Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Leipziger Parteitag der Linken
  2. Linker Gestaltungsauftrag war doch nie grenzenlos
  3. Der kosmopolitische Irrweg
  4. Bundestagsgutachten zu Skripal: Moskau hat sich völkerrechtlich korrekt verhalten
  5. So verbiegt die AfD die Polizeiliche Kriminalstatistik
  6. „Ein Putsch aus Berlin“
  7. Sicherheitsexperte beurteilt Brandschutz bei Stuttgart 21: “Es ist ein Staatsverbrechen”
  8. Seehofer spaltet die Union – und stürzt die Regierung in die Krise
  9. Gönnt Putin diesen Triumph nicht!

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Leipziger Parteitag der Linken
    1. “Du zerlegst diese Partei gerade”
      Eigentlich wollten die Linken auf ihrem Parteitag Ruhe stiften. Doch die Rede von Fraktionschefin Wagenknecht schürte die Wut. Das zeigt, wie gespalten die Partei ist – auch in der Flüchtlingsfrage. […]
      Was zuvor passiert ist, hat es selbst bei den Linken lange nicht mehr gegeben. In diesen Stunden tritt der Riss, der durch die Partei geht, offen zutage. Es ist ein Riss zwischen jenen, die bedingungslose Solidarität gegenüber allen Migranten einfordern, und jenen, die Zuwanderung begrenzen wollen. Und es ist ein Riss zwischen Personen und deren Lagern, ein Riss zwischen Kipping und Wagenknecht.
      Dabei hatte es in den vergangenen beiden Tagen so ausgesehen, als würde die Linke wieder einmal vor ihren Problemen davonlaufen. Der Leitantrag zur Flüchtlingspolitik war bei den strittigen Fragen so vage formuliert, dass ihn jede Seite mittragen und für sich als Erfolg verbuchen konnte. Heiklere Anträge hatte man zuvor schlicht an den Vorstand überwiesen. Bei der Wahl der Vorsitzenden verpassten die Genossen Kipping einen Dämpfer – doch eine Gegenkandidatur gab es nicht.
      Da aber hatte Sahra Wagenknecht noch nicht gesprochen.
      Am Sonntag betritt die Fraktionschefin die Bühne, gelbes Kostüm, konzentrierter Blick – kein Platz bleibt in diesem Moment im Leipziger CongressCentrum leer.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Dieser ist Artikel ist repräsenativ für das Medienrauschen am gestrigen Nachmittag und gleichzeitig auch ein besonders dreister Fall von Manipulation durch Weglassen. Wer den Parteitag nicht verfolgt hat und auch sonst nicht so fürchterlich tief im Thema steckt, kommt nach dieser Erzählung sicher zum Eindruck, Sahra Wagenknecht habe durch ihre Rede eine eigentlich schon friedlich beigelegte Debatte wieder neu entfacht und damit Unruhe in die Partei gebracht zu haben. Das ist eine unglaubliche Täter-Opfer-Umkehr. Eine Reaktion wird als Aktion geschildert. Dies geht freilich nur, wenn man die „Vorgeschichte“ weglässt. Genau dies tut der SPIEGEL. Kein Wort von der unglaublich infamen Rede von Gregor Gysi, der über die Scheindebatte von Internationalismus vs. Nationalismus unter der Gürtellinie gegen große Kreise der Partei gegiftet hat, die sich gegen „offene Grenzen für alle“ positioniert haben. Kein Wort von den unzähligen kleine Sticheleien am Rande. Kein Wort davon, dass Katja Kipping in ihrer Rede die Reihe von intriganten Spitzen gegen die Fraktionsvorsitzende fortsetzte, in dem sie sich an Oskar Lafontaine abarbeitete, damit aber natütrlich auf Sahra Wagenknecht zielte. Kein Wort davon, dass das Kipping-Lager schon auf dem Parteitag den allgemein formulierten Kompromiss in der Einwanderungsfrage bereits wieder in absurder Weise in ein „Offene Grenzen für alle“ uminterpretiert hat. Aber SPIEGEL Online ist da beileibe nicht alleine.

