„Eine Republik wird abgewickelt“ – So lautet der Untertitel von Willy Wimmers neuem Buch.
„Deutschland im Umbruch“, so der Titel. Als ich davon hörte, fand ich den Untertitel etwas übertrieben. Aber was wir inzwischen erleben, rechtfertigt diese Wertung. Hierzulande wird abgewickelt: das Versprechen und der Wille, mit allen Nachbarn friedlich und gut zusammenzuleben und das Völkerrecht zu achten; der einigermaßen ehrliche Umgang miteinander; die Achtung demokratischer Regeln und die Absage an jede faschistische Attitüde; der Wille, eigenständige Politik für unser Land zu machen und sich nicht selbst in die Rolle des Vasallen zu begeben. Das alles wird seit einiger Zeit und zur Zeit besonders eifrig abgewickelt. Das muss man mit Entsetzen feststellen. Albrecht Müller.
Es folgen als Belege ein paar Beispiele für die üblich gewordenen Verhaltensweisen und Aussagen der Bundesregierung und ihrer Vertreter:
- Ein Beispiel für die Missachtung des Völkerrechts und für die Vasallentreue gegenüber den westlichen Alliierten
Ein NachDenkSeiten-Leser macht auf den Verlauf der Bundespressekonferenz vom 23.4.2018 aufmerksam. Thema ist die Unterstützung der Bundesregierung für die militärischen Angriffe auf Syrien und den Widerspruch zum Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.
In Anlage 1 finden Sie einen Auszug aus der Bundespressekonferenz, die Fragen und die Antwort der Stellvertretenden Regierungssprecherin Demmer. Das Völkerrecht spielt da keine Rolle. Der Westen hat recht. Damit hat sich‘s. Mehr muss uns nicht kümmern. Eine der Kernaussagen:
„Unsere Verbündeten haben im Sicherheitsrat mit ihrem Vorgehen gegen Chemiewaffeneinrichtungen des syrischen Regimes Verantwortung übernommen, um Assad von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten. Deshalb war unserer Auffassung nach das Verhalten unserer Verbündeten weiterhin erforderlich und angemessen.“
Die Wahrheit spielt keine Rolle. Die von uns bezahlten Mitarbeiter/innen der Bundesregierung orientieren sich genauso wie die Mitglieder der Bundesregierung an den Interessen der westlichen Alliierten.
Der NachDenkSeiten-Leser kommt mit Recht zum Schluss: So züchten wir Terroristen.
- Die Völkerrechtswidrigkeit des Drohnenkrieges stört nicht
In Anlage 2 dokumentieren wir eine Erklärung von Amnesty International zum Drohnenkrieg, der über deutschem Boden abgewickelt wird, über Ramstein.
Diese Tatsache berührt die Kommentierung der Vorgänge in Syrien nicht. Der Westen ist über Widersprüche erhaben. Auf Moral, auf Korrektheit, auf Werte kommt es ihm und uns nicht mehr an.
- Der neue Bundesaußenminister Maas wickelt – in vollem Einvernehmen mit der Bundeskanzlerin und ihrer Partei – eine der wichtigen Errungenschaften der alten Bundesrepublik ab: die gute Nachbarschaft mit anderen Völkern und die strategische Leistung der sogenannten Ostpolitik bzw. Entspannungspolitik.
Sein Umgang mit Russland knüpft an altem, höchst fragwürdigem Denken an: Abschreckung, Gewalt, Aufrüstung, statt Vertrauen zu bilden, wird Misstrauen gesät.
Wie Willy Wimmer stehen wir staunend vor dieser Abwicklung großer Leistungen und großer Fortschritte.
Vom jetzt herrschenden Geist des Umgangs mit anderen Völkern bis zum alten Ungeist faschistischer Prägung ist nur ein kleiner Schritt. Vor allem sollte man nicht unterschätzen, dass hier eine Art Umerziehung stattfindet, mit der neue Fakten geschaffen werden: die Erwartung, Gewalt anzuwenden und damit Politik machen zu können; die Erwartung, mit Militär Konflikte zwischen den Völkern schlichten zu können; die Erwartung, nur zu nehmen und nicht zu geben.
- Die innenpolitische Entsprechung ist die Gewalt im Umgang mit den Schwächeren: mit Langzeitarbeitslosen, mit Hartz-IV-Empfängern.
