der Arbeitgeberlobby nichts wissen.
Wir brauchen eine Politik, in der Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen zentrale Ausgangspunkte für gute Arbeit und ein gutes Leben sind.
Es ist höchste Zeit, Befristungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und sachgrundlose Befristungen ganz zu verbieten. Bei öffentlicher Finanzierung darf die Befristung der Haushaltsmittel kein Grund mehr für die Befristung von Arbeitsverträgen sein.”
Quelle: die LINKE. im Bundestag - Mietpreisbremse
- Mietpreisbremse weiter wirkungslos: Paritätischer fordert echten Schutz vor Verdrängung von Mietern
Als „enttäuschend“ bezeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband die heute im Bundeskabinett beschlossene Mietrechtsreform. Insgesamt seien die geplanten Maßnahmen entgegen der Absichtserklärung der Bundesregierung nicht geeignet, dafür zu sorgen, dass zukünftig Mieten in Ballungsräumen wieder bezahlbar werden und bleiben. Aus Sicht des Paritätischen muss wieder mehr bezahlbarer Wohnraum für geringere und mittlere Einkommen geschaffen werden. Der Verband sieht zwar in dem Gesetzentwurf einige Verbesserungen, aber um die derzeitige Wohnungsnot in den Griff zu bekommen, seien bau- und wohnungspolitisch weitere Maßnahmen zwingend notwendig.
Vermieter müssen in Zukunft Auskunft über die Vormiete und getätigte Sanierungen erteilen. „Das begrüßen wir. Damit haben Mieterinnen und Mieter endlich die Möglichkeit zu wissen, ob sie ihre Miete überhaupt bremsen können. Mehr Transparenz ist aber nur ein erster Schritt“, kommentiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Vermieter, die bewusst die Mietpreisbremse umgehen und bei der zulässigen Höhe der Vormiete getäuscht haben, sollten jeden zu viel verlangten Cent zurückerstatten müssen.“ Der Verband fordert außerdem, alle Ausnahmen der Mietpreisbremse zu streichen. Die Mietpreisbremse müsse dauerhaft und flächendeckend greifen, zudem brauche es kollektive Verbandsklagerechte für Mietervereine.
Eine weitere Entlastung für Mieterinnen und Mieter sollen die Absenkung der Modernisierungsumlage von derzeit 11 auf 8 Prozent in bestimmten Gebieten und die Einführung einer Kappungsgrenze bewirken. Der Verband ist skeptisch: „Das grundsätzliche Problem, nämlich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, bleibt bestehen. Trotz der Begrenzung der Umlage werden Mietsteigerungen Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen weiter in finanzielle Not bringen“, so Schneider. Der Verband weist daraufhin, dass gerade einkommensärmere Haushalte nicht selten bereits mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufbringen. Hier drohe mit jeder Erhöhung ein Auszug und im schlimmsten Fall die Wohnungslosigkeit.
Der Paritätische spricht sich unter anderem für die Stärkung des Sozialen Wohnungsbaus, ein höheres Wohngeld, Prävention von Wohnungsverlust, eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und die Bereitstellung von genügend passendem Wohnraum für Menschen mit Behinderung aus und ist auch daher Mitveranstalter des Alternativen Wohngipfels am 20. September in Berlin.
Quelle: Der Paritätische - Reform der Mietpreisbremse geht nicht weit genug
Die vorgestellte Reform der Mietpreisbremse sei ein kleiner Schritt vorwärts, sagte Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes, im Dlf. Solange die Ausnahmen in der Regelung bestehen bleiben, werde die Mietpreisbremse dennoch nicht wirklich greifen. […]
Heinlein: Die Einzelheiten dieses Gesetzentwurfes sind ja sehr, sehr kompliziert und für Laien kaum zu verstehen, Herr Siebenkotten. Ist denn grundsätzlich eine Mietpreisbremse der richtige Weg, um die Explosion der Mieten zu begrenzen?
Siebenkotten: Wir glauben, dass sie zumindest der richtige Weg ist für die Abschlüsse von neuen Mietverträgen. Nur darauf bezieht sie sich im Übrigen, nicht auf den Mietvertrag, der weiterläuft, nicht auf den Bestand. Ihr eigentliches Problem ist ihr Geburtsfehler, nämlich dass sie mit einer ganzen Reihe von Ausnahmen ausgestattet ist und dass sie darüber hinaus nur in bestimmten Gebieten gelten soll. Das alles hat die CDU in der letzten Wahlperiode gegenüber der SPD durchgesetzt und das hat die Mietpreisbremse zu einem stumpfen Schwert gemacht.
