Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Steuerfahnder-Affäre; Was wussten Koch und Hahn?; Schwarz-gelbe Schuldenmacher; Um Himmelswillen keine neuen Steuersenkungen!; Deutschland verfällt dem Schuldenrausch; staatliche Hilfe zur Opelsanierung; Warum die Finanzbranche schrumpfen muss; 8. Banken müssen die US-Einlagensicherung retten; Goldman Sachs entschuldigt sich; Welternährungsgipfel; Einführung einer Finanztransaktionsteuer; Sonderkonjunktur für Wirtschaftskriminelle; Angst vor der Blase; Linke Schmutzkampagne gegen Lafontaine; Hinweis auf eine Konferenz von EPS; Bericht über einen Fall der Justiz in Berlin. (RS/WL/AM)

  1. Steuerfahnder-Affäre: Finanzminister wegen Untreue angezeigt
  2. Was wussten Koch und Hahn?
  3. Schwarz-gelbe Schuldenmacher
  4. Peter Bofinger: „Um Himmelswillen keine neuen Steuersenkungen!“
  5. Marode Staatsfinanzen: Deutschland verfällt dem Schuldenrausch
  6. Ökonom Hickel für staatliche Hilfe zur Opelsanierung
  7. Thomas Fricke – Warum die Finanzbranche schrumpfen muss
  8. 8. Banken müssen die US-Einlagensicherung retten
  9. In den Staub geworfen: Goldman Sachs entschuldigt sich
  10. Welternährungsgipfel: Alpha-Land in Spekulantenhand
  11. Eingabeschluss für die Petition: Einführung einer Finanztransaktionsteuer
  12. Sonderkonjunktur für Wirtschaftskriminelle
  13. Angst vor der Blase, die längst da ist
  14. Jörges – die WebTV-Kolumne: Linke Schmutzkampagne gegen Lafontaine
  15. James Galbraith’ Hinweis auf eine Konferenz von Economists for Peace and Security (EPS)
  16. Ein Bericht über einen Fall der Justiz in Berlin im Anschluss an die Demos zum 1. Mai 2009

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steuerfahnder-Affäre: Finanzminister wegen Untreue angezeigt
    Während Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) zum Fall der mit falschen ärztlichen Gutachten geschassten Steuerfahnder schweigt, geht die Affäre in die nächste Runde: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nach FR-Informationen auch wegen der “Verfolgung Unschuldiger” gegen “Verantwortliche der Finanzbehörden Frankfurt am Main” und hat bereits Zeugen vorgeladen. Pikant an dem Ermittlungsverfahren: Die Steuerfahnder müssen als Zeugen vernommen werden, brauchen als Beamte im Zwangs-Ruhestand aber dafür die Einwilligung ihrer Vorgesetzten – also genau der Personen, gegen die sich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen richten.
    Quelle: FR

    Anmerkung RS: Hoffentlich werden Ermittlungen bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft nicht ebenso unterdrückt, wie bei den Finanzbehörden.

    Wie sieht es bei den Verantwortlichen aus?

  2. Steuerfahnder-Affäre: Was wussten Koch und Hahn?
    Eigentlich hätten bei Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Alarmglocken schrillen müssen, als er im September 2004 auf dem Dienstweg einen hoch brisanten Brief aus der Finanzverwaltung erhält. In dem Schreiben, das der Frankfurter Rundschau vorliegt, geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um “Dienstvergehen und Straftatbestände”. Beschuldigte sind “Führungskräfte der hessischen Finanzverwaltung”. Dem Ministerpräsidenten werden detailliert schwere Straftaten mitgeteilt: Fälle von Strafvereitelung im Amt, falsche Verdächtigung, Verletzungen des Steuergeheimnisses, Verletzung des Personaldatenschutzes, Mobbing und Verleumdung. Absender: Rudolf Schmenger, Steuerfahnder des Landes Hessen.
    Auch für die hessische FDP – Wahlkampfslogan “Unser Wort gilt” – könnte der Fall bald zu Peinlichkeiten führen. Im Jahr 2005 ist die damalige Oppositionspartei noch voll auf Seiten der geschassten Steuerfahnder. Es falle einem Beobachter “sehr schwer, daran zu glauben”, dass es sich bei diesen Absonderlichkeiten “um eine zufällige Verkettung handelt”, sagte FDP-Politiker Roland von Hunnius damals in einer Landtagsrede.
    Quelle: FR

    Anmerkung RS: Schauen wir mal, was der „brutalstmögliche Aufklärer“ jetzt macht.

