Neues aus der „freien“ Welt: Wikileaks-Gründer Julian Assange muss die ecuadorianische Botschaft verlassen
Pressefreiheit, die den Mächtigen wehtut, kann nicht geduldet werden. Das ist jedenfalls der Eindruck, den man beim Umgang mit Julian Assange gewinnen muss. Schon die Tatsache, dass jemand um Asyl bitten muss, der schlimme Vorgänge offengelegt, zeigt die Fratze, die sich hinter den lächelnden Bekenntnissen für Freiheit und Demokratie verbirgt. Jetzt verkündet der Präsident Ecuadors, dass Assange sein Asyl in London verlassen muss. Siehe dazu die in Teil I wiedergegebenen Meldungen in der Neuen Zürcher Zeitung und bei SputnikNews. In Teil II bringen wir die Übersetzung eines Beitrags von McGovern „Die „Alte Dame“ New York Times kommt wegen Assange ins Grübeln“. Albrecht Müller.
Teil I: Meldungen über die Entscheidung des Präsidenten von Ecuador zur Aufkündigung des Asyls an Julian Assange – schön ausbalanciert, einmal mit der Neuen Zürcher Zeitung als Quelle und einmal von Sputnik News:
Ecuadors Präsident: «Julian Assange wird die Botschaft Ecuadors verlassen müssen»
27.7.2018, 12:16 Uhr
msl. Wikileaks-Gründer Julian Assange müsse die Botschaft Ecuadors in London, in der er momentan lebt, zeitnah verlassen. Das erklärte Ecuadors Präsident Lenin Moreno am Freitag laut der Nachrichtenagentur Reuters an einem Anlass in Madrid.
Der ecuadorianische Präsident Lenín Moreno hat erklärt, dass der Wikileaks-Gründer Julian Assange die Botschaft des Landes in London, wo er seit 2012 festsitzt, letztendlich verlassen müsse. Das meldet die Agentur Reuters am Freitag.
Quelle: sputniknews
Teil II:
Die „Alte Dame“ New York Times kommt wegen Assange ins Grübeln. Von Ray McGovern.
Übersetzung: Josefa Zimmermann. – Wie immer ein großer Dank an sie.
Die New York Times selbst berichtete nicht darüber, aber einer ihrer Anwälte äußerte gegenüber einer Gruppe von Richtern, dass eine Strafverfolgung von Julian Assange für die Times selbst schlimme Folgen haben könnte, erklärt Ray McGovern.
Oh, Gott! Ein Anwalt der New York Times hat herausgefunden, dass die Verfolgung des WikiLeaks-Herausgebers Julian Assange der Alten Dame selbst das Genick brechen könnte.
Der zweite Mann unter den Anwälten der Times, David McCraw, sagte am Dienstag vor einer Gruppe von Richtern an der Westküste, dass eine Strafverfolgung ein schwerer Schlag für das Recht auf freie Meinungsäußerung sei, so berichtet Maria Dinzeo für den Courthouse News Service.
Merkwürdigerweise fanden McCraws Ausführungen in der Times selbst keine Erwähnung. In den letzten Jahren zeigte die Zeitung eine ausgeprägte Neigung, nichts zu drucken, was ihren Platz an den Futtertrögen der Regierung gefährden könnte.
McGraw wies auf das Offensichtliche hin, indem er anführte, dass die “Strafverfolgung von ihm [Assange] ein sehr, sehr schlechter Präzedenzfall für alle Zeitungsverleger wäre… er ist ein klassischer Verleger und ich denke, es würde sehr schwer werden, juristisch einen Unterschied zwischen der New York Times und WikiLeaks zu ermitteln. ”
Das liegt zum einen daran, dass die Times selbst schon viele Artikel veröffentlichte, die auf geheimen Informationen beruhten, die WikiLeaks und andere Quellen aufgedeckt hatten. Die Zeitung wandte sich aber entschieden gegen Assange, nachdem WikiLeaks die DNC- und Podesta-E-Mails veröffentlicht hatte.
Außerdem wurde seit dem Fall John Peter Zenger in der Kolonialzeit in Amerika kein Journalist mehr wegen seiner Arbeit angeklagt oder inhaftiert. Wenn amerikanische Staatsanwälte nicht beweisen können, dass Assange persönlich an dem Diebstahl von klassifiziertem Material oder fremden E-Mails beteiligt war, anstatt sie nur in Empfang zu nehmen und zu veröffentlichen, wäre eine Anklageerhebung wegen seiner Publikationen der erste Fall, seit der britische Generalgouverneur von New York, William Cosby, 1734 Zenger für zehn Monate inhaftierte, weil er Cosby in seinen Artikeln kritisiert hatte. Zenger wurde von einer Jury freigesprochen, weil er seine Behauptungen beweisen konnte. Das könnte WikiLeaks ebenfalls.
McCraw betonte weiterhin, „Assange sollte der gleiche Schutz gewährt werden wie einem traditionellen Journalisten.” Der Anwalt der Times vermied jede Kritik an dem, was die Vereinten Nationen zweimal gebrandmarkt hatten, die “willkürliche Inhaftierung” von Assange und die mit Isolationshaft vergleichbare Situation in der Ecuadorianischen Botschaft in London seit März. Mehrere Berichte deuten darauf hin, dass die neue Regierung von Ecuador Assange der britischen Polizei übergeben wird .
Heutzutage muss man auch für kleine Gefälligkeiten dankbar sein. Es ist gut zu wissen, dass die Times Assange nun als einen Journalisten betrachtet, obwohl sie ihn nicht verteidigt hatte, als er von allen Seiten als „High-Tech-Terrorist“ gebrandmarkt wurde, wie man hier bei meinem letzten Auftritt vor acht Jahren bei den CNN-Inlandsnachrichten sehen kann.
