Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(PK/AM)

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute unter anderem zu diesen Themen:
Wachstumsbeschleunigungsgesetz; weltweit 20 Millionen Arbeitsplätze vernichtet; Finanztransaktionssteuer; Razzia bei der LBBW; Zeitarbeitsgewerkschaft CGZP ist nicht tariffähig; Deutschland will Afghanen entschädigen; Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab; Videodoku über die Räumung des Frankfurter “Casinos”; Nachrufe.

  1. Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Wer gewinnt und wer bezahlt?
  2. Selbstbedienung pur
  3. Krise hat weltweit 20 Millionen Arbeitsplätze vernichtet
  4. Ministerberater fordern Subventionskahlschlag
  5. Petition bringt Thema Finanztransaktionssteuer in Bundestag
  6. Razzia bei der LBBW
  7. Ifo-Chef lässt gegen-hartz.de abmahnen
  8. LAG Berlin bestätigt: Zeitarbeitsgewerkschaft CGZP ist nicht tariffähig
  9. Geldnot der Bundesländer: Die Schuld der Schuldenbremse
  10. Böse Überraschung
  11. Streik zeigt Wirkung
  12. Beton drüber
  13. Deutschland will Afghanen entschädigen
  14. Das ist eine unverschämte Arroganz
  15. Von Stalingrad nach Afghanistan
  16. Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab
  17. Das Allerletzte: Videodoku über die Räumung des Frankfurter “Casinos”
  18. Nachrufe:

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht ni als cht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Wer gewinnt und wer bezahlt?
    Eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen ist unabdingbar zur Erhöhung des Inlandskonsums, eine der wesentlichen Grundlagen für zukünftiges Wachstum und Beschäftigung. Die geplante Entlastung von Arbeitnehmern und von Familien ist sinnvoll, aber die Art der geplanten Erhöhung des Kindergelds ist unsozial.
    Konzerne und Verkäufer von Unternehmen werden entlastet, kleine und mittlere Unter nehmen werden mit wolkigen Versprechungen zum Bürokratieabbau abgespeist.
    Die geplante Abschaffung der Erbschaftssteuer für Firmenerben ist toll für die Erben, schlecht für die aktiven Unternehmen und ihre Mitarbeiter, die entsprechend höhere Steuern und Abgaben bezahlen müssen.
    Sieht so ein vernünftiges Programm für Wachstum und Beschäftigung aus? Verbesserte Abschreibungsbedingungen statt Abschaffung der Erbschaftssteuer wäre die bessere Alternative.
    Wer wird all die Wohltaten bezahlen? Statt durch eine angemessene Besteuerung von Vermögen und Erbschaften Entlastungen für die kleinen Leute zu ermöglichen ohne den 30 Haushalt zu ruinieren, sollen die kleinen Leute zukünftig für ihre soziale Absicherung höhere Beiträge bezahlen.
    Quelle: Prof. Dr. Lorenz Jarass, Wiesbaden [PDF – 46 KB]
  2. Selbstbedienung pur
    Die Krise ist nicht ausgestanden: Bankenkritiker Ekkehard Wenger über Drahtzieher der Vergangenheit – und warum mit Schäuble vielleicht einiges besser wird.
    Professor Ekkehard Wenger ist Bankenexperte und zugleich Kritiker der Zunft. Er leitet den Lehrstuhl für Banken- und Kreditwirtschaft an der Universität Würzburg.
    (…)
    Quelle: SZ

