Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Russland trägt Verantwortung für Nervengas-Einsatz in Salisbury
  2. Lüders: “Es gibt noch Köpfe mit Restverstand”
  3. Merkel schließt Beteiligung an Militäreinsatz aus
  4. Angst vor Luftangriffen
  5. Saudi-Arabien bekommt neue deutsche Waffen
  6. Was ist zu kritisieren an der MMT?
  7. Die moderne Tributökonomie und die Illusion der freien Märkte
  8. Ausstand mit Auszeit
  9. Gewerkschaften unter Druck – Die Situation nach dem Putschversuch in der Türkei
  10. Urteil des EuGH: Deutschland verstößt wohl gegen EU-Recht
  11. Ruderchampion des Tages: Mark Zuckerberg
  12. Ist linke Politik so kompliziert?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Russland trägt Verantwortung für Nervengas-Einsatz in Salisbury
    Wir erwarten vollständige Aufklärung
    Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) hat am heutigen Donnerstag bestätigt, dass es sich bei dem Nervenkampfstoff, der beim Anschlag auf Sergej Skripal in Salisbury zum Einsatz kam, um Nowitschok handelt. Hierzu erklärt der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt:
    „Auch wenn Russland bis zuletzt versucht hat, die Verantwortung für den Nervengift-Anschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia von sich weisen – nun haben wir die Gewissheit: Beide wurden mit dem verbotenen Kampfstoff Nowitschok vergiftet, der aus Laboren der ehemaligen Sowjetunion stammt. Diese Erkenntnis erhöht massiv den Druck auf Moskau, den genauen Hergang und Hintergrund des ersten Nervengift-Anschlags auf europäischem Boden restlos aufzuklären.
    Quelle: CDU/CSU Bundestagsfraktion

    Anmerkung André Tautenhahn: Was kann man wohl von jemanden erwarten, der seinerseits vollständige Aufklärung erwartet? Dass er zumindest das Dokument liest, auf welches er sich bezieht. Das hat Jürgen Hardt aber offenbar nicht getan. Denn er behauptet Dinge, die in dem Bericht, den die NachDenkSeiten gestern ebenfalls zugänglich gemacht haben, mit keiner Silbe enthalten sind. Das ist peinlich.

    Ganz offensichtlich stützt sich Hardt nicht auf das Originaldokument, sondern auf die kollektiven Falschmeldungen deutscher Medien, die ihren Fehler teilweise bereits eingesehen haben und ihre Texte entweder mit oder aber auch ganz ohne redaktionellen Hinweis korrigiert haben. Unser Leser C.K. hat uns eine Liste mit Schlagzeilen von gestern geschickt, die zeigen, wie eine vermeintliche Nachrichtenlage ungeprüft einfach übernommen wird. Wir dokumentieren diese in einer separaten Sammlung, die im Laufe des Tages auf den NachDenkSeiten erscheint.

    dazu: Medien zum Syrienkrieg: Das Kartenhaus der Giftgas-Propaganda
    Für die Urheberschaft angeblicher Giftgas-Angriffe in Syrien gibt es keine Beweise. Um diesen Mangel zu kaschieren, verweisen viele Medien nun auf ein “Muster” von Verfehlungen der syrischen Regierung. Doch schon dieses “Muster” beruht nur auf Behauptungen.
    Die Urheberschaft des jüngsten angeblichen Giftgasangriffs im syrischen Duma am Wochenende ist nicht bewiesen, ja nicht einmal, dass es überhaupt einen gegeben hat. Alles bewegt sich auf der Ebene der reinen Behauptung. Einige Medien meinen aber, Beweise seien nicht mehr nötig, schließlich gäbe es ein “Muster” von Verhaltensweisen, aus dem sich eine Schuld der syrischen Regierung auch im aktuellen Fall ableiten ließe. Eine ähnliche Argumentation, die jedem Jurastudenten im ersten Semester die Stresspusteln aus allen Poren des Körpers schießen ließe, wenden aktuell auch die Briten im Fall Skripal an.
    Aber: Um diese Muster zu illustrieren, werden ebenfalls unbelegte Vorwürfe herangezogen und zu einem pseudo-beeindruckenden Kartenhaus aufgetürmt. Es wird dabei so getan, als seien die angesprochenen Fälle in der Vergangenheit aufgeklärt worden – in der Hoffnung, dass die Leser die fehlenden Beweise für die früheren “Giftgas-Fälle” in Syrien nicht mehr in Erinnerung haben.
    Quelle: RT deutsch