    2. Die Niederlage der Katja Kipping
      Der Streit zwischen den beiden Frontfrauen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht lähmt die Linkspartei. Im Mittelpunkt steht die Debatte um die Flüchtlingspolitik. Dahinter verbirgt sich der Kampf um die Macht und Ausrichtung der Partei. Dabei steht die Partei vor einer viel größeren Herausforderung: Wie begegnet sie der Gefahr von der AfD?
      Auf dem Parteitag in Leipzig hat Katja Kipping eine Niederlage erlitten. Sie erhielt fast zehn Prozent weniger Stimmen als 2016. Für weitere zwei Jahre wird sie zwar Parteivorsitzende bleiben gemeinsam mit Bernd Riexinger. Aber sie ist angeschlagen. Kipping wurde abgestraft, dass sie selbst auf dem Parteitag nicht auf persönliche Angriffe gegen Oskar Lafontaine verzichtete, mit denen sie aber dessen Ehefrau Sahra Wagenknecht treffen wollte. Trotzdem ist zu befürchten, dass der Stellungskrieg zwischen den beiden Frontfrauen der Partei, Wagenknecht und Kipping, zwei Jahre weitergeführt wird, bis Kipping laut Satzung nicht mehr antreten kann. Der Partei wird das schaden. […]
      Dabei lügt sie sich aber selbst in die Tasche. Alle drei Landesregierungen, in denen die Linke vertreten ist oder sie sogar führt, werden Abschiebungen vorgenommen. Die Statistik weist für 2017 für Berlin 1.645, Thüringen 657 und Brandenburg 490 Abschiebungen aus.
      Zum anderen wird mit Kippings Linie der besondere Wert des Asylrechts in der deutschen Verfassung entwertet. Es sollte auf der Basis der historischen Erfahrung denen zu Gute kommen, die vor politischer Verfolgung auf der Flucht sind.
      Quelle: Tim Herden auf mdr.de

      Anmerkung Jens Berger: Es ist erstaunlich, dass das sehr schlechte Ergebnis von Katja Kipping in den meisten Berichten als kleinerer Denkzettel verniedlicht wird. Intern hatte das Kipping-Lager – wohlwissend um die Polarisierung – ein Ziel von 75% herausgeben, das man jedoch um mehr als 10% verfehlt hat. Das ist weniger als Andrea Nahles und die hatte wenigstens noch eine Gegnerin.

  2. Linker Gestaltungsauftrag war doch nie grenzenlos
    Sind nun Grenzen links oder rechts? Kann man gar nicht anders, als den Grenzlern der AfD Grenzenlosigkeit entgegenzusetzen? Dabei ist doch das Gegenteil der Fall, Grenzen kennen und aufzeigen: Das war stets Prämisse linken Handels.
    (…) Dabei ist aber gerade dieses Wort »Schutzbedürfnis« gar keines, das im Giftschrank der Linken landen sollte. Denn dieses Wort ist die Grundlage jeder linken Politik – stets gewesen. Sie hat sich doch immer als Sachwalterin eines Schutzbedürfnisses betrachtet – und just jetzt gibt sie diesen Eigenanspruch auf?
    Was ist nun so verdammenswert am Anspruch der hier lebenden Menschen auf Schutz? Sie sind ja deswegen keine Rassisten, Nationalisten oder Isolationisten. Schon deshalb nicht, weil ein Staatsvolk heute keine einheitliche Nationalität besitzt und die Grenze damit nur sehr bedingt eine Nationalgrenze dem Wortsinn nach darstellt. Sie ist mehr sowas wie die Grenze einer Verwaltungseinheit, durchaus offen für kalkulierte Neuzugänge. Aber auch Barriere für Bandenkriminalität.