    Kommentar AM: Mehrere Leser der NachDenkSeiten wiesen lobend auf dieses Interview hin. Ich konnte dem nicht folgen und zitiere als Kommentar der Einfachheit halber meine Mail an einen der NachDenkSeiten-Freunde, die vorübergehend von Herrn Wengers Interview beeindruckt waren, weil sie Opfer seiner geschickten Manipulationen wurden:
    „Großen Dank für den Hinweis. Wenn Sie NachDenkSeiten gelesen haben, dann wissen Sie, dass wir Steinbrück und seinen Staatssekretär Asmussen häufig und heftig kritisiert haben, ähnlich wie Herr Wenger aber mit ganz anderen Argumenten und Fakten. Professor Wenger manipuliert seine Leser. Es tut mir leid, dies sagen zu müssen. Er attackiert Steinbrück wegen der mangelnden Aufsicht der KfW bei der IKB und wischt damit die Tatsache weg, dass die IKB eine private Bank war und die crème de la crème der deutschen Wirtschaft im dortigen Aufsichtsgremium saß. Darüber haben wir im Sommer 2007 ausführlich berichtet. Wenn Sie bei uns „IKB“ in die Suchfunktion eingeben, dann werden Sie mehrere einschlägige Artikel finden.
    Mit diesen Hinweisen will ich keineswegs Steinbrück und Herrn Asmussen rein waschen. Im Gegenteil. Aber die Reinwascherei der deutschen Wirtschaftsführer, wie sie von Herrn Wenger betrieben wird, ist genauso unerträglich.
    Auch sein Hinweis auf den harmlosen Aktienmarkt ist völlig daneben. Schauen Sie sich doch bitte einmal meinen Beitrag vom 7. Januar 2009 (Finanzkrise I) an. Wenn Sie den dortigen Verlauf der Aktienkurse sehen und auch noch wissen, was zum Beispiel durch die Blase des Jahres 1999/2000 angerichtet worden ist, dann können Sie nur noch den Kopf schütteln über die Verharmlosungen des Herrn Professor Wenger. Dieser ist offensichtlich ein Lobbyist der Finanzwirtschaft und der Börsen.
    Bitte verzeihen Sie meine emotionale Reaktion. Aber ich leide immer wieder darunter, wenn auch gutwillige Zeitgenossen Opfer der Manipulation anderer werden.“

  3. Krise hat weltweit 20 Millionen Arbeitsplätze vernichtet
    Die Wirtschaftskrise hat überall tiefe Spuren hinterlassen: Laut Internationaler Arbeitsorganisation haben 20 Millionen Menschen weltweit ihre Jobs verloren. Die Experten warnen vor einer Verdopplung der Zahl, wenn die Staaten ihre Konjunkturprogramme zu schnell beenden. (…)
    Quelle: SPIEGEL
  4. Ministerberater fordern Subventionskahlschlag
    Die neuen Steuersenkungen belasten den Staat – Gutachter haben nach SPIEGEL-Informationen für das Finanzministerium einen 4,8-Milliarden-Euro-Sparplan erstellt. Die noch unter Schäubles Vorgänger Steinbrück bestellte Studie empfiehlt, Steuervergünstigungen von Sparzulagen bis Nachtzuschlägen zu streichen.
    Quelle: SPIEGEL

    Orlando Pascheit: Irgendwie müssen die Löcher, die Vorhaben von Schwarz/Gelb in die Staatskasse reißen, gestopft werden. Diese Regierung wird diese Vorgabe zu nutzen wissen. Der Normalverdiener an die Front: Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit auf der einen Seite, Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen  z.B. auf der anderen Seite.

  5. Petition bringt Thema Finanztransaktionssteuer in Bundestag
    EKD unterstützt Kampagne / Widerstand in FDP wächst
    Mehr als 50.000 Bürgerinnen und Bürger haben innerhalb von drei Wochen die Online-Petition zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer unterzeichnet – online, per Fax oder per Brief. Damit hat die Petition des Bündnisses “Steuer gegen Armut” das erforderliche Quorum für eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages erreicht.
    “Das ist ein großartiger Erfolg unserer Kampagne und zeigt, welch breite Unterstützung eine Besteuerung spekulativer Finanzmarktgeschäfte in der Gesellschaft findet”, sagte Jörg Alt von der Jesuitenmission, der Initiator der Kampagne. Neben der öffentlichen Anhörung habe die Kampagne mit der Online-Petition erreicht, dass sich Menschen im ganzen Land mit den negativen Auswirkungen deregulierter Finanzmärkte auseinandergesetzt haben.
    Quelle: steuer-gegen-armut.org