Heinlein: Ein stumpfes Schwert, das zumal nur für neue Mietverträge gilt, sagen Sie. Glauben Sie denn, dass aktuell ein Wohnungssuchender in München, in Frankfurt, in Düsseldorf, generell in Ballungsräumen mit diesem neuen Gesetz wedeln kann und sagen: Lieber Vermieter, diese Mietpreiserhöhung, das geht nicht. Dann nimmt der Vermieter doch einfach den nächsten Interessenten.
Siebenkotten: So ist es. Das ist auch das eigentliche Problem. In dem Moment, wo man auch nur ansatzweise sagt, dass man dem Mietpreis kritisch gegenüberstehen könnte, gibt es ja dann noch 50 bis 80 weitere in der Warteschlange. Was jetzt verbessert wird, was eine kleine Verbesserung ist, dass der Vermieter gegenüber dem Mieter eine verstärkte Auskunftspflicht hat, und die Justizministerin hat recht: In dem Fall, wo er dieser Auskunftspflicht nicht nachkommt, kann der Mieter hinterher sagen, ich bezahle nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, weil das die Mietpreisbremse so vorsieht. Das ist ein kleiner Schritt, den wir auch durchaus begrüßen, aber er wird nicht reichen und das Wohnungsmangelproblem wird natürlich sowieso nicht dadurch gelöst. Das soll es ja auch überhaupt nicht. Dazu muss man Wohnungen bauen. Hier geht es um begleitende, dämpfende Maßnahmen, um den Mietanstieg in der Zwischenzeit, bis genug Wohnungen da sind, wenigstens etwas abzudämpfen.
Quelle: Deutschlandfunk - Bezahlbarer Wohnraum – Viel Kritik an zu wenig Mieterschutz
Der Mieterschutz wird Thema im Bundeskabinett. Doch die Pläne der Regierung gehen Experten und Gewerkschaften nicht weit genug – sie fordern entschieden mehr bezahlbaren Wohnraum.
Hohe Mieten seien “die neue soziale Frage”, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nach der Einigung der Großen Koalition auf ein neues Mieterschutzgesetz. Das sehen auch andere. “Wohnraum muss bezahlbar sein”, sagte Stefan Körzell, Vorstandmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Am Mittwoch will sich das Bundeskabinett mit dem neuen Mieterschutzgesetz befassen. “Wir kämpfen nicht für höhere Löhne, damit die Arbeiter und Angestellten sie dann an die Vermieter durchreichen.” Soweit die Einigkeit, so gut.
Allerdings gehen die Gewerkschaften mit ihren Forderungen weiter als die Pläne der Bundesregierung: Bund und Länder müssten nach Ansicht der Gewerkschaft in der Wohnungspolitik klotzen statt kleckern. Die Zahlen, die ein Ministerialbeamter aus dem Bundesinnenministerium im Gepäck dabei hatte, bestätigen diese Sichtweise: Seit dem Jahr 2010 sind in deutschen Großstädten die Mieten um rund 50 Prozent in die Höhe geschossen. Bei den Preisen für Bauland sieht es nicht anders aus. Dabei liege die Zahl der Baugenehmigungen weit über der Zahl der tatsächlich gebauten Wohnungen: Rund 600.000 Wohnungen könnten gebaut werden, doch werden es nicht.
Quelle: ZDF - Horrende Mietpreise für Schrottimmobilien
Keine Fenster, Schimmel, lose Kabel – aus der Not heraus zahlen Menschen in Berlin horrende Mieten, um in einer Schrottimmobilie wohnen zu dürfen. Die Politik will diese Mietabzocke zukünftig verhindern und Eigentümer vorübergehend enteignen.
