Der gescheiterte Parteivorsitzende bestimmt seine/n Nachfolger/in. Eine wirklich tolle Regel.
Die Mitglieder und auch die Delegierten eines Parteitages sind de facto ausgeschaltet. Gabriel dachte sich Schulz aus, propagierte ihn und schon war er abgenickt. Schulz denkt sich Frau Nahles aus. Eigentlich ist der Vorsitz einer Partei ein anspruchsvolles Amt; und die Suche müsste mit dem Anspruch verbunden sein, dafür eine qualifizierte Person zu finden. Das ist wohl vergessen und das hat Folgen: Alles deutet darauf hin, dass die Personalie Nahles wie auch die Personalie Schulz für das Amt des Außenministers und die Personalie Scholz für den Vizekanzler und Finanzminister jeweils nicht das Ende mit Schrecken, sondern der Schrecken ohne Ende sein wird. Albrecht Müller.
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Denn es gärt in der SPD. Es gibt einen treffenden Offenen Brief, dessen Autoren den Finger in die Wunde dieses unglaublichen Verfahrens der Vorsitzendenbestimmung legen. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die noch verbliebenen Sozialdemokraten mit Entsetzen entdecken, was ihnen mit Nahles, Schulz und Scholz ins Nest gelegt worden ist.
Ich werde ein paar wenige Bemerkungen zu Schulz und Scholz machen und etwas mehr zur ausersehenen Parteivorsitzenden Nahles.
Vorweg der Offene Brief:
Soweit der offene Brief, nun ein paar Bemerkungen zu den drei Personen:
Zur Personalie Martin Schulz als Bundesaußenminister
Hier ist zunächst einmal die Frage nach der Qualifikation zu stellen und dann auch die Frage nach der sicherheits- und außenpolitischen Ausrichtung in der Phase einer schwierigen Konstellation zwischen West und Ost. Das gute Image von Martin Schulz, das er von Januar bis März 2017 genoss, folgte aus einer nach dem Vorschlag seines Vorgängers Gabriel erzeugten Euphorie. Da spielte vor einem Jahr (länger ist das noch nicht her!) die Sehnsucht der SPD-Anhänger eine Rolle, endlich überhaupt jemanden gefunden zu haben, der Kanzlerkandidat spielt.
Dann kam die Sehnsucht der Medien hinzu, die Aussicht auf ein Duell mit Frau Merkel zu haben. Wirklich ernst gemeint war die Sympathie für Schulz bei wichtigen Medien nicht. Es war eine Spielerei. So wurde Martin Schulz hochgeschrieben und dann später fallengelassen. Zwischendurch hatte er 100 % der Stimmen bei der Wahl zum SPD-Vorsitzenden gewonnen. Vermutlich hat er dieses Votum ernstgenommen und hat deshalb nicht gemerkt, dass diese Zustimmung nicht echt war.
Auf den NachDenkSeiten konnten Sie von Anfang an, vom Januar letzten Jahres an, sachlich begründete Skepsis lesen. Wir haben die Euphorie nicht mitgemacht und mussten deshalb beim Absturz des Martin Schulz auch nichts auf-löffeln.
Wenn wir jetzt skeptisch sind in Bezug auf seine Fähigkeit, unser Außenminister zu sein, dann hat dies wiederum nichts Spielerisches an sich. Es folgt zum Beispiel aus der Beobachtung, dass Schulz sich völlig irrational an den französischen Präsidenten klammert. Er merkt offenbar nicht mal, dass Macron alles andere als sozialdemokratisches Gedankengut mit sich herum trägt.
Die Skepsis folgt weiter daraus, dass man von Martin Schulz immer nur das Gegenteil dessen hörte, was eine neue Entspannungspolitik verlangen würde:
- die Fähigkeit, sich in die Lage des anderen, im konkreten Fall Russlands, zu versetzen,
- den Willen, zu begreifen, dass die alte sozialdemokratische Formel vom „Wandel durch Annäherung“ nach wie vor aktuell ist.
Man hat den Eindruck, dass dieser sich gerade verabschiedende Parteivorsitzende und ins hohe Amt des Außenministers wechselnde Martin Schulz das Konzept der Entspannungs- und Friedenspolitik nicht in sich aufgenommen hat. Möglicherweise hat er es gar nicht richtig mitgekriegt.
Das ist im Kern furchtbar und furchterregend. So empfinden es viele Menschen, ich auch. Wir haben niemanden in Regierungsnähe, auf den wir uns verlassen können, wenn es darum geht, einen kriegerischen Konflikt in Europa zu verhindern.
Vergleichen Sie das mal mit früheren Persönlichkeiten der SPD: Egon Bahr, Staatssekretär im Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt, Willy Brandt, Außenminister, Bundeskanzler und Parteivorsitzender. Hans-Jochen Vogel, Parteivorsitzender. Oskar Lafontaine Parteivorsitzender. Johannes Rau dito. Gustav Heinemann Bundespräsident. Von ihm stammt der Satz, der Friede ist der Ernstfall. So bei seiner Rede zu Beginn seiner Amtszeit als Bundespräsident im Jahre 1969.
Bei allen anderen genannten Personen konnte man sicher sein, dass sie dieses Anliegen ernst nehmen.
Das gilt nicht für den von Martin Schulz bewunderten französischen Präsidenten Macron. Und Schulz?
