Zum Koalitionsvertrag (I): Leitbild und Grundsätze der schwarz-gelben Bundesregierung
„Unsere wirtschaftspolitische Leitlinie ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie greift weit über ökonomische Ziele hinaus, ist ein unverzichtbarer Teil einer freiheitlichen offenen Gesellschaft.“ Schon in den ersten Sätzen belegen die Dramaturgie dieses Koalitionsvertrages [PDF – 1 MB]: Unter einem sozialen Mäntelchen verbergen sich die Ellbogen der sog. „Leistungsträger“.
Eine Analyse des 1. Kapitels des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP. Die Kritik der anderen Kapitel wird in den nächsten Tagen folgen. Wolfgang Lieb
Da wird die „soziale“ Marktwirtschaft als Leitlinie propagiert, um im gleichen Atemzug, die „freiheitliche offene“ Gesellschaft als unverzichtbar zu erklären. (S.1) Die „freiheitlich offene“ Gesellschaft (die „offene Gesellschaft“ ist eine Wortschöpfung politischen Philosophen Sir Karl Raimund Popper) ist ein in der Tradition des Wirtschaftsliberalismus (Friedrich August von Hayek) stehendes Gesellschaftsmodell. Dieses Modell tritt an mit der Botschaft der „Freiheit“ des Individuums auf dem Markt, die gegen jede Lenkung und jeden Kollektivismus verteidigt werden muss. Ein gemeinschaftliches Staatsziel oder einen gesellschaftlichen Grundkonsens, also etwa über den „Sozialstaat“, wird negiert, weil jedes Individuum seine Interessen besser kenne und verfolgen könne, als es durch eine kollektive Entscheidung, etwa für eine inhaltliche Ausgestaltung der „sozialen“ Marktwirtschaft möglich ist.
Zu den Grundpfeilern der offenen Gesellschaft gehören politisch die Demokratie – verstanden als Abwählbarkeit der Regierung – und ökonomisch die Marktwirtschaft sowie das freie Unternehmertum.
Entgegen dem angeblich anti-ideologischen Anspruch, folgt die schwarz-gelbe Regierung also konsequent der Ideologie des Liberalismus. Das oberste Ziel müsse sein, „dass Bürger und Unternehmen ihre produktiven Kräfte entfalten und ihr Eigentum sichern können.“ (S. 1)
Es ist exakt das Leitbild das die unternehmerische PR-Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vertritt, nämlich das Bild „der eigenverantwortliche Bürgergesellschaft mit wenig Staat“.
Wer jetzt noch von der „sozialdemokratisierten“ Kanzlerin spricht, wird schon mit den ersten beiden Sätzen des Koalitionsvertrages widerlegt.
Diesem Leitbild entsprechend legt der Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Mehr Netto vom Brutto“ drei Grundsätze fest:
- „Wir werden erstens die Motivation und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in unserem Land schnell und deutlich stärken, in dem wir sofort damit beginnen, die Steuern zu senken, bürokratische Hemmnisse abzubauen und mehr Anreize zu schaffen, damit sich reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeit in allen Bereichen lohnt.“ (S.1)
Steuern senken und bürokratische Hemmnisse abbauen, das sind die Tarnworte für die Zurückdrängung des Staates durch finanzielles „Aushungern“ und Deregulierung. „Anreize schaffen, dass sich reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeit lohnt“, das heißt übersetzt, Senkung der gesamten unternehmerischen Lohnkosten und damit vor allem des Arbeitgeberanteils bei den sog. Lohnnebenkosten und Steuerentlastung für Unternehmen. Dies alles in der Hoffnung, dass die Unternehmer wieder mehr investierten und dadurch Arbeitsplätze schafften.
