Nur noch Hetze und Feindbildaufbau. Westliche Medienmacher merken schon nicht mehr, wie sehr ihre tägliche Manipulation ihrem freiheitlichen Anspruch widerspricht. Und wie wirklichkeitsfremd ihr Anspruch ist.
Zwei Beispiele und Belege dafür: erstens ein Auszug aus dem heutigen Handelsblatt-Morning-Briefing des Chefredakteurs des Blattes und zweitens der Titel des „Spiegel“ dieser Woche mit einem Einführungstext des stellvertretenden Chefredakteurs des Spiegel. Albrecht Müller.
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Erstens: Sven Afhüppe, Chefredakteur des Handelsblatts, schreibt im heutigen Handelsblatt-Morning-Briefing
‚Die Fußball-Weltmeisterschaft hätte für Russlands Präsidenten Putin nicht besser beginnen können. Die eigene Nationalmannschaft fegte Saudi-Arabien mit 5:0 vom Platz. Rund eine Milliarde Menschen verfolgten weltweit die Eröffnungszeremonie, die Putin für seine ganz eigene PR-Show nutzte. „Wir sind ein offenes, gastfreundliches Land, in dem unsere Gäste viele Freunde finden werden“, schwärmte der russische Präsident. Widerspruch gab es keinen. Fußball ist für viele nicht nur die schönste Sportart der Welt. Die Liebe zum Fußball macht offenbar auch blind.‘
Die auf Hetze ausgerichtete Grundeinstellung führt dazu, dass dieser Funktionär der sogenannten „westlichen Wertegemeinschaft“ schon nicht mehr sehen kann, was bisher unwidersprochen viele Besucher Russlands bezeugen: die Gastfreundschaft und Offenheit der dort lebenden Menschen.
Der Hinweis des russischen Präsidenten auf diese Alltagserfahrung vieler Besucher Russlands wird zur „PR-Show“ umgedeutet.
Wir müssen damit rechnen, dass sich die positive Grundeinstellung des russischen Volkes wie auch die Einstellung anderer Völker – wie etwa der Griechen – uns gegenüber ändert, wenn unsererseits unentwegt nicht begründet Stimmung gegen diese Völker gemacht wird. Da uns das alle betrifft, können uns eine Passage wie die heutige im Handelsblatt-Morning-Briefing und ähnliche Einlassungen in anderen Medien nicht egal sein.
Zweitens: Dirk Kurbjuweit, stellvertretender Chefredakteur des Spiegel stellte am 9.6. den Titel der laufenden Woche so vor:
„Die Lage am Samstag
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir sind die Minderheit. Wir sind nur 4,5 Prozent, obwohl wir 350 Millionen sind. So viele Menschen leben in einer “vollständigen Demokratie”. 3,3 Milliarden leben hingegen unter einem autokratischen Regime. Das ist unser Titelthema im neuen SPIEGEL, der heute erscheint: das Zeitalter der Autokraten. Der Chinese Xi Jinping, der Russe Wladimir Putin, der Türke Recep Tayyip Erdogan – sie dominieren große, einflussreiche Staaten.Mehr dazu im SPIEGEL
Heft 24/2018
Ich bin das Volk
Das Zeitalter der AutokratenAuch US-Präsident Donald Trump würde sich da wohl gern einreihen. Er zeigt autokratische Tendenzen, wird aber noch von der Verfassung und den liberal-demokratischen Kräften seines Landes eingehegt. Ungarn und Polen sind längst keine liberalen Demokratien mehr.
