„Weißhelme“ aus Syrien: Darf man einer Kriegspartei das Asyl verweigern?

Tobias Riegel
Ein Artikel von:

Zahlreiche „Rebellen“-Sanitäter – sogenannte Weißhelme – wurden vergangene Woche in einer aufwendigen Aktion aus Syrien evakuiert. Deutschland hat die Weißhelme wie viele westliche Staaten großzügig gefördert und gewährt Teilen der Gruppe nun Asyl. Dagegen haben Bundestagsabgeordnete der LINKEN Bedenken angemeldet, was eine Debatte über die Partei hinaus entfacht hat. Von Tobias Riegel.

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Um keine in den Syrienkrieg verwickelte Gruppierung wird der Kampf der Interpretationen so verbissen geführt wie um die sogenannten Weißhelme. Die Verteidiger des Angriffs auf die Regierung Präsident Bashar al-Assads unterstützen die „Syria Civil Defense“ seit Jahren mit Millionen von Euros und Pfund und Dollars und mit Preisen – sowie mit einer ausufernden und emotionalen Berichterstattung, in der die Gruppe als unabhängig und nur der Humanität verpflichtet dargestellt wird. Kritiker des mittlerweile islamistisch dominierten Kriegs gegen den syrischen Staat sehen in den Weißhelmen dagegen ein von westlichen Geheimdiensten gegründetes und genutztes Propaganda-Instrument – also eine Kriegspartei.

Zu den Kritikern des deutschen Asyls für Weißhelme gehören etwa die Bundestagsabgeordneten der LINKEN Heike Hänsel und Diether Dehm. So hat Hänsel die Aufnahme der Weißhelme in Deutschland als „Skandal“ bezeichnet, und Dehm hat ihr – angesichts des erwartungsgemäßen medialen Aufruhrs – nun seine Solidarität bekundet und schreibt:

„Die ‚Weißhelme‘ und die ‚Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte‘ mit Büro in London gehören zu den neueren Kreationen imperialistischer Medienpropaganda. (…) Es wäre eine Aushöhlung des von Antifaschisten erkämpften politischen Asylrechts in Deutschland, Befürwortern des islamistischen Terrorismus, Grauen Wölfen und anderen Faschisten aus der Türkei, Erdogans Geheimdiensten und saudi-arabischen Gewaltverherrlichern dieselben Rechte und Standards einräumen zu wollen wie Julian Assange, Edward Snowden, PKK-Kämpferinnen, Sinti und Roma und all denjenigen, deren politisches Asyl in der großen Tradition von Bertolt Brecht, Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Wilhelm Pieck und Albert Einstein steht.“

Das Asylrecht gilt für alle Verfolgten – auch für Kriegs-Propagandisten

Die in der Überschrift formulierte Frage muss dennoch mit „Nein“ beantwortet werden: Das Recht auf Asyl gilt ausnahmslos für alle von Krieg und Verfolgung bedrohten Menschen – unbesehen der politischen Einstellung der Betroffenen. Das Recht gilt also auch für Mitglieder der syrischen Weißhelme. Dabei ist es unerheblich, ob man die Männer als „unabhängig“ beschreibt oder als Instrument der westlichen Kriegspropaganda – solange sie denn tatsächlich potenzieller Verfolgung ausgesetzt sind. Jede andere Haltung – auch wenn die Deutung der Weißhelme als westlich geförderte islamistische Kriegspartei mutmaßlich zutreffend ist – könnte in eine fatale „Gesinnungsprüfung“ von Geflüchteten münden. Diese Prüfung könnte zukünftig auch auf andere, Dehm und Hänsel möglicherweise näherstehende Gruppen angewendet und als Asyl-Voraussetzung eingeführt werden. Hier geht es nicht allein um die Weißhelme, sondern um die potenzielle Beschädigung eines wichtigen Prinzips.

Das Kriterium für das Asylrecht muss also die konkrete Verfolgungssituation sein, nicht eine politische Bewertung. Es gab und gibt jedoch selbst für bewaffnete Islamisten zahlreiche Amnestie-Angebote der syrischen Regierung. Diese Angebote werden von den großen westlichen Medien entweder verschwiegen oder in Zweifel gezogen. Ob diese Angebote seriös sind und sich auch auf die Weißhelme beziehen, ist also schwer zu beurteilen.

