Leserbriefe zu „Sprache und Wirklichkeit – ein schwieriges Verhältnis“
Zu dem Artikel Sprache und Wirklichkeit – ein schwieriges Verhältnis erreichten die Nachdenkseiten einige Zuschriften, die sich teils sehr detailliert mit den Aussagen im Artikel auseinandersetzen. Interessanterweise stieß der Artikel scheinbar auf mehr Resonanz bei Männern als bei Frauen. Vielleicht ist es bei dieser Leserbriefsammlung ja umgekehrt. Ein Leser schreibt, Frauen seien in Deutschland „längst gleichberechtigt“, das wage ich zumindest zu bezweifeln, auf jeden Fall besteht bei so einer Behauptung die Gefahr, dass man sich auf dünnem Eis ausruht. Vielen Dank an alle, die uns geschrieben haben! Frau Dr. Schrattenholzer war auch so freundlich, eine Antwort auf die Leserbriefe zu verfassen, die ganz am Ende des Textes zu finden ist. Zusammengestellt von Moritz Müller.
1. Leserbrief
Hallo,
Ich habe mir das durchgelesen, und so richtig kann ich nicht zustimmen. Sicher ist es da, wo Menschen beiderlei Geschlechts direkt angesprochen sind, höflich und sinnvoll, etwa von “Lehrerinnen und Lehrern” zu sprechen, in der Anrede ganz besonders.
Und in der Frage der Kundin hat das oberste Gericht nun einmal entschieden, und so kränkend finde ich das Formular auch nicht, dass da ein Grundrecht verletzt wäre.
Der Sprache mit der Logik zu kommen erscheint mir nicht hilfreich. Sprache ist nicht logisch, sie springt von Analogiebildungen zur Sprachentwicklung und zurück, der menschliche Verstand ist darauf angelegt, mit Widersprüchen umzugehen.
Und das Beispiel ist auch nicht gut. Lehrerin plus Lehrer gleich Lehrer, ohje, die Frauen werden unterdrückt. Aber der plus die gleich die und er plus sie gleich sie, unterdrückt da die Sprache die Männer?
Kurz, ich finde, man sollte auf dem Teppich bleiben und vor allem von Scheusslichkeiten wie Innen, *innen oder X Abstand nehmen.
Gruss, Erhard Sanio
2. Leserbrief
Liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
Sie haben heute einen Artikel von Elisabeth Schrattenholzer veröffentlicht, der mich ratlos hinterläßt. Frau Schrattenholzer baut ihre gesamte Argumentation zur angeblich fehlenden Logik der Mehrzahlformen auf einer völlig falschen Prämisse auf, so daß ihre Schlußfolgerungen keinerlei Sinn ergeben. Sie schreibt:
Ein Teilbegriff einer Menge (Autos und Fahrräder) kann und darf niemals gleichzeitig deren Oberbegriff sein.
Das ist soweit erstmal korrekt. Dann aber folgt diese Behauptung:
Allerdings fordert ein Grammatikgesetz, Logik und Realität zu umgehen, sobald es sich um weibliche und männliche Menschen und ihre Darstellung in Mehrzahlformen handelt. In so einem Fall darf der maskuline Teilbegriff (Lehrer) gleichzeitig Oberbegriff (Lehrer) sein. Die Frauen dürfen sich mitgemeint fühlen.
Das ist völlig falsch. Lehrer ist nicht der »maskuline Teilbegriff«, sondern nur der Oberbegriff, der eben im Maskulinum steht. Man muß immer wieder betonen: Genus und Sexus haben nichts miteinander zu tun. Man könnte Maskulinum und Femininum auch einfach anders nennen, sie stehen nicht für Mann und Frau. (Weiterführendes dazu findet man vom Linguisten Peter Eisenberg in der SZ, vom Autor und Sprachwissenschaftler Daniel Scholten auf seinem Blog und vom Pädagogen Arthur Brühlmeier.) Die allermeisten normal Denkenden verstehen das auch automatisch so, es gehört zu den grundlegenden Prinzipien unserer Sprache. Lehrer funktioniert nur als Oberbegriff, nicht als Teilbegriff für die männlichen Lehrer. Es ist also genau umgekehrt, als Frau Schrattenholzer behauptet. Daß man Teilbegriff und Oberbegriff trennen muß, stimmt natürlich, aber das ist im Deutschen längst der Fall, weil die angeblich männliche Form eben gerade nicht männlich ist. Es gibt bei diesem Typ von Funktionsbezeichnungen im Deutschen keine ausdrückliche Form für Männer, nur eine ausdrückliche Form für Frauen, nämlich die mit der angehängten Endung -in.
Man kann das an simplen Beispielsätzen demonstrieren, wie z. B.: »Die Schüler hatten schlechtere Noten als die Schülerinnen.« Dieser Satz ist falsch und widerspricht der Logik, weil hier die Teilmenge der weiblichen Schüler (»die Schülerinnen«) mit der Gesamtmenge (»die Schüler«) verglichen wird. Das kann natürlich nicht funktionieren. Will man ausdrücklich das männliche Geschlecht bezeichnen, muß man das Adjektiv »männlich« voranstellen. Der Satz müßte also richtig lauten: »Die männlichen Schüler hatten schlechtere Noten als die weiblichen.« oder »Die männlichen Schüler hatten schlechtere Noten als die Schülerinnen.« Jeder Deutschsprecher mit intaktem Sprachgefühl kennt automatisch diese Zusammenhänge, er muß darüber nicht nachdenken.
