Die Schnappatmung gegen #Aufstehen zeigt, wie wichtig die Sammlungsbewegung ist
Dass die erste konkrete Ankündigung der neuen Sammlungsbewegung #Aufstehen auch Kritik auslösen würde, war vorauszusehen und ist an sich ja auch gut so. Sag mir, wer Dich kritisiert, und ich sage Dir, was Du richtig gemacht hast. So gesehen steht #Aufstehen nun sogar unter Zugzwang, obgleich es nicht schwer sein dürfte, sich die Vorab-Kritik von BILD, einigen Agenda-Politikern von SPD und Grünen bis hin zu den üblich verdächtigen Heckenschützen auch redlich zu verdienen. Besonders skurril und verstörend ist dabei jedoch die Härte der Kritik an den äußersten Rändern des politischen Spektrums. Sowohl der reaktionäre Publizist und BILD-Gastautor Michael Wolffsohn als auch die ultralinke „Systemkritikerin“ und Junge-Welt-Autorin Susan Bonath greifen gar zum letzten Mittel intellektueller Verrohung – dem Hitler-Vergleich. Von Jens Berger.
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Dass namhafte SPD-Funktionäre, die voll hinter dem desaströsen Kurs ihrer Partei stehen, der Sammlungsbewegung #Aufstehen nicht viel Positives abgewinnen können, ist nicht sonderlich überraschend. Als einer der ersten Kritiker trat – erwartungsgemäß – der SPD-Quoten-Linke Ralf Stegner auf den Plan, der die „notorischen Separatisten“ von #Aufstehen attackierte. Dazu muss man wissen, dass Ralf Stegner seine gesamte politische Daseinsberechtigung durch die Funktion bezieht, als „Partei-Linker“ zu gelten, ohne die Parteilinie dabei ernsthaft zu hinterfragen. Dass er sein gemütliches Habitat nun bedroht sieht, ist als Erfolg von #Aufstehen zu werten.
Kritik gibt es – auch das war zu erwarten – zudem vom rechten SPD-Flügel. Getreu dem eingangs genannten Motto hätten sich die #Aufstehen-Macher auch Sorgen machen müssen, wenn sie von einem Agenda-Politiker wie Johannes Kahrs mit Lob überschüttet worden wären. Dies ist natürlich nicht passiert. Stattdessen betrachtet der Vorsitzende des rechten Parteiflügels #Aufstehen als „Totgeburt“ und sieht dahinter eine „PR-Nummer“ um „Frau Wagenknecht“, die nach Kahrs Expertise in „Film, Funk und Fernsehen“ kaum mehr vorkommt, und der auch gleich mal „Querfrontpolitik“ und einen „rechten Kurs“ unterstellt. Humor hat der Mann. Aber in diesem Punkt muss er sich wohl dem Genossen Sebastian Hartmann, seines Zeichens SPD-Chef NRW, geschlagen geben. Der twitterte nämlich mit rheinischem Mutterwitz, „die linke Sammlungsbewegung in Deutschland [sei] seit 1863 die #SPD [und] wer mitmachen [wolle, könne] eintreten“. Darüber mussten sicher nicht nur Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in ihren Gräbern herzlich lachen.
Die linke Sammlungsbewegung in Deutschland ist seit 1863 die #SPD. Wer mitmachen möchte, kann eintreten. #EndederDurchsage. #aufnachvorn
— Sebastian Hartmann (@sebast_hartmann) 4. August 2018
Schmallippiger fiel da schon die Kritik der Grünen aus, was aber auch kein großes Wunder ist. Schließlich stellt sich die Frage, ob die Partei, die bei der Jamaika-Hochzeit am Traualtar vom Bräutigam stehengelassen wurde, in ihrer jetzigen Verfassung überhaupt noch zum linken Lager zählt. Wohl aus Angst vor Lachern traut man sich dies öffentlich ja schon gar nicht mehr zu sagen. Stattdessen posaunt die deutsche Huffington Post, die noch boulevardeskere Schwester von Focus Online, heraus, „die wahre linke Sammlungsbewegung [seien] die Grünen“. Sicher, in den Träumen der konservativen und wirtschaftsliberalen Meinungsmacher aus dem milliardenschweren Medienreich des Hubert Burda mag dies so sein; in der realen Welt taugt diese Aussage wohl eher für das Programm eines Kabarettisten als für eine ernstzunehmende politische Analyse.
