Oswald Metzger als „Kronzeuge“ für die neoliberale Spar- und Steuersenkungspolitik. Ein weiteres Indiz für den Kurswechsel des DIW.
Oswald Metzger, von den Grünen abgestrafter ehemaliger haushaltspolitischer Sprecher und heutiger „Botschafter“ der „INSM“, „Fellow“ der Bertelsmann-Stiftung und „Politikberater“, wurde zum „Distinguished Fellow“ des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ ernannt. Das DIW, das unlängst noch einen der dort letztverbliebenen Ökonomen mit keynesianischer Ausrichtung gefeuert hat, bedient sich nun Metzger, als eines „Kronzeugen“ für eine neoliberale Spar- und Steuersenkungspolitik. Seine Einlassungen im DIW-Wochenbericht 1-2/2005 zu einer „nachhaltigen Finanzpolitik“ sind aber „not very distinguished“, wie Karl Mai in einer „distinguished contradiction“ darlegt.
Wenn zwei oder mehrere – nehmen wir einmal an – aus der CDU dasselbe sagen, dann ist das keine Meldung wert. Sagt aber nur einer, der der SPD oder den Grünen zugerechnet wird, das Gleiche, was die Union sagt, so ist das immer eine Meldung wert und derjenige wird dann gerne von der CDU oder von den Medien als „Kronzeuge“ für die Richtigkeit der eigenen Position herangezogen. Das ist eine der Gesetzmäßigkeiten der politischen Kommunikation. Der „Kronzeuge“ hat eine lange und ungute Tradition, er ist schon im 19. Jahrhundert im angelsächsischen Gerichtswesen als Hauptbelastungszeuge gegenüber seinen (ehemaligen) Komplizen eingeführt worden. So wird Heiner Geißler, wenn er wider den Stachel löckt, gerne als „Kronzeuge“ gegen seine eigene CDU ins Feld geführt und Peter Glotz verdankt viel von seiner öffentlichen Aufmerksamkeit seiner Rolle, dass er gerne gegen sozialdemokratische Grundpositionen wettert. Beide haben diese Rolle so professionalisiert, dass sie dafür jetzt sogar eine gemeinsame Fernsehsendung bekommen – wohl nach dem Motto: Geißler lästert gegen die Union und Glotz kritisiert die alte SPD.
Oswald Metzger, dem die Grünen bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2002 keinen Listenplatz mehr zubilligten, der aber in der öffentlichen Meinung immer noch als Grüner gehandelt wird, lebt von dieser Rolle als “Kronzeuge“ gegen die Politik seiner früheren Partei offenbar auch ganz gut. Die PR-Agenturen und Think Tanks des neoliberalen Mainstreams schmücken sich mit ihm als „Botschafter“ oder „Fellow“ und geben ihm Selbstdarstellungspodien.
Das tut jetzt eben auch das „Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung“, indem sie ihn zum „Distinguished Fellow“ macht und ihn als Autor in seinem „DIW-Wochenbericht“ zu Wort kommen lässt. Damit könnte man die Sache abhaken, wenn man keinen Unterschied zwischen einer politischen Propagandaagentur wie dem INSM einerseits und einer öffentlich finanzierten, der objektiven Wissenschaftlichkeit verpflichteten Forschungseinrichtung wie dem DIW andererseits mehr machen würde. Der „Wochenbericht“ des DIW, in dem Metzger jetzt mit einem Beitrag über „nachhaltige Finanzpolitik“ zu Wort kommt, möchte nach seinen eigenen Angaben „Forschungsergebnisse der Wirtschaftswissenschaften stärker in die aktuelle wirtschaftspolitische Diskussion einführen“.
Karl Mai hat sich diesen Aufsatz von Oswald Metzger einmal etwas genauer angesehen und attestiert ihm, dass den vom DIW für veröffentlichungswert befundenen „Forschungsergebnis“ selbst aktuelles Lehrbuchwissen abgeht.
Das Ganze muss nicht nur als Ausdruck eines weiteren Einschwenkens des DIW auf den wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream gewertet werden, sondern auch als ein Niedergang des wissenschaftlichen Anspruchs dieses Wirtschaftsforschungsinstituts. Die Öffentlichkeit muss sich fragen, warum sie derartige “wissenschaftliche“ Einrichtungen noch apanagieren soll.
Übrigens: Über die irreführende Demagogie Metzgers über Schulden und Staat haben wir auf den Nachdenkseiten schon in unserem Beitrag vom 29.12.2003 berichtet.