Leserbriefe zu „Das alte Europa gibt es nicht mehr“
Zu diesem Artikel erreichten uns diverse Zuschriften, teils zustimmend, teils weiterführend und somit hochinteressant. Allen gemein ist die Ansicht, dass man sich bald mal etwas Neues einfallen lassen müsste. Zusammengestellt von Moritz Müller.
Lieber Jens Berger,
vielen Dank, dass Sie in Ihrem Beitrag “Das alte Europa gibt es nicht mehr” den “Movimento 5 Stelle” nicht einfach als “die populistische Partei M5S des Komikers Grillo” bezeichnet haben.
Denn genau das passiert derzeit in fast allen deutschen Medien (heute Abend wieder in der Kulturzeit in 3Sat und in einem miserablen Artikel von Hans-Jürgen Schlamp im SPON).
Eine Bewegung die inzwischen eine große “Volkspartei” geworden ist (knapp 33%) wird einfach so bezeichnet. Das impliziert, dass 33% der Wähler in Italien bescheuert sind (und das seit mindestens 5 Jahren) und einfach die “Partei eines Komikers” wählen (Grillo war in Wirklichkeit ein erstklassiger politischer Kabarettist).
Ich (bin Italiener und wohne in D) habe M5S gewählt. Die meisten hier scheinen nicht verstanden zu haben WAS M5S ist. Jede Partei die nicht “normal” ist, ist automatisch “populistisch”.
Schade und traurig. Aber die Menschen für dumm zu verkaufen wird (auch Dank den NachDenkSeiten) immer schwieriger.
Liebe Grüße
Enzo Amato
Meine Meinung:
Es hat sich bisher bei den Parteineugründungen Grüne, Linke, AfD gezeigt, dass es ihnen nicht gelingt, Strukturen in unserem System zu verändern.
Die ursprüngliche Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive, Judikative funktioniert nicht mehr – sie sind alle außer Kontrolle geraten… Die gilt auf Bundes-, Landes-, Kommunalebene. Wir haben heute 7 hierarchischen Ebenen zu „dienen“ – in vordemokratischer Zeit (Monarchie) waren es 2-3…
Es wurden in der zurückliegenden Generation (30 Jahre) Politiker durch unsere Parteien hochgespült, die zwar verantwortungsvolle Positionen besetzen, aber dafür nicht qualifiziert sind…
- Parteiübergreifend müssen wir vorausdenken, was uns für die nächste Generation wichtig und wie wir dies auch konkret umsetzen können
- Wir alle wollen in Frieden leben
- Die Soziale Frage in all ihren Facetten ist mir ein Schlüsselthema
- Die Soziale Marktwirtschaft ist ein gutes Modell, doch die haben wir mit Öffnung des Ostens schrittweise aufgegeben, sind heute in einem Kapitalismus, der den des 19. Jahrhunderts schon weit übertroffen zu haben scheint…
- Unsere Infrastruktur ist in zu vielen Bereichen auf dem Stand der 60er/70er Jahre stehen geblieben…
- Obwohl Exekutive stetig wächst, werden auf allen Ebenen immer mehr Aufgaben in die Privatwirtschaft delegiert
- Ein Anforderungsprofil der Gesellschaft an künftige Politiker…
Vielleicht könnten wir hierzu und zu weiteren Themen Arbeitskreise bilden – alles beginnt stets im Kleinen J
- Wir sollten uns dann in den „Noch-Volksparteien“ engagieren, sie in ihrer Struktur reformieren und für die Zukunft ausrichten.
Dies kann nur durch eine gezielte Basisarbeit gelingen…
Während des BT-Wahlkampfes hatte ich
- verschiedene Parteiveranstaltungen besucht – dort waren erschreckend wenige Teilnehmer…
Die Mitgliederversammlungen dürften ähnlich oder noch weniger besucht sein…
- den Wahl-Sonntagabend bei verschiedenen Parteien verbracht – junge Leute nach ihrem Berufsziel gefragt, sie wollten alle „Politiker werden“; als ich sie darauf hinwies, dass ihre Kollegen dies auch schon werden wollten: „dann gehe ich in den LT, nach Europa bzw. dann über die Landesliste…“ Meiner Zusatzfrage „was und wie sie dort etwas bewegen wollten“, wichen sie aus…
- verschiedene Parteiveranstaltungen besucht – dort waren erschreckend wenige Teilnehmer…
Mein Eindruck war, die Parteien „missbrauchen“ junge Menschen für ihre Arbeit, doch nur wenige haben eine Chance…
Berufserfahrung fehlt…
Es gibt viel, sehr viel zu tun. Hierüber müssen wir nicht nur „nach-“, sondern „vorausdenken“.
