Ergänzung zum Kampagnejournalismus von „Zeit“ und „Bild“ – auch die öffentlich-rechtlichen Sender beteiligen sich und Redaktionen sind gespalten
Der Bericht über die gleichgerichteten Manipulationen von „Die Zeit“ und „Bild“ hat einige ergänzende Hinweise ausgelöst und veranlasst zu einigen weiteren Anmerkungen zum Kampagnenjournalismus und der damit verbundenen Spaltung der Redaktionen. Denn, darauf war schon hingewiesen worden, diese Machenschaften werden mit Sicherheit nicht von allen Redakteuren gestützt. Albrecht Müller.
Zunächst noch die Anmerkung, dass der Kommentar des Chefredakteurs der Zeit eine Fülle von Kommentaren ausgelöst hat. Eigentlich müsste allein dieses vernichtende Echo der „Zeit“ und dem Holtzbrinck Verlag ausreichend peinlich sein, um sich von diesem Chefredakteur zu trennen. Aber das wird nicht geschehen, weil sowohl die Unkenntnis von Fakten als auch die Tendenz- und Kampagnebereitschaft vom Typ di Lorenzo zur Grundausstattung solcher Medien gehört.
ZDF, Die Welt, Deutschland Funk und viele andere sind auch im Manipulationsgeschäft – und immer mit den gleichen Vorzeige-HartzIV-Beziehern:
Zum ZDF schreibt ein Freund der NachDenkSeiten:
Noch eine kleine Anmerkung zu ihrem heutigen (22.2.) Beitrag zur Hartz IV Debatte: Nicht nur die Printmedien auch die öffentlich-rechtlichen Sender beteiligen sich an der entsprechenden Meinungsmache. So liefen im heute-journal vom vergangenen Freitag zwei Beiträge zum Thema. Der erste über einen guten und einen bösen Hartz IV Bezieher. Der böse Hartz IV-Bezieher war ein gewisser Hartmut Schlüter, der bereits in anderen diversen Hetzsendungen als konsequenter Maßnahmenverweigerer seinen Auftritt hatte. Zweiter Beitrag ein gutverdienender fiktiver lediger Steuerzahler (Steuerklasse I) als Beispiel wie unverschämt der Staat den Bürgern in die Tasche greift. Dabei wurden diverse andere Steuern wie etwa die Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Abwassergebühren und ähnliches als quasi fixe Abzüge vom Bruttolohn dargestellt. Von einem Vertreter des Bundes der Steuerzahler, den NDS-Lesern als Mittelstandslobbyorganisation wohl bekannt, im Beitrag als staatliche Zwangsabgaben bezeichnet. Wobei die in der Tat sehr hohe Belastung der mittleren Einkommen wohl in direkte Relation zu Hartz IV bzw. dem Sozialstaat gesetzt werden sollte. Das Thema wurde am Sonntag in der Reportage “Hart, härter, Hartz – Fünf Jahre Leben mit der Reform” noch einmal aufgekocht. Wieder mit von der Partie unser Hartmut Schlüter. Dabei handelt es sich um Material, das in einer Propagandasendung des ZDF im vergangenen Jahr (Das Leben ist Hartz – Eine Reformbilanz) teilweise schon einmal zu sehen war. Man ist wirklich erstaunt, dass die Journaille immer noch glaubt, das Publikum würde ihnen nicht langsam auf die Schliche kommen, wenn immer die selben Figuren, wie Hartmut Schlüter oder etwa Arno Dübel in der Bild-Zeitung und diversen Talkshows, als Popanz vorgeführt werden.
Der Deutschlandfunk befördert die Kampagne zur angeblich anstehenden Inflation mit einer Besprechung des Buches des stellvertretenden Chefredakteurs des Managermagazins Henrik Müller:
In dieser Buchbesprechung wird nahezu kritiklos der Angst vor der Inflation das Wort geredet. Das ist auch Teil einer gerade laufenden Kampagne. Sie dient verschiedenen Zwecken: Bei manchen der Autoren banal dem Zweck, potentielle Anleger zum Kauf von Gold oder anderen so genannten Sachwerten zu veranlassen, bei manchen Autoren dem Zweck, weiteren Konjunkturprogrammen einen Riegel vorzuschieben und den neoliberalen Zentralbankern den Rücken zu stärken.