    Die Einsicht, dass ein wehrhaftes Gemeinwesen nicht auf Dauer als grenzenloses Konstrukt funktioniert, hat auch etwas mit Lebenserfahrung zu tun. Denn im Laufe eines Lebens erlebt man sukzessive eines: Freiheit ist nur sehr selten die Abwesenheit von Grenzen– Freiheit ist meistens allerdings dann garantiert, wenn sie innerhalb bestimmter Grenzen liegt. Wenn man jedoch keine Grenzen setzt, kollidieren die Interessen und die einzige Freiheit, die dann noch bleibt, ist diejenige, sich eine gute Deckung zu suchen.
    Insofern ist es schon berechtigt, wenn gerade auch linke Politiker feststellen, dass Grenzen eine staatliche Obliegenheit darstellen. Denn natürlich hat ein Gemeinwesen einen gewissen Anspruch darauf zu erfahren, weshalb sich jemand im Land aufhält. Jedenfalls bis zu einer gewissen Grenze, die man Privatsphäre nennt– auch so eine Grenze, die man sich schwer hat erkämpfen müssen im Laufe der Zeit.
    Manche Linke sollten doch bitte nicht so tun, als seien sie die Erfinder der Grenzenlosigkeit. Mit der haben wir jetzt seit Jahrzehnten zu tun. Wohin das führt, erleben wir täglich: Zur Schwächung des Staates, zur Auflösung des politischen Primats. Es kommt darauf an, wie man seine Grenzen gestaltet, nach welchen Kriterien man sie durchlässig macht. Da setzt der Kampf der Linken gegen die Grenzzäune der Rechten ein. Nicht damit, dass man so tut, als könne es im linken Weltbild gar keine Grenzen geben.
    Quelle: KenFM
  3. Der kosmopolitische Irrweg
    Mit Ausnahme der Grünen stehen Parteien links der Mitte vor einem Dilemma. Einerseits sind weite Teile ihrer traditionellen Wählerschaft kommunitaristisch eingestellt. Andererseits rekrutieren sich ihre Funktionäre mehrheitlich aus dem kosmopolitischen Milieu. […]
    Der Konflikt zwischen Kommunitaristen und Kosmopoliten durchzieht nicht nur die politische Linke, sondern die gesamte Gesellschaft. Wolfgang Merkel beschreibt ihn als neue gesellschaftliche Konfliktlinie (Cleavage). Mit diesem Begriff bezeichnen Politikwissenschaftler Widersprüche, die die Parteienlandschaft strukturieren. [4] Archetypisch stehen auf der einen Seite der neuen Konfliktlinie die Kosmopoliten, die gebildeten, urbanen „frequent travellers“,[5] die der Globalisierung aufgeschlossen gegenüberstehen und überdurchschnittlich verdienen. Auf der anderen Seite stehen die Kommunitaristen, die weniger gebildet sind, weniger verdienen und nicht so mobil sind. Sie haben „ein besonderes ökonomisches wie kulturelles Interesse an der Erhaltung nationalstaatlich eng kontrollierter Grenzen“. [6]
    Mit Ausnahme der Grünen stehen Parteien links der Mitte vor einem Dilemma. Einerseits sind weite Teile ihrer traditionellen Wählerschaft kommunitaristisch eingestellt. Andererseits rekrutieren sich ihre Funktionäre mehrheitlich aus dem kosmopolitischen Milieu. Diese orientieren sich spontan an ihrer kosmopolitischen Lebenserfahrung. [7] Doch damit entfernen sie ihre Parteien von ihrer traditionellen Wählerschaft. Linke Parteien müssen mit diesem Spannungsverhältnis umgehen. Das scheinen nicht alle in der Linken so zu sehen. Denn vorerst konnte DIE LINKE den Verlust im traditionellen Wählersegment durch kosmopolitische Wähler ausgleichen. Doch kann diese Strategie längerfristig gut gehen?