Ein wenig überraschender ist da schon das abwartende Schweigen aus den #Aufstehen eher abgeneigten Kreisen der Linkspartei. Sicher, die üblichen Verdächtigen konnten sich ihre schalen Späße zu #Aufstehen („zu warm“ – Niema Movassat oder „#sitzenbleiben“ – Halina Wawzyniak) in den Sozialen Netzwerken nicht verkneifen, aber im Vergleich zum schon beinahe hysterisch geführten Flügelkampf einiger Heckenschützen vor und während des Parteitags im Juni blieb es ansonsten vergleichsweise ruhig. Ist dies die Ruhe vor dem Sturm oder besteht tatsächlich die Hoffnung, dass man künftig konstruktiver zusammenarbeiten will?
Für die schrillen Töne waren diesmal die Stimmen von den Rändern des publizistischen Spektrums zuständig. Von rechts übernahm diese Aufgabe der emeritierte Historiker und Publizist Michael Wolffsohn; ein reaktionärer Knochen, der in der Vergangenheit schon die Wiedereinführung des Eisernen Kreuzes bei der Bundeswehr forderte und Angst hatte, dass diese durch zu viele Rekruten aus Ostdeutschland – er nennt dies „Ossifizierung“ – zu einer „Unterschichtenarmee“ werden könne. Ein Mann mit so viel Feingefühl für das geschriebene Wort ist natürlich genau der Richtige für die Abteilung „Haudrauf“ bei der BILD. Da fragte Wolffsohn rhetorisch, ob „die Initiative von Sahra Wagenknecht so weit links [sei], dass sie schon wieder rechts ist“ und gibt die zu befürchtende „Antwort“ gleich mit ….
Wenn ich ‚BEWEGUNG‘ höre, klingeln bei mir alle Alarmglocken. Die Nazis legten seinerzeit auch Wert darauf, keine herkömmliche Partei zu sein, sondern ‚Bewegung‘. Wissen das Wagenknecht und ihre Mit- plus Nachläufer nicht? Wollen sie ganz bewusst und scheinbar unverfänglich solche Gedankenverbindungen herstellen? Wollen sie damit signalisieren, dass sie die bessere AfD wären? Also eine Partei der „Kleinen Leute“. „Sozial. Und natürlich (siehe „Bewegung“) national. Also national-sozial.
Da sich Frau Wagenknecht als Sozialistin bezeichnet, bewirkt das phrasenhafte Mischmasch des Internetauftritts auch ohne Gedankenkrücken wohl nicht zufällig Gedankenbrücken zum Begriff „National-Sozialismus“ oder gar Nationalsozialismus. Davon hatten Deutschland und die Welt genug. Selbst ohne Krieg und Holocaust nie wieder das!
Michael Wolffsohn in der BILD, zitiert vom Bildblog
Diese Logik ist natürlich frappierend. So gesehen haben auch die Schwulenbewegung, die Frauenbewegung oder die Arbeiterbewegung Nähe zu den Nazis und wenn man dies mit großem Tamtam schüttelt und das Publikum zeitgleich mit sinnfreiem Gebrabbel ablenkt, kann man am Ende einen Nazi-Hasen samt Krieg und Holocaust aus dem Hut zaubern. Toll? Nein, verrückt und eigentlich selbst gemessen am niedrigen Anstand der BILD unanständig. Das sieht BILD-Chef Julian Reichelt natürlich ganz anders und twitterte gleich unterstützend, dass, „Wer sich für ´Aufstehen richtig in Stimmung bringen [wolle], sich ein paar Fotos von Regalen in Venezuela anschauen [solle]“. Dümmer geht es wirklich nicht. Oder?
Zumindest in puncto Geschmacklosigkeit muss der ultralinke Rand sich diesmal nicht vor der BILD verstecken. Ist Knut Mellenthins offizieller Artikel zu #Aufstehen in der Jungen Welt noch verhalten negativ, zieht seine Kollegin Susan Bonath in einem mit Vulgärmarxismus gespickten Gastartikel bei KenFM und erst recht auf ihrer eigenen Facebook-Seite so richtig vom Leder. #Aufstehen wolle „den Kapitalismus managen“, anstatt ihn zu überwinden. Die „hochbezahlte Schickeria-Millionärin“ Wagenknecht sondere „reformistischen, rassistischen und verlogenen Müll ab“ und wolle sich um die Arbeiter kümmern, wie es einst „ein Schnauzbärtiger [versprochen habe], für den jüdische Firmen ´böses Kapital´ waren“.
Bei so viel Niedertracht bleibt einem förmlich der Atem stocken. Zumindest in der Ablehnung von #Aufstehen scheint es wohl in der Tat eine sehr breite Querfront von den reaktionären Haudraufs in der BILD bis zu einigen intellektuellen Schrebergärtnern aus dem Habitat der Altlinken zu geben. Die zeigt jedoch nur, wie wichtig und wie richtig es ist, #aufzustehen und diesem Wahnsinn eine konstruktive Perspektive entgegenzustellen.