Prüfen Sie, ob Sie für eine Ihrer Versicherungen Geld zurückholen können.

Albrecht Müller
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In einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29.07.2009 (Az. I ZR 22/07) wird bestätigt, dass die seit den 80er-Jahren geltende Pflicht zur Angabe von Effektivzinsen auch bei der ratenweisen Zahlung von Versicherungsprämien mit Ratenzuschlägen gilt. Die Regel bei Versicherungsprämien ist die Fälligkeit einer Jahresprämie zum Versicherungsbeginn – diese kann dann z. B. in monatlichen Rate inklusive eines Ratenzuschlags bezahlt werden. Diese Ratenzuschläge sind meist überhöht. Das bedeutet, dass nach grober Schätzung die Hälfte aller Deutschen ein Recht auf Rückerstattung hat. Ihre Versicherungsgesellschaft muss neu abrechnen. Rechtsanwalt Dr. Fiala hat dieses Urteil ausgegraben. Albrecht Müller

Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil nicht veröffentlicht. Der Rechtsstreitpartner Versicherungsgesellschaft hatte offensichtlich ein Interesse an der Nichtveröffentlichung. Umso besser, dass Dr. Johannes Fiala und der Versicherungsmathematiker Schramm das Wichtigste dazu aufgeschrieben haben. Hier zu Ihrer Information:

Pressemeldung Dr. Johannes Fiala / Dipl.-Math. Peter A. Schramm
München im November 2009

11,35 % Effektivzins wegen Ratenzahlungszuschlägen für Versicherungsverträge*

– Aktuelles BGH-Urteil: Versicherungskunden steht Milliarden-Rückzahlung zu –

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29.07.2009 (Az. I ZR 22/07) bestätigt, dass die seit den 80er-Jahren geltende Pflicht zur Angabe von Effektivzinsen auch bei der ratenweisen Zahlung von Versicherungsprämien mit Ratenzuschlägen gilt. Die Regel bei Versicherungsprämien ist die Fälligkeit einer Jahresprämie zum Versicherungsbeginn – diese kann dann z. B. in monatlichen Rate inklusive eines Ratenzuschlags bezahlt werden.

BGH-Urteil über Effektivzinsangabe bei Ratenzuschlägen

In allen Versicherungszweigen können derartige Ratenzuschläge vorkommen. Wenn der Versicherer 2% Ratenzuschlag berechnet entspricht dies bei halbjährlicher Zahlung in etwa einem Effektivzins i.H.v. 8,33%. Und 5 % Ratenzuschlag bei Monatsraten sind sogar 11,35 % Effektivzins. Ein gutes Geschäft für den Versicherer. Für den Kunden kann es Zinswucher sein, denn wenn die Voraussetzungen nach dem früheren Verbraucherkreditgesetz bzw. heutigen §§ 499, 502 BGB nicht vorliegen, darf nur der gesetzliche Zins von 4% verlangt werden – aber beispielsweise kein Zinseszins.

4 % Effektivzins bei Monatsraten erlaubt dann nur 1,81 % Ratenzuschlag, so dass 3,19 Prozentpunkte des 5 prozentigen Ratenzuschlags oder 3,04 % der Gesamtprämie zurückzuzahlen sind. Zahlt ein Kunde beispielsweise seit 01.01.1979 monatlich 500 Euro in seine Kapitallebensversicherung ein, kann er nun mehr als die Hälfte der 5 % Ratenzuschläge zurück verlangen – gegenwärtig sind dies schon mehr als 5.000 Euro Erstattungsanspruch gegenüber dem Versicherer, zuzüglich Zinsen für die Kapitalnutzung.

Versicherungskunden können Neuabrechnung und Rückzahlung verlangen

Die Versicherungswirtschaft hatte sich bisher nur teilweise darauf eingestellt, dass bei Ratenzuschlägen der Effektivzins ausgewiesen werden muss. Dies gilt nicht nur bei Personenversicherungen oder Sachversicherungen. Die Private Krankenversicherung ist allerdings nicht betroffen, soweit von vornherein Monatsbeiträge vorgesehen sind, auf die bei jährlicher Vorauszahlung umgekehrt ein Nachlass gewährt wird. Auch bei Lebensversicherungen kann es je nach Versicherungsbedingungen abweichende Regelungen geben, die echte monatliche Prämienzahlung statt Ratenzahlung vorsehen.