    dazu auch: US-Verteidigungsminister: Haben keinen tatsächlichen Beweis für Giftgaseinsatz in Syrien
    US-Verteidigungsminister James Mattis erklärte im US-Kongress am Donnerstag, dass das US-Militär gegenwärtig über keine tatsächlichen Beweis für einen Chemiewaffeneinsatz mit Sarin oder Chlorgas in der syrischen Stadt Duma verfügt. […]
    Zum aktuellen Fall in Duma sagte Mattis, dass er zwar glaube, dass dort ein Chemiewaffenangriff stattfand, doch “wir suchen nach den tatsächlichen Beweisen”. Mattis versprach dem Kongress, diesen zu informieren, sollte sich das Pentagon für einen Militärschlag gegen Syrien entschieden haben. Zuvor hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gegenüber dem Sender TF1 behauptet, über Beweise eines Giftgaseinsatzes zu verfügen:
    Quelle: RT deutsch

  2. Lüders: “Es gibt noch Köpfe mit Restverstand”
    US-Präsident Trump droht mit einem Raketenangriff auf Syrien. Droht nun auch eine Konfrontation der Atommächte USA und Russland? Fragen an den Nahost-Experten Michael Lüders.
    Quelle: NDR info

    dazu: Kujat: Putin für unsere Sicherheit verantwortlich
    US-Präsident Trump droht mit einem Raketenangriff auf Syrien. Für diesen Fall befürchtet Harald Kujat, Ex-Vize-Direktor im NATO-Militärstab, dramatische Folgen, wie er auf NDR Info sagte.
    Quelle: NDR Info

    dazu auch: Harald Kujat zur möglichen US-Militäraktion gegen Syrien
    US-Präsident Trump hat nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff nahe Damaskus mit einem Raketenangriff auf Syrien gedroht. Einschätzungen dazu von General a. D. Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Ex-Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.
    Quelle: BR Podcast

  3. Merkel schließt Beteiligung an Militäreinsatz aus
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag in Syrien ausgeschlossen. “Deutschland wird sich an eventuellen – es gibt ja keine Entscheidung, ich will das noch mal deutlich machen – militärischen Aktionen nicht beteiligen”, sagte sie bei einem Besuch des dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen. Die Bundesregierung tue allerdings alles dafür, “um ein Zeichen zu setzen, dass dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist.” (…)
    Die Situation in dem Konflikt bleibt extrem angespannt. Hintergrund ist der mutmaßliche Giftgasangriff durch das syrische Regime auf die Stadt Duma. Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist die Sache unterdessen klar: Es gebe Belege für den Einsatz von Chemiewaffen: “Wir haben den Beweis, dass (…) Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden”, sagte Macron in einem Interview des Senders TF1.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Gilt diese Nicht-Beteiligung Deutschlands an eventuellen militärischen Aktionen seitens des Westens in Syrien auch für die Aufklärungstornados und »AWACS«-Flugzeuge? Oder haben diese längst Ziele markiert und dokumentiert? Und weshalb spricht der französische Präsident Macron lediglich vom “Beweis”, liefert ihn jedoch nicht?

    Ergänzende Anmerkung André Tautenhahn: So ganz einig scheint man sich innerhalb der Bundesregierung nicht zu sein. Während Merkel eine Beteiligung an einem Militäreinsatz ausschließt, lässt Außenminister Heiko Maas auf Dienstreise in UK mit seinen Äußerungen eine gegenteilige Interpretation zu.