    Nicht, dass Hessen das Geld zum Verschenken hätte, was die abgesetzten Steuerfahnder hätten eintreiben können:

  3. Schwarz-gelbe Schuldenmacher
    Man sollte sich für einen Moment vorstellen, was in Hessen los wäre, wenn eine Ypsilanti-Regierung diese Rekordschulden produziert hätte. 3,4 Milliarden Euro für 2010, zusätzlich zu dem Berg von 36 Milliarden Euro, sind für ein wirtschaftsstarkes Land fast unvorstellbar.
    Quelle: FR

    Interview mit Peter Bofinger zu den Schwarz-gelben Schuldenmachern im Bund:

  4. Peter Bofinger: „Um Himmelswillen keine neuen Steuersenkungen!“
    Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger lehnt die schwarz-gelben Steuerversprechen ab. Er befürchtet als Folge einen brutalen Sparkurs ab 2011.
    Quelle: PNP.de

    Kommentar zur Sarkozys Investitionsanleihe: Vive la France / Robert von Heusinger
    Es gibt eben Dinge, die der Markt schlechter kann als der Staat. Deswegen ist Sarkozys Coup, auf Pump Geld für Bildung und Innovationen locker zu machen, richtig. Deutschland stellt sich – “dank” seiner Ökonomen-“Zunft” – taub. In der Krise ein riskantes Unterfangen.

    Quelle: FR

  5. Marode Staatsfinanzen: Deutschland verfällt dem Schuldenrausch
    Mehr Geld, mehr Aufschwung, mehr Schulden – im Kampf gegen die Krise steuern Bundesregierung und Banken einen gefährlichen Kurs: Den Staatsfinanzen droht eine jahrelange Misere. Der Wachstumskult hat die ganze Gesellschaft erfasst, ein Neuanfang ist dringend nötig.
    Ein Kommentar von Wolfgang Kaden
    Zitat:

    Wir alle sind von der Wachstumsdroge abhängig. Wir sind das Volk, das zu Verzicht nicht bereit ist; das die Politiker gnadenlos abstrafen würde, wenn sie die Altschulden mit höheren Steuern abtragen oder den überbordenden Sozialstaat zurückschneiden würden. Die Sozialdemokraten haben bei ihren Hartz-IV-Reformen und der Rente mit 67 erlebt, wo Politiker landen, die dieser Gesellschaft Verzicht abverlangen.

    Quelle: SpiegelOnline

    Kommentar AM: Auf diesen Artikel weisen wir nur deshalb hin, weil er ein ausgezeichnetes Beispiel für die Vorurteilsbeladenheit unserer Spitzen-Wirtschaftsjournalisten darstellt. Einen solchen Artikel kann man eigentlich nur im Suff schreiben. Interessant ist auch, wie hier ein ins extrem neoliberal gewendeter Autor die Wachstumskritik auf der linken Seite des Spektrums ausnutzt. Er spricht von „Wachstumskult“, von einer Art „Religionsersatz“, und natürlich behauptet er, dass die entsprechenden Konjunkturprogramme zu mehr Schulden führen würden. Eine der üblichen Dummheiten; diese Menschen verstehen nicht, dass wir ohne eine aktive Beschäftigungspolitik – und dann statistisch gemessene höhere Wachstumsraten – noch mehr Schulden machen.