Lucian und Christi haben ein Trampolin gefunden. Die beiden rumänischen Jungs hüpfen auf zwei gammeligen Matratzen herum, schubsen sich gegenseitig und lachen dabei. Ihre Freunde und Nachbarn spielen Fangen oder fahren mit ausrangierten Fahrrädern über den Hof. Für Kinder ist der Innenhof in der Straße der Pariser Kommune ein Abenteuerspielplatz. Drei Frauen Mitte zwanzig haben sich Stühle nach draußen gestellt, quatschen, schauen ihren Kindern beim Spielen zu.
Das Leben spielt sich an diesem warmen Sommerabend vor dem Haus ab, das der Berliner Senat “Problemimmobilie” nennt. Kein Wunder, Irina, eine Frau mit buntem Rock und Kopftuch wohnt mit ihren sieben Kindern im Erdgeschoss auf 50 Quadratmetern. “Wir zahlen dafür 1000 Euro Miete. In bar. Wir haben zwei Zimmer Küche, Bad. Wir haben Wasser, die Heizung funktioniert – wir sind zufrieden.”
Auch sonst verliert sie, wie alle anderen Rumänen, mit denen ich spreche, kein böses Wort über den “Patron”, ihren Vermieter. Dabei bröckelt an dem 5-stöckigen 50er-Jahre Bau am Berliner Ostbahnhof die Waschbetonfassade, in manchen Etagen gibt es nicht einmal Fenster nur Folien oder Tücher. Die Mieter hätten Angst, aus der Wohnung zu fliegen, sagt Susanna Kahlefeld. Sie sitzt für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. “Dann geht das Ordnungsamt immer wieder hin und die kommen dann einfach nicht weiter. Denn sie müssen ja nachweisen, dass die Kinder zum Beispiel durch Schimmel gefährdet sind, was enorm gesundheitsschädlich ist.”
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
- Mietpreisbremse weiter wirkungslos: Paritätischer fordert echten Schutz vor Verdrängung von Mietern
- Digitalsteuer: Olaf Scholz hat sich vergoogelt
„Finanzminister Olaf Scholz verabschiedet sich nach Steuertransparenz für Konzerne und einer echten Finanztransaktionsteuer nun womöglich auch von der Google-Steuer. Sozialdemokratische Finanzpolitik im 21. Jahrhundert geht anders. Die Behauptung, Google & Co hätten keine Wettbewerbsvorteile, die eine Ausgleichssteuer rechtfertigen, ist grotesk“, kommentiert Fabio De Masi, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die Berichterstattung über Pläne des Bundesfinanzministeriums, eine Steuer auf digitale Wertschöpfung durch die EU sowie dahingehende Pläne auf Ebene der OECD zu blockieren. De Masi weiter:
“Die SPD scheint für das Finanzressort gekämpft zu haben, damit man Sehnsucht nach Wolfgang Schäuble bekommt. Minister Scholz schützt Steueroasen mit seinem Veto gegen eine öffentliche Berichtspflicht von Konzernen über ihre Gewinne und gezahlten Steuern in den EU-Staaten. Die großen Spieler an den Finanzmärkten werden durch die vollständige Verwässerung der Finanztransaktionssteuer hin zu einer Börsenumsatzsteuer geschont. Nun fällt die Internetsteuer, wenn Deutschland auch bei der Digitalsteuer zur Veto-Macht in EU und OECD wird.
Das BMF sollte die Daten offenlegen, nach denen die Internetmultis angeblich keine Wettbewerbsvorteile gegenüber inländischen Unternehmen durch ihre Steuertricks erzielen. Offenbar hat sich Olaf Scholze da vergoogelt. Dies widerspricht allen Zahlen der EU-Kommission sowie der OECD. Zur Herstellung von Steuergerechtigkeit muss Deutschland endlich seine Blockade bei öffentlicher Konzerntransparenz aufgeben und umgehend Quellen- bzw. Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen einführen, um die Verschiebung von Konzerngewinnen zu unterbinden.”
Quelle: die LINKE. im Bundestag - Westliche Doppelmoral: Saudi-Arabien, Russland und Syrien
Der westliche Verbündete Saudi-Arabien kann ungeniert Massaker an Kindern anrichten und die Repressionsspirale anziehen
Saudi-Arabien kann mit seiner Koalition, unterstützt vom Westen, vor allem von den USA und Großbritannien, ungehindert und konsequenzenlos einen brutalen Krieg gegen die mit dem Iran verbundenen Huthis und ihren Verbündeten im Jemen führen. Während US-Präsident Donald Trump gerade wieder mit erhobenem moralischen Finger Russland und Syrien vor der geplanten Offensive in Idlib warnt, stammen die Bomben, die saudische Kampfflugzeuge auch gegen Zivilisten und Kinder richten, aus den USA.