    dazu: Welche Rolle kann die Bundeswehr spielen?
    Ob die Amerikaner auch an Berlin herangetreten sind und wie die Bundesregierung zu einer Beteiligung der Bundeswehr steht, ist bislang offen. Aus dem Auswärtigen Amt war lediglich zu hören, dass die Bundesregierung in enger Abstimmung mit ihren Partnern und Verbündeten stehe. Rechtlich wäre für die Beteiligung an einem Kampfeinsatz der Bundeswehr in jedem Fall ein Mandat des UN-Sicherheitsrates notwendig. Zudem müsste der Bundestag einer Beteiligung zustimmen. Doch gab es bereits im Fall des Kosovo-Krieges 1999 einen Einsatz deutscher Soldaten, der erst im Nachhinein völkerrechtlich legitimiert wurde. Damals wurde von einer „humanitären Intervention“ gesprochen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Christian Reimann: Also laut “FAZ” steht einer Beteiligung der Bundeswehr nichts im Wege, oder? In diesem Fall dürfte es zwar deutlich schwerer oder nicht möglich sein, ein UN-Mandat zu erhalten. Aber das scheint nicht mehr von Interesse zu sein – ebenso ein Beweis für einen Giftgas-Einsatz durch die syrischen Regierungstruppen. Trotz offenbar bestehender Verstöße gegen rechtliche Prinzipien (Völkerrecht, Unschuldsvermutung) soll das Leben von Menschen billigend in Kauf genommen werden. Wäre das nicht zumindest Beihilfe zum Mord?

  4. Angst vor Luftangriffen
    Westliche Staaten drohen unverhohlen mit Bombardement von Syrien. In der Bevölkerung herrscht weiterhin Wunsch nach Frieden
    Die Nacht zu Mittwoch blieb ruhig. Ein erwarteter Angriff der US-Streitkräfte und ihrer Verbündeten auf Syrien hatte nicht stattgefunden. Doch rechnen viele in Damaskus und landesweit damit, dass der feindseligen und drohenden Sprache westlicher Regierungschefs – wie jüngst von US-Präsident Donald Trump – und ihrer Diplomaten im UN-Sicherheitsrat Raketen, Bomben und Zerstörung folgen könnten.
    »Sie haben schon Listen von Zielen veröffentlicht, die sie angreifen wollen«, sagt Nabil M., ein pensioniert Agraringenieur. Sein Nachbar Hussam, der früher bei der Landesvertretung von Mercedes-Benz in Syrien arbeitete, geht sogar davon aus, dass die US-Streitkräfte »die Telekommunikation, das syrische Fernsehen, den Präsidentenpalast, Ministerien, Brücken und militärische Anlagen« in und um Damaskus bombardieren könnten. Auf den Hinweis, dass es sich bei den meisten der von ihm vermuteten Ziele um zivile Einrichtungen handelt, die nach dem Völkerrecht nicht angegriffen werden dürfen, reagiert er mit Schulterzucken: »Was haben sie im Irak, in Mossul, in Deir Al-Sor und in Rakka gemacht? Die US-Armee kümmert sich nicht um das Völkerrecht.«
    Quelle: Karin Leukefeld in junge Welt

    dazu: Syrien: Ziel Iran?
    Schon lange wird argumentiert, dass der eigentliche Gegner, den die USA mit ihrer Syrien-Politik schädigen wollen, der Iran ist. Schon bei einer Anhörung vor dem US-Streitkräfteausschuss am 6. März 2012, äußerte der heutige Verteidigungsminister James Mattis die Meinung, der Sturz Assads wäre „der größte strategische Rückschlag für den Iran innerhalb der letzten 25 Jahre.“ (siehe IMI-Studie 2012/07) In der Deutschen Welle (via Bpb-Newsletter) sieht Josef Braml von der DGAP die Aktuellen Auseinandersetzungen in Syrien in demselben Kontext: „Ich glaube, dass Syrien für die USA tatsächlich nur ein Nebenkriegsschauplatz für die Auseinandersetzung mit dem Iran ist. Das nächste, was ansteht, ist die Aufkündigung des Nuklearabkommens im Mai, und dann wird sich der Konflikt verschärfen. Die Einmischung Irans in Syrien könnte den USA dann als moralische und geostrategische Rechtfertigung für ihr Vorgehen dienen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Trump zuletzt den Iran-Kritiker John Bolton zum Nationalen Sicherheitsberater gemacht hat. Ich nehme das sehr ernst.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

