Weitere Leserbriefe zu: Brennpunkt Afrika – Auch wenn die Debatte unbequem ist, müssen wir sie endlich führen
Der Artikel: “Brennpunkt Afrika – Auch wenn die Debatte unbequem ist, müssen wir sie endlich führen.” und die Reaktionen der Leser darauf haben noch mal eine ganze Reihe von Leserbriefen nach sich gezogen, die wieder viele weiterführende Links und Informationen enthalten. Ich greife das hier nochmals auf, da es sich um einen der entscheidenden Knackpunkte für die Zukunft von uns allen handelt: Kann der Lebensstil, der in den Industrieländern vorherrscht, so aufrechterhalten werden oder Vorbild sein für Gesellschaften, die (noch) nicht so große Mengen an Ressourcen verbrauchen? Auf der Nordhalbkugel selber sind die Güter schon zutiefst ungerecht verteilt, aber auch weltweit wäre wohl ein radikales Umdenken und eine angemessenere Lebensweise notwendig. Wie schwer die Änderung des eigenen (Konsum)verhaltens ist, wissen wohl die meisten von uns aus eigener Erfahrung… Vielen Dank an alle Leser, die geschrieben haben und so zur Information und Meinungsbildung beitragen!
Damit ist zu diesem Thema schon mal einiges gesagt und man könnte versuchen, wenn gewollt, dementsprechend zu handeln. Zusammengestellt von Moritz Müller.
1.Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
um meine Mail, bzgl. Afrika, noch einmal aufzugreifen. Hier ein Link.
In diesem Artikel werden die Folgen unserer(!) Lebensweise noch einmal beschrieben. Sollten die Menschen in Afrika wirtschaftlich zu uns aufschließen, würde sich der Bedarf nach noch mehr Erden erheblich erhöhen.
Ich bleibe dabei, wir müssen unseren Lebenstil und die Art zu wirtschaften überdenken. Die Lösung kann nicht darin liegen, dass der Rest der Menschheit so handelt wie wir es tun.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Skalla
2. Leserbrief
Hallo Herr Berger,
Ich habe fast 10 Jahre in Süd Afrika gelebt und gearbeitet, und kam 1989 zurück, als es mit der Apartheid zu Ende ging. Habe deshalb aber immer noch gute Kontakte zu ehemaligen Arbeitskollegen, die heute noch in Süd Afrika leben, zum Teil mit ihren Familien, und heute als Rentner.
In all den Jahren, musste ich feststellen, die westliche Sichtweise auf Süd Afrika im Westen, war und ist sehr viel bis heute von Vorurteilen im Westen geleitet. Wir maßen uns im Westen an, die Korruption dort anzuprangern? Afrika hatte und genügend westliche Vorbilder. Die sog. Entwicklungshilfen die hier im Westen immer genannt werden, sind doch in erster Linie Subventionsprogramme für westliche Firmen.
„Wir“ im Westen mit unseren gerade einmal 12% der Weltbevölkerung, welche die Macht hätte, dass in Afrika und anderswo auf der Welt in sog. Armen Ländern immer noch täglich 100 Tsd. Kinder an Hunger und den Folgen von Hunger auf der Welt sterben, während der sog. Westen täglich Millionen Tonnen Lebensmittel wegwirft? Da halte ich es schon eher mit Jean Ziegler der in seinem Buch sehr ausführlich beschreibt, um was es dem Westen über all die Jahrhunderte wirklich geht. Um Geopolitische Interessen.
Hagen Reether beschreibt das in seinem Programm ziemlich genau: Hier ein kleiner Auszug.
„Fluchtursachen bekämpfen, das werden wir natürlich nicht tun. Denn dann müssten wir unsere Lebensweise ändern, denn unsere Lebensweise, sind deren Fluchtursachen. Von Klamotten bis Landwirtschaft, Stereoanlage vom Ehering bis zum Waffenhandel. wir bekämpfen Flüchtlinge keine Fluchtursachen. Wir im Westen sind nicht interessiert an den Fluchtursachen. Das ganze läuft ja schon seit mindestens 1444 also mehr als 600 Jahre. Seit die ersten Sklavenschiffe in Lissabon angekommen sind.
Haben wir im Westen ernsthaft geglaubt, dass geht jetzt noch einmal 600 Jahre so? Haben wir gedacht das merkt keiner? Seit dem wir das alle in der 10. Klasse in der Geschichte gelernt haben, ist uns das klar, dass es nicht noch weitere 600 Jahre so weiter geht.
Uns fliegen jetzt gerade 600 Jahre Kolonialismus, Ausbeutung, illegale Kriege um die Ohren, und wir müssen das irgendwie mit Anstand über die Bühne bekommen. Ohne zu verrohen, ohne zu Barbaren zu werden, wie unsere Vorfahren.