So hatte die Bombardierung eines Schulbusses Anfang August, wodurch 51 Menschen, davon 40 Kinder, getötet und 79 Personen, darunter 56 Kinder, verletzt wurden, zwar Entsetzen hervorgerufen, aber zu keinen Konsequenzen geführt. Das selbst, als sich herausstellte, dass die lasergesteuerte Präzisionsbombe von den USA stammte. Auch daran lässt sich der Unterschied zu Barack Obama sehen. Der hatte zwar auch die Saudis unterstützt, aber 2016 immerhin die weitere Lieferung von solchen Bomben eingestellt, nachdem saudische Flugzeuge damit mehrere Massaker angerichtet hatten. Damals war nicht ein Schulbus auf einem Markt, sondern eine Begräbnisfeier oder ein Markt bombardiert worden, daneben auch zahlreiche zivile Gebäude.
Quelle: Telepolisdazu: „Let’s fucking kill him!“ – Trump wollte Assad hinrichten
Verstörende Einblicke ins White House
Laut einem neuen Buch der Journalistenlegende Bob Woodward hat Präsident Trump im April 2017 seinen Verteidigungsminister James Mattis beauftragt, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad hinzurichten. Das Weiße Haus weist die Vorwürfe kategorisch zurück.
Nach einem Giftgasangriff im syrischen Khan Sheikhoun im April 2017, bei dem 86 Menschen starben, forderte US-Präsident Trump von seinem Verteidigungsminister James Mattis die Hinrichtung von Syriens Präsident Baschar al-Assad, so Journalistenlegende Bob Woodward, der sich in seinem neuen Buch Fear: Trump in the White House auf anonyme Insiderquellen im Weißen Haus beruft und verstörende Einblicke ins Tagesgeschäft der Trump-Administration liefert.
“Let’s fucking kill him! Let’s go in. Let’s kill the fucking lot of them,” so Trump zu Mattis, laut Woodward. „Ich kümmere mich sofort darum”, so Mattis per Telefon zu Trump. Doch der hatte zu keinem Zeitpunkt vor, den Befehl auszuführen: „Wir werden nichts dergleichen tun. Wir werden wesentlich angemessener darauf reagieren.“, so Mattis im Anschluss an Trumps „Kill him!“ gegenüber einem Berater, so Woodward.
Schließlich feuerte das US-Militär ohne Beweise einer Täterschaft völkerrechtswidrig 59 Tomahawk-Raketen auf Syrien ab (JusticeNow! berichtete ausführlich über die Umstände).
Quelle: Justice Now - The Impossible Photo
Russia has developed an astonishing new technology enabling its secret agents to occupy precisely the same space at precisely the same time.
These CCTV images released by Scotland yard today allegedly show Alexander Petrov and Ruslan Boshirov both occupying exactly the same space at Gatwick airport at precisely the same second. 16.22.43 on 2 March 2018. Note neither photo shows the other following less than a second behind.
There is no physically possible explanation for this. You can see ten yards behind each of them, and neither has anybody behind for at least ten yards. Yet they were both photographed in the same spot at the same second.
The only possible explanations are:
1) One of the two is travelling faster than Usain Bolt can sprint
2) Scotland Yard has issued doctored CCTV images/timeline.
I am going with the Met issuing doctored images.