    PK: Ob eine Anhörung im Petitionsausschuss hilft, die Menschen zu mobilisieren? Es gibt doch mit DIE LINKE und einer größeren Zahl von Abgeordneten der SPD und GRÜNE Kräfte im Bundestag, wenn auch noch zu schwach, das Thema Finanztransaktionssteuer auf die Agenda des Bundestages zu setzen.
    Die Forderung nach einem politischen Streikrecht, wie u.a. von Oskar Lafontaine immer wieder erhoben, könnte durch Aktionen der Gewerkschaften die politische Klasse zusätzlich auf Trab bringen, um die Lasten der Finanzkrise auf die Verursacher abzuwälzen .

  6. Razzia bei der LBBW
    Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am Montag Geschäftsräume der größten deutschen Landesbank LBBW und zahlreiche Privatwohnungen der Vorstände durchsucht. Die Razzia richtet sich gegen sechs amtierende Vorstandsmitglieder und den im Mai ausgeschiedenen Chef Siegfried Jaschinski.
    Ihnen wird schwere Untreue im Zusammenhang mit riskanten Geschäften mit amerikanischen Wertpapieren zur Last gelegt, wie die Staatsanwaltschaft und die LBBW am Montag mitteilten. Eine mit der Situation vertrauten Person zufolge, ist der seit Sommer amtierende Vorstandschef Hans-Jörg Vetter nicht von den Ermittlungen betroffen.
    Die übrigen Manager hätten seit Ende 2006 trotz erkennbarer Marktrisiken dreistellige Millionenbeträge in amerikanischen Hypothekenanleihen investiert und dadurch das Bankvermögen gefährdet oder geschädigt. Der tatsächliche Schaden sei derzeit noch nicht absehbar, dürfte jedoch in Millionenhöhe liegen, teilten das Landeskriminalamt in Baden-Württemberg und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft mit.
    Für die Razzia zog die Polizei rund 240 Beamte und Ermittler zusammen, die am Vormittag die LBBW-Zentrale in der Stuttgarter Innenstadt durchkämmten. Auch zehn Privatwohnungen wurden nach Angaben der Ermittlungsbehörden durchsucht. Den Beschuldigten werde Vorgeworfen, dass sie die riskanten Geschäfte auch dann noch nicht untersagt hätten, als der Markt für Immobilien-Kredite und -Anleihen schon unmittelbar vor dem Zusammenbruch stand und Investitionen in solche Papiere „deshalb ein unkalkulierbares Risiko bargen“. (…)
    Quelle: FAZ
  7. Ifo-Chef lässt gegen-hartz.de abmahnen
    Der Vorsitzende des IFO-Institutes, Prof. Hans-Werner Sinn, lässt den Hauptverantwortlichen der gegen-hartz.de Redaktion durch einen Anwalt kostenpflichtig abmahnen.
    Der Vorsitzende des Münchner Institutes für Wirtschaftsforschung (IFO), Prof. Hans Werner Sinn, hat den Hauptverantwortlichen der Redaktion “gegen-hartz.de” durch einen Anwalt kostenpflichtig abmahnen lassen. Hintergrund der Abmahnung war ein Artikel über die Forderung Sinns, “Hartz-IV-Sätze regionalisiert” zu staffeln. Der Artikel war am 9. November 2009 auf der Website www.gegen-hartz.de erschienen. Der Artikel als solches wurde nicht beanstandet, lediglich die Überschrift. Die Überschrift drückte aus, Herr Sinn wäre für „Hartz IV Kürzungen“. Prof. Sinn sieht in der Überschrift eine Falschaussage unsererseits. Doch wie kamen wir zu dieser Annahme? (…)
    Quelle: gegen-hartz.de
  8. LAG Berlin bestätigt: Zeitarbeitsgewerkschaft CGZP ist nicht tariffähig