Insofern ist Frau Schrattenholzers Aussage »Die Frauen dürfen sich mitgemeint fühlen.« nur die halbe Wahrheit. Auch die Männer dürfen sich bei den Lehrern nur mitgemeint fühlen, aber für sie gibt es keine zusätzliche geschlechtsspezifische Form, wie sie für Frauen existiert.
Das Fehlen einer spezifisch männlichen Form ist aber überhaupt kein Problem, das Geschlecht ist ohnehin in den meisten Fällen nicht von Bedeutung. Erst durch die feministische Forderung nach ständiger zusätzlicher Nennung der Frau wird eine Trennung zwischen den Geschlechtern konstruiert, die es sonst einfach nicht gäbe und die völlig überflüssig ist. Erst durch die dauernde Zusatznennung der weiblichen Form wird die übergreifende Form von einigen (die viele solche Texte lesen) tatsächlich inzwischen als rein männlich wahrgenommen, was sie nicht ist und nie war. Diese Leute erkennen dann den o. g. Satz (»Die Schüler hatten schlechtere Noten als die Schülerinnen.«) nicht mehr als falsch. Das führt zu nicht zu unterschätzenden Problemen in der Kommunikation mit denjenigen, die sich weiterhin an die Regeln der deutschen Sprache halten. Ein fataler Nebeneffekt der sexualisierten Sprache, also der Vorgehensweise, dauernd beide Geschlechter zu nennen, ist, daß man damit ohne jede Not einen Keil zwischen Männer und Frauen treibt und einen unsinnigen Geschlechterkampf anzettelt, der die Solidarität zwischen Männern und Frauen untergräbt.
Diese abgehobene Diskussion zur angeblich geschlechtergerechten Sprache, die nur in feministisch dominierten, intellektuellen Kreisen stattfindet, ist meilenweit von der Realität der großen Mehrheit entfernt. Niemand will so sprechen, auch die meisten Frauen nicht. In anderen Ländern geht man wesentlich vernünftiger mit dem Thema um. In Dänemark zum Beispiel gibt es bei Funktionsbezeichnungen ebenfalls eine weibliche Endung wie im Deutschen: lærer – Lehrer, lærerinde – Lehrerin. Solche Wörter werden auch ebenso verwendet wie im Deutschen. Die Däninnen haben aber genau den umgekehrten Weg gewählt wie die Feministinnen in Deutschland: Sie sprechen von sich selbst inzwischen mit der allgemeinen Bezeichnung, die weibliche Form mit der Endung -inde verschwindet immer mehr. Eine Frau würde also von sich sagen: »Ich bin Lehrer« und nicht mehr »Ich bin Lehrerin«.
Diese Vorgehensweise ist vernünftig und logisch – das Geschlecht ist meist irrelevant, es gibt keinen Grund, es durch Verwendung der weiblichen Endung hervorzuheben. Außerdem wird die Sprache dadurch noch vereinfacht. In Deutschland will man dagegen unbedingt und in jeder Situation das Geschlecht betonen, egal wie irrelevant es ist, und das ohne jede Rücksicht auf Verständlichkeit, Lesbarkeit, Logik und Sprachökonomie. So funktioniert Sprache aber nicht, sie strebt immer zur Vereinfachung – eine Verkomplizierung wird nicht akzeptiert, schon gar nicht, wenn sie von oben diktiert wird.
Dazu kommt, daß jeder Versuch von geschlechtergetrennten Doppelnennungen schon deshalb zum Scheitern verurteilt ist, weil die Texte unlesbar werden (»Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin oder sein oder ihr Stellvertreter oder seine oder ihre Stellvertreterin …«, abschreckende reale Beispiele findet man bei Arthur Brühlmeier). Strenggenommen ist das vorstehende Satzfragment immer noch nicht vollständig »gegendert«, denn eigentlich müßte es »der Bürger- und Bürgerinnenmeister oder die Bürger- und Bürgerinnenmeisterin« heißen. Ich denke, es ist offensichtlich, daß sowas niemals funktionieren kann. Alle Ausweichversuche mit substantivierten Partizipien (die unsäglichen »Studierenden«) oder bewußt unpersönlichen Formulierungen, die jede konkrete Personenbezeichnung vermeiden, führen dann auch zu unpersönlichen Texten und einem zwangsläufig schlechten Schreibstil, den niemand mehr lesen will.
Ohne neutrale Kollektivbezeichnungen lassen sich außerdem viele Sachverhalte überhaupt nicht mehr ausdrücken. Was macht man mit Sätzen wie »Der Einbrecher war eine Frau«? Solche Sätze funktionieren nur mit geschlechtsunabhängigen Bezeichnungen. »Die Einbrecherin war eine Frau« ist tautologisch. Wenn man sich aus ideologischen Gründen weigert anzuerkennen, daß all die Begriffe, die wir schon haben, bereits geschlechtsneutral sind, müßte man komplett neue Begriffe erfinden, was in dem Ausmaß, wie es hier nötig wäre, zum Glück niemals funktionieren wird, außer vielleicht mit Gehirnwäsche in einem autoritären, totalitären System.