Das merkwürdige an diesem Verständnis von Wirtschaft ist, dass es gar nicht mehr um echte Gewinne (im schumpeterschen Sinne), also um Gewinne durch einen technologischen oder innovativen Vorsprung geht, den ein Unternehmen vor seinen Konkurrenten erzielen könnte, sondern lediglich um „Anreize“ für Unternehmen und Arbeitnehmer, mehr zu investieren oder mehr zu arbeiten, in dem die „Grenzsteuerbelastung“ für den letzten verdienten Euro gesenkt werden soll. (Siehe Heiner Flassbeck, Gescheitert)
Es geht also um die Fortsetzung des „Steuersenkungswahns“ der Vergangenheit, wo ohne Rücksicht auf die gesamtwirtschaftliche Situation – geleitet vom Anreizgedanken – die Steuersätze für Unternehmen und vermögende Haushalte massiv gesenkt wurden. Dabei zeigte sich allerdings, dass durch die „Jahrhundertsteuerreformen“ die Investitionen weder stabiler noch dynamischer wurden als zuvor noch wurden dadurch – außer in den vom Export angestoßenen Aufschwungphasen – zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeit geschaffen. Alle diese „Reformen“ sind verpufft, weil die Tatsache ignoriert wurde, dass Unternehmen in schlechten Zeiten eben nicht nur mehr Anreize brauchten, sondern schlicht mehr Nachfrage nach ihren Produkten.
Das Ergebnis einer solchen Anreiz-Wirtschaftspolitik war im Übrigen nicht etwa mehr Innovation, sondern im Gegenteil Stillstand beim Wachstum und bei den Löhnen und – wie sich gleichfalls gezeigt hat – eine allenfalls von der Nachfrage von draußen, also vom Export angeregte Konjunktur.
Die Mär Steuersenkungen schafften Wachstum
Entgegen der ständig wiederholten Behauptung der schwarz-gelben Koalitionäre, Steuersenkungen schafften Wachstum und Beschäftigung, gibt es für diese These weder theoretisch noch empirisch eindeutige Hinweise auf große positive Auswirkungen [PDF – 38 KB]. Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, rechnet bestenfalls mit einer Selbstfinanzierung der Steuersenkungen von etwa einem Drittel.Allenfalls kann mit Unternehmensteuersenkungen die Position von exportorientierten Firmen im internationalen Wettbewerb verbessert werden. Das aber auch nur kurzfristig, denn damit würde nur eine erneute Runde im Steuersenkungswettlauf zwischen den Ländern ausgelöst.
Der erste Grundsatz heißt also, dass Deutschland weiter versuchen soll, über den Export zu Wachstum zu kommen und damit auf Kosten anderer zu leben. Und das in einer Zeit, wo weltweit die Nachfrage sinkt und kaum ein Ökonom seine Hoffnung auf Wachstum aus dem Export setzt.(Vgl. dazu das Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute)
Aber die ökonomische Wirklichkeit scheint bei den Koalitionsverhandlungen ohnehin ausgeblendet worden zu sein. Dort lautete offenbar die Devise „Weiter-so“, egal welche Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind, wir erhöhen die Dosis der alten Rezepte und setzen weiter auf Export: „Wir wollen eine Steuerpolitik, die für die Unternehmen in Deutschland Rahmenbedingungen schafft, die ihr auch in Zeiten der Globalisierung ihre starke Stellung ermöglicht.“ Oder: „Steuerpolitik ist auch Standortpolitik. Aus diesem Grund wollen wir das Unternehmenssteuerrecht weiter modernisieren und international wettbewerbsfähig gestalten.“ (S. 5)
Ist schon die Hoffnung auf Wachstum durch Steuersenkung bestenfalls eine ideologisch gefärbte vage Hoffnung , so bedeutet auch der zweite Grundsatz nur eine Fortsetzung des Drosselns der heimischen Nachfrage durch Sparmaßnahmen, kombiniert mit der Hoffnung, bei den Exporten schmarotzen zu können.
