Die Deutschen – und die Mehrheit der Europäer – sollten sich daran gewöhnen, dass die USA nicht unser Freund sind. Sie sind das Imperium und behandeln uns wie eine Kolonie.
Die USA haben auf Betreiben des Präsidenten Trump gerade Strafzölle auf europäische Waren erhoben – ohne den ernsthaften Versuch zu machen, sich mit Europa zu verständigen. Das ist nur ein kleines Zeichen der Rücksichtslosigkeit, mit der die USA mit dem Rest der Welt und auch mit uns hier in Europa umgehen. Sie führen Krieg, wo und gegen wen es ihnen passt. Sie nehmen das Recht für sich in Anspruch, darüber zu entscheiden, wer andere Völker regieren soll und setzen nach eigenem Belieben auf Regime Change. Sie gehen dabei auch das Risiko ein, uns in Europa und speziell Deutschland mit Krieg zu überziehen. Große US-Fonds beherrschen viele Unternehmen auch bei uns. Sie verhängen Sanktionen und zwingen andere Völker und Volkswirtschaften, diese Sanktionen mitzumachen. Die USA sind erkennbar nicht mehr der väterliche Freund, auf den und auf dessen Güte man sich verlassen kann. Albrecht Müller.
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Es gibt auch bei uns Menschen, die das nicht so sehen und in Nibelungentreue verharren. Teilweise auch deshalb, weil sie selbst in das Netz gemeinsamer Interessen eingebunden sind. Aber inzwischen merken mehr und mehr Menschen, was gespielt wird.
Freunde von mir und auch ich haben lange gebraucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsene Grundsympathie gegenüber den USA abzulegen. Wir hatten von Kind an gelernt, sie seien unsere Befreier und dann unsere Beschützer vor der militärischen und politischen Gewalt der Sowjets. Viele von uns wollten in ihrer Jugend nach Amerika, am besten mit dem AFS, dem American Field Service. In meiner Heimatstadt Heidelberg waren die Amerikaner allgegenwärtig und haben beispielsweise über das Amerika Haus und den Jazz viel zur lebendigen Kultur beigetragen.
Dieses teils zurecht, teils nicht zurecht schöne Bild ist inzwischen überlagert von den alltäglichen Erfahrungen, die wir mit Politikern der USA, mit ihrer Politik und auch mit großen Unternehmen machen.
Wo überall und wie die USA uns beherrschen
- Die USA nutzen unser Land und Europa insgesamt, um weltweit ihre vielen Kriege zu führen
Wir sind deshalb, ohne dies hierzulande ausreichend besprochen zu haben, indirekt Krieg führende Partei. Wir sind mitverantwortlich für die Zerstörung alter Kulturen im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. Wir sind deshalb auch Zielscheibe jener, die sich gegen diese Kriege und die Zerstörung ihrer Länder und ihrer Kultur mit terroristischen Akten wehren. - Die USA bestimmen weitgehend unsere Außen- und Sicherheitspolitik
Deutschland war maßgeblich an der Entwicklung und Verwirklichung der Entspannungspolitik und der europäischen Zusammenarbeit beteiligt, konzeptionell und faktisch. Die Ostverträge, die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die daraus folgende OSZE und das damit verbundene Ziel der Zusammenarbeit zwischen den früheren Gegnern in West und Ost sind von Deutschland in besonderer Weise vorangetrieben worden. Wir haben nach und mit der Wende von 1990 auf wirtschaftliche, politische und kulturelle Kooperation auch mit Russland gesetzt. Deutschland und deutsche Unternehmen haben in diese Kooperation investiert. Die USA und andere Alliierte im Westen haben sich von dieser Linie abgesetzt. Sie sind schon bald nach der Wende und spätestens seit der Ablösung von Jelzin, ihrem russischen Gewährsmann, von dem gemeinsam verabredeten Kurs abgewichen.
Schon an der Beteiligung Deutschlands am Jugoslawien-Krieg wurde sichtbar, dass Deutschland seinen eigenständigen Kurs nicht beibehält. Mit dem neuen Außenminister Heiko Maas wird auch personell verankert und sichtbar, dass die USA im deutschen Auswärtigen Amt über weite Strecken das Sagen haben. Die Ansichten und Politik der deutschen Verteidigungsministerin von der Leyen und auch die der Bundeskanzlerin prägen sie sowieso über weite Strecken.
Es gibt auch Profilierung auf eigener deutscher und europäischer Linie. Aber im Großen und Ganzen und in der entscheidenden Frage des Konfliktes mit dem Osten, konkret mit Russland und im Ernstfall auch mit China, wird die deutsche Politik auf der US-amerikanischen Linie sein.
Damit ist schon zugleich beschrieben, dass es ausgesprochen schwierig sein wird, bei uns eine Linie mit Distanz zu den USA zu formulieren und umzusetzen. Das ist kein Argument dagegen. Es ist nur ein Argument dafür, der Realität ins Gesicht zu sehen.