Das bringt mich zu dem nahezu unglaublichen Resümee von Frau Schrattenholzer, die offenbar genau diese Gehirnwäsche vorhat:
Geben Sie dem Kind, das Sie einmal gewesen sind, recht. Zu Recht hat dieses Kind nicht verstanden, warum zwei Lehrerinnen und zwei Lehrer vier Lehrer sein sollten. Auch wenn die neu zu erdenkenden Sprachformen manchmal kompliziert und jedenfalls ungewohnt sind (LehrerInnen, Lehrer*innen, Lehrer_innen oder Ähnliches): Es ist ein Grundgesetz der Logik, dass der Teilbegriff einer Menge nicht gleichzeitig deren Oberbegriff sein darf. Wer realitätswidrige Mehrzahlformen bislang für okay oder entschuldbar gehalten hat, sollte die Sache mit Blick auf die Logik, die ja für korrektes Argumentieren unabdingbar ist, noch einmal überdenken.
Daß die Pluralformen nicht realitätswidrig sind, habe ich dargelegt. Daß die genannten »neu zu erdenkenden Sprachformen« kompliziert sind, genügt schon, sie zurückzuweisen. Dazu widersprechen sie aber auch noch allen Regeln der Rechtschreibung; man kann nicht einfach irgendwelche Zeichen mitten in Wörter implantieren, und Binnenversalien sind ebenfalls inakzeptabel. Diese Regeln sind auch nicht willkürlich – jedes geschriebene Wort muß gesprochen werden können, was aber für keine dieser Konstruktionen gilt. Manche sprechen einen Glottisverschluß, was wie Schluckauf klingt und keinesfalls eine Lösung ist.
Es würde allerdings der Wunsch nach Einhaltung des verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatzes genügen, die realitätswidrigen Mehrzahlformen zu ächten. Denn dem Geist dieses Gesetzes gemäß ist alles zu ändern, was der Gleichbehandlung von Menschen zuwiderläuft; daher gegebenenfalls auch Denk-, Sprach- und Grammatikgewohnheiten.
Noch einmal: Die Pluralformen sind nicht realitätswidrig, das ist eine erfundene Behauptung von Frau Schrattenholzer. Wirklich erschreckend ist das, was dann kommt: Sie will elementare Bestandteile unserer Sprache »ächten« und begründet das auch noch mit verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen. Das ist eine autoritäre und totalitäre Gesinnung, die dem ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Freiheitsgedanken völlig widerspricht. Daß die Pluralformen im Deutschen der Gleichbehandlung von Menschen zuwiderlaufen, ist im übrigen eine groteske Behauptung.
Das schwierige Verhältnis von Sprache zu Wirklichkeit verdient unsere Aufmerksamkeit. Und es verlangt unser Differenzierungsvermögen, damit genaue Sprache zu verlässlichen Ergebnissen führen kann. „Propaganda, auch Manipulationen, sind dann erfolgreich, wenn die Botschaften permanent wiederholt werden“, schreibt Albrecht Müller in den „NachDenkSeiten“. Falsche Mehrzahlformen sind in betäubender Zahl wiederholt worden – und sie werden immer noch wiederholt. Die damit vielleicht sogar unfreiwillig transportierte Botschaft, dass Frauen in der Mehrzahl nicht der Rede wert seien, sollte zugunsten der Wirklichkeit, zugunsten der Frauen und zugunsten verlässlicher Information nicht mehr wiederholt werden.
Niemand außerhalb kleiner, radikalfeministischer Kreise empfindet, daß Frauen in der Mehrzahl nicht der Rede wert sind. Das ist reine Ideologie, die jeder Grundlage entbehrt. Ich kann absolut nicht nachvollziehen, was man sich von diesen wilden Übertreibungen verspricht. Man macht sich damit bestenfalls lächerlich, schlimmstenfalls diskreditiert man die gesamte Gleichberechtigungsbewegung und erzeugt Widerstände und Gegenbewegungen, die sich auch auf vernünftige Maßnahmen ausweiten können. Dieser Gendersprech, wie er in Deutschland praktiziert wird, ist somit kontraproduktiv und äußerst schädlich.
Auf den Nachdenkseiten wurde in letzter Zeit viel über die Probleme der politischen Linken geschrieben. Es stellt sich in der Tat die Frage, warum sie offenbar so wenige anspricht, deren Interessen sie eigentlich vertreten sollte. Für mich liegt einer der Gründe genau in solchen Diskussionen, wie wir sie hier sehen. Sie sind so abgehoben, daß die große Mehrheit der Bevölkerung damit nichts anfangen kann. Das wäre an sich noch nicht so schlimm, aber diese Diskussionen münden in der Regel in politischen Forderungen, die viele – in meinen Augen zu Recht – als übergriffig empfinden. Im vorliegenden Fall ist das der autoritäre Eingriff in die Sprache, den ich mir nicht gefallen lasse, und viele andere auch nicht. Ich habe bereits die von oben diktierte, schlecht gemachte Rechtschreibreform von 1996 (»nur« ein Eingriff in die Schreibung, nicht in die Sprache) abgelehnt und wende sie bis heute nicht an, und ich werde mich auch jeder Art von gegenderter Sprache widersetzen. Und ich verwehre mich strikt dagegen, deshalb geächtet zu werden.