Siehe dazu: Nachtrag zur ideologiebeladenen Wirtschaftspolitik: Marsch in die Deflation
Vermutlich tief gespaltene Redaktionen
Wir erleben seit Jahren einen Zuwachs an Public Relations und einen wachsenden Einfluss dieser professionellen Meinungsmache auf die Arbeit von Redaktionen. Dabei ist Public Relations-Arbeit oft getarnt. Die Interessen werden hinter Instituten und ThinkTanks versteckt, wie Wolfgang Lieb gerade gestern belegt hat:
Der Noch-Chefredakteur des ZDF Brender hat gerade in einem Spiegel Interview beklagt, dass es in seinem Sender Zuträger der Parteien gibt, die teilweise wie Spitzel agieren. (Siehe hier auf Spiegel Online und eine Art Kommentar in der Süddeutschen ). Das ist sicher ein richtiger Hinweis. Aber das ist weniger als die halbe Wahrheit. Zum Beispiel hätte Nicolaus Brender dies als Chefredakteur schon abstellen können. Er hat aber zum Beispiel die aggressive Kampagne des ihm unterstellten Hauptstadtstudioleiters Peter Frey gegen Oskar Lafontaine, über die wir im vergangenen Sommer ausführlich unterrichtet hatten, ohne Kommentar hingenommen.
Noch gravierender als der Einfluss der Parteien ist der Einfluss der großen Interessen, der Wirtschaft insgesamt und einzelner Wirtschaftszweige. Was hat der Chefredakteur des ZDF nicht alles an PR-gesteuerten Sendungen pro Privatvorsorge zugelassen? Und waves nicht alles in Sachen Westerwelle – siehe oben?
Der Einfluss der Oberschicht, der Wirtschaft, der neoliberalen Ideologie und großer Interessen insgesamt auf die Medien, direkt oder über Public Relations-Agenturen, ist mindestens so schrecklich wie der Einfluss der Parteien. Einziger Unterschied: der Einfluss der Parteien ist sichtbar und ablesbar an den Freundeskreisen der Parteien in den Fernsehräten.
Redakteure, die sich dem Einfluss von PR Agenturen und großen Interessen entziehen, haben es vermutlich sehr schwer. Die Journalisten, die sich in Kampagnen einbauen lassen, haben den Vorteil, dass ihnen von außen zugearbeitet wird, mit vorformulierten Beiträgen oder mit Fakten. Sie können also sehr viel schneller arbeiten und scheinbar produktiver als jene Journalisten, die korrekt arbeiten und nicht in Interessen eingebunden sind. Ein Journalist, der mit dem Institut der deutschen Wirtschaft und seinen Direktor Michael Hüther verbunden ist oder mit dem DIW des Professor Zimmermann oder dem ZEW des Professor Franz oder dem IFO-Institut des Professor Sinn, hat es um vieles leichter, an Material heranzukommen als der anständige unabhängige Journalist. Die Fälle sind ja aus der Praxis bekannt: als Gabor Steingart Chef des Spiegelbüros in Berlin war, hatte er direkten und ständigen Zugang zur Forschungsabteilung der Deutschen Bank, über Norbert Walter von DB Research. Er hat davon für seine redaktionelle Arbeit und für das Schreiben seiner Bücher profitiert und sich dort sogar bei den Kollegen von der Deutschen Bank bedankt.
Es wäre ganz gut, wenn sich jene Kolleginnen und Kollegen aus den Redaktionen, die nicht in Kampagnen einbezogen sind, zu Wort melden würden. Die Intervention von Brender alleine reicht nicht. Sie verstärkt nur die Fixierung auf den Parteien-Einfluss und baut damit einen Paravent auf, hinter dem sich die viel größeren und wirksameren anderen Interessen verstecken können.