Eigenständigkeit in diesem Bereich wäre unglaublich wichtig, weil viele Anzeichen darauf hindeuten, dass die USA und vermutlich auch Großbritannien und möglicherweise auch Frankreich und manche osteuropäische Staaten wie Polen und die baltischen Staaten sowieso auf Konfrontation mit Russland setzen.
- Sonderrechte als ehemalige Besatzungsmacht
Die USA haben an vielen Standorten in Deutschland Truppen stationiert. Sie nutzen Deutschland für die Renovierung und Stationierung von Atomwaffen. Sie nutzen Deutschland und unsere Verkehrsinfrastruktur zur Bewegung auch größerer Truppeneinheiten in Richtung Osten.
Ihre Einrichtungen in Deutschland werden weltweit genutzt. Beste Beispiele dafür sind der Drohneneinsatz, der von Ramstein aus koordiniert wird, und die Nutzung Deutschlands (konkret der Stadt Landstuhl) für Lazarettleistungen für Kriegseinsätze all überall auf der Welt.
- Einfluss wichtiger amerikanischer Hedgefonds und Geldsammelstellen anderer Art auf deutsche Unternehmen
Die deutschen Unternehmen sind über weite Strecken im Einflussbereich US-amerikanischer Fonds. Teilweise beherrschen sie diese Unternehmen nur mit wenigen Prozentsätzen an den Aktien. Der US-Fonds BlackRock sei Deutschlands größter Aktienbesitzer, schrieb die Welt schon 2011. Daran hat sich vermutlich nichts geändert. Die US- und sonstigen ausländischen Fonds versuchen, mit geringen Anteilen die Geschäftspolitik deutscher Unternehmen zu bestimmen.
Das ist ein Beispiel für eine sehr gravierende Entwicklung. Das bedeutet nämlich, dass Einfluss auf die Politik der Unternehmen wie auch die damit verbundene Politik selbst nicht nur von der amerikanischen Politik, sondern auch von den Verwaltern des Kapitals ausgehen kann und tatsächlich auch ausgeht.
Von Shareholder Value zu reden und damit zugleich die Macht der Aktienbesitzer zu beschwören, liegt ziemlich daneben. Wenn das so wäre, ist es schlimm, tatsächlich jedoch bestimmen einzelne Aktienbesitzer schon mit geringen Anteilen die Geschäftspolitik vieler Unternehmen.
- US-Monopolunternehmen auf dem deutschen und europäischen Markt
Zur Macht der Hedgefonds kommt auch noch die Macht der De-facto-Monopolunternehmen amerikanischer Provenienz hinzu: Facebook, Microsoft, Twitter, usw.
Schon lange hätte deutsches und europäisches Kartellrecht angewandt werden müssen, aber dies geschieht nicht, weil die Macht und der Einfluss dieser Unternehmen dagegenstehen.
- „Die Superwaffe des Mr. Glaser
Sanktionen gegen Russland und den Iran: Wie amerikanische Finanzbeamte zu Wirtschaftskriegern werden.“Unter dieser Überschrift hatte die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ am 23. Oktober 2014 über eine Sonderheit des US-amerikanischen Finanzministeriums berichtet. Lesen Sie diesen Beitrag und Sie werden beispielhaft erkennen, was in diesem Artikel mit Imperium gemeint ist. Neben allen anderen genannten Einflussmöglichkeiten der USA.
Ob sich unser Land und ob sich Europa je aus dieser Abhängigkeit befreien kann, ist fraglich. Aber um des Friedens in Europa und um der Zusammenarbeit in Europa willen ist es einen Versuch wert.
Die Sache wird besonders schwierig dadurch, dass einige Staaten Europas auch bei der Frage der Konfrontation mit Russland voll auf der Seite der USA stehen. Das hat damit zu tun, dass sich dort wie in Polen und einigen baltischen Staaten nationalistische Kräfte durchgesetzt haben. Es wird also schwer sein, eine gemeinsame europäische Linie zu erreichen.
Sich aus dem US-Imperium zu lösen, ist ausgesprochen schwierig. Wer entwickelt eine Strategie?
Die Strategie der Entspannungspolitik ist Ende der Fünfzigerjahre und Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts in einem Kreis um den Regierenden Bürgermeister von Berlin und späteren SPD-Vorsitzenden Willy Brandt entwickelt worden. Eine Strategie von mindestens ähnlich großer Dimension müsste jetzt entwickelt werden. Die dafür vorhandenen und eigentlich zuständigen Einrichtungen – zum Beispiel das Auswärtige Amt und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sind erkennbar in transatlantische und damit auch USA-Interessen eingebunden. Nicht alle.
Dem Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder der Hans-Böckler-Stiftung oder der Otto-Brenner-Stiftung zum Beispiel müsste die Initiative und die Finanzierung einer Expertengruppe zur Erarbeitung einer Konzeption für die Außen- und Sicherheitspolitik außerhalb des Imperiums der USA zur Ehre gereichen.
Wer macht das? Ende des Jahres müsste das Arbeitsergebnis vorliegen.