    Treffend, wenn auch ziemlich hart, hat ein Leser der NachDenkSeiten kommentiert: Wen meint dieser Autor mit “Wir” und “das Volk”? Meint er die, die alle Jahre schon immer für immer weniger Leute, die schon so psychisch krank sein müssen, ohne im Geld zu schwimmen nicht mehr lebensfähig zu sein, indem sie es dann ja anscheinlich humanen Projekten widmen, um damit Ihrem Narzissmus fröhnen zu können, etwas Soziales getan zu haben? Mein Gott … was für eine hirnverbrannte Welt! Und “das Volk” glaubt vermutlich noch daran, denn ich habe bis jetzt noch kein kollektives Aufbegehren vernommen, wie man das aus Frankreich oder vom Volk der ehemaligen DDR noch in Erinnerung haben dürfte, wenn einem dieses von uns allen geduldete System nicht schon völlig den gesunden Menschenverstand weggepustet hat!

  6. Ökonom Hickel für staatliche Hilfe zur Opelsanierung
    Bund und Länder dürfen den Autohersteller Opel aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers Rudolf Hickel auch nach der Kehrtwende des Großaktionärs General Motors (GM) nicht hängen lassen. “Wer vor ein paar Wochen der Meinung war, dass dieser Autobauer eine Zukunft hat, kann doch jetzt nicht plötzlich anderer Ansicht sein”, so Hickel. “Oder aber es ging nur um wahlpolitischen Opportunismus.”
    Skeptisch beurteilt dagegen der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, staatliche Hilfen. Von 90 Millionen produzierten Autos würden 2009 nur die Hälfte verkauft. “Es darf und kann nicht die Aufgabe des Steuerzahlers sein, diese Überkapazitäten zu subventionieren.”
    Quelle: FR

    Anmerkung RS: Aber offenbar ist es Aufgabe des Steuerzahlers, ein Casino zu subventionieren.

  7. Thomas Fricke – Warum die Finanzbranche schrumpfen muss
    Solange Banken noch Geld haben, um Millionenboni zu zahlen, ist die nächste große Wirtschaftskrise nicht weit. Dabei könnte die Welt auf ein Gros der aufgeblähten Finanzgeschäfte gut verzichten. (…)
    Quelle: FTD

    Kommentar AM: Diese Kolumne von Thomas Fricke enthält eine Reihe von interessanten Fakten. Zum Beispiel zum Anstieg des Anteils des Finanzsektors an der nominellen Wertschöpfung der US Wirtschaft von vier auf acht Prozent.
    Die Hauptbotschaft der Kolumne, die Finanzbranche müsse schrumpfen, ist für NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser nicht neu. Siehe zum Beispiel den Beitrag vom 7. Januar 2009 (Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt (Teil I)), den zu lesen sich immer wieder lohnt, und eine Reihe weiterer Beiträge in der Serie Finanzkrise

  8. Banken müssen die US-Einlagensicherung retten
    Die große Zahl der Bankenpleiten in den USA hat Einlagensicherungsbehörde an den Rand einer Pleite gebracht. So sah sich die FDIC zu einem dramatischen Schritt gezwungen. Mit den Mitgliedsbanken wurde vereinbart, dass diese eine Vorauszahlung der Gebühren für die nächsten drei Jahre leisten müssen. Damit erhält die Federal Deposit Insurance Corp rund 45 Milliarden Dollar. Doch dass die lange reichen, davon darf kaum ausgegangen werden. Denn das Bankensterben geht immer schneller voran. Waren im vergangenen Jahr 25 Institute abgeschmiert, waren es 2007 waren sogar nur drei. Die 123 Pleitekandidaten haben also in nur knapp 11 Monaten die 45 Milliarden aufgebraucht, die nun an frischem Kapital an die FDIC fließen könnten.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung RS: Wenn alle Stricke reißen, müssen auch Rettungsfonds gerettet werden. Hier wird ausnahmsweise nicht gleich nach dem Staat gerufen, sondern die Industrie in die Pflicht genommen, deren Rettung der Fonds sichern soll.
    Dazu möchte ich meinen Kommentar von gestern ergänzen: Es ist nicht das Ziel der FDIC, die Banken an sich zu retten, sondern die Einlagen der Sparer. Die Bank selbst wird in die Insolvenz geführt, und dann entweder saniert und privatisiert, oder geschlossen. Es war der Vorschlag von James Galbraith, dieses Verfahren auch für die sog. „systemrelevanten“ Banken anzuwenden. Ich halte das ebenfalls für richtig, auch wenn der Staat dann evtl. doch irgendwann einspringen muss, denn das hat er ja ohnehin schon gemacht.