Die Autokraten wirken aber nicht nur in ihren Ländern, sie beeinflussen die Welt, Xi über Chinas Wirtschaftskraft, Putin über seine persönliche Ausstrahlung. Die liberalen Demokratien, die schon als Sieger der Geschichte galten, sind in der Defensive. Unsere Titelgeschichte kommt rechtzeitig zu den großen Weltfestspielen der Autokraten im Juni: die Fußball-WM in Russland, die Präsidentschaftswahlen in der Türkei, das Treffen von Trump und Kim Jong Un in Singapur.“
Hier wird ein grundlegender Unterschied gemacht zwischen sogenannten „Autokraten“ und „liberalen Demokratien“. Kurbjuweit nennt die Welt, in der er und wir leben, sogar „vollständige Demokratien“. Ich habe keine Sympathie für Erdogan und seine Regierungsweise und auch nicht für den Parteivorsitzenden in China und die konservativen reaktionären Regierungschefs von Ungarn und Polen, und auch keine Sympathie für Trump, und auch die Regierungsform in Russland ist keine Musterdemokratie. Aber die Beschreibung des Zustands bei den angeblich liberalen Demokratien im Westen ist einfach grotesk und zeugt von Unkenntnis des stellvertretenden Chefredakteurs wie auch der Autoren der Titelgeschichte des Spiegel; sie leiden offensichtlich unter einer Störung der Wahrnehmung des Zustandes unserer westlichen Länder. Dazu nur ein paar wenige Hinweise:
- Die Konzentration der Medien in privaten Händen und die Perversion der öffentlich-rechtlichen Sender ist inzwischen so weit gediehen, dass man von einer demokratischen Willensbildung nicht mehr sprechen kann. Wer über viel Geld und publizistische Macht verfügt, kann die öffentliche und veröffentlichte Meinung und letztlich auch die politischen Entscheidungen in seinem Sinne bestimmen. Das ist das Ergebnis einer wahrlich nicht neuen Entwicklung. Dass die Spiegel-Mannschaft dies noch nicht gemerkt hat, ist ein Beleg für den traurigen Zustand dieses Mediums, und es gilt für andere Medien, siehe das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung und viele, viele mehr auch.
- Die Behauptung, der jetzige US-Präsident werde von „liberal-demokratischen Kräften“ seines Landes eingehegt, zeigt, in welcher ideologischen Traumwelt diese Medienmacher leben.
Noch nichts gehört davon, dass man als US-Präsident hunderte von Millionen braucht, um sich als Kandidat bei der Nominierung durchzusetzen und dann bei der Wahl sowieso? Ist das demokratisch?
Noch nichts davon gehört, dass es in der westlichen Welt Kräfte im Hintergrund, also in Geheimdiensten, in der Finanzwelt und anderen Organisationen gibt, die bei Menschen mit offenen Augen die Traumwelt von der westlichen Demokratie schon lange zerstört haben. Noch nichts gehört von Deep State. Dem stellvertretenden Chefredakteur und den Autoren der Spiegel-Titelgeschichte sei die Lektüre der Besprechung des Buches von Prouty in den NachDenkSeiten empfohlen: Berichte aus dem Zentrum der Macht: Die Entstehung des American Deep State.
Die meisten Länder Europas kann man nicht mehr als Demokratien, schon gar nicht als „vollständige Demokratie“, bezeichnen, und auch nicht als liberale Demokratien. In den letzten 10-40 Jahren sind in Europa und anderen Teilen der Welt die Chancen der lohnabhängig arbeitenden Menschen und die Chancen der Arbeitslosen und der Rentner, die Regierung zu stellen, systematisch beschnitten worden – in der Regel dadurch, dass die wirklich finanziell Mächtigen die Herrschaft über die Meinungsmache errungen haben und verteidigen. Wahrscheinlich wissen das die Redakteure des Spiegel und anderer ähnlich gestrickter Medien auch.
Sie nutzen jetzt das Etikett Autokrat und Autokratie, um ein Gegenstück zur liberalen Demokratie zu beschreiben und zu kritisieren. Das dient in ihrem Falle vor allem aber dazu, die eigene Lage und den Charakter der Herrschaftssysteme, in denen sie selbst leben, zu beschönigen. Mit dem Gegenbild der Autokratie soll ihr eigenes System aufgehübscht werden. Billiger geht’s nicht.