    Das LAG Berlin hat heute bestätigt, dass die Christliche Zeitarbeitsgewerkschaft CGZP keine Zeitarbeitstarifverträge abschließen darf. Inhaltlich begründet wird die Entscheidung damit, dass es an der Tarifzuständigkeit zum Abschluss dieser Vereinbarungen fehle. Zwar seien einzelne Teilgewerkschaften der CGZP (z.B. die CGM) tariffähig, diese dürften ihre Zuständigkeiten durch die Delagation der Verhandlungskompetenz auf die CGZP jedoch nicht unberechtigt ausweiten. Darüber hinaus hob das Gericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf, mit der Ver.di die „Antragsbefugnis“ in erster Instanz abgesprochen wurde. Nach dieser Entscheidung bleibt den Christlichen Gewerkschaften nun nur noch der Weg zum Bundesarbeitsgericht, um die mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister abgeschlossenen Tarifvertrag zu „retten“.
    Quelle: Zeitarbeit und Recht
  9. Geldnot der Bundesländer: Die Schuld der Schuldenbremse
    Angela Merkel gegen Peter Harry Carstensen, Guido Westerwelle kontra Wolfgang Kubicki, Union gegen Union, FDP gegen FDP: Man kann den Steuerkonflikt zwischen Bund und Ländern als einen peinlichen Familienstreit beschreiben, der nach außen getragen wird. Aber bei dem Gezerre geht es um mehr als Gezänk. Die Härte der Auseinandersetzung lässt sich nur verstehen, wenn man die Nöte der Bundesländer in den Blick nimmt. Die Kompromisslosigkeit des freundlichen Christdemokraten Carstensen, die Renitenz der Sachsen-CDU und das Grummeln der anderen erklärt sich durch die Zwänge der Schuldenbremse, die Union und SPD im Frühsommer ins Grundgesetz hineingeschrieben haben. Diese neue Defizitgrenze, von vielen sträflich unterschätzt, bestimmt schon heute die politische Auseinandersetzung. Formal lässt sie den Ländern bis 2020 Zeit, die Haushalte auszugleichen. Erst dann dürfen sie nur noch im Abschwung Kredite aufnehmen. Erst dann müssen strukturelle Defizite, die unabhängig von der Konjunktur auftreten, verschwunden sein. Der Weg dorthin ist jedoch so weit und schwer, dass jede Landesregierung jetzt starten muss.
    Was die Schuldenbremse in der Praxis bedeutet, hat das Düsseldorfer Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung am Beispiel zweier Länder durchgerechnet. Demnach plagt Schleswig-Holstein ein strukturelles Defizit von rund 1,5 Milliarden Euro, das in der nächsten Dekade verschwinden muss. Bei einem Haushaltsvolumen von zwölf Milliarden Euro folge daraus ein “gigantischer Konsolidierungsbedarf”, so das IMK. Strukturell heißt, dass die Lücke auch im Aufschwung nicht kleiner wird. Vielmehr muss Kiel selbst dann bei Lehrern und Polizei sparen, wenn die Wirtschaft wieder ins Laufen kommen sollte. Zwischen 1990 und 2008 erhöhte das Land die Ausgaben im Schnitt um 2,1 Prozent pro Jahr. Selbst bei guter Konjunktur müssten künftige Regierungen den Anstieg mehr als halbieren auf 1,0 Prozent pro Jahr. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt müsste der Staatssektor deutlich schrumpfen.
    Quelle: FR

    Orlando Pascheit: Die haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Union in den Ländern mögen ja während der Koalitionsverhandlungen gefordert haben, “die Verantwortung des Bundes, die Konsolidierungsbemühungen in den Ländern nicht durch zusätzliche Einnahmeausfälle zu erschweren”. Aber in der viel wichtigeren Frage haben sie im Juni im Bundesrat für die Aufnahme der Schuldenbremse in das deutsche Grundgesetz gestimmt – ein schwarzer Freitag  für die Bundesrepublik Deutschland.