  5. Saudi-Arabien bekommt neue deutsche Waffen
    Die Bundesregierung rüstet den Terrorpaten Saudi-Arabien immer weiter auf statt wie im Koalitionsvertrag angekündigt, keine Waffenexporte an Länder zu genehmigen, die am Krieg gegen Jemen beteiligt sind. Das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Wie aus den Antworten [PDF] auf die Kleine Anfrage „Deutsche Rüstungsexporte an unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligte Länder“ (Bundestags-Drucksache 19/1052) von Sevim Dagdelen hervorgeht, wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres Rüstungsexporte an Saudi-Arabien im Umfang von 161,8 Millionen Euro genehmigt. Das ist eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und kommt einer „Beihilfe zu den Menschenrechtsverletzungen im Jemen gleich“, wie die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, gegenüber tagesschau.de erklärt hat.
    Die jüngsten Zahlen belegen eindeutig, so die Rüstungsexpertin Sevim Dagdelen: „Jenseits von Recht und Gesetz genehmigt die Bundesregierung immer weiter Rüstungsexporte in das Spannungsgebiet Naher und Mittlerer Osten. Auch mit deutschen Waffen werden in der Region Konflikte geschürt und Fluchtursachen geschaffen.“ Neben Saudi-Arabien wurden laut Bundesregierung im ersten Quartal Rüstungsexporte über 2,8 Millionen Euro nach Ägypten genehmigt, nach Katar waren es 27,3 Millionen Euro. Das ist fünfzig Mal so viel wie im ersten Quartal 2017. Damals lag das Volumen bei 505.000 Euro.
    Dabei heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag wörtlich: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.”
    Quelle: die Linke im Bundestag
  6. Was ist zu kritisieren an der MMT?
    Die Modern Monetary Theory nimmt für sich in Anspruch, über ein geschlossenes wirtschaftspolitisches Konzept zu verfügen. Bei näherem Hinsehen ist das aber nicht so einfach wie es oft klingt. Die internationale Währungsordnung und die Inflationstheorie sind klare Schwachpunkte.
    Wir haben in den vergangenen Wochen der Modern Monetary Theory (MMT) großen Raum eingeräumt, um ihre Position darzustellen. Bill Mitchell, einer der geistigen Väter dieser Theorie, hat in drei langen Teilen die Position der Vertreter dieser Theorie dargestellt (hier der erste Teil). Daraufhin hat es auf Makroskop eine (freundlich gedachte und explizit freundlich genannte) Kritik von Martin Höpner gegeben (hier), die sofort von Bill Mitchell auf seinem Blog (hier der erste Teil) aufgegriffen und wiederum heftig und in aller Ausführlichkeit kritisiert wurde. Auch Dirk Ehnts, der sich als direkter Vertreter der MMT sieht, hat rasch einen Aspekt der höpnerschen Aussagen kritisch aufgegriffen (hier). Paul Steinhardt hat ebenfalls zu der Debatte beigetragen (hier).
    Ich werde heute nicht versuchen, mich mit der MMT in allen ihren Aspekten auseinanderzusetzen. Große Teile (bei weitem die Mehrheit) der Positionen dieser Theorie decken sich mit unseren Analysen, so dass es sich erübrigt, dass ich das explizit durchdekliniere. Ich werde auch nicht versuchen, herauszufinden, was wirklich neu oder modern an dieser Theorie ist. Ich halte den Namen allerdings schon für problematisch: Wer eine Theorie als modern bezeichnet, statt zu sagen, worum es dabei geht, suggeriert, dass alle anderen, die sich mit dem gleichen Sujet befassen, altmodisch sind.
    Ich will bei meiner Kritik umgekehrt vorgehen: Ich ignoriere die Übereinstimmung und konzentriere mich auf drei kritische Punkte dieser Theorie, die teilweise auch in der Kritik Martin Höpners angeklungen sind. Ich tue das explizit auch auf die Gefahr hin, sofort von allen MMTlern dieser Welt in der Luft zerrissen zu werden. Ja, man muss leider anmerken, dass einige Vertreter dieser Theorie mit Kritik nicht sehr gut umgehen können und immer sofort heftig austeilen. So hat Bill Mitchell an einer Stelle sogar gesagt, wegen einer kritischen Stelle in Höpners Papier hätten wir den Beitrag von Martin Höpner nicht veröffentlichen dürfen. Das geht eindeutig zu weit. Solche Bemerkungen erwecken bei vielen Beobachtern den Anschein, die Vertreter der MMT verstünden sich inzwischen eher als Glaubensgemeinschaft, denn als Wissenschaftler, die bestimmte Positionen teilen. Diesen Eindruck sollte man auf alle Fälle vermeiden.