- „Wir werden zweitens einen nachhaltigen Kurs der Sparsamkeit, der Transparenz der öffentlichen Finanzen und der verlässlichen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verfolgen.“ (S. 1)
Seit der Explosion des Haushaltsdefizits durch die Kosten der Vereinigung war das oberste Ziel aller Finanzminister die Konsolidierung der Haushalte. Außer während kurzzeitiger Exportbooms hat sich das Defizit aber in all den Jahren nie weit von den drei Prozent des BIPs entfernt. Zugleich verringerte sich aber das Wachstum des nominalen BIPs tendenziell auf höchstens zwei Prozent und die Nettostaatsverschuldung ging immer weiter nach oben. Real hat Deutschland im Vergleich zu anderen reichen Industrienationen erhebliche Rückschritte gemacht. Kurz gesagt: eine falsche Sparsamkeit hat die Volkswirtschaft belastet, aber nicht das Defizit verringert. In der derzeitigen rezessiven Phase, in der weder der Export noch der private Konsum größere Wachstumsimpulse erwarten lassen, nun auch noch die staatlichen Ausgaben zurückzufahren, lässt nur den Schluss zu, dass das in der Überschrift zum Koalitionsvertrag als erstes genannte Ziel, nämlich Wachstum, offenbar vom Himmel fallen soll.
Ausstieg aus einer aktiven Wirtschaftspolitik
Auch der dritte Grundsatz entspricht der Ideologie vom Ruckzug des Staates und dem Verzicht auf eine aktive Wirtschaftspolitik: - „Wir werden drittens in der schwierigen Phase, in der der Arbeitsmarkt, die Unternehmen und die Banken noch die unmittelbaren Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu verkraften haben, Beschäftigung sichern und den Unternehmen Hilfe bei der Finanzierung insbesondere ihrer Investitionen bereit stellen. Zwar erforderte die Weltwirtschaftskrise eine vorübergehend stärkere Rolle des Staates. Aber CDU, CSU und FDP sind sich einig: Die Beteiligung des Staates an Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten ist so eng wie möglich zeitlich zu begrenzen. Dazu werden wir jetzt mit einer Ausstiegs-Strategie beginnen.“ (S. 1)
Obwohl sich die deutsche Wirtschaft nur langsam aus der tiefen Krise erholt und noch hohe Risiken bestehen, wird im Koalitionsvertrag nicht über zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Stützung der Konjunktur und des Wachstums nachgedacht, sondern im Gegenteil der Ausstieg aus einer expansiven Wirtschaftspolitik verkündet.
In ihrer ideologischen Verbohrtheit tun die Koalitionäre gerade so, als sei die Finanzkrise schon längst überwunden, als gäbe es da keinen Regelungsbedarf mehr sondern als ginge es nur noch darum Unternehmen zu helfen, wieder zu investieren. Für welche Nachfrage eigentlich?
Mit dem eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen
Wie Steine in einem Puzzle lassen sich die meisten Einzelmaßnahmen des Koalitionsvertrages in dieses zutiefst ideologische bestimmte Leitbild einpassen.
„Die steuerlichen Entlastungen schaffen die nachhaltige Grundlage für gesunde Staatsfinanzen“ (S.2), Sätze wie diese erinnern an eine magische Beschwörung. Und wenn darauf noch folgt: „Eine weitere wichtige Aufgabe ist die strenge Begrenzung der Schulden nach der neuen Schuldenregel unserer Verfassung“ (S. 2), so kann man, wenn das Wunder von Wachstum nicht eintreten sollte, ausrechnen, welches Ausmaß an Einsparungen erfolgen muss.
Über das Budgetdefizit im Jahr 2009 von 76 Milliarden Euro (3,2% in Relation zum BIP) und von 127 Milliarden Euro (5,1 in Relation zum nominalen BIP) im Jahr 2010 hinaus, sollen zusätzliche 14 Milliarden durch die schon beschlossene „erweiterte Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge und den Einstieg in die Beseitigung der kalten Progression“ (S. 2) an Steuerentlastung finanziert werden. Und weitere 24 Milliarden (volle Jahreswirkung) sollen durch „steuerliche Entlastung insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensbereiche sowie für die Familien mit Kinder“ (S. 2) im Laufe der Legislaturperiode zunächst einmal auf Pump finanziert werden. Wer zahlt eigentlich die Zinsen? Man meint wohl sich, wie dereinst der Lügenbaron Münchhausen, am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen zu können?