  10. Böse Überraschung
    Von Robert von Heusinger
    Die Auftragseingänge für die deutsche Industrie sind ein Warnzeichen. Nach sieben Monaten Aufholjagd hat die Industrie im Oktober erstmals wieder einen Rückschlag verkraften müssen: Binnen Monatsfrist gingen die Bestellungen überraschend um 2,1 Prozent zurück. Die Analysten hatten im Schnitt mit einem Plus von 0,8 Prozent gerechnet. Insbesondere die schwächere Auslandsnachfrage und weniger Großaufträge machten dem verarbeitenden Gewerbe zu schaffen.

    Besonders nachdenklich sollte der Einbruch im Autosektor stimmen. Er erinnere daran, was passiert, wenn die staatlichen Stimuli auslaufen, sagt Andreas Rees von Unicredit. So brachen die Aufträge für den Automobilsektor aus dem Inland um 3,9 Prozent ein, die aus dem Ausland um 2,4 Prozent. Der Grund: die in Deutschland beendete und in immer mehr Ländern auslaufende Abwrackprämie. Allein dieser Effekt habe die gesamten Aufträge um 0,8 Prozentpunkte gedrückt, so Rees. (…)
    Quelle: FR

  11. Streik zeigt Wirkung
    Arbeitsniederlegungen bei Daimler Sindelfingen lassen Bänder im Werk Rastatt stillstehen. Konzernchef Zetsche verspricht »2000 alternative Arbeitsplätze«
    Der Druck auf die Daimler-Spitze, den Streit um die Verlagerung der C-Klasse aus Sindelfingen zu beenden, nimmt zu. Obwohl der mit insgesamt 36000 Beschäftigten größte Konzernstandort in erster Linie ein Montagewerk ist, stehen infolge der fortgesetzten Arbeitsniederlegungen im nahegelegenen Rastatt bereits die Bänder still. Am Montag versuchte Konzernchef Dieter Zetsche auf einer Betriebsversammlung, die Gemüter zu beruhigen – ohne Erfolg. Auch an diesem Tag fiel die Produktion weitgehend aus. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat werden heute fortgesetzt.

    »Niemand im Werk Sindelfingen wird durch die Entscheidung zur C-Klasse seine Arbeit verlieren«, erklärte Zetsche am Montag vor der Belegschaft. Begrüßt worden war der Vorstandsvorsitzende in Sindelfingen mit lauten Pfiffen und Buhrufen. Neben dem Roadster SL, dessen Produktion aus Bremen nach Sindelfingen verlagert werden soll, würden weitere »zukunftsfähige Arbeitsplätze« geschaffen, versicherte Zetsche. »Zusätzlich zu den Arbeitsplätzen, die durch die SL-Montage entstehen, werden wir in Summe der genannten Maßnahmen 2000 Arbeitsplätze hier in Sindelfingen alternativ anbieten.« (…)
    Quelle: junge Welt

  12. Beton drüber
    Bundesamt will Endlager für Atommüll in Morsleben verfüllen. Initiative ruf zu Einsprüchen auf. Einwendungsfrist endet am 21. Dezember
    (…)
    In dem früheren Kali- und Steinsalzbergwerk wurden rund 37000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktive Abfälle verbuddelt. Das Endlager hatte 1990 die Bundesregierung von der DDR übernommen. Der größte Teil des eingelagerten Mülls stammt aus westdeutschen Atomkraftwerken, Forschungseinrichtungen, Sammelstellen und Kliniken. Seit 1998 wird in Morsleben nicht mehr eingelagert.