Und hier sitzen dann Leute in Talkshows und Zeitungsredaktionen, und erzählen uns sie sind Stolz auf 70 Jahre Frieden und Freiheit in Europa. Wir haben Krieg und Sklaverei ausgelagert. Ganz perfekt, unser Wohlstand steht auf Leichenbergen und es werden täglich mehr. Aber weil das so bitter ist, muss man dazu über gehen, zu sagen die Afrikaner die sind ja selber schuld, die haben ja Diktatoren, die sind ja so viel korrupter als wir, die Korruption , Kleptokratie, stimmt ja alles sind ja Diktatoren, und da ist viel Kleptokratie und viel Korruption. Das ist auch ein riesen Problem, ist ja vieles auch richtig und auch schon sehr lange.
Aber was sind das doch für durchsichtige Argumente, was für läppische und schwache Entlastungsargumente? Angesichts der Monstrosität die wir Welthandel nennen? Das Spiel heißt Globalisierung und wir haben das Ganze perfekt auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet. Jetzt haben wir ein schlechtes Gewissen und Angst in die Unterzahl zu kommen.
Wir haben Angst das wir unsere Heimat verlieren, weil Leute kommen die schon längst ihre Heimat verloren haben. Aus unserer angst wird jetzt Wut und Zorn, (also Zorn ist Wut mit Abitur) und Leute die sich nicht verstanden fühlen, wählen jetzt Leute die sich nicht ausdrücken können. Was für eine traurige Ironie.
Aber unser Zorn ist schon verständlich also, wenn man bedenkt was wir gelitten haben. Was mussten unsere Großeltern Tee pflücken für die Bonzen in Ceylon? Was haben unsere Eltern auf den Baumwollfeldern geschuftet für die Inder? Und die armen Sachsen in Kupferminen bei Dresden, nur damit die Kongolesen, 30 Elektrogeräte pro Haushalt haben, und die Kakao und Kaffee Plantagen in der Pfalz, Generationen von Pfälzern haben sich ihre Gesundheit ruiniert, für die ekligen afrikanischen Großkonzerne. Und die somalischen Fangflotten, die unsere Nordsee leer gefischt haben, deswegen mussten jetzt viele Ostfriesen Piraten werden.
Fast alle unsere Elefanten haben sie erschossen, für ihre Schachfiguren und für ihre Klaviertasten jetzt kommen sie mit ihren Jeeps und machen auch noch Safari und schauen sich die letzten Elefanten im Bayrischen Wald an. Das ist schon hart.
Und damals als die Herero Deutschland überfallen haben, und der Genozid an den Schwaben, das wirkt ja auch nach. So was klopfst Du dir nicht einfach aus den Kleidern, nach hundert Jahren tut das immer noch weh. Davon erholt man sich nicht so schnell. Wir stehen hier bis zu den Knien in ätzenden Chemikalien, damit man in Bangladesch für 7 Euro Jeans kaufen kann.
Wie viele unserer Mädchen haben wir verloren, in den Diamant Minen bei Bielefeld, damit die Bonzen in Sierra Leone singen „DIAMONDS ARE THE GIRLS BESTS FRIENDS“ Jetzt kommen die auch noch und wollen in unseren Turnhallen wohnen? Ja was denn noch alles? Was sollen wir noch alles für sie tun? Irgendwann ist auch Schluss, dann können wir nicht mehr. Irgendwann geht einfach nicht noch mehr. Unser Herz ist weich, aber unsere Möglichkeiten sind eben endlich.“
Mit freundlichen Grüßen
H. Ewerth
Anm. Moritz Müller: Ergänzend dazu, noch einmal Hagen Rether zu Fluchtursachen.
3. Leserbrief
Wer muss sich einschränken, beschränken etwa im Konsum, in technischen Möglichkeiten? Die Europäer? Dürfen die Afrikaner gar nicht erst den europäischen “Wohlstand” anstreben? Alles machen und besitzen können als Wert? Mehr haben als der Nachbar, der Konkurrent? Diese Debatte befasst sich ausschließlich mit quantitativen Beschränkungen. Ist das die richtige Fragerichtung?
Mir fehlt die Frage nach der Qualität: Machen Konsum, alles zu besitzen oder Siege im Wettbewerb zufrieden? In Europa und in Afrika und sonstwo auf der Welt?
Ich schlage Umdenken vor und empfehle als Lektüre ein Buch, das schon 1976 erschienen ist: Erich Fromm, Haben oder Sein.
Wer verstanden hat, dass nicht” Haben”, sondern “Sein” zufrieden macht hat, der empfindet eine nachhaltige Lebensweise als Bereicherung und nicht als eine bittere Notwendigkeit. In Europa und Afrika und überall auf der Welt.
