Das internationale Große Geld beherrscht uns und die Europäische Union. Ihre Bosse entscheiden z.B. darüber, wie wir unsere Altersvorsorge organisieren. Demokratie gleich null.
In den heutigen Hinweisen machen wir auf einen Artikel im „Freitag“ aufmerksam: „Achtung, Rentenfresser“ . Dort wird berichtet, dass der US-Konzern BlackRock „Europas Pensionen privatisieren“ wolle. Die EU-Kommission mache sich zur „willigen Helferin“. Das ist ein in mehrerer Hinsicht interessanter Vorgang. Albrecht Müller.
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Auf den NachDenkSeiten haben wir schon mehrmals darüber unterrichtet, dass BlackRock und andere Kapitalfonds der USA, Großbritanniens u.a.m. die deutsche Wirtschaft beherrschen und teilweise mit wenigen Anteilen großen Einfluss haben. In den heutigen Hinweisen ist hier “BlackRock” auf unseren Artikel verlinkt. BlackRock besitzt Anteile an 17.000 Unternehmen in der Welt. Der im “Freitag” beschriebene Vorgang zeigt darüber hinaus:
- erstens, dass BlackRock den Anspruch erhebt, eine wichtige gesellschaftliche und öffentliche Einrichtung Europas (und damit auch Deutschlands) zu bestimmen: das Altersvorsorge-System, und
- zweitens zu diesem Zweck einen EU-Kommissar, ja sogar einen Kommissionsvizepräsidenten direkt beeinflusst, man könnte auch sagen: politisch korrumpiert, um sich ein großes neues Geschäftsfeld aufzutun.
Der Vorstoß von Blackrock zur Privatisierung der Altersvorsorge in Europa ist ein Beleg für einen massiven Rückschritt im gesellschaftlichen und demokratischen Leben:
Die staatlichen Stellen, in den einzelnen Staaten und auf der Ebene der europäischen Einrichtungen, schützen uns nicht vor der Macht von Monopolen und Oligopolen. Im Gegenteil, sie machen sich zu Helfern der Mächtigen in der Finanzwirtschaft. Sie sichern den politischen Einfluss des Großen Geldes auf die politischen Entscheidungsträger und damit auch auf die politischen Entscheidungen ab. BlackRock und nicht das Volk oder unsere gewählten Abgeordneten will und wird über eine wichtige gesellschaftliche Regelung, über die Altersvorsorge in Europa entscheiden. Das ist ein Zeichen für das Ende der Demokratie. Die Europäische Union und ihre Kommission werden zum Transmissionsriemen des Einflusses privater Interessen auf die politischen Entscheidungen in Europa und in den einzelnen Staaten.
Das Tolle an diesem Vorgang ist dann obendrein, dass diese Herrschaften mit ollen Kamellen an Argumenten operieren: der demographische Wandel verlange die Umstellung auf Privatvorsorge. Du meine Güte, das hatte schon Walter Riester propagiert und mit ihm als Agitator und Lobbyist bei der deutschen Bundesregierung Carsten Maschmeyer (die NachDenkSeiten haben darüber ausführlich berichtet), und noch früher hat sich auf diesem Feld ein früherer Sozial- und Arbeitsminister von Pinochets Chile, getummelt: José Piñera. Er ist als Lobbyist der Privatvorsorge übrigens auch in Frankfurt, also am gleichen Ort wie der Chef von BlackRock Fink, aufgetreten. Zum Wirken des Chilenen und zur freudigen Begrüßung dieses Lobbyisten schrieb Elisabeth Niejahr im Spiegel vom 1. Februar 1999 einen Artikel: “Stille Flucht aus dem System”. Das ist jetzt 19 Jahre her und immer noch werden die gleichen falschen Argumente wiederholt.
Über die Folgen der Privatisierung der Altersvorsorge in Chile haben wir übrigens im Jahre 2005 auf den NachDenkSeiten schon berichtet. Siehe hier. Nichts gelernt und immer weiter rückwärts. Und jetzt mit einer ganz anderen finanziellen Macht im Rücken. BlackRock ist 1000-mal mächtiger als José Piñera.