Ich ordne mich selber auf der linken Seite des politischen Spektrums ein, die für mich u. a. für einen starken Sozialstaat, eine gerechte Verteilung des Wohlstands, umfassendes Staatseigentum an der Infrastruktur (auch Bahn, Telekommunikation usw.), makro- statt mikroökonomisches Denken und Friedenspolitik steht. Bei der SPD findet man das heute nur noch bei wenigen Aufrechten, bei der Linkspartei schon eher. Was mich aber bei allen linken Parteien extrem abschreckt und sie für mich zunehmend unwählbar macht, ist die Vernachlässigung der Mehrheit und die Konzentration auf angeblich benachteiligte Kleingruppen. Vielleicht steht dahinter eine gute Absicht, aber de facto eint man so nicht die Gesellschaft, man spaltet sie. Durch die Spaltung in immer kleinere Gruppen tritt das Gemeinsame immer mehr in den Hintergrund, die ohnehin schon fortgeschrittene Vereinzelung wird eher gefördert als vermindert. Das gilt insbesondere, wenn man dabei so autoritär auftritt, wie das viel zu häufig geschieht, und versucht, von oben herab sämtliche Werte und Gewißheiten zu dekonstruieren und zu zerschlagen. Das erzeugt Widerstand und Ablehnung, die sich schlimmstenfalls nicht nur gegen die Partei richtet, sondern auch gegen die Gruppen, denen man eigentlich Gutes tun wollte.
Mit der Unterstützung solch unsäglicher Aktionen wie der von Marlies Krämer tut sich die politische Linke keinen Gefallen. Man stößt damit nicht nur knapp die Hälfte der Bevölkerung, nämlich die Männer, vor den Kopf, sondern auch die Mehrheit der Frauen, die längst gleichberechtigt sind, intuitiv verstehen, wie unsere Sprache funktioniert, und mit solchen ideologischen Kämpfen nichts anfangen können. So treibt man rechten Parteien die Wähler zu. Wenn das nicht bald aufhört, ist die Linke nicht mehr zu retten.
Mit besten Grüßen
Daniel Tapken
PS: Ich hoffe, der Beitrag von Frau Schrattenholzer bleibt nicht unwidersprochen, und sie suchen und finden jemand mit Expertise, der eine Gegenrede verfaßt. Ich habe wirklich die Sorge, daß solche Beiträge abschreckend wirken.
3. Leserbrief
Hallo zusammen,
ich kann nicht anders, aber ich muss eine Polemik zu obigem Artikel loswerden:
Die Sprache bestimmt das Denken, das wussten schon die (alten) Griechen, die Sprache mit „Logos“ bezeichneten und auch das Johannesevangelium mit „Am Anfang war das Wort“ beginnen ließen. Aus diesem Grunde habe ich bereits als männlicher Heranwachsender einen starken Minderwertigkeitskomplex entwickelt, da im Deutschen so gut wie alle Mehrzahlen immer nicht von meinem Geschlecht waren, redet man doch von „die Käse“, „die Würste“, „die Tische“, „die guten Schulnoten“ und sogar von „die Jungens“ und „die Männer“, obwohl – zugegeben – ich durfte mich bei „die Jungens“ und „die Männer“ mitgemeint fühlen ;-). Selbst in unserer Nationalhymne wird von den drei tragenden Säulen unserer Gemeinschaft als „die Einigkeit“, „die Gerechtigkeit“ und „die Freiheit“ gesprochen, alles feminin. Wie soll man aber als maskulines Wesen hiermit fertig werden und sich geistig trotzdem gesund entwickeln? Die Genderreinigung der Sprache ist ein nicht zielführendes und auch kulturzerstörendes Unterfangen (Emilia Galotti gehört natürlich verboten, vermittelt es doch heute lebenden Gymnasiasten [ich verweigere mich nicht nur hier der Sternerei] ein völlig verqueres Frauenbild ebenso wie bestimmte Gedichte an Berliner Hochschulen, Antigone steht für mich auf dem Prüfstand, immerhin eine starke Frau aber dieser Kreon setzt seine männlichkeitswahnsinnigen Vorstellungen letztlich durch). Ich schlage vor, wir schaffen Deutsch ab und dafür Englisch an, das sollte in einer Generation möglich sein und dann ist Ruhe und wie man in England leicht sehen kann, ist dann ja auch alles in Ordnung. Ach ja, ein Letztes noch: „Vor dem (siebenjährigen) Kind stehen zwei Lehrerinnen und zwei Lehrer“ – wie, bitte schön, kommt Frau Professor auf den Klops, dass an einer deutschen Grundschule zwei männliche Lehrer aufzutreiben wären?
Mit freundlichem Gruß an die Herausgeber meiner Lieblingsinformationslektüre,
Michael Verner
4. Leserbrief
Liebe Nachdenkseiten,
in eurem Beitrag wird von Logik gesprochen, gemeint kann aber nur (Sprach)Formale Logik sein.
Mir als Logiker, fällt immer wieder auf, daß vor allem Geisteswissenschaftler eine seltsame Auslegung von Logik betreiben.
Logik ist die Kunst des Folgerns. Eine Sprache ist nicht aus sich heraus logisch. Das gilt auch für die Sprache Mathematik. Aus einer Formalie ergibt sich weder Inhalt, noch Bedeutung oder gar einen Sinn.
Ein Sachverhalt ändert sich nicht, indem ich ihn anders benenne. Immer wenn ich Identitätspolitik lese, frage ich mich, ob der Universalienstreit jemals beendet wurde. Ich habe bereits beim Vortrag von Rainer Mausfeld darauf hingewiesen, daß Sprache seit nunmehr 40-50 Jahren immer stärker formalisiert wird. Hier nun der Nachweis, daß dies eben keine akademische Diskussion ist.
