Warnung vor Überbewertung des Absturzes der FDP
Nach einer neuen Umfrage ist die FDP auf 7 % abgestürzt und die Koalition liegt deutlich hinter der Opposition. Siehe dazu die Berichte von Die Welt und SpiegelOnline im Anhang. Man sollte mit diesen Ergebnissen nicht nur wegen des nicht verlässlichen Umfrageinstituts Forsa vorsichtig umgehen. Aus mehreren Gründen: Albrecht Müller.
Erstens: Umfragen sind Umfragen und nicht Wahlergebnisse. Da hat Westerwelle sogar recht, wenn er äußert, Ausschläge in den Umfragen habe es immer wieder gegeben. „Aber die Wahlergebnisse stimmen. Das zählt.“ bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch gut dreieinhalb Jahre.
Zweitens: Bei den letzten Wahlen hat sich gezeigt, dass gerade die Wähler der Mittelschichten, auf die die FDP zielt, ziemlich wetterwendig sind. Sie sind erstaunlich beeinflussbar. Vermutlich sind viele der jetzt laut Umfragen zu den Grünen gewechselten Befragten solche hoch flexiblen Wählerinnen und Wähler. Eine massive und geschickt angelegte Propaganda wie bei der letzten Bundestagswahl kann auch dann wieder der FDP die Stimmen zutreiben. Die dafür notwendige überaus große finanzielle Ausstattung besorgt sich Guido Westerwelle vermutlich gerade mit seiner jetzigen Propaganda gegen die Schwächeren, gegen die Armen und die Sozialstaatlichkeit unserer Gesellschaft. Das beeindruckt die Geldgeber, das kann sogar eines der Motive Westerwelles sein.
Drittens: Mit seinen abwegigen Sprüchen erweitert Westerwelle tendenziell das Gesamtpotenzial von Schwarz-Gelb. Er beeindruckt Wähler auf der rechten Seite und vor allem solche, die nur auf ihre eigenen Interessen schauen. Dadurch dass er einen Konflikt mit Teilen der Union provoziert, prägt er mit dieser scheinbar für ihn negativen Propaganda auch das Image der Union. Sie erscheint mittig, teilweise links, obwohl sie den Koalitionsvertrag mit all den eher rechtsliberalen Elementen einschließlich der Steuersenkung mit der FDP abgeschlossen hat. Man sieht sogar an den Umfragen, dass die Union so sehr nicht dafür bestraft wird, dass sie die Partnerschaft mit dieser FDP eingegangen ist. Die Linkspartei hat einen Punkt gewonnen, die SPD gar nichts. Das deutet darauf hin, dass sich das Theater bei Schwarz-Gelb selbst heute bei Umfragen nicht besonders negativ auswirkt.
Viertens: Der vehemente Streit zwischen Westerwelle und Merkel, zwischen FDP und Union, zieht auch die gesamte Aufmerksamkeit auf diese beiden politischen Gruppierungen. Das hat Unterhaltungswert, das macht trotz allem Ärger über diese Parteien diese politische Seite interessant.
Sie, liebe Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten, mögen diese Bewertung insgesamt für zu pessimistisch halten. Sie mögen darauf hinweisen, dass es auch noch Landtagswahlen gibt und dort eintretende Verluste für FDP und die CDU ihre Eigendynamik entwickeln können und Westerwelle auch intern in Schwierigkeiten geraten kann. Das ist richtig. Es kann sein, dass die FDP in Nordrhein-Westfalen wirklich büßen muss für die Einlassungen von Westerwelle. Aber das sagt noch nichts darüber, wie es dann bei weiteren Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl weitergeht.
In jedem Fall wird viel davon abhängen, wie wir politisch Interessierten mit den Kampagnen von Westerwelle umgehen. Es kommt jetzt darauf an, dass sichtbar wird, wie sehr Westerwelle auch sachlich falsch liegt. Es kommt darauf an, deutlich zu machen, dass er das Verfassungsversprechen der Sozialstaatlichkeit bricht, dass er die Werte-Orientierung unserer Gesellschaft mit Füßen tritt und sich zulasten der Schwächsten unserer Gesellschaft politisch profiliert.
Es gibt in diesen Tagen auch Veröffentlichungen von Medien, die sich als kritische Medien schon verabschiedet hatten, die aber in der Auseinandersetzung mit Westerwelle und der rechtskonservativen Union helfen. Ein Beispiel dafür ist ein Beitrag im Stern. Siehe hier:
Äußerungen zu Hartz IV: Wie viel Wahrheit steckt in Westerwelle?
Guido Westerwelle hat sich in den vergangenen Tagen lautstark zu Wort gemeldet. Aber waren die Äußerungen zu Hartz IV und zum deutschen Sozialstaat richtig? Oder nur Populismus? Ein Faktencheck. Von Marcus Gatzke
Quelle: Stern
Anhang:
Die Welt
Wahltrend
FDP sinkt auf 7 Prozent – Westerwelle ungerührt
(389)17. Februar 2010, 08:45 Uhr
In der aktuellen Umfrage kommt die FDP bundesweit auf nur noch sieben Prozent der Stimmen – halb soviel wie bei der Bundestagswahl. Parteichef Westerwelle zeigt sich davon jedoch unbeeindruckt: Die Probleme Deutschlands hätten selbst “Albert Einstein und Herkules” nicht in 100 Tagen lösen können.
Formularbeginn
Die FDP setzt ihren Sinkflug in der Wählergunst fort. Im neuen „Stern-RTL-Wahltrend“ vom Mittwoch fiel sie im Vergleich zur Vorwoche um einen weiteren Punkt auf 7 Prozent. Im Vergleich zum Ergebnis bei der Bundestagswahl von 14,6 Prozent haben die Liberalen damit die Hälfte an Zustimmung eingebüßt. Die Union verbesserte sich um einen Punkt auf 35 Prozent.
Parteichef Guido Westerwelle zeigte sich unbeeindruckt von den drastisch verschlechterten Umfragewerten der FDP. „Ich bin jetzt im neunten Jahr Parteivorsitzender. Bei jeder Bundestagswahl haben wir seitdem zugelegt“, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse”. Ausschläge in den Umfragen habe es immer wieder gegeben. „Aber die Wahlergebnisse stimmen. Das zählt.“
(…)
Quelle: Welt
SpiegelOnline:
17. Februar 2010, 10:21 Uhr
Liberale in der Krise
FDP rasselt in Umfragetief
Die Liberalen stecken im Tief, eine Wende ist nicht in Sicht. In aktuellen Umfragen verliert die FDP weiter an Zustimmung. Parteichef Westerwelle zeigt sich gelassen – und fordert Bündnistreue vom Koalitionspartner aus Bayern.
Quelle: Spiegel Online