Quelle: Craig Murray - Ein neuer schmutziger Deal mit Erdogan droht
„Als Handlungsreisender will Bundesaußenminister Heiko Maas bei seinem Besuch in Ankara allem Anschein nach neue schmutzige Deals mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vereinbaren. Die Bundesregierung darf Erdogan weder mit Waffen noch mit neuen Finanz- und Kredithilfen unter die Arme greifen. Maas` Türkeireise ist eine offene Absage an die von der Bundesregierung vielbeschworene werteorientierte Außenpolitik. Statt Imagepflege für Despoten zu betreiben und mit Erdogan zu kungeln, braucht es klare Ansagen, die den Demokraten in der Türkei den Rücken stärken“, erklärt Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. Dagdelen weiter:
“Die Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen mit der Türkei sind das absolut falsche Signal, da Deutsche als politische Geiseln Erdogans weiter eingekerkert sind. Maas` Tête-à-Tête mit dem Diktator Erdogan ist aber auch ein Schlag ins Gesicht der verfolgten Oppositionellen in der Türkei. Während friedliche Proteste wie die der Samstagsmütter, die in Istanbul an verschwundene Angehörige erinnern, brutal zerschlagen und verboten werden, ist das Werben des deutschen Außenministers um die Gunst Erdogans schlicht beschämend. Maas muss der von türkischen Regierung geforderten Erweiterung der Zollunion, der Fortführung der EU-Beitrittsgespräche und Visaliberalisierung angesichts der Menschenrechtsverletzungen und Massenverhaftungen von Andersdenkenden in der Türkei offen widersprechen.”
Quelle: die LINKE. im Bundestagdazu: Brücke und Bollwerk
Berlin und Ankara wollen trotz der unverändert massiven politischen Verfolgung in der Türkei wieder enger kooperieren. Dies bekräftigte Außenminister Heiko Maas nach seinen gestrigen Gesprächen mit seinem Amtskollegen Mevlüt Çavuşoglu. Demnach haben beide Staaten “ein strategisches Interesse daran”, ihre bilateralen “Beziehungen konstruktiv zu gestalten”. Hintergrund sind tiefgreifende geostrategische Kräfteverschiebungen im Verhältnis zwischen der Türkei und den westlichen Mächten, die bis in die Zeit Anfang der 1990er Jahre zurückreichen und zuletzt eskaliert sind. Nachdem die Vereinigten Staaten kürzlich Sanktionen gegen Ankara verhängten, hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eine mögliche Abkehr von der NATO und vom Westen insgesamt in Aussicht gestellt. In der Tat stärkt die Türkei seit geraumer Zeit ihre Zusammenarbeit unter anderem mit Russland. Berliner Regierungsberater warnen, ein türkischer Seitenwechsel wäre mit dramatischen geostrategischen Rückschlägen für Deutschland verbunden und bedrohe “das globale Machtgleichgewicht”. […]
Dem Berliner Kooperationsstreben stehen die massive politische Verfolgung in der Türkei und die äußeren Aggressionen Ankaras nicht im Weg. In der Türkei sind seit dem Putschversuch vom 15./16. Juli 2016 über 160.000 Beamte aus politischen Gründen entlassen und mehr als 50.000 vor Gericht gestellt worden; zehn Parlamentsabgeordnete sind inhaftiert, beinahe 100 Bürgermeister abgesetzt worden; zwischen 150 und 190 Medien wurden stillgelegt, mehr als 180 Journalisten ins Gefängnis geworfen; sieben deutsche Staatsbürger werden bis heute unter dubiosen Vorwürfen in Haft gehalten. Das türkische Militär geht mit mörderischer Gewalt gegen die kurdischsprachige Minderheit im Südosten des Landes vor und hält Teile des Nachbarlandes Syrien besetzt. Mit einer Abkehr von der Gewaltpolitik wird in Ankara nicht gerechnet.
Quelle: German Foreign Policy - Macron gegen Spitzenkandidaten – Ein progressives Bündnis?
Das Rennen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Juncker ist eröffnet. Doch kaum dass CSU-Mann Weber seinen Hut in den Ring geworfen hatte, kam schon Widerstand aus Frankreich. Staatschef Macron teilte mit, dass er das System der Spitzenkandidaten ablehnt – er will die Juncker-Nachfolge anders regeln. Das bisherige System sei undemokratisch, teilte ein Sprecher von Macrons REM-Bewegung mit.
Tatsächlich hat es zwei entscheidende Fehler. Zum einen gibt es keine europaweiten Listen zur Europawahl. Auch CSU-Mann Weber wird man nur in Deutschland wählen können – nicht in Frankreich oder in Belgien. Das ist absurd. Doch gegen eine Einführung von EU-Listen hatten sich CDU und CSU im Europaparlament gesperrt. Ausgerechnet CDU-MEP Brok, ein Vertrauter von Kanzlerin Merkel, führte den Widerstand an.