Sprache ist grundsätzlich nicht in der Lage die Wirklichkeit zu beschreiben. Sprache ist der Mittler eines Sachverhaltes und nicht dieser selbst. Dem Sachverhalt ist es egal, wie er benannt wird. Es existiert keine eindeutige Sprache. Daraus folgt: Kein Mensch denkt in Sprache.
Zum Thema
Die Behauptung, da stehen vier Lehrer, ist richtig, denn Lehrer bezieht sich auf den Menschen, der lehrt und nicht auf ein biologisches Geschlecht. In diesen ganzen Diskussionen verschwindet nicht der konkrete Mann oder die konkrete Frau, es verschwindet das Abstrakte, der Mensch! Es geht um den ausgeübten Beruf des Lehrers mit der ausgeübten Tätigkeit des Lehrens. Es gibt keinen Beruf namens Lehrerin, sowenig wie die Tätigkeit des Lehrerinnens. Wer einen Mann als Lehrer beschreiben will, muß diesen korrekterweise einen männlichen Lehrer nennen. Nun gibt es die Sonderform Lehrerin, für einen weiblichen Lehrer. Das Problem ist sehr einfach zu lösen, indem die Sonderform aufgegeben wird. Der Beruf leitet sich aus der Tätigkeit ab. _Der_Mensch_ übt eine Tätigkeit aus, nicht der Mann. Der Mensch ist von Beruf. Der Mensch folgt dem Ruf. Bei einer Amme ist dies anders, da die Tätigkeit des Stillens nur von Menschen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen ausgeübt werden kann und nicht von allen Menschen.
Das Kind ist nicht mit zwei Wirklichkeiten konfrontiert, nur der Konstruktivist ist dies. Abstraktes Denken geht der Sprache voraus und nicht umgekehrt. Das ist einer der Gründe, weshalb der Konstruktivist scheitert, denn diesem liegt ein grundsätzlicher Denkfehler zugrunde, ein Zirkelschluß. Wenn alles ein Konstrukt ist, ist auch alles, was der Konstruktivist konstruiert nur ein Konstrukt, er hat keinerlei Bezug zur Wirklichkeit. Er kann nicht zwischen Wirklichkeit und Konstrukt unterscheiden. Hier findet die Doppelbindungstheorie ihre Anwendung. Der Konstruktivismus ist seiner Aussage nach postfaktisch, da er keine Fakten anerkennt.
Es wird von vier Menschen, die Lehren, gesprochen und das Kind sieht auch genau diese vier Menschen. Da ist kein Widerspruch, auch nicht ansatzweise in der Formalie. Die Ignoranz der Tatsachen liegt beim konstruktivierenden Formalienreiter, der ernsthaft glaubt, Begriffe hätten eine Entsprechung in der Wirklichkeit. Nein, hier wird nur eines erreicht, daß Menschen sich nicht um die tatsächlichen Probleme kümmern, sie sollen sich mit formalen Sprachspielen, Sprechblasen, abspeisen lassen.
Semmelweis ist ja geradezu ein Paradebeispiel, um die Frau Doktor (Doktor ist ein Titel…) zu widerlegen, denn ihm ging es um den Sachverhalt und nicht um die Benennung. Statistik ist auch keine Hypothese, Zahlen alleine sagen gar nichts aus.
Oder aber ich gehe davon aus, daß es Menschen und Menschinnen gibt. Genau hier verbirgt sich auch der Rassismus und Sexismus, der allseits von bekannter Seite angemahnt wird. Sie reproduzieren diesen selbst mit ihrer stereotypen Wiederholung!
Das Ganze sprachliche Babylon hat mit dem Feminismus der Grünen und der SPD begonnen, diese Trennung des Menschen in Geschlechter in den Formalien zu transportieren, das ändert nichts daran, daß dieser Ansatz bereits falsch war, denn diese erzeugen eine Scheinrealität:
Die Vorstellungen des Menschen bestimmen, wie er Sprache wahrnimmt und nicht umgekehrt!
Die Irritation läßt sich auch anhand der Ansprache in den Nachdenkseiten nachweisen, denn erst die Ansprache als Liebe Leser und Leserinnen führt zur Irritation, denn Liebe Leser leitet sich aus der Tätigkeit lesen ab. Der Leser ist der Mensch, der liest. Die Verbindung zum biologischen Geschlecht wird erst durch die zusätzliche Verwendung von Leserinnen erzwungen. Wird wirklich das biologische Geschlecht Geschlecht gemeint, ist der männliche und weibliche Leser zu unterscheiden. Nur für die _biologisch_ weibliche Form gibt es die Extrawurst Leserin. Der Mensch ist nicht gleich der Mann. Wenn es stört, benennt eben den Begriff Maskulinum in Humanum um.
Habt ihr euch noch nie gefragt, wie die Ansprache an Menschen lauten soll, wenn der Leser für den Mann steht?
Genau hier beginnt eine sprachliche Apartheidspolitik, die vielleicht durchaus gut gemeint war, aber erst selbst die Probleme erzeugt, die sie beseitigen will.
- Ich werde als Frau bezeichnet, aber ich kann keine Frau sein!
- Ich werde als Mann bezeichnet, aber ich kann kein Mann sein!
- Ich werde als Mensch bezeichnet, aber ich kann kein Mensch sein!
- Es gibt keinen Arche-Typ, keinen Ur-Typ!
Sprache ist der Informationsträger und nicht die Information selbst!
Identitäts- bzw. Klientelpolitik ist für mich ganz klar rechte Politik, denn diese Politik ist immer mit einem ‘Wir gegen Die’ verbunden. Wer sich dieser Identitätspolitik nicht unterwirft, wird ausgegrenzt.