    Quelle: Makroskop
  7. Die moderne Tributökonomie und die Illusion der freien Märkte
    Acht Menschen besitzen heute so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Diese obszöne Konzentration von Reichtum in den Händen Weniger wird nicht, wie viele Menschen glauben, in erster Linie durch Markterfolge gesichert, sondern vor allem durch den Zugriff privater Kapitaleigner auf staatliche Umverteilungsmechanismen. Es gehörte schon immer zu den schmutzigen Geheimnissen des real exstierenden Kapitalismus, dass er mit freien Märkten sehr wenig zu tun hat und von Anfang an untrennbar mit staatlichen Herrschaftsstrukturen verflochten war. Die frühneuzeitlichen Staaten gewährten Händlern und Bankiers wie den Fuggern Monopolrechte als Gegenleistungen für Kredite, mit denen die Landesherren Söldner und Rüstungsgüter bezahlten. Nur durch diese Kredite konnten die sich neu formierenden Territorialstaaten ihre Macht aufbauen. Und nur durch die Monopole konnten die Händler und Bankiers die enorme Konzentration von Kapital in ihren Händen erreichen, ohne die der Kapitalismus undenkbar wäre. Die ersten Aktiengesellschaften des 17. Jahrhunderts waren Schöpfungen von Staaten und wurden von ihnen mit Charterbriefen, Monopolrechten und sogar militärischen Mitteln ausgestattet.[1] Bis heute sichern Staaten für private Unternehmen weltweit Handelswege und setzen Eigentumsrechte durch – oft gegen den massiven Widerstand lokaler Bevölkerungen, etwa wenn es darum geht, neue Kupferminen oder Tagebaue zu erschließen, Pipelines zu bauen oder Kleinbauern für Palmölplantagen zu vertreiben.
    Quelle: Kontext TV
  8. Ausstand mit Auszeit
    Gewerkschaften gelten dem Zeitgeist nicht selten als steinzeitliche Dinosaurier und Relikte des Industriezeitalters. In Frankreich sind diese Meinungen noch stärker verbreitet als in Deutschland, weil in diesem Land die Syndikate in Privatunternehmen sehr schwach sind. Flächendeckend streikfähig sind sie nur noch im öffentlichen Sektor, um den Interessen von Beamten, Eisenbahnern oder Lehrern Geltung zu verschaffen.
    Im Februar hat Präsident Macron angekündigt, die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF durch Reformen privatisierungsreif zu machen und bei Neueinstellungen das Eisenbahnerstatut zu kassieren, das für Sonderbelastungen des Personals (Nacht- und Sonntagsdienste, häufiger Ortswechsel) Kompensationen vorsieht, die gemeinhin als Privilegien denunziert werden. Das Vorhaben stieß sofort auf den geschlossenen Widerstand der vier bei der SNCF präsenten Gewerkschaften CGT, CFDT, FO und Rail-Sud. Die einigten sich mit den Beamtengewerkschaften auf den 22. März als ersten Aktionstag, das heißt, auf Kundgebungen in etwa 200 Städten. Zugleich gilt seit Anfang April eine innovative Proteststrategie, die den Gewerkschaften kaum jemand zugetraut hat: Bis zum 28. Juni soll jeweils an zwei von fünf Tagen gestreikt werden. Verantwortlich dafür ist eine junge Generation von Gewerkschaftsführern, unter denen Laurent Brun herausragt. Er will, dass die Trade Unions den Hang zum Fatalismus überwinden und auf Zorn umschalten. Brun, geboren 1979, ist seit Januar 2017 Generalsekretär der Eisenbahnersektion bei der CGT, gilt als die rechte Hand von CGT-Chef Philippe Martinez und durchsetzungsfähig. Die konservative Presse sieht in ihm „das jugendliche Antlitz des Stalinismus“, ohne dies mit belastbaren Aussagen Laurent Bruns unterfüttern zu können.
    Bekanntlich ist in Frankreich das Streikrecht viel weniger reglementiert als in Deutschland. Im Prinzip können Gewerkschaftsführungen jederzeit zum Ausstand rufen, falls sie sicher sind, dass ihnen die Mitglieder folgen, die so gut wie kein Streikgeld erhalten. Für sogenannte politische Streiks gibt es im Französischen nicht einmal ein Wort, weil Streikaktionen als politisch legitim gelten und die Fiktion vom „unpolitischen Streik“ bestenfalls Kopfschütteln erzeugt.
    Quelle: der Freitag