Weitere Belastungen für den Fiskus bringt der Kinderfreibetrag, der in einem ersten Schritt ab 2010 von 6.024 Euro auf 7.008 angehoben werden soll. Dazu muss man wissen, dass nur eine von fünf Familien mit Kindern von dem Freibetrag profitiert und gegenwärtig kommt in dessen Genuss nur, wer als Verheirateter 74.700 Euro verdient. Anders als von der FDP großspurig verkündet wurde, wird das Kindergeld, das an vier von fünf Familien geht, nicht von 164 auf 200 Euro angehoben, sondern nur um je 20,- Euro erhöht.
Außerdem soll bis 2011 das Lieblingsprojekt der Liberalen, der „Stufentarif“ (S.3) bei der Einkommensteuer umgesetzt werden. Während sich bei einem linearen Tarif eine Abflachung bis nach unten ergäbe, gibt es beim Stufentarif Belastungssprünge. Bliebe es bei 35% für die oberste Stufe, so würde die Einteilung der Menschen in Steuerklassen sich vor allem positiv bei der Oberklasse auswirken.
Dies alles in der Hoffnung damit finanziellen Spielraum als Vorraussetzung für mehr Konsum und damit Wachstum zu schaffen. Das Problem ist nur, die Deutschen sind mit einer Sparquote von über 10% ohnehin „Weltmeister“ im Sparen. Was passiert also, wenn nicht konsumiert, sondern zusätzlich gespart wird? Und vor allem: Sparen nicht die Besserverdienenden am meisten?
Die Sparquote steigt nämlich mit wachsendem Einkommen rapide an: von 4,5 Prozent bei einem Verdienst zwischen 2000 und 2600 Euro über neun Prozent (2600 bis 3600 Euro) bis zum Spitzenwert von knapp 22 Prozent bei einem Nettoeinkommen zwischen 5.000 und 18.000 Euro. Wenn also die Besserverdiener schon jetzt fünften Euro, den sie verdienen, zur Seite legen, warum sollten sie nun gerade in Zukunft die ersparten Steuergelder in den privaten Konsum stecken?
Die Senkung der Einkommensteuer ist allerdings eher ein populistischer Schaustellertrick, denn in Wahrheit geht es um die Senkung von Unternehmenssteuern, insgesamt 10 steuerliche Entlastungen sind konkret benannt. Diese Passage des Koalitionsvertrags ist so detailliert, dass man den Eindruck gewinnen muss, als sei sie unmittelbar aus den Vorlagen der Unternehmer-Lobby übernommen.
Mit einem Sofortprogramm (S. 3ff.) – zum 1. Januar 2010 beginnend – sollen „die Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen sowohl für international aufgestellte Konzerne als auch für mittelständische Unternehmen … entschärft“ werden, also etwa durch eine höhere Freigrenze der sog. „Zinsschranke“. Damit soll es wieder erleichtert werden, Verluste von neu gekauften Firmen mit eigenen Gewinnen zu verrechnen – eine Einladung an die „Heuschrecken“.
Denn Ziel der „Zinsschranke“ war es doch gerade, den Unternehmenskauf auf Pump (etwa durch kreditfinanzierte Hedge-Fonds) unattraktiver zu machen, in dem die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen beschränkt wurde. Wenn darüber hinaus noch die Verluste neu gekaufter Firmen mit den Gewinnen des Käufers wieder verrechnet werden dürfen, dann ist das nicht mehr und nicht weniger als ein Anreizprogramm für spekulative Firmenaufkäufe.
Diese Steuerentlastungsmaßnahmen belegen, dass die Bundesregierung nichts aus der Finanzkrise gelernt hat und so tut als sei das Ganze nur ein Spuk von gestern gewesen.
Darüber hinaus soll etwa an der Freistellung der ausländischen Unternehmenseinkünfte festgehalten oder es soll die Abschaffung der Gewerbesteuer und deren Ersatz durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer geprüft werden.
Auch die meisten Steuervereinfachungen erleichtern eher die Steuerminderung von solchen Einkommensbeziehern, die ihre Lohnsteuer nicht von vorneherein, vom Lohn abgezogen bekommen. Es sind solche Einkommensbezieher die einen Steuerberater benötigen (diese Kosten sollen wieder abgezogen werden dürfen). Es soll etwa die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge entbürokratisiert werden, die Besteuerung von Jahreswagenrabatten auf ein realitätsgerechtes Maß gebracht werden, der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen vereinfacht werden etc..
