Kunden zahlen bei Pleiten von Lebensversicherern die Zeche. Die Lobbyarbeit der Versicherungswirtschaft hat sich bezahlt gemacht.
In einem Bericht des ARD-Magazins „Plusminus“ vom 18.1.05 wird ein schönes Beispiel dargestellt, wie der durch die Pleite der „Mannheimer Leben“ angestoßene Entwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes durch Lobbyarbeit und durch geschäftliche Verflechtungen von Abgeordneten mit der Versicherungswirtschaft im Interesse der Unternehmen verändert wurde. Das verabschiedete Gesetz, mit dem ursprünglich der Schutz der Versicherten durch die Haftung mit dem Eigenkapital der Versicherer geplant war, geht im Ergebnis zu Lasten der Kunden.
Der Fernsehbeitrag von Reinhard Weber dokumentiert wie die Lobbyarbeit der Versicherungswirtschaft im Gesetzgebungsverfahren funktionierte:
- Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft lieferte fertig ausformulierte Gesetzestexte, die teilweise unverändert ins Gesetz übernommen wurden.
- Im zuständigen Finanzausschuss saßen sieben Abgeordneten, die Nebenjobs in der Versicherungswirtschaft hatten oder in Beiräten oder Aufsichtsräten saßen. Darunter die Ausschussvorsitzende Christine Scheel von den Grünen, die noch 2003 Beiratsposten bei der „Barmenia“ und bei der „Hamburg Mannheimer“ inne hatte und im Aufsichtsrat der „Nürnberger Versicherung“ war.
Die Lobbyarbeit und die Nebenjobs für Abgeordnete haben sich für die Versicherungswirtschaft sprichwörtlich bezahlt gemacht:
Die Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sah ursprünglich vor, dass bei einer Pleite eines Lebensversicherungsunternehmens ein Sicherungsfonds die Verträge der dort Versicherten weiterführen sollte. Der Entwurf sah ferner vor, dass die Unternehmen in die Pflicht genommen und in diesen Fonds ausschließlich Beiträge aus deren Eigenkapital eingezahlt werden sollten. Für den Fall, dass der Fonds nicht ausreichte, sollten die Versicherer zum vollen Schutz der Kunden unbegrenzt nachschießen müssen.
Als Ergebnis der Lobbyarbeit kam aber heraus:
Die Unternehmen müssen nicht mehr – wie anfangs vorgesehen – fortlaufend, sondern begrenzt auf 500 Millionen in den Fonds einzahlen und im Krisenfall noch einmal maximal 500 Millionen zuschießen. Reicht diese Milliarde nicht, dürfen – so war das Ergebnis am Ende des Gesetzgebungsverfahrens – 5% des Sparkapitals der Versicherten zur Sanierung von Konkursen herangezogen werden. Eine Milliarde hört sich hoch an, man muss aber wissen, dass allein bei der Pleite der „Mannheimer Leben“, die gerade mal einen Marktanteil von 0,6% hatte, bisher 300 Millionen Euro angefallen sind und mit insgesamt 500 Millionen gerechnet werden muss.
Im Endergebnis ist es also gelungen, dass nicht allein das Eigenkapital der Versicherer, sondern die Kundengelder so zu sagen als Risikobürgschaft im Falle eines künftigen Konkurses eines Versicherungsunternehmens herangezogen werden dürfen.
In der Sendung wird Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsrecht an der Berliner Humboldt Universität zitiert: Er hält die Finanzierung des Sicherungsfonds aus Kundengeldern schlichtweg für verfassungswidrig, weil Geld aus dem Deckungsstock der Versicherten genommen würde, das keine Überschüsse produzieren könne und weil die Versicherten noch nicht einmal Kenntnis davon hätten, dass sie den Sicherungsfonds mitbezahlten.
Dr. Marco Metzler von den Fitch-Ratings, London meint in der Sendung, dass weitere Fälle für den Sicherungsfonds nicht auszuschließen seien.
Quelle: daserste.de »