    dazu: Emmanuel Macron im TV-Interview: Sprechstunde beim Oberlehrer der Nation
    Emmanuel Macron hat Frankreich einen Reformkurs verordnet, der bei vielen Bürgern gar nicht gut ankommt. Nun warb der Präsident wie ein Pädagoge um Vertrauen, Geduld und Unterstützung für seine Politik. […]
    Macron, der sich im Wahlkampf vor einem Jahr selbst als “Jupiter” bezeichnet hatte, ist aus dem Olymp der Umfragen gestürzt. Und seine Art – autoritär, geradeaus, bonapartistisch – stößt auch in der eigenen Partei La République en Marche zunehmend auf Unverständnis. Also muss Pädagogik her, die Franzosen sollen endlich verstehen, dass es “um das Haus Frankreich” geht.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schön symbolisch. Klar, die Bürger, die (anscheinend mehrheitlich) gegen die als “Reform” titulierte radikale Umverteilung von unten nach oben sind, haben es einfach nicht verstanden und müssen belehrt werden. “Besser vermitteln und erklären”, das kenne ich schon aus Deutschland. Besonders schön ist dann eine glatte Lüge: “Steuersenkungen erteilt Macron eine Absage, weil die Schulden zu hoch seien.” Interessant, weil Macron schon mit Milliardenkosten (für den Staat) Steuern (für Vermögende und Unternehmenseinkommen) gesenkt hat und weiter senken will.