  9. In den Staub geworfen: Goldman Sachs entschuldigt sich
    “Wir bitten um Entschuldigung.” Goldman-Sachs-Chef Blankfein ringt sich zu dem Satz durch, auf den Amerika gewartet hat. Denn der Ruf der Bank steht auf dem Spiel.
    Quelle: SZ

    Anmerkung RS: Wie meine Landsleute sagen würden: Talk is cheap. Jeder kann sich entschuldigen, aber wo bleibt die Bereitschaft, für die mitverursachten Schäden aufzukommen?

  10. Welternährungsgipfel: Alpha-Land in Spekulantenhand
    Derzeit hungern über eine Milliarde Menschen auf der Welt. Für sie war der Welternährungsgipfel Anfang Woche in Rom ein Schlag ins Gesicht. Ein hochrangiger Weltgipfel hätte es werden sollen. Doch ein Teil der Welt – namentlich die reichen Staaten – fühlt sich für die Ernährungskrise offensichtlich nicht verantwortlich. Sie schickten nur die zweite Garde ihrer RegierungsvertreterInnen. Die erste Garde diskutiert lieber unter sich, etwa im Rahmen der G20-Staaten. Den Uno-Organisationen messen sie immer weniger Gewicht bei. Der Uno-Gipfel war so auch ein Affront gegenüber den armen Staaten von Afrika, Lateinamerika und Asien. Deren Oberhäupter blieben in Rom weitgehend allein. Eine sehr vage Abschlusserklärung, die bereits zu Beginn der Konferenz verabschiedet wurde vervollständigt die magere Bilanz des Gipfels. Weder wurden Gelder gesprochen noch Massnahmen beschlossen, um an der Situation der Hungernden etwas zu ändern.
    Quelle: woz
  11. Eingabeschluss für die Petition: Einführung einer Finanztransaktionsteuer
    Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und dafür einzutreten, dass sie auch von anderen Ländern umgesetzt wird. Diese Steuer bezieht alle spekulationsrelevanten Finanztransaktionen ein. Bis diese Steuer EU- oder weltweit umgesetzt ist, sollen auf nationaler Ebene vorbereitende Schritte unternommen werden, z.B. unterstützende parlamentarische Entschließungen oder die Einführung einer Börsenumsatzsteuer.
    Quelle: Deutscher Bundestag Petitionen
  12. Sonderkonjunktur für Wirtschaftskriminelle
    Die Krise treibt die Zahl der Wirtschaftsdelikte massiv nach oben. Dies ist das wichtigste Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PWC) unter 500 international tätigen Großunternehmen. Danach erwarten 40 Prozent der befragten Manager einen Anstieg von Wirtschaftsspionage, Datenklau, Produktpiraterie und illegalen Preisabsprachen. Strafen müssen die Täter, überdurchschnittlich oft Manager, dennoch kaum fürchten. Zwar werden rund 87 Prozent der Ertappten fristlos gefeuert, aus Angst vor Imageschäden wird aber nur jeder zweite „schwerwiegende Fall“ überhaupt angezeigt. Sind Topmanager unter den Tätern, ist es gar nur jeder dritte.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung: Ein etwas verspäteter Hinweis, der dazu beitragen kann, den Fall Emmely und ähnliche Fälle in das rechte Verhältnis zu setzten. In dem Bericht heißt es weiter, dass 51 Prozent der Haupttäter aus den geschädigten Unternehmen selbst stammen. Der “typische” Täter ist männlich (90 Prozent der Fälle) und seit mehr als zehn Jahren in der Firma beschäftigt (45 Prozent). Gut zwei Drittel der Straftaten werden von Führungskräften begangen, knapp 30 Prozent der Delikte von Angestellten im Top-Management.