Das ist auch der Grund, weshalb linke Politik, im Sinne Aufklärung, immer mehr zersplittert und zerfasert, währenddessen sich ‘Rechts’ unter der Identität ‘Deutsch’, ‘weiß’ oder ‘Markt’ versammelt. Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt.
Zu Galileo Galilei empfehle ich dringend, sich auch mit den Tatsachen zu befassen
Claus-Peter Ortlieb
„Wesen der Wirklichkeit“ oder „Mathematikwahn“?
Alexandre Koyre
Galilei. Die Anfänge der neuzeitlichen Wissenschaft
Ein Sprach-Gesetz benötigt im übrigen gerade keine Logik, denn eine willkürliche Setzung braucht keine.
Ein Formalienreiter ist kein Logiker.
Mein Resümee
Diese willkürlichen Ansichten finden in der Beliebigkeit der Gender-Ideologie ihren Niederschlag. Ein Arzt ist eine Berufsbezeichnung des Menschen, das sich in der Tätigkeit des verarztens wiederfindet, kein Mensch käme auf den Gedanken, dazu verarzten und verärztin zu sagen. Anstatt auf die Problematik des Geldwesens und was dies überhaupt ist, wird heute auf die Bezeichnung Kunde losgegangen. Das ist Absurdität in Reinform, denn ‘Der Kunde’ bezeichnet den Menschen, erkennbar, am Begriff der Kundschaft, die eben nicht Kundenschaft und Kundinnenschaft genannt wird.
Gender ist nach meiner Auffasssung der Grund für die Wiederkehr des Rassimus, denn Gender selbst ist eine rassistische Ideologie, die den Menschen auf sein Geschlecht reduziert, da ist nichts anders als bei der Hautfarbe. Die Behauptung es existiert der Mensch und die Menschin ist nichts anderes als Weiß und Schwarz, die Menschen arbeiten sich nur an Formalien ab, statt wirkliche Probleme anzugehen.
Sprache erzeugt nur für den Gläubigen eine geschaffene Realität, eine Illusion, wohingegen der, der einen Glauben nicht teilt, für den ist dies auch keine Wirklichkeit. Die Postmoderne ist wie der Poststrukturalismus, der Dekonstruktivismus, ein Irrweg, der nur den falschen Heiligen weiterhilft. Statt die Folgen von sprachlichen Aussagen zu prüfen, wird nurmehr auf die Formalien geachtet. Dann wird es plötzlich gerecht, wenn nun auch Frauen arm und reich sein können, statt die tatsächlichen Folgen für _alle_ Menschen in Armut anzugehen. Das ist die wirkliche Perversität.
Deutsch ist im übrigen sowenig eine Eigenschaft des Menschseins, wie jüdisch, katholisch, buddhistisch, französisch, sozialdemokratisch, bayrisch, christdemokratisch, …
Ich habe vielmehr den Eindruck, daß einige Menschen ihre, durch formale Sprach-Konstrukte, geschaffenen Realitäten, nicht von der Wirklichkeit unterscheiden können und/oder wollen.
An diesem Verhältnis, Sprache – Wirklichkeit, ist nichts schwieriges. Auch wenn es einen Begriff gibt, das _Nichts_ kann sich kein Mensch das Nichts vorstellen oder sich anschauen. Das gilt auch für jedes Ideal, das eben nicht vorstellbar und nicht anschaubar ist.
Sprache hat nicht ansatzweise die Mächtigkeit, die ihr immer wieder zugeschrieben wird, denn die Wirklichkeit ist nur erlebbar, nicht sprachlich konstruierbar. Es existiert kein Abbild der Wirklichkeit.
Gerecht wäre ansonsten, wenn jeder seine eigene Sprache sprechen würde, nur mit der Verständigung wird es halt schwierig.
Ich hatte versucht den Jens Berger auf die Problematik der Schaffung von Polaritäten durch Identitäten hinzuweisen, aber…
Mit solidarischen Grüßen
Franz Maria Arwee
5. Leserbrief
Frau Prof. Dr. Schrattenholzer bringt mich mit Ihrer Meinung sehr zum Stauen. Das geht schon mit folgender Bemerkung los “Ein Teilbegriff einer Menge … kann und darf niemals gleichzeitig deren Oberbegriff sein.” Aha, kann nicht. Seit Jahrhunderten war die Bezeichnung Katze, Reh, Maus sowohl die Bezeichnung für das weibliche Tier als auch der Oberbegriff für beide Geschlechter. Übrigens gibt es sogar eine sehr große Zahl von Substantiven mit mehreren Bedeutungen und darunter wieder eine nicht unerhebliche Anzahl, die sowohl einen engeren als auch einen weiteren Umfang haben: Erde (im Gegensatz zu Wasser und als der ganze Planet), Staat (als Organ und im Sinne von Land), usw. usf. Aber nach Frau Prof. Dr. Schrattenholzer kann das nicht sein. Wohl getreu nach Christian Morgenstern: Und sie schlussfolgert messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ein weiteres: Da im deutschen jedes Substantiv ein Genus besitzt, wird man nicht umhinkommen, dass bei der Bildung von Genera stets entweder ein generischeres Maskulinum oder ein generisches Femininum oder aber ein generisches Neutrum herauskommt. Und zwar unabhängig davon, ob der Name auch schon für einen spezifischeren Begriff verwendet wurde oder nicht. Hier die Beispiele für Oberbegriffe, die auch Teilbegriffe sind: Der Bär, die Maus, das Reh. Und hier die Beispiele für gesonderte Oberbegriffe: der Mensch, die Fliege, das Pferd.