    In den nächsten 20 Jahren will das BfS die Deponie schließen. Das Konzept sieht vor, daß die Hohlräume mit rund acht Millionen Tonnen Spezialbeton verfüllt werden. Angeblich können die Abfälle so dauerhaft von der Umwelt ferngehalten werden, und niemand käme mehr an sie heran. Bürgerinitiativen stellen die Pläne an den Pranger, sie sehen dabei vor allem die Langzeitsicherheit bedroht.

    »Schon jetzt bröckelt es an allen Ecken und Enden«, erklärt etwa die Bürgerinitiative Morsleben. »Niemand kann wissen, was mit Bauwerken in Tausenden von Jahren passiert.« Einige Antiatomgruppen fordern, auch eine Bergung des Atommülls zu prüfen. Das wird als eine mögliche Variante im nicht weit entfernten Atommülllager Asse diskutiert.

    Da die Stillegung nach dem Atomrecht erfolgt, muß über die Einwände der Bürger bei einem öffentlichen Erörterungstermin beraten werden. Allerdings ist damit zu rechnen, daß die Pläne des BfS vom Umweltministe­rium in Magdeburg genehmigt werden. Das kann aber noch dauern, Beobachter gehen von bis zu fünf Jahren aus. Weitere 15 Jahre werden für die technische Umsetzung der Schließung veranschlagt. Die Kosten für die Stilllegung nach dem BfS-Plan beziffern Experten mit bis zu 2,2 Milliarden Euro. Grüne und Linke verlangen, daß die Atomwirtschaft für den größten Teil der Summe aufkommen soll. (…)
    Quelle: junge Welt

    PK: Vor lauter Euphorie über die Möglichkeit, die Atomanlagen 20-30 Jahre länger als geplant und vereinbart laufen zu lassen (Stichwort: Brückentechnologie), schweigt die Bundesregierung zu dem Problem der Endlagerung des in dieser Zeit zusätzlich produzierten Atommülls. Mindestens 1000 Jahre soll der Atommüll sicher vor der Umwelt gelagert werden. Ein Verbrechen an den nachfolgenden Generationen, wenn wir mit ansehen müssen, dass die Atombetreiber und ihre willigen Helfer in der Politik unfähig sind, selbst nur die „schwach und mittelradioaktive“ Stoffe sicher zu lagern.

  13. Deutschland will Afghanen entschädigen
    Drei Monate nach dem umstrittenen Nato-Luftangriff auf zwei Tanklastzüge am Kundus-Fluss in Afghanistan hat die Bundesregierung eine schnelle Entschädigung für die zivilen Opfer des Bombardements in Aussicht gestellt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums kündigte am Montag Verhandlungen mit dem Opfer-Anwalt Karim Popal an. Bei dem von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriff waren bis zu 142 Menschen getötet worden. Man werde mit dem Anwalt der Angehörigen verhandeln, wie die Entschädigungsforderungen konkret umgesetzt werden könnten, sagte der Sprecher. „Wir kümmern uns, wir haben verschiedene Optionen.“ Es gehe um die Abwägung, ob das Ministerium sich auf einen jahrzehntelangen Rechtsstreit einlassen wolle oder sich außergerichtlich im Interesse der Opfer mit dem Anwalt einige. Eine mögliche außergerichtliche Entschädigungszahlung bedeute aber nicht die Anerkennung einer Rechtspflicht.
    Die Frage, wer von den Opfern Zivilist war, soll nach Angaben des Sprechers in Verhandlung mit dem Angehörigen-Anwalt geklärt werden. Dabei werde das Ministerium nicht versuchen, „möglichst wenige zivile Opfer auszuhandeln“.
    Quelle: Tagesspiegel

    Orlando Pascheit: Die intensive Recherche von Karim Popal  stellt alle bisherigen Aussagen zum Anteil der zivilen Opfer auf den Kopf. Er nennt 179 Personen als zivile Opfer, 20 gelten als vermißt, 22 sind verletzt, und 137 sind gestorben – darunter 36 Kinder zwischen fünf und 16 Jahren.

