Interessant, wie konsequent die herrschenden Kreise auch die absurdesten Behauptungen streuen – gestern bei Anne Will
Es ging um Steuerflüchtlinge und den Ankauf der CDs. Hier das Video und die Gästeliste. Auf der kritischen Seite mit Geißler und Wagenknecht markant besetzt, aber gegen die zwei gleich drei von der anderen Seite. Und dann noch eingespielt Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft und Anne Will selbst. – Die abstrusen, aber penetrant wiederholten und gestützten Behauptungen waren deutlich festzumachen. Albrecht Müller
Erstens: Zur Entlastung der Steuerhinterzieher wird behauptet, dass ihre Gruppe von Steuerzahlern, die Gutverdienenden, die Hauptsteuerlast tragen, dass also ihre Steuerhinterziehung nichtig Schwächeren treffe. Dabei wird, wie wir das schon mindestens seit drei Jahren kennen, der relativ hohe Anteil der Gutverdienenden am Aufkommen der Einkommensteuer als Anteil am Steueraufkommen insgesamt suggeriert. Hier wird systematisch „geschlabbert“, dass die Mehrheit einschließlich der wirklich Armen über ein Bündel von anderen Steuern, über die Mehrwertsteuer, über die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer usw. den Löwenanteil der Steuern mittragen.
Der wirklich dreiste Versuch, die Einkommensteuer zum Träger der Hauptlast zu stilisieren, kommt dann zum Durchbruch, wenn diese Lüge entsprechend wiederholt werden kann. Im konkreten Fall geschah das, allerdings widersprochen von Heiner Geißler und Sahra Wagenknecht.
Natürlich kommen eine Fülle anderer Gesichtspunkte überhaupt nicht vor, die bei einer Bewertung der Steuerlastverteilung auch wichtig wären: die Spitzenverdiener, Manager, Selbstständige, Freiberufler haben sehr viel mehr Möglichkeiten, allerlei Dienstleistungen steuerlich geltend zu machen oder sie vom Unternehmen bezahlen zu lassen. Das heißt: das Nettoeinkommen nach Abzug der Steuern sagt oft wenig über ihre wahren Konsummöglichkeiten.
Zweitens: Auch in dieser Sendung wurde der Eindruck vermittelt, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Das ist schlicht falsch. Auch die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben, also die Gesamtabgabenlast, ist in den letzten Jahren gesunken und liegt unterhalb des EU-Durchschnitts. Sie lag zum Beispiel 1996 noch bei 49,2 % und 2008 bei 43,9 %. Wenn die Last in den nächsten Jahren ansteigen wird, dann vor allem wegen der Rettungsaktion zu Gunsten der Banken und ihrer Anleger, und oft auch solcher, die sich der Belastung durch Steuerhinterziehung entziehen.
Die angeblich hohe Steuerbelastung gerade der höheren Einkommen durfte in einem Einspielfilm der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Hüther mit einer wahrlich abenteuerlichen Argumentation illustrieren. Hüther wollte die Mehrfachbelastung der Gutverdiener demonstrieren und nannte zu diesem Zweck neben der Einkommensteuer noch die Grunderwerbsteuer und die Erbschaftssteuer. So dreist sind diese Herren schon. Die Grunderwerbsteuer und die selten anfallende und nicht sonderlich hohe Erbschaftssteuer Deutschlands wird als Sonderbelastung der hohen Einkommen genannt. Grunderwerbsteuer muss jeder zahlen, egal wie hoch sein Einkommen ist.
Drittens: Die Behauptung von der besonders hohen Belastung wurde in der Sendung noch dadurch untermauert, dass Olaf Henkel behauptete, immer mehr Menschen verließen Deutschland, zum Beispiel in Richtung Schweiz. Deutschland sei ein Auswandererland. Auch das ist eine dreiste Manipulation. Gerade am Beispiel der Schweiz wird sichtbar, dass Menschen unser Land verlassen, weil sie hier keine vernünftige Arbeit finden. Anne Will hat den Blödsinn von Olaf Henkel noch zu verstärken versucht: Wer soll denn Steuern zahlen, wenn keiner mehr da ist, wollte sie wissen, und sprach von Abstimmung mit den Füßen. Abenteuerlich!
Anne Will ist insgesamt ihrer Moderatorenrolle wenig gerecht geworden. Sie ließ die ständige Unterbrechung von Wagenknecht und Geißler durch die anderen zu. Ja sie erklärte in einer Sequenz der Sendung den Hardliner Henkel sogar zu einer neutralen Person in ihrer Runde. Das dürfte ihm besonders gefallen haben.
Anne Will intervenierte auch nicht, als Henkel in seiner perfid schleimigen Art gleich zweimal versuchte, Oskar Lafontaine ins Spiel zu bringen. Auch nur ein Hauch von Solidaritätsgefühl zwischen Frauen hätte ihre Intervention auslösen müssen.
In der Sendung wurde zwar auch die Frage gestellt, woher die Vermögen im Ausland kommen, die Gewinne und Zinsen abwerfen, die dann steuerlich hinterzogen werden. Sehr tief ging diese Debatte nicht – mit Ausnahme des Hinweises Geißlers, dass viele Gewinne durch Spekulation entstehen. Darüber hinaus besteht der berechtigte Verdacht, dass viele dieser Gelder aus schwarzen Quellen kommen: Schmiergelder, Gelder aus Geldwäsche, Schwarzgelder, Gelder aus angeblichen Vermächtnisses a la Hessen-CDU, usw. – Wenn man dieser Realität ins Auge schaut, dann wird die Diskussion um die angebliche Hehlerei, die der Ankauf der CDs darstelle, besonders pervers.