  9. Gewerkschaften unter Druck – Die Situation nach dem Putschversuch in der Türkei
    Insbesondere seit dem Putschversuch vom Juli 2016 treibt Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei eine autoritäre Wende voran. Davon sind auch Beschäftigte und linke Gewerkschaften betroffen. Die staatliche Repression ist härter geworden – und der Einfluss islamisch-konservativer Gewerkschaften stärker.
    Die Gewerkschaftslandschaft in der Türkei ist durch eine schiere Anzahl an kleinen und mittelgroßen Gewerkschaften geprägt. So sind in einer Branche gleich mehrere Einzelgewerkschaften aktiv. Allein in der Textil-Branche existieren derzeit acht kleine Gewerkschaften, die nicht unmittelbarer Ausdruck der allgemeinen Produktionsstärke dieser Schlüsselbranche sind, sondern vielmehr die Spaltung der türkischen Gewerkschaften in politische Strömungen kennzeichnen. Genauer: Anhand der Zugehörigkeit der Einzelgewerkschaften zum jeweiligen Gewerkschaftsbund kann im Wesentlichen auch die politische Ausrichtung bestimmt werden. Es existieren mehrere Gewerkschaftsbünde, in der viele Einzelgewerkschaften organisiert sind und teilweise sogar miteinander konkurrieren. So ist es auch üblich, dass die Politik der Einzelgewerkschaften durch die Ausrichtung der Gewerkschaftsbünde bestimmt wird.
    Quelle: Blickpunkt WiSo
  10. Urteil des EuGH: Deutschland verstößt wohl gegen EU-Recht
    Deutschland muss wohl den Familiennachzug für Angehörige minderjähriger Flüchtlinge großzügiger gestalten. Es wäre die Konsequenz aus einem Urteil, das der EuGH am Vormittag gefällt hatte.
    Die Rechtslage in Deutschland ist bislang eindeutig: Eltern von einem in Deuschland lebenden, minderjährigen, anerkannten Flüchtling haben nur einen Nachzugsanspruch, bis das Kind volljährig wird. “Ein Visum kann daher nur erteilt werden, solange das Kind minderjährig ist”, erklärte das Auswärtige Amt.
    Nun allerdings entschied der EuGH, dass minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die während des Asylverfahrens volljährig werden, ihr Recht auf Familienzusammenführung behielten. Ein Antrag müsste aber innerhalb von drei Monaten ab dem Tag gestellt werden, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt wurde. Damit müsste wohl auch Deutschland den Familiennachzug großzügiger gestalten. Vom Auswärtigen Amt war nach der Entscheidung zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
    Quelle: Tagesschau
  11. Ruderchampion des Tages: Mark Zuckerberg
    Für einen kurzen Moment hätte man hoffen können, dass Mr. Facebook bei seinen ersten Anhörungen vor Abgeordneten des US-Kongresses am Dienstag abend (Ortszeit) in die Mangel genommen wird und alle Leichen aus dem Keller holt. Aber dafür ist Mark Zuckerberg zu windig. Seine Taktik: rudern. Auf die ihm gestellten Fragen gab er widersprüchliche Antworten, die Kongressleute verwirrte er damit erfolgreich.
    Anlass der Anhörung ist das Bekanntwerden des eigentlichen Kerngeschäfts von Facebook: sämtliche verfügbaren Nutzerdaten zu sammeln, aufzubereiten und an den Meistbietenden zu verscherbeln. Die Firma Cambridge Analytica, die bislang als der Buhmann schlechthin galt, nutzte einen regulären Zugang zu Facebooks Datenreichtum, ohne irgendwelche Bestimmungen zu verletzen.
    Ein pikantes Detail wurde in den Tagen vor dem ersten Anhörungstermin bekannt: Mitglieder des Komitees, dem Zuckerberg zwar Rede stand, Antworten aber schuldig blieb, sollen laut einem Bericht der Zeitung USA Today vom 4. April seit 2007 knapp 381.000 US-Dollar an Spendengeldern von Facebook erhalten haben. Auf diese Weise verschafft man sich eine gewogene Aufsichtsbehörde, die einem das Geschäft nicht vermiest. Auch im letzten Wahlkampf zeigte sich das angeblich so soziale Netzwerk bereits im Vorfeld erkenntlich für den Verzicht auf echte Regulierungsmaßnahmen. Laut USA Today sollen die Demokraten von Facebooks insgesamt sieben Millionen US-Dollar Parteispenden 65 Prozent und die Republikaner 33 Prozent erhalten haben.
    Zuckerberg versprach übrigens, dass sich Facebook in den USA und überall sonst in der Welt gegen Wahlmanipulation und Falschmeldungen einsetzen werde. Dumm nur, dass Facebook genau das befördert. Der Konzern bestimmt, was Nutzer zu sehen kriegen und was im digitalen Orkus verschwindet.
    Quelle: junge Welt
  12. Ist linke Politik so kompliziert?
    Sozialdemokratie Was den SPD-Genossinnen fehlt, ist nicht die gute Idee, sondern der Mut zum Bruch. Mit der Parteispitze – und dem Neoliberalismus
    Die SPD ist jetzt also hip. Willy-Brand-Haus war gestern, nun lädt der Vorstand ins coole Berliner Netz-„Basecamp“ des Konzerns Téléfonica. Und will in Online-Foren, Impulsreihen und Debattencamps diskutieren lassen, Style: re:publica. Am Montag stellte Lars Klingbeil die Pläne des Parteivorstands vor, Motto: „Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu“. Und plötzlich klingt die SPD schon voll erneuert. Eben das ist das Problem. Sie klingt nur so.
    Während die Sozialdemokraten an coolen Namen für ihren Debattenprozess arbeiten, hat der konservative Koalitionspartner vorgelegt: Der Islam gehört nicht zu Deutschland, es fehlt an Recht und Ordnung, Geschwister müssen vom Familiennachzug ausgeschlossen werden: Horst Seehofer und Jens Spahn kennen ihre Agenda. Was hat die SPD dem entgegenzuhalten? Kaum etwas, außer einer halbherzigen Debatte über Hartz IV. […]
    Was der SPD fehlt, ist die klare Positionierung für die Arbeitenden, Prekarisierten, Migrantinnen – und gegen so manches Interesse der Reichen. Sozial ist eben nicht schon, was Arbeit schafft. Was ansteht, ist ein Bruch, ist die Entscheidung: für die Gewinner des Neoliberalismus – oder für das Soziale. Olaf Scholz hat vorgelegt und einen Goldman-Sachs-Manager in sein Ministerium geholt. Nun hat die Basis Zeit, ihre Entscheidung zu treffen. Für diese Parteispitze – oder für den Aufstand. Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu.
    Quelle: Freitag

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