Die Abwicklung der Sozialstaatlichkeit begann schon vor 20 Jahren und fand ihren Höhepunkt bei der Agenda 2010 unter Einführung von Hartz IV.
Das ist auch Thema der Anstalt von heute Abend. 22:15 Uhr im ZDF.
Die Generalprobe gestern Abend zeigte eine bravouröse Aufarbeitung dieses Themas, ergänzt um die Dokumentation der Abhängigkeit jener Politik
von der Bertelsmann-Stiftung.Wenn Sie noch Zeit und Gelegenheit haben, dann nutzen Sie bitte Ihren E-Mail-Verteiler, um den Kreis Ihrer Bekannten und Freunde auf diese Sendung aufmerksam zu machen.
Anlage 1.
Scheinbar ist unserer Regierung alles egal! Auch wenn der eigene wissenschaftliche Dienst zu anderen Einschätzungen kommt.
Siehe Reg PK vom 23.04.2018 :
hier ein Auszug:
Frage: Frau Demmer, Herr Seibert hatte an dieser Stelle ausgeführt, dass der Angriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Syrien völkerrechtlich sozusagen dadurch legitimiert sei, dass Assad selbst durch Giftgaseinsatz den Bruch des Völkerrechts betrieben habe. Nun hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in seltener Klarheit die Position geäußert, dass auch ein solcher Vorgang keine völkerrechtliche Legitimation sei. Ist das Anlass für die Bundesregierung, diese Position, die Herr Seibert vorgetragen hatte, zu revidieren?
SRS’in Demmer: Die Bundesregierung hat das Gutachten selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Wir haben hier wiederholt erklärt, dass es sich bei dem Chemiewaffeneinsatz durch das Assad-Regime um einen elementaren Bruch des Völkerrechts gehandelt hat, der in keiner Weise hinnehmbar ist.
Ich würde Sie auch noch gerne daran erinnern, dass Russland bisher mit seinem Vetorecht im VN-Sicherheitsrat eine unabhängige Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien verhindert hat – so auch im jüngsten Fall.
Unsere Verbündeten haben im Sicherheitsrat mit ihrem Vorgehen gegen Chemiewaffeneinrichtungen des syrischen Regimes Verantwortung übernommen, um Assad von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten. Deshalb war unserer Auffassung nach das Verhalten unserer Verbündeten weiterhin erforderlich und angemessen.
Zusatzfrage: Man darf ja davon ausgehen, dass auch den Juristen im Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags diese Fakten oder Argumente bekannt waren. Dennoch ist die Aussage da sehr eindeutig, nämlich dass auch diese Fakten oder Argumente, so sie stimmen, keine völkerrechtliche Legitimation dieses Einsatzes darstellen. Das akzeptiert die Bundesregierung für ihre Position so nicht?
SRS’in Demmer: Wir haben – das habe ich ja schon gesagt – das zur Kenntnis genommen.
Ich würde gerne noch einmal darauf hinweisen, dass die Luftschläge der USA, Großbritanniens und Frankreichs dem Ziel dienten, die Bevölkerung Syriens vor einem erneuten grausamen Einsatz dieser geächteten Chemiewaffen zu schützen. Diese Waffen müssen doch verhindert werden. Deswegen haben sich unsere Verbündeten dazu entschieden, damit der Erosion der Chemiewaffenkonvention entgegenzuwirken.
Frage: Frau Demmer, Herr Breul, verstehe ich Sie richtig, dass Sie keine rechtliche Einschätzung, kein Gegengutachten haben, das Ihre Position stützt?
Wenn ich Sie auch richtig verstanden habe, sagen Sie im Grunde, dass der Bruch des Völkerrechts wegen der Schwere des Angriffs und der möglichen weiteren Angriffe gerechtfertigt ist. Wird die Bundesrepublik Deutschland, so sie denn in den Sicherheitsrat gewählt wird, zukünftig auch solche Ausnahmen unterstützen?
SRS’in Demmer: Für die Zukunft mache ich ja hier ganz grundsätzlich keine Aussagen.
Trotzdem bleibt es dabei: Die Bundesregierung ist zu der Auffassung gelangt – und daran hat sich nichts geändert -, dass dieser Luftschlag und die Luftschläge erforderlich und angemessen waren. Der VN-Sicherheitsrat hat bereits 2013 in der Resolution 2218 zu Syrien festgestellt, dass der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedroht und Völkerrecht verletzt. Er hat Syrien zur Abschaffung seiner Chemiewaffen verpflichtet und beschlossen, im Fall eines erneuten Chemiewaffeneinsatzes Maßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta zu verhängen.