Im konkreten Fall ging es um die ratenweise Einzahlung durch Riester-Sparer – bei anderen Versicherungen wäre es grundsätzlich nicht anders gewesen. Geklagt hatte ein Verbraucherverband entsprechend dem Unterlassungsklagengesetz gegen einen Versicherer, weil dieser in der Klausel über Ratenzuschläge keinen Effektivzins genannt hat. Der Versicherer hat seine Pflicht zur Unterlassung solcher Klauseln ohne Effektivzinsangabe vor dem BGH nun ausdrücklich anerkannt. Vereinbarungen von Ratenzahlungen mit Ratenzuschlägen sind nämlich auch bei Versicherungsprämien als Verbraucherkredite anzusehen.

Missachtung zwingender gesetzlicher Vorschriften führt zur Milliardenhaftung

Fehlt bei einem solchen Verbraucherkredit beispielsweise der Barzahlungspreis, der Teilzahlungspreis als Gesamtbetrag, Betrag mit Anzahlung und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen, oder die Angabe des effektiven Jahreszinses, so ist der Vertrag nichtig. Erst wenn eine Leistung gegenüber einem Verbraucher erbracht wird – womöglich reicht dazu bereits die gewährte Versicherungsdeckung – wird der Vertrag gültig.

Fehlen dann allerdings Teilzahlungspreis- oder Effektivzinsangabe, so ist der Zins auf die gesetzlichen 4% p.a. beschränkt, statt beispielsweise der 11,35 % Effektivzins bei monatlicher Zahlung und 5 % Ratenzuschlag. Kunden können somit Rückzahlung vom Versicherer verlangen, zuzüglich darauf entfallender Versicherungssteuer und einer angemessenen Verzinsung für die zwischenzeitliche Kapitalnutzung beim Versicherer.

Massenhafte Lastschriftrückgaben der Kunden bei Versicherungen

Wegen der harten Sanktionen bei Nichtzahlung, z.B. dem Wegfall der Leistungspflicht des Versicherers, stellt die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen an „Klarheit, Genauigkeit und Richtigkeit“ der Prämienrechnungen, damit diese überhaupt fällig werden. Daher könnten Verbraucher hier die Lastschriften zu den Prämieneinziehungen des letzten Quartals bis zu 6 Wochen nach Zugang des Quartalsabschluss zurück gehen lassen, ohne dadurch in Verzug zu geraten, ebenso alle weiteren laufenden. Bis ca. zum 10. Februar könnten also entsprechende Prämienlastschriften noch ab Oktober 2009 einfach durch telefonische Erklärung gegenüber der eigenen Bank zurückgerufen werden.

Damit gerät der Versicherer in Zugzwang. Erst wenn er die Beitragsraten korrekt mit dem gesetzlichen Zins neu berechnet hat und ein entsprechender Versicherungsschein zugegangen ist, werden die nun verminderten Prämien – ohne jedwede Mahn- und Verzugskosten – fällig. Dann brauchen wohl einige Versicherern neue Taschenrechner, denn der Begriff „Beitragsraten“ weist es nicht dem Versicherungsnehmer zu, „seine korrekte Prämienhöhe selbst zu erraten“.

Geschwächte Lebensversicherer existentiell gefährdet

Rund 3 % Rückzahlung der Prämien für das laufende und die 30 Vorjahre bis zur Verjährungsgrenze könnte vor allem geschwächte Lebensversicherer existentiell bedrohen. Dort summieren sich diese Beträge auf bis zu mehr als 20 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen. Betroffen könnten bis zu mehr als 100 Millionen Lebensversicherungsverträge sein – einschließlich der bereits in den letzten 30 Jahren beendeten. Schnelle Reaktion ist bei den Versicherern angesagt, denn die rückwirkende und laufende Rückbuchung der gesamten falsch berechneten eingezogenen Prämien würde für sie erst recht ein Liquiditätsproblem schaffen. Es wäre dann nicht auszuschließen, dass derzeit in der Finanzkrise bereits geschwächte Lebensversicherer von den Ratingagenturen weiter abgewertet werden.

Rettung durch den Staat?

Auch die Versicherungsaufsicht ist gefordert. Bei der Rückgabe von Lastschriften helfen den Lebensversicherern direkt keine üblichen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, wie z. B. ein Zahlungsverbot. Jedoch könnte dies flankierend greifen, wenn zusätzlich Kunden bei veränderter Situation – wie bei Ratingverschlechterungen – vermehrt ihre Gelder von Lebensversicherern abziehen. Zur Not bleibt dann noch die Verminderung der Überschussbeteiligung, die aufsichtsrechtliche Herabsetzung auch bereits „garantierter“ Leistungsverpflichtungen zur Anpassung an die noch vorhandenen Finanzmittel, die Auffanglösung Protektor oder, wenn diese wegen einer branchenweiten Krise nicht hält, die Insolvenz oder Rettung durch den Staat.

* von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches- und Versicherungsrecht (Univ.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

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