    Quelle: Lev Lhommeau auf Makroskop
  4. Bundestagsgutachten zu Skripal: Moskau hat sich völkerrechtlich korrekt verhalten
    Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung hinsichtlich der Skripal-Affäre könnte weiteren Schaden nehmen: Denn laut einem Bundestagsgutachten hat Moskau bei der Aufklärung des Falls im Gegensatz zu London im Einklang mit dem Chemiewaffen-Übereinkommen gehandelt.
    Russland hat sich in der Skripal-Affäre völkerrechtskonform verhalten. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das sich der „völkerrechtlichen Bewertung des Falls ‘Skripal’“ widmete.
    Demnach hat Moskau bei der Aufklärung im Fall des vergifteten ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia Anfang März im englischen Salisbury im Einklang mit dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) gehandelt. London wird hingegen attestiert, „bisher kein offizielles Verfahren auf der Grundlage des CWÜ eingeleitet“ zu haben – worauf RT Deutsch übrigens bereits Mitte März hingewiesen hatte.
    Laut dem Wissenschaftlichen Dienst sei ein „offenkundiger Verstoß Russlands gegen Kooperationsverpflichtungen aus dem CWÜ nicht zu erkennen“. So habe Moskau anlässlich einer Dringlichkeitssitzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) vorgeschlagen, gemeinsam mit Großbritannien zu ermitteln, „und damit – zumindest formal – seine Kooperationsbereitschaft bekundet“. Doch die britische OPCW-Delegation hatte diesen Vorschlag – nachdem London zuvor noch die vermeintlich mangelnde Kooperationsbereitschaft Moskaus öffentlich gegeißelt hatte – als „pervers“ abgelehnt, wie das Gutachten festhält.
    Quelle: RT Deutsch

    dazu: Berlin macht weiter Moskau verantwortlich
    Trotz aller widersprechenden Informationen machen die britische und andere westliche Regierungen Russland weiter für die Vergiftung von Sergej Skripal und dessen Tochter verantwortlich, so zuletzt auf dem G7-Gipfel. Auch die Sprecher der Bundesregierung und des Berliner Außenministeriums reagieren entsprechend auf Nachfragen.
    Die Bundesregierung hält an ihren unbewiesenen Vorwürfen gegenüber Russland im Fall des mutmaßlich am 4. März vergifteten Sergej Skripal und dessen Tochter fest. Das erklärten Regierungssprecher Steffen Seibert und Maria Adebahr, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, am Montag in Berlin auf der Regierungspressekonferenz gegenüber Sputnik.
    (…) Unveränderte Position trotz wachsender Zweifel
    Die Zweifel an der Version Großbritanniens und anderer westlicher Staaten wachsen, wie Harald Neuber am Samstag im Online-Magazin „Telepolis“ feststellte. Nicht so anscheinend bei Außenamtssprecherin Adebahr: „Unsere Position in diesem Fall ist unverändert“, erklärte sie in der Regierungspressekonferenz am Montag. Sputnik hatte nachgefragt und wollte auch wissen, ob sich ihr Ministerium für die Vorwürfe auf seiner Homepage gegen „staatlich kontrollierte russische Auslandsmedien“ entschuldigen würde. Diese würden „falsche Gerüchte“ und „gezielte Falschmeldungen“ verbreiten, so das Berliner Außenamt. Am 26. März hatte Außenminister Heiko Maas gar erklärt, „die Fakten und Indizien weisen nach Russland“.