  13. Angst vor der Blase, die längst da ist
    Viele sorgen sich um die Entstehung einer neuen Vermögenspreisblase, da die wankende Weltwirtschaft einen weiteren Krach an den Finanzmärkten kaum wegstecken könnte. Das ist schon drollig, denn wenn der größte Aktienmarkt der Welt ein Indiz ist, ist die Blase längst da.
    Rund um die Erde sorgen sich Zentralbanker, Ökonomen und Kommentatoren um eine etwaige neue Vermögenspreisblase, deren Platzen verheerende Folgen für die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft zeitigen könnte. Aber wie teuer sind Vermögenswerte dieser Tage? Konzentrieren wir uns auf US-Aktien, da diese aufgrund des Vorliegens langfristiger Daten ganz gut beurteilt werden können und weil sie als grobes Indiz für die Bewertung etlicher anderer Vermögenswerte auf dem ganzen Globus dienen können. (…)
    Quelle: FTD
  14. Jörges – die WebTV-Kolumne: Linke Schmutzkampagne gegen Lafontaine
    Oskar Lafontaine ist Opfer einer Intrige geworden. Mit der “Enthüllung” einer angeblichen Liebesaffäre sollte der Linken-Chef aus dem Weg geräumt werden. Es ist nicht der erste Fall dieser Art.
    Quelle: Stern
  15. James Galbraith’ Hinweis auf eine Konferenz von Economists for Peace and Security (EPS)
    Für Englischsprechende und solche mit sehr leistungsfähigen PCs hier eine Mail von Professor Jamie Galbraith an uns mit Links auf eine interessante Konferenz unserer amerikanischen Freunde von EPS:

    On Friday November 13, Economists for Peace and Security organized a symposium in at the Ronald Reagan International Trade Center Washington, in collaboration with the New America Foundation and the Initiative for Rethinking the Economy.  The event comprised three panels — on financial reform, on jobs and housing, and on the international dollar — plus two keynote addresses, from Damon Silvers of the Congressional Oversight Panel and Phil Angelides of the Financial Crisis Inquiry Commission.

    The entire event was web-cast to an audience of about 6500.  Now the video has been uploaded to the EPS site, where you can access it at

    Without false modesty it was an excellent program.

    Also: I did three segments on the Yahoo! Finance channel this morning and one of them appears to have aired so far.

    Jamie

  16. Ein Bericht über einen Fall der Justiz in Berlin im Anschluss an die Demos zum 1. Mai 2009
    Der NachDenkSeiten-Leser H.N. schreibt:

    Heute muss ich Sie um Ihre Hilfe bitten. In Berlin ist gerade ein unglaublicher Justizirrtum bzw. ein politisch-befangener Prozess gegen zwei junge Menschen (19 und 17) im Gange, die angeklagt sind, am 1. Mai angeblich einen Molotowcocktail geworfen zu haben und denen nun 10 Jahre bzw. lebenslängliche Haft droht – obwohl sie nach sämtlichen gewichteten Zeugenaussagen und gesundem Menschenverstand nachweislich unschuldig sind.
    Bitte lesen Sie meinen Aufsatz im Anhang, der die Fülle der Details konzentriert zusammenfasst.

    Wir können von uns aus nicht beurteilen, ob hier zuunrecht oder zurecht angeklagt wird, auch ist die Vorstellung von H.N., hier drohten lebenslängliche Haft, nicht angemessen. Aber wir halten diesen Vorgang für möglicherweise symptomatisch für das, was häufig geschieht und geschehen wird, wenn der hoffentlich zunehmende Protest junger Menschen auf die Staatsgewalt trifft.
    Wir dokumentieren die Zusammenfassung von H.N.. Machen Sie sich selbst ein Bild:

    Ein ehemaliger Schüler der Waldorfschule Berlin-Mitte gerät in die Mühlen der Justiz – eine erschütternde Realität. | Alle Fakten nach www.yunus-rigo-prozess.de und den dort dokumentierten Presse- und Prozessberichten.