  14. Das ist eine unverschämte Arroganz
    Ein deutsch-afghanischer Anwalt hat in Kundus recherchiert: Fast alle Toten beim Bombenangriff waren Zivilisten. Gespräch mit Karim Popal, Rechtsanwalt in Bremen. Er setzt sich für die Hinterbliebenen der Opfer des Bundeswehr-Luftangriffs in der Region Chardara in Afghanistan ein.
    Quelle: junge Welt
  15. Von Stalingrad nach Afghanistan
    Soldaten der Bundeswehr werden mit Lehrmaterial der Wehrmacht im Krieg für ihre Einsätze ausgebildet. Der Historiker Detlef Bald hat diese Praxis kritisch analysiert. VON BETTINA GAUS
    Ob es ein Krieg ist, den die Bundeswehr in Afghanistan führt, darüber streiten derzeit Politiker. Innerhalb des Militärs wird nicht gestritten, jedenfalls nicht öffentlich. Richtlinien für die Ausbildung von Rekruten liefern jedoch deutliche Hinweise auf das Selbstverständnis der Armee.
    Die Befähigung “zum feldverwendungsfähigen Soldaten” ist ein Lernziel der Grundausbildung, nachzulesen in entsprechenden Anweisungen des Heeresamtes aus dem Jahr 2006. Trainiert wird “der einsatzbezogene Gefechtsdienst” der “kleinen Kampfgemeinschaft”.
    Der Historiker Detlef Bald hat im neuen Heft des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg zum Thema “Bundeswehr im Krieg – wie kann die Innere Führung überleben?”, das heute veröffentlicht wird, die Ausbildungsrichtlinien und -materialien der Bundeswehr kritisch analysiert, und er kommt dabei zu ebenso überraschenden wie bestürzenden Ergebnissen.
    Die beiden Bücher “Einsatznah ausbilden” sowie “Üben und schießen”, die in der Grundausbildung seit vielen Jahren benutzt werden, dienen Ausbildern als Nachschlagewerke, die ihnen helfen sollen, “an den Erfordernissen des Krieges ausgerichtete Ausbildung” zu gewährleisten.
    Darin findet sich die Empfehlung: Die “Vorstellung von Kriegswirklichkeit” soll unter anderem durch beispielhafte Erfahrungsberichte des deutschen Heeres im Zweiten Weltkrieg herangezogen werden, die als “zeitlos” gültige Lehren betrachtet werden.
    Zeitlos? Das ist in mehrfacher Hinsicht seltsam. (…)
    Quelle: taz
  16. Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab
    Chaos an den Unis, marode Gebäude – doch die Studenten studieren so gern wie nie zuvor, behaupten Bildungspolitiker. Das stimmt nicht: Einer neuen Studie zufolge fängt ein Drittel der potentiellen Studenten kein Studium an, weil es ihnen am Geld fehlt und Studiengebühren sie abschrecken.
    Man kann es drehen, wie man will: Wenn junge Leute an eine Uni oder Fachhochschule gehen könnten, aber nicht wollen, liegt es vor allem am Geld.

    Wie stark Geldsorgen verhindern, dass in Deutschland mehr Schulabgänger ein Studium beginnen, belegt die vorläufige Fassung einer Studie, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Danach lässt ein knappes Drittel der potentiellen Studenten das Ticket für ein Hochschulstudium ungenutzt verfallen – vor allem, weil sie fürchten, sich ein Studium nicht leisten zu können, oder weil sie schnell eigenes Geld verdienen wollen. (…)
    Quelle: SPIEGEL

