Der klassische Fall einer Fremdbestimmung mithilfe der Springer Medien u.a.m.
Wer die Ursachen für den Niedergang der fortschrittlichen Parteien in Europa nur in den Fehlern ihrer Führungen sucht, wird sie nicht finden. Auch wer die Unterstützung der Hauptmedien für die konservativen Parteien als Grund erkennt, wird noch nicht ganz fündig. Nur wer beachtet, wie stark die konservativen Kräfte über die Medien auch die innere Willensbildung der gegnerischen linken Parteien beeinflussen, begreift was abgeht. Wie die Entscheidungen über Strategien, Programme und sogar über Personen fremdbestimmt sind, kann man an aktuellen Vorgängen beobachten. Albrecht Müller
Vorweg will ich, um Missverständnisse zu vermeiden, anmerken, dass es hier nur beispielhaft vor allem um die SPD geht. Im Kern geht es um die Suche nach einer noch demokratischen Willensbildung, um die Suche nach den Bedingungen für die Existenz beziehungsweise Wiederbeschaffung einer politischen Alternative.
Wir sind zurzeit Zeuge der Wiederholung eines klassischen Falls: Die Springer-Presse greift in die innere Willensbildung der SPD und jetzt auch der Linkspartei ein. Sie wird dabei – das gab es vor 30 Jahren noch nicht so – unterstützt von Medien, die einmal als eher kritisch gelten konnten, von SpiegelOnline und der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel.
Hier nacheinander einige Beispiele:
WeltOnline bietet am 3. Oktober dem ehemaligen Spitzenkandidaten und neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frank-Walter Steinmeier das Forum für einen Namensbeitrag unter dem Titel „SPD. Gegen einseitige Festlegung auf linkes Spektrum“. Dort heißt es im Vorspann:
Eine Woche nach der dramatischen Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl ruft ihr Spitzenkandidat und neuer Fraktionschef dazu auf, den “Wettlauf um die populistischste Forderung” zu verweigern und “Verantwortung für Deutschland” zu übernehmen. Die SPD müsse Volkspartei bleiben.
Steinmeier verweist in diesem Beitrag darauf, die SPD habe fast 1,4 Millionen Wähler an die Union und FDP verloren. Er warnt davor, sich nur um soziale Gerechtigkeit, also um die sozial Schwachen, um die „Resignierten und Abgehängten“, zu kümmern. Sie würde dann absinken zur „Klientelpartei“. (Das ist als solche schon eine beachtliche Einlassung: wer sich um die Schwachen kümmert, wird zur Klientelpartei.)
Steinmeiers Hauptlinie ist die historisch erprobte Warnung vor dem Linksruck, die auch ohne Fakten auskommt und funktioniert. Auch die Bild-Zeitung kennt diesen Trick und beginnt mit der Neuauflage am 3. Oktober:
„Tricksilanti“ weiter an SPD-Spitze?
Ypsilanti dementiert Bericht — Steinmeier warnt die Genossen vor Linksruck
Quelle: BILD
Im Text des Artikels in der Bild-Zeitung wird auf den Artikel Steinmeiers in der Welt verwiesen und ausführlich zitiert. Die beiden Springer-Medien stützen sich also gegenseitig.
Die Passagen im Artikel der Bild-Zeitung sind interessant, weil sie das Muster der Kampagne zeigen:
„Die SPD rückt jeden Tag einen Schritt weiter nach links. Und nach dem großen Rundumschlag an der SPD-Spitze möchte eine Linke nach Informationen des „Spiegel“ die Sozialdemokraten weiterhin mit anführen: Die ehemalige hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti bemüht sich offenbar um eine Wiederwahl ins SPD-Präsidium. …“
Das Dementi von Andrea Ypsilanti wird dann so kommentiert:
„Wie es auch kommt – SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dürfte daran gar keinen Gefallen finden. Er hat seine Partei vor einem Linksruck gewarnt.“
Auch der „Spiegel“ stützt die Warnung vor dem angeblichen Linksruck mit Rückgriff auf den „Stern“ und den dort zitierten und einschlägig bekannten Forsa-Chef Güller. Dieser interpretiert den (statistisch völlig unbedeutenden) Rückgang des SPD-Zustimmungswertes in der Sonntagsfrage um einen Prozentpunkt tatsächlich als Reaktion auf die Linkspartei-Debatte in der SPD:
„Der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, führt den Wert der SPD auf die innerparteilichen Diskussionen über den Umgang mit der Linkspartei zurück. “Sucht die SPD ihr Heil im Linksrutsch, könnte sie bald schon unter die 20-Prozent-Marke fallen”, sagte Güllner dem “Stern”.“
Jeder seriöse Meinungsforscher ist sich der Fehleranfälligkeit seiner Umfragen bewusst. Bei dieser Art der Umfrage wird regelmäßig von einer Fehlerspanne von 3 – 5 % ausgegangen.