Quelle: Lost in Europe - Der weite Weg nach Westen: Georgiens Geschichte am Rande Europas
Georgien, das sei Gottes bestes Stück, sagen die Georgier selbst. Betörend schön und eigentlich eine wundervolle Heimat. Wäre da nicht die Politik. Denn schon immer lag das Land zwischen Großmächten, wurde zum Spielball seiner Nachbarländer.
“Wie denken die Leute hier in Georgien? Es gibt die Leute, die sehr stolz auf ihn sind. Das ist leider so. Und es gibt viele, die nicht so denken. Im Gegenteil. Viele sagen, naja, er ist zwar Georgier. Aber er hat nichts für Georgien getan. Viele sagen, dass er schuld dran war, was hier mit den autonomen Republiken in Georgien passiert.”
Ich halte in Gori an. Meine georgischen Begleiter hätten mir die Stadt nicht gezeigt. Ich muss sie freundlich dazu drängen. In Gori, 60 Kilometer westlich von Tiflis, ist Iosseb Dschughaschwili geboren, besser bekannt als Josef Stalin. Jetzt stehen wir in der Halle zum großen Stalin-Museum. Keiner will mit mir reden, obwohl Zehntausende Touristen das Museum jedes Jahr besuchen. Nur die junge Germanistik-Absolventin, auch wenn gerade keine Touristen in Sicht sind.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur - US-Sanktionen gegen Venezuela bedrohen Pressefreiheit
US-Journalistin Martin muss Sendung “The Empire Files” einstellen. Reporterin für Telesur tätig. Immer schärfere Drohungen aus Washington
Die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela spitzen sich unter US-Präsident Donald Trump weiter massiv zu. Nachdem die Sanktionen Washingtons gegen die sozialistische Regierung in Caracas die freie Arbeit der Presse eingeschränkt hat, haben Hardliner in Washington nun offen ein militärisches Vorgehen gegen Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro ins Spiel gebracht.
In Folge der jüngsten Sanktionen der USA gegen Venezuela musste das englischsprachige TV-Politmagazin The Empire Files der US-Journalistin Abby Martin Ende August seinen Betrieb einstellen. Die Sendung war zuletzt über den lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur und unabhängige Medienanbieter wie Free Speech TV oder The Real News Network ausgestrahlt und online verbreitet worden. Martin hatte zur Finanzierung ihres Programms, das die US-Politik kritisch hinterfragt, einen Finanzierungsvertrag mit Telesur geschlossen. Diese Vereinbarung wird durch die neuesten US-Sanktionen gegen das südamerikanische Land unterbunden. Die bekannteste Sendung der US-Journalistin hat seit Beginn der Ausstrahlung mehr als 100 Dokumentationen produziert, darunter zahlreiche Vor-Ort-Berichte aus Palästina, Venezuela und anderen Hotspots der internationalen Politik.
Quelle: amerika21Anmerkung Albrecht Müller: Lesenswert.
- Tödliche Feldversuche
Ganz harmlos? Völkerrechtlich geächtet, ist Pfefferspray im Kriegseinsatz verboten. Doch in Deutschland darf es bei Demos eingesetzt und mit einem Aufkleber (“Zur Tierabwehr”) an Minderjährige verkauft werden. Zwei aktuelle Todesfälle verdeutlichen das Gefahrenpotenzial.
Sie ist da reingeraten, irgendwie. Eine Fünfzehnjährige, die als Unbeteiligte eine Ladung Pfefferspray abbekam am 18. März 2015, als die Proteste gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt eskalierten. “Steif wie ein Brett war sie”, erinnert sich Peer Vlatten, der das Mädchen behandelte, fast eine Stunde habe es gedauert, bis sie sich wieder regen konnte. Vlatten, Demosanitäter und Medizinstudent kurz vor der Doktorarbeit, hat gemeinsam mit seinen KollegInnen schon viel erlebt auf Protestveranstaltungen. Extreme Fälle. Offene Blutungen, multiple Brüche. Das seien aber absolute Ausnahmen. “Die meisten PatientInnen”, sagt er, “haben wir mit deutlichem Abstand wegen Pfefferspray.”