Lilli Mund
4. Leserbrief
Lieber Herr Berger,
danke für den Anstoß dieser notwendigen Debatte.
Es gibt reichlich Entwicklungsperspektiven für Afrika, wenn der”Westen” nur wollte. Solarer Wasserstoff, eine weniger exportorientierte EU Landwirtschaft, …
Zum Argument, der Norden schulde dem Süden wegen der Ausbeutung der letzten 600 Jahre etwas. Das ist ein veritables Argument, aber in seiner Pauschalität eher abschreckend platt und lediglich moralisierend. Diejenigen, die konkret von der Ausbeutung profitiert haben und immer noch profitieren, sprich Firmen, ihre Inhaber und Aktionäre sind hier heranzuziehen.
Aber ein solcher Streit ist in unserem derzeitigen System ja schwierig und gegen mächtige Gegner zu führen. Da suhlen sich viele eher in moralischen Argumenten.
Viele Grüße
J. N.
5. Leserbrief
Lieber Herr Berger,
ich weiß wir können das Thema leider nicht erschöpfend via Email verhandeln. Aber gestatten Sie mir doch noch zwei Bemerkungen:
Ausbeutung: Ja, die korrupten Eliten vor Ort sind Teil des Problems. Aber von wem kommen denn all die Milliarden für die Kabilas, Mugabes, dos Santos usw.? Es sind doch westliche (und neuerdings chinesische) Konzerne, die nach dem selben Prinzip verfahren, wie einst die Briten in Indien, die das riesige Imperium mit Hilfe lokaler Moguln ausplünderten, denen sie dafür im Gegenzug einen geradezu sprichwörtlichen Reichtum gönnten. Es lohnt sich doch für mich als BP oder Shell, eianem lokalen Despoten jedes Jahr eine Milliarde zu überlassen, wenn er im Gegenzug dafür sorgt, dass ich ungestört von sozialen oder ökol. Problemen 10 Milliarden mit Öl verdienen kann. Am Ende profitieren nach wie vor wir am meisten von den afrikanischen Rohstoffen, nur die Art und Weise der Ausbeutung ist subtiler als unter Leopold von Belgien.
Wachstum: Natürlich sind wir unglaubwürdig, wenn wir nicht im Gegenzug auch unseren Lebensstil radikal verändern – verändern in erster Linie durch Konsumverzicht! Wir müssen einfach mal mit der (grünen)Lüge aufhören, Nachhaltigkeit wäre ohne Einschränkung zu haben. Schluss mit SUV, Billigflug, Kreuzfahrten und zentnerweise Fleisch!
Dann kann man sich mit dem Rest der Welt vielleicht irgendwann auf einem nachhaltigen, vernünftigem Mittelmaß treffen. Ein Aufholen der Afrikaner auf unser Niveau oder auch nur das der Chinesen ist dagegen das Todesurteil für den Planeten. Es ist kein Eurozentrismus, wenn man die unterentwickelten Länder davor bewahren möchte, die gleichen Fehler wie wir zu machen.
Ich hoffe, Sie bleiben bei den NDS an diesem Thema dran. Wir verzetteln uns sowieso viel zu sehr im Kleinklein nachrangiger Probleme und verlieren dabei die großen Themen aus den Augen.
Mit besten Grüßen aus Taufkirchen
Martin Sutor
6. Leserbrief
Sehr geehrter Jens Berger, sehr geehrtes NDS Team !
Ich will gar keinen Text schreiben, nur zum Thema Brennpunkt Afrika auf die Netzseite welt-ernaehrung.de hinweisen und speziell auf die Artikel:
- Bill Gates in Afrika
- Private Stiftungen – Speerspitze der globalen Agrarkonzerne?
- Hunger – Katastrophe, Protest und Medienereignis
Mit besten Grüßen
Ein Leser
7. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
herzlichen Dank für den sehr ausführlichen und informativen Artikel.
Ergänzend möchte ich mitteilen, dass ein Großteil der Flucht sich innerhalb Afrikas abspielt. Dazu ein sehr interessanter Beitrag auf FALTER Radio vom 11.07.2018 “Afrika und wir”.
EIn wichtiger Ansatz, um das Problem halbwegs in den Griff zu bekommen ist es nicht auf Freihandel zu setzten – wie es die EU leider hier falsch macht – sondern Schutzzölle, damit sich die Wirtschaft in Afrika entwickeln kann und die Produkte damit am Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Damit werden die Märkte von Afrika nicht mit Produkten aus China, Europa und den USA überflutet und funktionierende Strukturen zerstört (z.B. Agrarbereich). Mit diesem Weg hat sich die Wirtschaft von Südkorea entwickeln können.
Ich würde mich freuen, mit diesem Schreiben einen erweiterten Beitrag zu diesem so wichtigen Thema beitragen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Kronberger