    Der „Fall“, so wie er von der Polizei dargestellt wird, scheint klar: Zwei Jugendliche werfen am Abend des 1. Mai am Kottbusser Tor einen Molotowcocktail, wodurch eine Passantin Brandverletzungen erleidet. Polizeibeamte in Zivil sehen die Tat, verfolgen die Betroffenen und nehmen sie wenig später fest.

    Seitdem sitzen Yunus (19) und sein Freund Rigo (17) in Untersuchungshaft. Nach vier Monaten begann am 1.9. die Gerichtsverhandlung. Ursprünglich war ein Urteil im Oktober erwartet, inzwischen sind 14 Prozesstage anberaumt, die bis Ende November gehen…

    Doch von Anfang an gab es einen Grundwiderspruch zur Schilderung der Polizisten: Yunus und Rigo bezeugen nicht nur ihre Unschuld, sie waren durch die Festnahme auch völlig schockiert und verstört. Und darüber hinaus gibt es jede Menge Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen und im Vorgehen der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

    Hintergründe

    Die Ausschreitungen am 1. Mai waren 2009 so heftig wie seit Jahren nicht. Es soll in Kreuzberg rund 700 „Randalierer“ und 6.000 Polizeibeamte im Einsatz gegeben haben. Fast 500 Beamte sollen Prellungen oder andere Verletzungen durch Flaschen und Steine erlitten haben. Gegen 289 Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine Anklage wegen versuchten Mordes gab es jedoch noch nie – nun wurde sie gegen Yunus und Rigo erhoben.

    Hauptzeuge der Anklage ist der Polizeibeamte Berger, dem nach dem ersten durch eine Vierergruppe geworfenen Brandsatz in etwa 15 Metern Entfernung zwei Personen auffielen, die leicht gebeugt einander gegenüberstanden, wobei er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Plötzlich habe es eine Art Feuerschein und dann eine Wurfbewegung gegeben, ein Feuerschweif sei durch die Luft geflogen und dann habe eine Frau in Flammen gestanden. Die zwei Personen seien dann in eine Menschenmenge hineingelaufen, er habe mit zwei weiteren Polizisten die Verfolgung aufgenommen. Nach dem Wurf habe er die zwei Täter „nur für Sekunden“ nicht im Blick gehabt, eine Verwechslung könne er ausschließen… Inmitten des Chaos einer abendlichen Demonstration?

    Yunus und Rigo schilderten direkt nach der Festnahme unabhängig voneinander, dass sie nur einmal bei der Demonstration vorbeischauen wollten: Sie seien um 18 Uhr kurz mitgelaufen, hätten dann später am Kottbusser Tor vom Straßenrand die Krawalle beobachtet, Freunde getroffen und sich schließlich gegen 21:30 Uhr etwas zu Essen kaufen wollen, weshalb sie auf eine Polizeikette zugingen und an der Absperrung Durchlass erbaten, um zu einem nahegelegenen Geldautomaten zu kommen. Würde man so handeln, wenn man kurz zuvor einen Molotow-Cocktail geworfen hätte? Als sie nicht durchgelassen wurden, liefen sie friedlich um die Absperrung herum, wurden aber an der nächsten Absperrung von den o.g. Zivilbeamten festgenommen.