Der Wirkstoff Oleoresin Capsicum (OC), meist aus Chilischoten extrahiert und viele tausend Male schärfer als Tabasco, ist leicht fettlöslich und dringt bei Kontakt schnell in die Haut ein. Im Nervensystem dockt die Substanz direkt an Rezeptoren an und verursacht dort Verbrennungsschmerzen. Für den Organismus stellt das eine extreme Stresssituation dar. Typische Reaktionen sind ein dramatisch ansteigender Blutdruck, Gefäße erweitern sich, die Haut ist gerötet und schwillt an. Tränenfluss, Entzündungen, in selteneren Fällen Quaddel- und Blasenbildung an den betroffenen Stellen.
Und dann sind da die Fälle, die völlig aus der Reihe fallen, wie der in Frankfurt. Normalerweise klingt die Wirkung des Reizstoffes nach 15 bis 45 Minuten ab. “Das Mädchen muss einen psychischen Schock erlitten haben”, vermutet Sanitäter Vlatten: “Sie hatte Glück im Unglück, dass sie nicht in der Menschenmenge niedergetrampelt wurde.” Weniger Glück hatten die beiden Menschen, die vor wenigen Wochen an den Folgen von Pfefferspray-Einsätzen verstarben.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung - Religiöse Vorschriften haben an Schulen nichts verloren
Wenn Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülern verordnen, aus Rücksicht auf die muslimischen Kameraden kein Schwein mehr zu essen, ist das übertrieben. Religiös begründete Bevormundungen dürfen nicht schleichend zurückkehren.
Manchmal retten sich Lehrerinnen und Lehrer in Schlaumeiereien. Der Sohn muslimischer Eltern will auf dem Schulausflug keinen Cervelat essen? Gut, dann gibt es halt eine Olma-Kalbsbratwurst – der Kleine muss ja nicht wissen, dass darin auch Schwein steckt. Ist das eine Lösung? Wohl kaum.
Die Anekdote aus der Schulpraxis ist ein Beispiel dafür, dass es vor lauter Essensgeboten und -verboten langsam unübersichtlich wird. Besonders umstritten ist der Genuss von tierischen Produkten. Es gibt rationale Gründe, weniger davon zu essen oder ganz damit aufzuhören: Zu viel rotes Fleisch tut dem menschlichen Körper nicht gut, das Tierwohl wird bei einem beträchtlichen Teil der Produktion nicht besonders grossgeschrieben, und auch die Umwelt und das Klima leiden unter dem exzessiven Konsum. Eher irrational sind hingegen rein religiös begründete Nahrungstabus, die jahrhundertealten «heiligen» Schriften entspringen – und damit sieht sich die Schweizer Gesellschaft wegen der Zuwanderung aus islamischen Ländern häufiger konfrontiert.
Ein muslimisches Kind trüge gewiss keinen Schaden davon, würde es ein Stück Schwein essen. Die Verletzung menschengemachter Regeln führt nicht zu ewiger Verdammnis, von solchen Ängsten hat uns die Aufklärung befreit. Das ist natürlich kein Grund, muslimischen oder jüdischen Kindern in der Mensa oder im Klassenlager Cervelats und Schinkengipfeli aufzuzwingen; es wäre ein eklatanter Verstoss gegen die Glaubensfreiheit der Schüler und ihrer Erziehungsberechtigter. Ebenso klar ist, dass das Singen frommer Lieder vor Weihnachten – sofern dies überhaupt noch Platz in der Volksschule hat – freiwillig sein muss. Diese Angelegenheiten sind anders gelagert als der gemischte Schwimmunterricht, Klassenlager oder die Sexualaufklärung: Ungleich dem Schweinefleischessen sind diese Fälle in einem säkularen Staat Teil des obligatorischen Lehrplans, weshalb sich die Schule über die Bedenken religiös fanatischer Eltern hinwegsetzen darf und muss.
Quelle: NZZ - Wie die Sioux-Indianer in South Dakota versuchen, ihren Stamm aus dem Würgegriff des Alkohols zu retten
Alkohol ist auf dem Indianerreservat Pine Ridge eigentlich verboten. Trotzdem sind zwei von drei Bewohnern alkoholsüchtig. Die Folgen sind verheerend – besonders für die Jugend.