    Quelle: Sputnik

  5. So verbiegt die AfD die Polizeiliche Kriminalstatistik
    Flüchtlinge sind krimineller als Deutsche. Dieser Satz ist für den AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess über jeden Zweifel erhaben. „Wer dies immer noch leugnet, der hat entweder keine Ahnung oder lügt bewusst die deutsche Bevölkerung an. Schluss mit Schönrederei und Augenwäscherei (sic)!“, schrieb Hess mit großem Selbstbewusstsein am Montag auf seiner Twitterseite. Dazu stellte Hess ein Diagramm, in dem zwei farbige Balken miteinander verglichen wurden. Ein gelber Balken für die Deutschen und ein roter Balken für die Flüchtlinge. Gerechnet wurde in „Tatverdächtige pro 100.000 Personen“. […]
    Tatsächlich strahlt die Statistik von Hess eine gewisse Autorität aus. Sie wirkt professionell und das hineinmontierte Foto von Hess zeigt ihn seriös mit Anzug und Krawatte. Hess ist noch dazu ein Mann vom Fach. Er ist Mitglied des Innenausschusses und war früher Polizist von Beruf. Noch dazu steht im Kleingedruckten unter seiner Grafik: „Datengrundlage PKS Bund 2017“, gemeint ist die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes. Eine seriöse Quelle also. Das Problem ist nur: Die Statistik von Hess ist falsch. Sie stimmt nicht. Gar nicht.
    Eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes teilt auf Anfrage mit, es könne „nicht nachvollzogen werden“, wie Hess die Zahlen berechnet habe. „Diese Zahlen gehen nicht aus der bundesweiten PKS hervor“. Überhaupt sei ein Vergleich von Tatverdächtigen unter „Deutschen“ und „Flüchtlingen“ pro 100.000 Personen nicht möglich. In der Kriminalstatistik gibt es keine „Flüchtlinge“, sondern „Zuwanderer“ mit dem Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Schutzberechtigte und Asylberechtigte“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling“ oder „unerlaubter Aufenthalt“. Für eine Vergleichsrechnung wäre das kein Problem. Man könnte die Tatverdächtigen unter diesen Personen zusammenzählen. Für eine Berechnung der Tatverdächtigen pro 100.000 Personen und einen Vergleich mit den Deutschen müsste man diese Summe aber mit einer Gesamtzahl ins Verhältnis setzen. Und diese existiert nicht.
    Quelle: FAZ
  6. „Ein Putsch aus Berlin“
    Führt die Bundesregierung ihre Politik fort, wird die Währungsunion zerbrechen, sagt der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi
    der Freitag: Herr De Masi, Sie sagen, Deutschland sei eine größere Gefahr für den Euro als Italien.
    Fabio De Masi: Das ist die Meinung vieler internationaler Ökonomen: Deutschland verfolgte mit der Einführung des Euro und der Agenda 2010 eine Politik der realen Abwertung: Wir haben hinreichende Lohnzuwächse unterdrückt, sodass wir immer billiger werden. Deutschland verkauft seit vielen Jahren mehr ins Ausland, als es von dort importiert. Das aber heißt, dass unsere Handelspartner anschreiben, also Schulden machen müssen. Die Kürzung von Löhnen, Renten und Investitionen in der Euro-Krise, die Privatisierung von allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, war fatal. Die Euro-Zone hat sich daher im internationalen Vergleich langsamer erholt als andere Wirtschaftsräume.
    In Deutschland denkt man gemeinhin, die hohe Exportquote läge an der Qualität deutscher Autos. Und die Lohnzurückhaltung sei nötig, um Arbeitslosigkeit abzubauen. Sollen es die anderen doch einfach so machen wie wir!
    Das ist Mickey-Mouse-Ökonomie. Sind unsere Ingenieure seit Einführung des Euro wirklich dreimal besser geworden als vorher? Wenn jemand exportiert, muss jemand anders importieren. Wir können ja nicht alle auf den Mars exportieren. Der Exportjunkie Deutschland könnte durch die Strafzölle von Donald Trump bald auf kalten Entzug gesetzt werden. Wir haben nun viele Jahre Arbeitslosigkeit exportiert. Hätten wir unsere Binnenwirtschaft gestärkt, hätten wir auch mehr Jobs, aber mit vernünftigen Löhnen.
    (…) Geht Merkels Antwort auf Macrons Reformvorschläge für die Euro-Zone in die richtige Richtung?