Reform der Erbschaftssteuerreform
Und natürlich soll die Reform der Erbschaftssteuer erneut reformiert werden. Hat schon der Kompromiss in der großen Koalition vom November 2008 das deutsche „Steuerparadies für die Gutsituierten“ [PDF – 547 KB] (Schaubild 8) gerettet, so soll es unter schwarz-gelb nun noch paradiesischer zugehen.
Die Steuerbelastung für Geschwister und Geschwisterkinder – die ohnehin nur bei riesigen Vermögen anfällt – soll drastisch gesenkt werden und die Bedingungen für eine steuerfreie Unternehmensnachfolge sollen durch eine Absenkung der zu erhaltenden Arbeitsplätze noch weiter erleichtert werden. Dies obwohl schon vor dem „Kompromiss“ der Großen Koalition kaum ein Unternehmen gefunden werden konnte, dass durch die frühere Erbschaftssteuer in Schwierigkeiten geraten wäre. (Nur zum Vergleich: In den gewiss wirtschaftsliberalen USA ist die Erbschaftssteuer dreimal höher als bei uns.)
Von einer Vermögenssteuer ist Koalitionsvertrag schon gar nicht erst die Rede.
Stattdessen soll ab dem 1.1.2010 für Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent ermäßigt werden. (S.6) Außerdem sollen Postdienstleistungen der Umsatzsteuer unterliegen und nur noch die Grundversorgung (was das auch immer sein mag) umsatzsteuerfrei bleiben (S. 6). Kommunale Unternehmen sollen umsatzsteuerpflichtig werden und das – man höre und staune – „um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen.“ (S. 6). Forschung und Entwicklung insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen sollen steuerlich gefördert werden.
Neben den steuerlichen Entlastungen sollen „die gemessenen Kosten aus bundesrechtlichen Informationspflichten der Wirtschaft bis 2011 im Vergleich zu 2006 359 um netto 25 Prozent“ reduziert werden.
Als weitere staatliche Wohltaten für die Unternehmen sollen schnell verfügbare und unbürokratische Liquiditätshilfen für kleine Unternehmen geprüft werden (S.10) oder es soll die Privilegierung der Sozialkassen (!) im Insolvenzverfahren soll beendet werden (S. 10)
Die Deregulierung, deren Konsequenzen auf den Finanzmärkten wir nun alle bezahlen dürfen, soll unter dem Neusprech „Bürokratieabbau“ getreu der „freiheitlichen offenen Gesellschaft“ vorangetrieben werden: „Der freiheitliche Staat soll nicht bevormunden, sondern den Gestaltungsraum von Bürgern und Unternehmen respektieren.“ (S. 7)
Kein Wort zur Überprüfung der Finanzmarktgesetze
Im Kapitel über die Finanzpolitik findet sich kein einziges Wort über eine Korrektur oder gar einer Rücknahme etwa der steuerlichen Befreiung der Veräußerungsgewinne (das größte Geschenk aller Zeiten, der Erleichterung von Anlagemöglichkeiten für Fonds, der Förderung der Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren, der Begünstigung von Private-Equity-Fonds, der Beseitigung der Hindernisse für Hedge-Fonds, für Private-Public-Partnerships, für Cross-Border-Leasing-Verträge.
Keines der zahllosen Gesetze, die – wie es vor der Finanzkrise hieß – „konsequente Schritte in eine erfolgreiche Zukunft für den Finanzmarkt Deutschland“ waren, steht zur Überprüfung an. Niemand fragt danach, warum diese Gesetze und Erlasse die Finanzkrise nicht verhindern oder wenigstens abfedern konnten oder welche Gesetze einer Änderung oder Abschaffung bedürfen um künftige Finanzkrisen zu verhindern.
Schwarz-Gelb tut gerade so, als habe die neue Regierung, ja, als habe die deutsche Finanzpolitik nichts mit der Finanzkrise zu tun, als sei das alles wie ein Tsunami über uns hereingebrochen und als ginge es nur noch darum, nun die Trümmer wegzuräumen und den alten wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs weiter zu fahren und noch mehr Tempo aufzunehmen.