    Widersprüche der Anklage

    Schon zu Prozessbeginn musste Verteidigerin Ulrike Zecher darauf hinweisen, dass Oberstaatsanwalt Ralph Knispel seine Objektivitätspflicht gravierend verletzt habe – unter anderem durch Unterlassung der Untersuchung von Rigos Kleidung (trotz zweimaligen Antrages durch den Anwalt) und durch Unterschlagung entlastender Fotos von Augenzeugen!
    Noch am 1. Mai übergaben Augenzeugen der Polizei Fotos der Tätergruppe, auf denen Yunus und Rigo nicht zu sehen sind. Staatsanwalt Knispel jedoch behauptet, diese hätten mit der aktuellen Anklage nichts zu tun, sondern zeigten nur die Werfer eines wenige Minuten zuvor geworfenen ersten Molotow-Cocktails, die nicht festgenommen werden konnten…
    Der Hauptzeuge der Anklage (Berger) beschrieb auch detailliert, was mit der Frau geschah, deren Kleidung in Brand geraten war, musste also schon vor der Verfolgung der Täter diese mehrere Sekunden aus dem Blick verloren haben! Der einzige Anhaltspunkt war die Kleidung: weißes T-Shirt und Basecap des einen, dunkle Kleidung des anderen (dies passt auch zu den Tätern der o.g. Vierergruppe, wobei das Basecap auf dem Foto einen ganz anderen Aufdruck hat als das von Rigo).
    Bis zur Verhaftung soll es mehrere Minuten gedauert haben, obwohl der Tatort nach Aussage der Beamten nur 20 Meter von der Polizeikette entfernt lag.
    Das Wurfobjekt soll eine triefende Flasche gewesen sein – die Kleidung von Yunus und Rigo wurde jedoch trotz Antrag zunächst nicht untersucht! Eine kriminaltechnische Untersuchung vom 15.5. stellte keinerlei Rückstände fest. (Sie hätten für die angeklagte Tat auch einen Rucksack o.ä. bei sich haben müssen – hatten sie aber nicht!). Dennoch sprach Staatsanwalt Knispel gegenüber dem Redakteur des „Tagesspiegel“ am 1.9. von Benzinrückständen auf der Kleidung der Angeklagten!

    Die bei der Festnahme beteiligten Kollegen, deren Gerichtsaussagen sich decken, hatten in ihren ersten Aussagen teilweise ganz andere Angaben gemacht! Die Anwälte werfen ihnen mit Recht vor, nachträglich Absprachen getroffen zu haben, um Unstimmigkeiten zu beseitigen.
    Polizist Gromotka kann sich an Details der Kleidung schlecht erinnern, nur Kollege Berger hätte den Tathergang direkt gesehen. Dieser jedoch kann sich ebenfalls an vieles nicht mehr erinnern.
    Berger sagte noch am 2.5. aus, dass etwas aus Rigos Hosentasche gefallen sei und er später von einem anderen Polizisten auf herumliegende Einweghandschuhe aufmerksam gemacht worden sei. In seinem Kurzbericht ist jedoch zu lesen, dass in Rigos Hosentasche Handschuhe gefunden worden seien! Im Juni und vor Gericht sagte er dann aus, dass er Rigo die Handschuhe nicht zuordnen könne…! (Aufgrund dieser gravierenden Widersprüche stellt die Verteidigerin sogar Strafanzeige gegen Berger).
    Die Zeugen Gromotka und Berger widersprachen sich auch in Bezug auf die Angabe ihrer Standpunkte, der Verfolgungswege, des Festnahmeortes und der Umstände der Festnahme.
    Der dritte bei der Festnahme beteiligte Beamte Kleiner bezeugt vor Gericht dann mutig, dass er den Wurf selbst nicht gesehen habe, sondern den Tathergang wörtlich von Berger übernahm, und dass Yunus und Rigo bei der Festnahme völlig überrascht waren und sich nicht gewehrt hätten. In seinem Bericht vom Mai hatte er noch behauptet, die Tat gesehen zu haben, und auf Veranlassung Bergers „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ notiert!
    Freunde von Yunus und Rigo suchten im Internet nach Zeugen. Es meldete sich der 33-jährige Thomas J., der die Vierergruppe, beide Brandwürfe, das Gesicht des Werfers und die brennende Kleidung der Frau sah! 15 Minuten später sah er dieselbe Gruppe und erkannte eindeutig den Werfer wieder. Yunus und Rigo waren zu diesem Zeitpunkt bereits festgenommen…

    Das menschliche Schicksal und Fragen an die „Staatsgewalt“

    Yunus und sein Freund sitzen also unschuldig im Gefängnis – Yunus als Volljähriger in der Haftanstalt Plötzensee, lange Zeit sogar in Einzelhaft. Selbst die Wärter sagen, dass sie so jemanden sonst nie da haben… Yunus darf nur zweimal im Monat für eine halbe Stunde von höchstens drei Personen besucht werden. Telefonieren darf er nicht, Briefe brauchen acht Tage… Bei den Besuchen sind nur zur Begrüßung und zum Abschied kurze Berührungen gestattet. Am 7. Oktober hatte er seinen 19. Geburtstag…

    Mit großem Engagement haben Lehrer der Waldorfschule Berlin-Mitte Yunus im Gefängnis die Vorbereitung und die Prüfung des Abiturs ermöglicht.