    Weder die Vorschläge von Macron noch jene von Merkel werden den Euro retten. Das zentrale Problem der Euro-Zone besteht ja darin, dass wir zwar eine gemeinsame Währung haben, aber die größte Volkswirtschaft Europas, Deutschland, lange Zeit künstlich abgewertet hat, indem die Löhne gedrückt wurden, und permanent Exportüberschüsse erzielt. Macron traut sich nicht, die Bundesregierung zu stellen. Stattdessen sagt er: Wir machen jetzt auch eine Agenda 2010 in Frankreich, und als Belohnung wollen wir ein bisschen Taschengeld aus Brüssel. Das kann nicht funktionieren.
    Quelle: Der Freitag
  7. Sicherheitsexperte beurteilt Brandschutz bei Stuttgart 21: “Es ist ein Staatsverbrechen”
    Stuttgart 21 ist Europas größte Baustelle. Politik und Bahn sind “finster entschlossen”, das Großprojekt in Stuttgart durchzuziehen – obwohl inzwischen feststeht: Es ist nicht nur Unfug, es ist lebensgefährlich.
    Sind Sie Vater oder Mutter und haben kleine Kinder? Sind Sie körperlich beeinträchtigt und auf den Rollstuhl angewiesen? Sind Sie gebrechlich, nicht mehr schnell zu Fuß? Oder jung und gut trainiert, aber Sie haben sich beim Sport den Fuß verstaucht?
    Dann lesen Sie diesen Text. Es geht um Sie. Konkret geht es um Stuttgart 21, dieses Mega-Tiefbahnhofsprojekt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt, das unendlich teuer wird. Schlimmer noch: Es wird gefährlich.
    Katastrophe mit Ansage
    Das ist der eindeutige Befund nach Gesprächen über das neue, Ende März vorgelegte Brandschutzkonzept zu S21 mit gut einem Dutzend Fachleuten, mit Ingenieuren, Feuerwehrmännern, mit Spezialisten für Rauchentwicklung in Tunneln und Fluchtwegen.
    Manche wollen ihre Namen in dieser Geschichte nicht sehen, weil die Bahn ein mächtiger Auftraggeber ist, aber ihr Urteil ist eindeutig: “Es ist Wahnsinn, was die da machen!” Einer sagte: “Es ist ein Staatsverbrechen, was hier geschieht.”
    Quelle: Arno Luik auf stern.de

    Anmerkung Albrecht Müller: Lesenswert. Stern-Redakteur Luik zeigt, wie verantwortungslos die Bundeskanzlerin und die Bahnspitze handeln.

    dazu auch: S21 auch ohne Tiefbahnhof
    GegnerInnen des Megabahnprojektes Stuttgart 21 nehmen neuen Anlauf, um den Bau des umstrittenen Tiefbahnhofs doch noch zu verhindern. Bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses haben die AktivistInnen am Montag ein Umstiegskonzept vorgelegt, das fertig gestellte Bauabschnitte einbezieht, aber auf den Tiefbahnhof in der Stuttgarter Innenstadt verzichtet. Angesichts der enormen Kostenexplosion fordern die AktivistInnen strafrechtliche Ermittlungen gegen Aufsichtsräte der Bahn wegen Untreue. Unfreiwillige Schützenhilfe leistet dabei der umstrittene ehemalige sozialdemokratische Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin.
    (…) Dieser erklärte, die Entscheidung für Stuttgart 21 im Jahr 2001 sei auf der Basis der Preise von 1998 erfolgt. Dabei seien die Standardbaukosten berücksichtigt worden, aber keine Risikofaktoren, wie sie durch Besonderheiten in Böden entstehen könnten. „Deshalb war von Anfang an klar, dass die Kosten wesentlich höher ausfallen würden“, so Sarrazin.
    In seiner Stellungnahme schreibt der Ex-Bahnvorstand zudem, es sei „völlig klar“ gewesen“, dass „die wie immer berechnete Wirtschaftlichkeit des Projekts Stuttgart 21 in sich zusammenbrechen würde, wenn sich nur ein kleiner Teil der Risiken, etwa im Tunnelbau, materialisierte“. Trotzdem ist er aber dagegen, das Projekt Stuttgart 21 einzustellen – wegen des vielen Geldes, das bereits investiert wurde.