Auch Frau Prof. Dr. Schrattenholzer bildet, wenn sie Lehrer und Lehrerin zur Lehrkraft zusammenfasst, ein generisches Femininum. Es erschließt sich mir nun überhaupt nicht, warum ein generisches Femininum zu befürworten, ein generisches Maskulinum aber der Teufel sei.
Nun begründet Frau Prof. Dr. Schrattenholzer ihre Darlegung mit der Forderung nach Genauigkeit der Sprache. Was aber gehört zur Genauigkeit der Sprache? Jede einzelne Besonderheit zu berücksichtigen wohl nicht. Denn das würde Sprache unmöglich machen. Da es in der Realität nun mal keine zwei genau identischen Objekte geben kann (mindestens ihre räumliche Position ist nach den Regeln der Physik verschieden), könnte es dann auch keine zwei gleich benannten Objekte geben. Sprache muss also eine gewisse Unschärfe besitzen, um Verständigung zu ermöglichen. Die Frage ist nun: wo sind dafür die Grenzen. Und die Antwort sehr einfach: Sprache muss auf das Wesentliche abstrahieren, um sinnvoll zu sein. Und darum waren die Abstrakta der Nazis, wie “der Russe”, “der Slawe” usw. falsch und demagogisch, weil man diese Worte bewusst negativ affektiv einfärbte und dazu Eigenschaften anhängten, die meist nicht einmal existent waren.
Die Lehrerinnen und die Lehrer zu den Lehrern zusammenzufassen ist aber korrekt, weil beim Beruf des Lehrers die Beschaffenheit der Genitalien eigentlich unwesentlich sein sollte. Wer aber auf die Integration unwesentlicher Merkmale besteht, also die Beurteilung der Genitalien bei Lehrern fordert, der spielt das böse Spiel des divide et impera. Denn es ist ja ganz klar, dass es einem schlechten Direktor viel leichter fällt, eine in Lehrer und Lehrerinnen gespaltene Lehrerschaft in den Griff zu bekommen – besonders, wenn dann besondere Klugheit absondernde Leute darüber noch diskutieren. Ganz anders, wenn ihm die Lehrer geschlossen mit ihren Forderungen gegenübertreten. Viele vom Gender-Mainstream meinen ja in arger Verkürzung des realen Zusammenhanges, Sprache schaffe Wirklichkeit. Folgt man dem auch nur in Ansätzen, so muss man aber auch zugeben: über das Wesentliche hinaus gehende Differenzierung spaltet die Menschen und ermöglicht der Gegenseite leichtes Spiel.
Drei Dinge abschließend.
Erstens: Die drei Ebenen, die Frau Prof. Dr. Schrattenholzer anführt, scheinen mir irgendwie mit dem Subjekt (W2), Objekt (W1) und Prädikat (W3) der sprachlichen Äußerung zu korrelieren. Offensichtlich liebt Frau Prof. Dr. Schrattenholzer die Neubenamsung alt bekannter Dinge.
Zweitens täte es gut, einen Blick über den deutschen Tellerrand zu werfen. Russen und Tschechen zum Beispiel, die die deutsche Kultur nicht kennen, würden sich sehr wundern, warum Frau Prof. Dr. Schrattenholzer nicht Frau Prof. Dr. Schrattenholzerowa genannt wird. Auf diesem Auge des offensichtlichen Patriarchats ist sie aber blind und lässt es sang und klang los über sich ergehen.
Auch die Dänen würden sich über ihre Lehrerbegrifflichkeiten arg wundern, den sie sehen im Lehrer eine Tätigkeitbeschreibung und abstrahieren selbstverständlich von der körperlichen Konstruktion. Auch der Begriff des Krankenpflegers und der Krankenschwester sind in Dänemark gleich. Männlein wie Weiblein werden Krankenschwester (eigentlich Krankenpflegerin) gerufen. Sygeplejerske Ole ist also nicht ungewöhnlich und niemand denkt sich was Schlechtes dabei. Übrigens hat die dänische Sprache überhaupt nur zwei Geschlechter und zwar Neutrum und Utrum und damit ist die Verwechslung von Sexus und Genus schon mal unmöglich. Ein Streifzug durch die verschiedenen Sprachen könnte auch lehren, dass Genus und Sexus sehr verschiedene Dinge sind und das kulturell verursachte patriarchale Sprache und Patriarchat im Leben sehr verschiedene Dinge sind, die nicht korrelieren müssen.
Letztens: Frau Prof. Dr. Schrattenholzer wendet sich zu Recht gegen die verschiedenen Richtungen der sogenannten Identitätspolitik, unterschlägt aber kurzer Hand, dass ihre Überbetonung der Geschlechterrolle in Bereich hinein, in denen diese Rollen zum Glück kaum noch bedeutsam sind, auch dazu gehört.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Andreas Schöbel
6. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren,
Nachdenkseiten absolut top, vielfach empfohlen, bitte machen Sie unbedingt weiter so.
Bei der Lektüre des obigen Artikels ist mir wieder der beigefügte und extrem lesenswerte Beitrag aus dem MERKUR vor Jahren eingefallen, auf welchen ich nur eben hinweisen möchte.