    HIS Dokumentation: Studienberechtigte 2008

  17. Das Allerletzte:
    Kurze Videodoku über die Räumung des Frankfurter “Casinos”
  18. Nachrufe:
    • Vater des Memorandums
      Wer sich in Deutschland aus linker Sicht mit den Vorgängen in der Wirtschaft befasste, kam kaum an ihm vorbei: Jörg Huffschmid, pensionierter Hochschullehrer für politische Ökonomie an der Universität Bremen, war einer der renommiertesten Ökonomen des Landes. Am Samstag ist er im Alter von 69 Jahren gestorben.
      Zusammen mit Rudolf Hickel und Herbert Schui gründete Huffschmid 1975 die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Ihr jährliches Memorandum hat sich längst als Gegengutachten zu den offiziellen Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage etabliert. Im Gegensatz zu den von der Regierung beauftragten Wirtschaftsweisen setzt sich die Memorandum-Gruppe für eine keynesianisch orientierte Politik ein, um den Teufelskreis von Nachfrageschwäche und Massenarbeitslosigkeit zu durchbrechen. (…)
      Quelle: taz

      Ergänzung Orlando Pascheit: Huffschmids großes Thema der letzten Jahre waren die Finanzmärkte. Bereits 1997 sprach er von der “Verbesserung der Bankenaufsicht und der Verteuerung von kurzfristigen Geld und Kapitalflüssen durch Einführung einer Transaktionssteuer über die Wiedereinführung des Instrumentariums von administrativen Kapitalverkehrskontrollen bis zur Errichtung eines globalen währungspolitischen Kooperationssystems, das die Wechselkurse der wichtigsten Weltwährungen stabilisiert und damit auch eine solidere Grundlage für regionale Kooperationen und Währungsunionen darstellt.”
      Quelle: glasnost.de

    • Der Unbequeme
      BILDHAUER UND ANTIFASCHIST Er war berühmt für seine kompromisslose Haltung in politischen wie künstlerischen Fragen. Der Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka verstarb am Samstag in Wien.
      Wenn ein bekennender Stalinist von der Kirche beauftragt wird, eine Skulptur für eines der wichtigsten Gotteshäuser zu schaffen, muss es sich um einen außergewöhnlichen Menschen handeln. Eines der letzten Werke, das Alfred Hrdlicka fertigstellen konnte, steht im Wiener Stephansdom: ein Bronzerelief der Ordens- und Krankenschwester Restituta Kafka, die vor elf Jahren vom Papst seliggesprochen wurde. Was den Künstler mit der frommen Frau verband, war die Verfolgung durch die Nazis. Sie wurde 1943 guillotiniert, weil sie mit ihrer Regimekritik kein Blatt vor den Mund nahm, er konnte als Jugendlicher den Fängen der braunen Häscher entgehen, blieb aber sein Leben lang geradezu besessen, gegen Faschismus und Diktatur anzukämpfen. Dieses Leben endete am Samstag in Wien.
      (…)
      Quelle: taz
    • Späte Ruhe
      WAS SAGT UNS DAS? Der unter Pinochet ermordete Sänger Víctor Jara wird zum zweiten Mal beigesetzt
      Am 18. September 1973 bestattete Joan Turner Jara ihren Mann in aller Stille auf Santiagos Zentralfriedhof. Am Samstag kam die Engländerin mit ihren Töchtern Amanda und Manuela zurück – in Begleitung von Tausenden, die fünf Stunden lang mit dem Sarg Víctor Jaras durch Chiles Hauptstadt gezogen waren. Mit seinen Liedern und vielen roten Fahnen machten sie den Trauermarsch zur bewegendsten Demonstration der letzten Jahre gegen das Grauen der Pinochet-Diktatur (1973-1990).
      Zuvor hatten sich die ChilenInnen während einer zweitägigen Totenwache von Jara verabschiedet, darunter auch die Präsidentin. “Wir haben 36 Jahre dafür gebraucht”, sagte Michelle Bachelet, “endlich kann er in Frieden ruhen. Doch es gibt noch viele andere Familien, deswegen müssen wir vorankommen mit Wahrheit und Gerechtigkeit.”
      (…)
      Quelle: taz

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