    Quelle: taz

  8. Seehofer spaltet die Union – und stürzt die Regierung in die Krise
    Seehofer und Merkel finden in der Flüchtlingsfrage nicht zusammen – und bieten sich einen unglaublichen Kampf um die Macht im konservativen Lager. […]
    Am Donnerstag dann die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung: „Merkel ganz allein – Nur drei Unions-Abgeordnete stellen sich hinter die Kanzlerin.“ Zwar entpuppte sich die Grundlage der Kampagne als dünn, denn die Zeitung hatte von den meisten Abgeordneten gar keine Antwort auf ihre Umfrage bekommen. Doch Merkel versicherte sich lieber der Zustimmung und rief das Präsidium zur Telefonkonferenz zusammen. Sie berichtete, dass sie einen Kompromiss vorgeschlagen habe. Sie jedenfalls, so die Botschaft, sei nicht verantwortlich, wenn es ein Scheitern gäbe. Sie habe angeboten, diejenigen Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, deren Bescheid in einem früheren Verfahren in Deutschland bereits negativ beschieden worden sei. […]
    Das Kalkül der CSU lautet: Merkel hat auch bei den CDU-Abgeordneten keine Mehrheit mehr. Doch das ging am Donnerstag nicht auf. Denn die Kanzlerin erhielt gewichtige Unterstützung in der Fraktion. Gleich als erster Redner ergriff Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) das Wort. Er verteidigte Merkels Kurs. Er mahnte, dass man Europa zusammen halten müsse, nationale Alleingänge nicht die Lösung seien. Dann appellierte Merkel: „Geben Sie mir noch zwei Wochen Zeit.“
    Es folgten weitere Wortmeldungen. Auf der Fraktionsebene ertönte um 13.20 Uhr die Durchsage: Die Bundestagssitzung bleibt noch weitere 90 Minuten unterbrochen. Doch für Merkel war das nun keine schlechte Nachricht mehr. Immer mehr Abgeordnete unterstützten sie.
    Schäuble, so die anschließende Einschätzung vieler CDUler, hat Merkel gerettet – so wie schon beim umstrittenen Griechenland-Hilfsprogramm. Auf jeden Fall wurde deutlich, dass die Mehrheit der Abgeordneten nun dem Kurs der Kanzlerin folgt. Gesundheitsminister Spahn beantragte noch eine gemeinsame Sitzung mit der CSU, erhielt aber keine Mehrheit.
    Während die CDU-Reihen sich um Merkel schlossen, verschärfte die CSU den Ton. „Wir sind im Endspiel um die Glaubwürdigkeit“, sagte Dobrindt in der Sondersitzung der CSU. „Die Menschen haben die Geduld verloren.“ Doch der Streit sei erst einmal vertagt. Am Montag wollen sich die Parteigremien von CDU und CSU beraten.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung André Tautenhahn: Das Drehbuch für die Entwicklung in Berlin schreibt übrigens die Bild-Zeitung seit Dienstag. Die Kampagne über die Titelseite gipfelte am Donnerstag in der Schlagzeile „Merkel ganz allein!“. Heute geht es mit einem „Ultimatum für Merkel!“ weiter.

    dazu: Weshalb man Asylsuchende nicht an der Grenze abweisen kann, Teil 2
    Das Gemeinsame Europäische Asylsystem hat Mängel, ohne Frage. Aber es enthält mit der Dublin-Verordnung eine Grundentscheidung, die wesentlich ist: Jeder Asylsuchende in der EU soll irgendwo Zugang zu einem Verfahren bekommen. Die Grundentscheidung der Dublin-Verordnung lautet also: Die Mitgliedstaaten können streiten, welcher zuständig ist für eine Person. Aber sie müssen dies in geordneten Verfahren tun. Damit diese Verfahren sicherstellen, dass am Ende immer ein Staat zuständig ist und Menschen nicht ohne Zugang zum Recht hin- und hergeschoben werden. Diese Grundentscheidung steht auf dem Spiel, wenn wir darüber diskutieren, ob Personen nicht einfach direkt an der Grenze zurückgewiesen werden können.