Infame mediale Reaktionen

Dass man den Männern der Weißhelme das Asylrecht zugesteht, bedeutet nicht, dass man mit den Reaktionen auf Hänsels und Dehms Vorstoß konform geht. So sind die Äußerungen des außenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Stefan Liebich, noch akzeptabel: „Für alle in der Fraktion gilt das Programm unserer Partei“, wie er der „Welt“ sagte. Dort heiße es: „Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden.“

Was aber etwa Dominic Johnson in der „taz“ beispielhaft für die Reaktion vieler deutscher Medien zu dem Asyl-Vorgang schreibt, schießt weit über das Ziel hinaus: Da werden die Weißhelme noch immer als “unabhängige Zivilverteidigung“ bezeichnet und die mutmaßliche Kriegspropaganda als bewiesen dargestellt: „(Sie haben) die Rettung per Video festgehalten und damit auch Einsätze verbotener Massenvernichtungswaffen für die Nachwelt dokumentiert.“ Johnson rückt Skeptiker in die Nähe von Nazis: „Was manche Assad-Claqueure von sich geben, von der Gleichsetzung aller Demokraten mit dem IS bis hin zur Leugnung der Massenverbrechen des Regimes, gleicht in der grotesken Methodik der Holocaustleugnung.“ Auch werden Begriffe mutwillig verwischt, indem die „taz“ die Kritik an den Weißhelmen mit einer „Verteufelung“ aller Flüchtlinge gleichsetzt: Es gebe „eine große Koalition der Flüchtlingsverteufelung, die von Linken zur AfD reicht“.

Seit wann werden Flüchtlinge ausgeflogen?

Fragen wirft auch die Vorzugsbehandlung der Weißhelme gegenüber den anderen syrischen Flüchtlingen auf, die nicht in militärischen Kommando-Aktionen ausgeflogen werden. Die Art der aufwendigen Evakuierung lässt die Episode fast wie die „Rettung“ von verbündeten Agenten erscheinen, die keinesfalls in „Feindeshand“ gelangen dürfen – möglicherweise weil sonst peinliche Informationen über den mutmaßlich nicht ganz so „unabhängigen“ Charakter der Gruppe und ihrer Unterstützer aus den westlichen Geheimdiensten publik würden?

Deutschland zählt zu diesen Unterstützern und hat unter anderem die Helmkameras bezahlt. Diese Kameras sind ein wichtiger Unterschied zu „normalen“ Sanitätern, die sich und ihre Taten normalerweise nicht in emotionalen und zweifelhaften YouTube-Videos feiern. Somit hat auch die Bundesregierung die von vielen Menschen als Propaganda wahrgenommenen Filme der Weißhelme möglich gemacht, wie eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zutage förderte:

„Die Bundesregierung hat ’Syria Civil Defence’ mit insgesamt 12 Mio. Euro (2016: 7 Mio. Euro, 2017: 5 Mio. Euro) zum Zweck der Ausbildung und Ausrüstung der Weißhelme unterstützt (…) Die an die ’Syria Civil Defence’ geleisteten Zahlungen werden in erster Linie für die Anschaffung von Rettungsausstattung, Ausbildung und Ausrüstung investiert. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Förderung die Anschaffung von Helmkameras für 190.000 Euro gefördert, mit denen die Rettungsarbeit der ’Syria Civil Defence’ dokumentiert wird. Das Erstellen von Bild- und Videomaterial selbst ist nicht Teil der Förderung (…) Durch den Einsatz von Helmkameras zur Dokumentation ihrer Arbeit fällt bei den syrischen Weißhelmen umfangreiches Bild-, Film- und Tonmaterial über deren Einsätze an. Dieses wird durch Bild-, Film- und Tonaufnahmen von Augenzeugen ergänzt. Die syrischen Weißhelme haben auf dieser Grundlage über die Jahre eine intensive Öffentlichkeitsarbeit entwickelt, die der großer, weltweit agierender humanitärer Organisationen ähnelt.”

Mediale Helfershelfer von Kriegspropagandisten?

Das Festhalten an der Solidarität westlicher Medien und Politiker mit den Weißhelmen hat mutmaßlich zwei Gründe: Zum einen soll am Narrativ von den Weißhelmen als „unabhängige Retter“ festgehalten werden, damit die Journalisten und Minister nicht rückwirkend als Helfershelfer von Kriegs-Propagandisten erscheinen. Zum anderen soll die mit viel Geld als „glaubwürdige“ und „unabhängige“ Quelle aufgebaute Gruppe mutmaßlich weiterhin als Kronzeuge genutzt werden – etwa für angebliche Giftgas-Angriffe des „Assad-Regimes“. Das praktizierte beispielhaft der Politiker der Linkspartei Jan van Aken beim kürzlichen LINKEN-Parteitag, als er die auf Informationen der Weißhelme beruhenden Vorwürfe zu mutmaßlichen Gas-Attacken im syrischen Duma als bewiesen darstellte.

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