Frage: Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, auch wenn inzwischen Medien verschiedenster Herkunft von vor Ort berichten, dass es keinerlei Anzeichen für einen Chemiewaffeneinsatz, wie er Russland und Syrien vorgeworfen wird, am 7. April in Syrien gegeben hat?
Warum legt die Bundesregierung keine, auch für die Medien nachprüfbaren Erkenntnisse vor, um zu sehen, dass sie andere Erkenntnisse als zum Beispiel die Kollegen vor Ort haben?
SRS’in Demmer: Meine Haltung haben Sie ja jetzt hier schon mitbekommen. Daran ändert sich nichts
Komplette Mitschrift der Reg PK hier.
So schaffen wir die Grundlagen für den Terrorismus von Morgen.
Herzliche Grüße
Rolf Scherhoff
Anlage 2:
Betreff: VÖLKERRECHTSWIDRIGE US-DROHNENANGRIFFE VON DEUTSCHEM BODEN AUS Bundesregierung muss Handlungsspielraum ausschöpfen
Ein neuer Amnesty-Bericht dokumentiert deutliche Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung wissentlich Völkerrechtsverstöße der US-Regierung unterstützt. Deutsche Geheimdienstinformationen tragen möglicherweise zu Drohnenangriffen bei.
Amnesty International kritisiert in dem neuen Bericht “Deadly Assistance: The role of European states in US Drone Strikes” die Unterstützung, die Deutschland, England, die Niederlande und Italien den USA bei umstrittenen Drohneneinsätzen leisten. Diese Unterstützung gewinnt vor dem Hintergrund von US-Präsident Trumps Ankündigung, das Drohnen-Programm weiter auszubauen, zunehmend an Brisanz.
Amnesty hat Medienberichte und öffentlich zugängliche Stellungnahmen der Bundesregierung ausgewertet. Deren Analyse legt nahe, dass die Bundesregierung seit Jahren zu wenig unternimmt, um sicherzustellen, dass sie keine völkerrechtswidrige Beihilfe leistet zu US-Drohnenangriffen, die das humanitäre Völkerrecht verletzen. “Aus Sicht von Amnesty International schöpft die Bundesregierung ihren Handlungsspielraum gegen völkerrechtswidrige Drohnenangriffe der USA nicht aus: Sie muss dringend Safeguards entwickeln, mit denen sichergestellt wird, dass die Bundesregierung keine wissentliche Beihilfe zu Völkerrechtsbrüchen leistet”, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International in Deutschland.
Die Bundesregierung duldet, dass das US-Militär den Stützpunkt Ramstein auf deutschem Boden nutzt, um mithilfe des Kommunikationssystems GILGAMESH die Signale der Drohnenpiloten in die Einsatzstaaten weiterzuleiten. Eine direkte Steuerung der Drohneneinsätze in Pakistan, Afghanistan und Jemen von US-Boden aus wäre aufgrund der Distanz und der Erdkrümmung nicht möglich. Die USA sind für die Durchführung also angewiesen auf die Nutzung von Ramstein – was die Bundesregierung auch weiß.
“Jahrelang hat die Bundesregierung sich darauf berufen, nicht genau zu wissen, welche Rolle Ramstein in der Ausführung der Drohnenangriffe spielt, und damit eine eigene Mitverantwortung abgelehnt.
Spätestens im August 2016 informierte die US-Botschaft das Auswärtige Amt aber über die entscheidende Rolle von Ramstein. Mit diesem Wissen muss die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass keine völkerrechtswidrigen US-Drohnenangriffe von deutschem Boden aus unterstützt werden”, sagt Scharlau.
Darüber hinaus geben deutsche Behörden geheimdienstliche Informationen wie zum Beispiel Handynummern und E-Mail-Adressen an die USA weiter, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie die Lokalisierung von Personen und damit gezielte tödliche Drohnenangriffe erst ermöglichen.
Vertreter der Bundesregierung betonen, dass ein reger Austausch mit den jeweiligen Gesprächspartnern der US-Regierung über die Drohnenangriffe und die Einhaltung des Völkerrechts stattfinde. Die aktuelle US-Regierung hat aber die wenigen Restriktionen und Richtlinien zurückgenommen, die unter Präsident Obama auf öffentlichen Druck hin geschaffen worden waren.
Quelle: Amnesty