    Wer die Dublin-Verordnung nur mit Blick auf den Streit zwischen Staaten betrachtet, mag die Zurückweisung an der Grenze für harmlos halten – dann wird eben einem anderen Staat die Verantwortung zugeschoben. Aber der Zweck der Dublin-Verordnung und des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist letztlich der Schutz von Personen. Dieser Schutz ist fundamental gefährdet, wenn Personen zurückgewiesen werden, ohne dass ein anderer Staat zugesagt hat, sie auch aufzunehmen. Deshalb ist das formale Verfahren, in dem die Zuständigkeit geprüft und unter Umständen ein anderer Mitgliedsstaat um Aufnahme ersucht wird, unerlässlich. Mit der Forderung, diese Grundentscheidung aufzugeben, wird über dem Zuständigkeitskonflikt der Zweck des Systems missachtet.
    Quelle: Verfassungsblog

    Anmerkung Christian Reimann: Hier können Sie Teil 1 des Beitrages nachlesen.

  9. Gönnt Putin diesen Triumph nicht!
    Ein Fußballturnier eignet sich nicht, um viele offene Fragen zwischen Russland und dem Westen zu klären – die Hacker-Angriffe auf die Bundesregierung, den Abschuss von MH17, die Vergiftung des Ex-Agenten Skripal. Oder der Fall Hajo Seppelt, der in Russland offenkundig ein unerwünschter Gast ist.
    Ein Besuch westlicher Regierungschefs bei der WM dagegen könnte als ein “Weiter so” verstanden werden. Das wäre ein fatales Signal – auch an andere Autokraten wie Erdogan und Xi. Vor allem aber wäre es ein Triumph für Putin. Und den hat er nicht verdient.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung unseres Lesers A.B.: Der Kommentar von Christoph Rieke ist Qualitätsjournalismus vom Feinsten. Die Russen im Allgemeinen und Wladimir Putin im Speziellen haben für alles Übel dieser Welt verantwortlich zu sein. Provokant und aggressiv. Ob Krieg in der Ostukraine oder Syrien, Hackerangriffe auf die Bundesregierung, der Abschuss von MH17 oder der Giftgasanschlag in Salisbury – der böse Russe war es. Im Hinblick auf den Fall Hajo Seppelt fehlt eigentlich nur noch die Erkenntnis, dass die russische Nationalmannschaft das WM-Eröffnungsspiel nur so grandios gewinnen konnte, weil die Spieler bis zum Anschlag gedopt gewesen sein müssten.

    Ergänzende Anmerkung André Tautenhahn: Speziell für Hajo Seppelt war es gestern kein guter Tag. Die Ereignisse im Bundestag ließen sein erneutes Ringen um Aufmerksamkeit in den Hintergrund treten. So gab er beispielsweise der Süddeutschen ein Interview, in dem er Russland vorwarf, sich als Opfer westlicher Propaganda zu inszenieren. Das ist schon seltsam, da er sich doch zunächst öffentlich darüber beklagte, kein Visum erhalten zu haben und sogar die Politik deshalb zum Handeln aufrief. Als dann der Bundesaußenminister in der Sache aktiv wurde und schließlich doch ein Visum zustande kam, ruderte Seppelt bereits zurück. Er wisse noch gar nicht, ob er nach Russland fahre. Am Mittwochabend (22:30 Uhr) folgte dann schließlich die ARD-Eilmeldung, in der nun von „Gefährdungsanalysen der Bundessicherheitsbehörden“, die Rede ist, die auch das Außenministerium teile. Da fragt man sich, geht es noch eine Nummer größer? Und wer inszeniert sich hier eigentlich als Opfer?

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