Das Ganze ist ein Trauerspiel. Opfer sind die vielen Rentner und die Masse der Arbeitnehmer, Gewinner sind die Finanzbosse und ihre Vertreter in der Politik.
Wir waren schon viel weiter, bei der Wettbewerbskontrolle genau so wie bei der Offenlegung und beim Kampf gegen Lobbyismus. Jetzt sind wir schon soweit in den Niedergang getrudelt, dass eine Offenlegung eines offensichtlichen Lobbyeinflusses keinerlei Konsequenzen mehr haben wird, auch dann nicht, wenn es wirklich um eine sehr grundlegende politische Entscheidung geht – die Entscheidung über ein Altersvorsorgesystem, auch dann nicht, wenn es wie im konkreten Fall zur Zerstörung eines optimalen Systems, des Umlageverfahrens und der gesetzlichen Rente führt und nichts dafür spricht, dass das jetzt propagierte System irgendwo einen ökonomischen Vorteil bringen sollte oder effizienter zu organisieren wäre. Der Fisch stinkt vom Kopf her, sagt der Volksmund. Das könnte man auf die Europäische Kommission übertragen. Wieso sollte der lettische Kommissar und Vizepräsident sich anders verhalten als Kommissionspräsident Juncker?!
Sie werden die Ungereimtheiten der neuen Versuche zur Privatisierung der Altersvorsorge noch besser verstehen, wenn Sie sich der schon des Öfteren erläuterten Methode bedienen, in realen Größen zu denken:
Immer wird die arbeitsfähige Generation für die Alten und die noch nicht arbeitsfähige junge Generation sorgen müssen. Mit einer Umstellung vom Umlageverfahren aufs Kapitaldeckungsverfahren, also mit der Privatisierung der Altersvorsorge, kann man diesen realen Zusammenhängen nicht entgehen. Im Gegenteil, man verschärft die Lage, weil nämlich ein Teil der arbeitenden Generation dann auch noch mit der Organisation der Altersvorsorge privater Natur beschäftigt wird. Ressourcen werden abgezogen, sie arbeiten im übertragenen Sinne für BlackRock. Der Hintergrund des Vorschlags von Black Rock ist ja nicht die Absicht, den europäischen Arbeitnehmern und Rentnern Wohltaten auszuschütten, der Hintergrund ist, dass dieser große Finanzkonzern ein neues Geschäftsfeld sucht. Das ist nicht anders wie bei den deutschen Versicherern und Banken, die 1997/1998 im Vorfeld des damaligen Bundestagswahlkampfes mit ihrer Propaganda für die Privatvorsorge begonnen haben und dies dann mit Kanzler Schröder und Arbeitsminister Riester erreicht haben. Also, BlackRock will Geld verdienen, BlackRock will einen Teil der – güterwirtschaftlich betrachtet – Ressourcen Europas für sich abgreifen.
Für uns in Deutschland hat dieser Vorgang auch noch den unangenehmen Beigeschmack, dass wir nicht einmal die Lehre aus den Fehlentscheidungen aus den ersten Jahren des Jahrhunderts treffen können, wenn wir dem Vorstoß von BlackRock folgen (müssen).
Es war nämlich gerade in den letzten Jahren sichtbar geworden, dass die Privatisierung der Altersvorsorge, wie sie mit der Riester-Rente, der Rürup-Rente und der Entgeltumwandlung zugunsten der staatlich geförderten betrieblichen Altersvorsorge eingeleitet worden war, der falsche Weg war. Wir hätten die Chance, zur Vernunft zu kommen. Jetzt kommt einer der mächtigsten Finanzleute der Welt des Wegs und siehe da, die von uns in politische Ämter gewählten oder bestimmten Personen wie der Vizepräsident der Europäischen Kommission breiten ihnen den Teppich aus.