    Bevor die Verhandlung begann, hatte Yunus schon vier Monate im Gefängnis verbracht. Schon am vierten Prozesstag hatten sich die Zeugen der Anklage in unglaubliche Widersprüche verwickelt, die sogar die Richterin verärgerten. Dennoch wurde der Antrag auf Haftentlassung wiederum abgelehnt! Und schon zweimal gab es wegen des Urlaubs von Richtern 14 Tage Verhandlungspause… Im besten Falle werden Yunus und Rigo am Ende also sechs Monate unschuldig im Gefängnis verbracht haben, im schlimmsten Falle bekommen sie eine lebenslängliche bzw. 10-jährige Haftstrafe…

    Das ganze Verfahren gegen Yunus und seinen Freund wirft schwerste Fragen auf – und macht schlaglichtartig deutlich, in welche Sackgasse wir als Gesellschaft wir immer mehr geraten.

    Das „Neue Deutschland“ schrieb am 2.9.2009: „Gerichtsverhandlungen um Mai-Gewalt laufen nach einem festgelegten Ritual ab. Sagen Polizisten aus, sie hätten die Täter genau erkannt, haben andere Aussagen oder Unschuldsbeteuerungen so gut wie keinen Wert.“ Noch bedenklicher ist, was „indymedia“ über die verdeckten Ermittler der Einheit „Fahndung, Aufklärung, Observation“ (FAO) schreibt, deren Beamten auch Yunus und Rigo festgenommen haben: „Gegen etliche Mitglieder dieser Einheit wurde wegen bandenmäßigem Drogenhandel, Urkundenfälschung, Meineid und Vorteilsnahme ermittelt. Alle Anklagen wurden allerdings wegen ‚fehlender Aussagegenehmigung’ eingestellt.“
    Nicht zuletzt ist auch die Berliner Polizei für brutales Vorgehen berüchtigt, auch wenn dies meist nicht bis in die Schlagzeilen gelangt. Jährlich gibt es rund 800 bis 1.000 Anzeigen wegen Körperverletzung. Fast alle Verfahren werden eingestellt, eine Handvoll führt zu Freisprüchen, eine Handvoll zu Verurteilungen… 1998 wurde sogar bekannt, dass ein Staatsanwalt Anzeigen gegen Polizisten nicht einmal in den Computer eintrug!

    Wie sehr kann man dem Polizeiapparat und der Justiz überhaupt noch vertrauen, wie sehr muss man ihnen misstrauen? Geht es überhaupt noch irgendwo um Gerechtigkeit? Oder geht es um politischen Druck, Verhaftungen und Verurteilungen vorweisen zu müssen; um gegenseitige Deckung, ein „Nicht-allzu-genau-Nehmen“, einen Filz zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft und anderes mehr?
    Und ist irgendwo noch das Menschliche im Blick? Wie kann es sein, dass zwei junge Menschen trotz gravierendster Widersprüche der Anklage und ganz offensichtlich völlig fehlendem „Gefährdungspotential“ dennoch in Haft bleiben müssen?

    Das, was Yunus und Rigo in den letzten Monaten durchmachen mussten (und was viele ihrer Freunde, Verwandten und Lehrer als Prozessbeobachter unmittelbar miterleben konnten), zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft das Menschliche verliert. Es braucht in unserer Zeit nicht mehr einen preußischen Staat, nicht mehr eine Diktatur – mitten in der so genannten „Demokratie“ geht dieses Menschliche verloren, weil der Mensch es in seinem Erleben immer mehr verliert – und in den von ihm selbst geschaffenen Strukturen schon längst verloren hat.