Mike Pompeo nannte zu seiner Zeit als CIA-Direktor WikiLeaks einen “nichtstaatlichen, feindlichen Geheimdienst”, und Assanges Anwälte glauben, dass bereits eine versiegelte Anklage gegen ihn im Bundesstaat Virginia existiert. Assange fürchtet, dass er im Falle einer Verhaftung wegen eines Bagatelldelikts an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wird.
Ist die Vierte Gewalt tot?
Vor zehn Jahren behauptete ich, dass die Alte Dame – wie der Rest der Vierten Gewalt – im Sterben liegt. Noch vor kurzem war ich der Ansicht, sie sei tot. Jetzt muss ich mich korrigieren. Die Gerüchte über ihren Tod waren überzogen. Aber wie soll man ihren gegenwärtigen Zustand charakterisieren?
Lassen Sie mich einen denkwürdigen Satz des Philosophen Billy Crystal zitieren, den er in der Rolle des Miracle Max in dem Film “The Princess Bride” ausspricht, während er versucht, die Figur Wesley wieder zum Leben zu erwecken. Chrystal bestand darauf, dass er “größtenteils tot”.sei..
Und so ist es mit den heutigen Konzernmedien, wobei es eine winzige Chance gibt, dass die New York Times, mit Blick auf ihren eigenen Marktanteil, Assange dabei helfen könnte, einer Strafverfolgung wegen der Ausübung seines Journalistenberufs zu entgehen. Tatsächlich wurde er bisher keiner Straftat beschuldigt.
Als vor acht Jahren die Sam Adams Associates for Integrity (SAAI) ihren jährlichen Preis an Assange verlieh, war die Vierte Gewalt kaum mehr als eine dunkle Erinnerung. Daher versuchten wir, diesen Preis in eine historische Perspektive zu stellen. Unten ist der Text zu lesen, der Assange zusammen mit dem traditionellen SAAI-Kerzenständer zum Ausleuchten dunkler Ecken von dem ehemaligen britischen Botschafter Craig Murray (selbst SAAI-Preisträger) und Daniel Ellsberg überreicht wurde.
Sam Adams Associates Award
Julian Assange
Es scheint ziemlich passend und angemessen, dass der diesjährige Preis in London verliehen wird, wo Edmund Burke den Ausdruck “Vierte Gewalt” prägte. Er verglich die Funktion der Presse mit den damals existierenden drei Häusern des Parlaments und sagte: „… drüben auf den Rängen der Presse sitzt eine Vierte Gewalt, die weit wichtiger ist als alle anderen.”
Das war 1787 – das Jahr, in dem die Verfassung der Vereinigten Staaten angenommen wurde. Der vier Jahre später verabschiedete Erste Verfassungszusatz sollte sicherstellen, dass die Presse frei von staatlichen Eingriffen bleibt. Das ist lange her.
Neben der Vierten Gewalt, die jetzt auf lebensverlängernde Maßnahmen angewiesen ist, ist eine hohe Prämie auf die noch junge Fünfte Gewalt ausgesetzt, die den Äther nutzt und nicht der Kontrolle von Regierung und Wirtschaft unterliegt. Kein Wunder, dass sich Regierungen, die viel zu verbergen haben, bedroht fühlen.
Wie heißt es so schön: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.” WikiLeaks hilft dabei, dies zu ermöglichen, indem es Dokumente veröffentlicht, die nicht lügen.
Im vergangenen Frühjahr, als wir WikiLeaks und Julian Assange für diesen Preis auswählten, sagte Julian, er würde den Preis nur “im Namen unserer Quellen akzeptieren, ohne die die WikiLeaks-Beiträge bedeutungslos wären”…
Wir wissen nicht, ob Bradley Manning WikiLeaks das Killervideo vom 12. Juli 2007 mit dem Titel “Kollateralschaden” übergab. Wer dieses Filmmaterial zur Verfügung stellte, das die Brutalität der berühmten “Surge”[Welle] im Irak zeigt, war sicherlich ein größerer Patriot als der Mainstream- Journalist, der in dieser Armee-Einheit „embedded“ war. Er hielt zurück, was an diesem Tag in Bagdad geschah, sprach von “einem weiteren schlechten Tag in einer „Welle“, die nur aus schlechten Tagen bestand” und besaß dann die Unverfrorenheit, diese Einheit in einem Buch, das er „The good Soldiers” nannte, zu loben..
Julian betont zu Recht, dass die Welt den patriotischen Informanten zutiefst verpflichtet sei, die die Wahrheit öffentlich machen, wie die Quellen, die WikiLeaks das Killervideo und die vielen Dokumente über Afghanistan und den Irak zur Verfügung gestellt haben. Wir hoffen, dass wir eines Tages die Chance haben, sie persönlich zu ehren.
Heute würdigen wir WikiLeaks und eine ihrer Führungspersönlichkeiten, Julian Assange, für ihren Einfallsreichtum bei der Schaffung neuer Wege, auf denen wichtige dokumentarische Beweise schnell und vertraulich durch den Äther und auf unsere Bildschirme gelangen können. Es lebe die Fünfte Gewalt!
Präsentiert am 23. Oktober 2010 in London, England, von Bewunderern des Vorbildes Sam Adams, eines ehemaligen CIA-Analysten.
Ray McGovern arbeitet bei Tell the Word, einem Verlag der ökumenischen Church of the Saviour Kirche des Erlösers in der Innenstadt von Washington. Er war insgesamt 30 Jahre lang Infanterieoffizier der Armee und später CIA-Analyst. Er ist Mitbegründer der Sam Adams Associates for Integrity in Intelligence.