Zum immer wiederkehrenden Vorwurf des Linksrucks und der Nutzung dieser Schimäre im politischen Kampf wie auch zur Fremdbestimmung der linken Parteien gibt es ausführliche Passagen in „Meinungsmache“. Die einschlägigen Auszüge finden Sie in der Rubrik „Leseproben“ als 4. (Seiten 102-105) und 5. (Seiten 351-354).
Die Warnung vor dem angeblichen Linksruck wird in den Medien mit Analysen des Niedergangs der SPD kombiniert. Steinmeier wiederholt in seinem Beitrag in Welt Online seine bekannten Thesen zum großen Erfolg der Schröderschen Reformpolitik. Vor Ausbruch der Finanzkrise war danach alles gut.
Die Süddeutsche Zeitung vom 1. Oktober unterstützt mit einem Interview mit dem Soziologen Heinz Bude die gleiche Behauptung:
„Schröder trägt keine Schuld“ meint er zu den Gründen des SPD-Fiaskos. Er nennt die Politik der Regierung Schröder den „unbewältigten Erfolg“. Und er plädiert dafür, diese ihre Erfolgsgeschichte nicht zu dementieren. Er behauptet, die SPD vor Schröder sei die schlimmste Sozialdemokratische Partei Europas gewesen. Und der Interviewer Oliver Das Gupta darf das notwendige Stichwort geben für die innerparteiliche Willensbildung: „Soll heißen: Das Falsche wäre ein Rollback zu SPD vor 1998.“
Dieses Interview voller nicht belegter Behauptungen ist eigentlich als solches nicht lesenswert. Es ist aber als klassisches Beispiel für aktive Public Relations-Arbeit und die Einbindung der Medien in diese PR Arbeit interessant; und obendrein als Beleg für die unfassbare Oberflächlichkeit eines Wissenschaftlers. Wir halten und bezahlen solche Professoren: Bude, Nolte, Raffelhüschen, Sinn, Zimmermann, Franz – armes Deutschland.
Auch in diesem Beitrag wird wie bei der Bild-Zeitung und wie alleine schon durch die Tatsache des Forums für Steinmeier durch die Welt Personalpolitik betrieben. Bude wirbt für Fortsetzung der Politik mit dem rechten Teil der SPD, er wirbt für Gabriel und meint, die Wahl Steinmeiers zum Fraktionschef sei eine clevere Wahl gewesen. Er stehe für den Anschluss an ein Erfolgskapitel der SPD.
Diese Versuche, auf die innere Willensbildung der SPD zur Schröderschen Reformpolitik wie auch auf das Personal von außen Einfluss zu nehmen, haben schon und werden weiter Erfolg haben. Die konservativen Kräfte und ihre Helfer aus dem SPD-Milieu verhindern den Neuanfang und damit den Erfolg bei kommenden Wahlen.
Außer der SPD stehen immer schon die Grünen im Einflussbereich der konservativen Medien. Jetzt wird diese Arbeit vermehrt auf die Linkspartei ausgedehnt werden. Ein klassisches Beispiel findet sich ebenfalls bei Welt Online. Dort bekommt der Linken-Chef Ramelow aus Thüringen das notwendige Forum für seine Attacken auf die Festlegung der Parteispitze auf einen sofortigen Abzug aus Afghanistan. Am 4. Oktober erschien ein Interview unter der Überschrift “Die Linke hat Regierungsanspruch”.
Der darin enthaltene Satz „Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam“ gibt das Stichwort für die nächsten Angriffe auf die Fraktions- und Parteiführung der Linkspartei. Ramelow spielt hier das klassische trojanische Pferd. Wir kennen dies aus den letzten 40 Jahren im Umgang mit SPD und Grünen. Auch da fanden sich immer wieder Personen aus diesen Parteien, die zum Beispiel den Linksruck bezeugten oder vor den Fundis warnten.
Diese Stichwortgeber wurden oft fürstlich belohnt. Sie konnten auf die Unterstützung der interessierten Medien setzen und wurden damit immer populärer. Das galt schon für Karl Schiller in Auseinandersetzung mit Willy Brandt und es gilt zum Beispiel für Klaus von Dohnanyi in der aktuellen Debatte.
Zur Ehre der Medien muss ich zum Abschluss einen ihrer alten Hasen zitieren, Michael H. Spreng, früher einmal Berater von Edmund Stoiber mit einem Text aus seinem Sprengsatz: “SPD – die vertane Chance” vom Dienstag, den 06. Oktober 2009.