Freitag ist der schlimmste Tag der Woche für Cheryl Locke. Dann betteln ihre Schüler, im Klassenzimmer bleiben zu dürfen und nicht nach Hause zu müssen – zu trinkenden Eltern, nächtelangen Partys, leeren Kühlschränken. Am liebsten würde Locke die Kinder in der Schule behalten. «Viele bekommen das ganze Wochenende keine warme Mahlzeit», sagt sie, in ihrem Wohnzimmer sitzend. Montags kehrten die Schüler hungrig zurück und schliefen im Unterricht ein. Anfangs war Locke wütend auf die Kinder. Bis sie verstand, was bei ihnen zu Hause los ist. Was Alkohol in ihren Familien anrichtet.
Locke ist Lehrerin auf der Pine Ridge Reservation, einem der grössten Indianerreservate in den USA. Im Südwesten von South Dakota gelegen, an der Grenze zu Nebraska, leben dort etwa 30 000 Mitglieder der Oglala Lakota, eines Stammes der Sioux-Indianer. Das Reservat ist ein Rest des einst weitläufigen Sioux-Reichs – das letzte Stück Land, das die Oglala Lakota unter den Kolonialisten noch behalten durften. Seit 1889 ist es souveränes Indianergebiet, was bedeutet, dass sich die Ureinwohner weitgehend selbst regieren. Von Anfang an haben sie Alkohol bei sich verboten – schliesslich hatten sie erlebt, wie der Whisky, den europäische Siedler mitgebracht hatten, ihre Vorfahren abhängig machte. Eine zusätzliche Pufferzone von 80 Kilometern um Pine Ridge herum sollte sicherstellen, dass kein Alkohol in das Reservat geschmuggelt würde.
Quelle: NZZ - Das Letzte: „Aufstehen“: Eine Bewegung für Verlierer
Mit gehörigem Getöse und massivem Medienaufkommen hat die Fraktionsvorsitzende der Linken ihre Sammlungsbewegung am Dienstag vorgestellt. „Aufstehen“ heißt sie, hat aber so viel Dynamik wie eine Herzsportgruppe für 90-Jährige.
Diese Allianz ist eine Bewegung für Verlierer. Und zwar nicht nur für Verlierer von „Globalisierung, Freihandel, Privatisierung und EU-Binnenmarkt“, wie es im fünfseitigen Aufruf von Wagenknecht und Co. heißt, sondern auch für Verlierer des innerparteilichen Wettstreits. Ludger Volmer war mal Grünen-Parteivorsitzender und sieht sich heute als „grüner Dissident“. Simone Lange wollte mal SPD-Vorsitzende werden, war aber offenbar nicht überzeugend genug und Sahra Wagenknecht führt zwar die Fraktion der Linken, findet aber in ihrer eigenen Partei keine Mehrheit für ihren nationalen Kurs in der Migrationspolitik.
Flankiert wird das Trio am Dienstag in der Bundespressekonferenz vom blassen Professor und Dramaturgen Bernd Stegemann und einem Kommunikationsexperten, der zunächst alleine wegen seines Namens Belustigung auslöst. Hans Albers heißt er und versprüht als einziger des Quintetts so etwas wie Dynamik. „Wir machen Deutschland zu einem Parlament“, sagt er. Das klingt vielversprechend, ist es aber nicht. Im Gegensatz zu Bewegungen wie „Podemos“ und „La République en Marche“ wirkt „Aufstehen“ spröde, langweilig und typisch deutsch.
Quelle: VorwärtsAnmerkung André Tautenhahn: Allein die Überschrift ist ein Lacher. So als ob die SPD von einem Wahlerfolg zum nächsten eilt. Würde der Autor seinen Titel ernst nehmen, müsste er eigentlich den Sozialdemokraten eine Teilnahme an der Bewegung empfehlen. Tut er aber nicht. Stattdessen schreibt er eine schwache Polemik, die sich auch noch daran stört, dass einer der Initiatoren was arbeiten muss. Ja, das tun die Menschen im wirklichen Leben wohl.
Dazu passt dann auch eine Stellungnahme des Juso-Vorsitzenden Kühnert:
Der beschwert sich über ausgeklammerte Haltungsfragen, konnte vor ein paar Monaten aber selbst nicht so recht erklären, warum er für Andrea Nahles als Parteivorsitzende stimmte. Außerdem findet er Online-Foren nicht basisdemokratisch. Das sind offenbar nur die Debatten-Camps der SPD.