Es ist wichtig, dass diese Debatte geführt wird, aber ich finde die Meinung von Herrn Scholten hat auch einiges für sich.
Beste Grüße,
Franz Josef Leipfinger
(Der oben erwähnte Artikel lässt sich hier finden, muss aber gekauft werden. Anm.:MM)
Elisabeth Schrattenholzer
Antwort auf die Reaktionen zum Beitrag „Sprache und Wirklichkeit – ein schwieriges Verhältnis“
2018-03-26
Was mich an den Reaktionen besonders freut, ist die Tatsache, dass (wenn ich recht sehe: bis auf eine Ausnahme) offenbar sowohl die Methode des „Bebilderns“ als auch das „Drei-Bereiche-Modell“ trotz der erforderlichen Kürze der Darstellung überzeugend waren. Beides sind Instrumente, die eine friedliche und sachbezogene Diskussion erheblich fördern können.
Wegen der Wichtigkeit der Sache hier kurz zu dem Einwand des einen Lesers. Der Leser schreibt: „Die drei Ebenen, die Frau Prof. Dr. Schrattenholzer anführt, scheinen mir irgendwie mit dem Subjekt (W2), Objekt (W1) und Prädikat (W3) der sprachlichen Äußerung zu korrelieren. Offensichtlich liebt Frau Prof. Dr. Schrattenholzer die Neubenamsung alt bekannter Dinge.“ Diese Umdeutung ist falsch. So steht das nicht im Beitrag – bei weitem nicht. Und was die angebliche „Neubenamsung“ betrifft: Der Philosoph, Jesuit, Psychotherapeut und Unternehmensberater Rupert Lay erörtert, [s. Rupert Lay: Dialektik für Manager. Methoden des erfolgreichen Angriffs und der Abwehr; erschienen 1983. Seite 47 f.] ausgehend von Ludwig Wittgenstein „Fragen der linguistischen Relativität.“ Der Autor verwendet die Bezeichnungen W1, W2, W3, was ich – adaptiert – übernommen habe. Die einzige „Neubenamsung“ meinerseits in diesem Zusammenhang ist der Begriff „Drei-Bereiche-Modell“, den ich für weitaus zugänglicher halte als die Bezeichnung „linguistisches Relativitätsprinzip“. Und da es sich, wie gesagt, um eine extrem wichtige Methode zur Förderung von Unterscheidungsfähigkeit handelt, sehe ich diese Umbenennung als berechtigt an.
Zu anderen angesprochenen Punkten der Reaktionen:
Logik:
Selbstverständlich ist weder die Entstehung von Sprache noch ihre Struktur oder ihr Aufbau der Logik verpflichtet. Diejenigen Aussagen über die Wirklichkeit jedoch, die allgemeine Zustimmung einfordern, sollen den Gesetzen der Logik entsprechen. Alles andere wäre Willkür.
Auch ich würde mir wünschen, dass es eine geschmeidige Bezeichnung für „menschliches Lebewesen“ gäbe, auf die mit übergeordnetem Personalpronomen Bezug genommen werden könnte. Das gibt es aber nicht.
Sprache als „Landkarte der Wirklichkeit“:
Wer den Anspruch stellt, sich in dieser Außenwelt zu orientieren, braucht eine Sprache mit derselben Verlässlichkeit wie eine gut gezeichnete Landkarte. Niemand würde mit einer weiß gefleckten Landkarte unterwegs sein wollen, auf der zu allem Überdruss auch noch Autobahnen und Flüsse gleichermaßen rot eingezeichnet sind.
Selbstverständlich ist die Landkarte nicht das Land. Aber sie hilft zur Orientierung in einem Land. Immer exaktere Sprachlandkarten nähren die Aussicht, dass sich die unbewussten Steuerungssysteme der Gesellschaften allmählich – und hoffentlich rasch genug – auf den Erhalt von menschlichem Leben auf dem Planeten Erde ausrichten lassen.
Die Forschungsergebnisse der Psycholinguistik zeigen, dass Sätze mit dem generischen Maskulinum genau so gelesen werden, wie sie dastehen, nämlich in erster Linie auf Männer bezogen. In der Schweiz wurde den Frauen der Zugang zu den Universitäten ursprünglich unter anderem deshalb verwehrt, weil doch im Gesetz ausschließlich von „Bürgern“ die Rede sei, die sich das Recht zu studieren erwerben könnten.
Der Psychiater, Neurobiologe und Buchautor Joachim Bauer schreibt in seinem Buch „Selbststeuerung“: „Da unser Gehirn Kommunikation in Biologie verwandelt, können Worte – dies lässt sich wissenschaftlich einwandfrei nachweisen – auf die gleichen biologischen Rezeptoren einwirken wie Medikamente.“
Die Sprachwissenschaftlerin Maria Pober belegt, dass nicht nur durch das generische Maskulinum und die realitätswidrigen Mehrzahlformen, sondern auch in über tausend Begriffen Frauen in der deutschen Sprache diskriminiert werden. So war beispielsweise das erste angeblich allgemeine Wahlrecht ein Wahlrecht für Männer, die mit dieser Bezeichnung als „Allgemeinheit“ präsentiert werden.
Medienpräsenz ist wichtig. Sprache ist eines der wichtigsten Medien. Frauen auszuschließen ist da eindeutig unfair. Wer sich um Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie bemüht, ist gut beraten, das auch mittels Sprache zu tun. Allfällige Holprigkeiten in der Umsetzung beweisen nicht, dass das Bemühen überflüssig wäre.