Mit guten Grüßen aus Mainz
Rupert Krömer
Lieber Jens Berger, Liebes Nachdenkseiten-Team,
die Feststellung, die Sie in Ihrem Artikel treffen, teile ich uneingeschränkt. Wichtig ist, die Frage nach dem Warum zu beantworten.
Klar ist, dass der Zuzug neuer Mitbürger, die weder die Kultur der europäischen Staaten noch die Sprachen der einzelnen Länder beherrschen, in diesen Ländern zu Missstimmungen führen, deren Sammelbecken dann eher rechte, konservative Parteien sind. Das ist logisch, denn jeder Bürger dieser Länder möchte seine Besitzstände wahren. Das Angela Merkel seinerzeit die Grenzen der gesamten EU für alle Flüchtlinge geöffnet hat, war für die Kriegsflüchtlinge ein wichtiges und gutes Signal, sich auf den Weg zu einem sicheren Aufenthaltsort zu machen. Diese Verlautbarung aber in mangelnder Absprache mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten im Vorfeld zu klären, war eine diktatorische Entscheidung, die (noch) niemandem in der EU zusteht – auch dem starken Deutschland nicht. Dass dieses undemokratische Vorgehen nicht nur zu gesellschaftlichen Brüchen in Deutschland, sondern in der ganzen EU führt, war abzusehen. Wenn man der Kanzlerin nicht vollständige Dummheit unterstellen mag, dann waren diese Ereignisse damals voraussehbar. Mit anderen Worten: diese Entwicklung war geplant. [Franklin D. Roosevelt – In der Politik geschieht nichts zufällig.] Nun stellt sich, diesen Gedankengang weiter verfolgend, die Frage, wessen Interesse das sein könnte. Schaut man sich die EU als funktionierendes, unabhängiges Gebilde an – aber war sie das jemals? – dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass hier eine politische Wirtschaftsmacht entstünde, die weltweit einen sehr großen Einfluss hätte. Das war ja auch der Grund für die Gründung, neben den „friedensstiftenden Gedanken“. Hat Russland ein Interesse daran, diese Wirtschaftsmacht zu verhindern? China? Die USA?
Ich kenne nur klare Aussagen von Friedman und Brzezinski, die vor einem Erstarken Deutschlands warnen und eine Annäherung an Russland verhindern wollen. Das ist ja mit der starken Einflussnahme an den Ostgrenzen der EU, sowie der Destabilisierung der Ukraine und Mazedoniens wohl gelungen. Merkels Worte aus 2015, Russland ebenfalls in eine Freihandelszone der EU mit aufzunehmen, stützen nicht die offizielle These, Russland würde die EU destabilisieren wollen. Zu China habe ich keine Informationen, deren Einfluss dürfte aber so groß (und noch friedlich) sein, dass durch die EU keine Gefahr für China ausgeht, sondern mit der neuen Seidenstraße wohl eher eine Möglichkeit guter zukünftiger Entwicklungen.
Was bleibt, ist das Interesse der USA, möglichst großen Einfluss in der EU zu behalten. Dafür muss man sie wieder heterogenisieren, wie es derzeit der Fall ist und weiter voranschreitet: Frankreich und Deutschland pflegen eher gute Beziehungen zu Russland, müssen sich offiziell (wohl aber) an die Linie der USA halten, Russland für alles Böse dieser Welt in Verantwortung zu nehmen. „Massenmigration als Waffe“ [Greenhill] muss man nicht ernstnehmen, ich tue es aber. „Refuges Welcome“ Twittermeldungen, die den Ursprung in den USA und GB haben (sollen), runden diese Bild ab.
So oder so: Die Zuwanderer sind hier, es werden mehr, diejenigen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen haben mein tiefstes Mitleid. Diejenigen, die aus finanzieller Not heraus hierherkommen, kann ich verstehen. Nochmehr verstehen könnte ich, wenn man in diesen Ländern vernünftige Entwicklungsprojekte aufsetzen würde, die tatsächlich etwas entwickeln und damit meine ich keine Drohnenprogramme, keine Plünderung und Bestechung [Ernst Wolff]durch den IWF und keine Brunnenprivatisierungen durch Nestlé.
Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre Mühen, auch die der anderen Netzwerkpartner.
Christian Dicke