Macron hat gerade verkündet, dass er viel mehr Geld für Verteidigung ausgeben wird und das 2-Prozent-Ziel der NATO erreichen will. Siehe Bericht von gestern hier zum Beispiel. Angesichts der Nähe von Schulz zu diesem französischen Präsidenten wird das Bundesaußenministerium seine wichtige Rolle, ein Gegengewicht zur Verteidigungsministerin Frau von der Leyen und der von ihr angestrebten stärkeren Militarisierung der Politik zu sein, von Beginn an aufgegeben haben. Mit dem Trio Macron, von der Leyen und Schulz wird die Europäische Union damit in den nächsten Jahren vor allem eine Militärunion werden.
Auch der bekannt gewordene Vertrauensbruch zwischen Gabriel und Schulz – siehe hier – wirft kein gutes Licht auf den designierten Bundesaußenminister Martin Schulz.
Insgesamt wird damit die Personalie Schulz zu einem wirklich gravierenden Argument für die SPD-Mitglieder, diese große Koalition mit diesen Inhalten und diesen Personen abzulehnen.
Nur kurz zu Scholz
Alle Welt wusste und weiß, dass er in Hamburg im Kontext des G-20-Gipfels ziemlich versagt hat. Schon das Angebot, die Stadt, für die er als Bürgermeister verantwortlich ist, für einen solchen Gipfel anzubieten, zeugte von einer gravierenden Fehleinschätzung. Man muss deshalb den Eindruck gewinnen, dass er nach Berlin flüchtet. Das ist keine gute Voraussetzung für das Amt des Vizekanzlers und Bundesfinanzministers.
Zu erinnern ist auch daran, dass er bei den letzten Vorstandswahlen das schlechteste Ergebnis der SPD-Präsidiumsmitglieder bekommen hat. Auch nicht gerade ein Leistungsausweis.
Scholz ist wie Schulz eng mit den Seeheimern verbunden.
Zu Andrea Nahles, der designierten Parteivorsitzenden:
Es ist gut, nach einer Frau als der Vorsitzenden dieser ältesten Partei Deutschlands zu suchen. Das Kriterium Frau ist viel, aber nicht alles. Und bei vielem anderen sind bei der designierten Vorsitzenden Nahles Zweifel erlaubt:
Erstens, dass sie das Spiel, vom scheidenden und gescheiterten Vorgänger in einer Art von Coup vorgeschlagen zu werden, mitmacht, spricht für ein wenig entwickeltes demokratisches Empfinden. Das gilt insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Vorsitzende und der Vorstand der SPD gerade neu gewählt worden sind. Siehe dazu den Offenen Brief.
Zweitens: Die oder der Vorsitzende einer Partei, die einmal groß war und dies wieder werden will, muss einen weiten Kreis von Menschen im Land ansprechen. Mit ihrer Sprache hat Frau Nahles diese Chance in einem weiten Kreis von Menschen schon verwirkt. Siehe dazu diesen Beitrag in den NachDenkSeiten: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Nachbemerkungen zur schreienden SPD-Fraktionsvorsitzenden.
Drittens: Die/der Vorsitzende einer Partei wie der SPD muss nicht nur eine organisatorische oder eine rhetorische Leistung vollbringen. Sie/er muss auch so etwas schaffen wie geistige Führung. Die Vorsitzende muss in der heutigen Zeit die weltanschauliche Auseinandersetzung führen. Sie muss fähig sein, Ideen zu entwickeln und durchzuhalten. Angesichts der eingetretenen Dürre im Umfeld der SPD gilt das heute in besonderem Maße. Haben Sie von der designierten Vorsitzenden in den letzten Jahren irgendwann und irgendwo einen beachtenswerten geistigen, eventuell sogar fortschrittlichen Impuls vernommen?
Viertens: Die oder der Vorsitzende der SPD muss einigermaßen unabhängig sein. Einen solchen Eindruck habe ich bei Andrea Nahles nicht. Ich möchte das an einem viele Menschen betreffenden sachlichen Problem beschreiben:
- Wir müssten heute alle finanziellen und politischen Kräfte darauf konzentrieren, die Gesetzliche Rente wieder fit und leistungsfähig zu machen, und zugleich die schon deutlich sichtbaren Schäden reparieren – viel zu geringe Renten, Altersarmut, zum Teil die Folge des Niedriglohnsektors und der prekären Arbeitsverhältnisse, zum Teil die Folge der systematisch heruntergefahrenen Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rente.
- Wir müssten deshalb Abstand nehmen von falschen Wegen, von der Riester-Rente und anderen staatlich geförderten privaten Vorsorgemodellen, bei denen die staatlichen Mittel im Grunde nur dazu dienen, die Apparate der Banken und Versicherungen zu finanzieren.
Die Ohren der bis vor kurzem amtierenden Arbeits- und Sozialministerin Nahles wie auch der maßgeblich an den Koalitionsvereinbarungen beteiligten Fraktionsvorsitzenden Nahles waren und sind taub für diese notwendigen Schritte. Stattdessen lobt sie mit den anderen Koalitionären die Durchschnittsrente von 48 %, die nie reichen, und sie fährt fort auf den Irrwegen Riester-Rente etc. Sie macht das vermutlich, um der Versicherungswirtschaft und den Banken das Geschäftsfeld Privatvorsorge zu erhalten, und sie stärkt die staatlich geförderte betriebliche Altersvorsorge, deren Fördermittel wiederum ganz wesentlich der Versicherungswirtschaft zugutekommen, weil dies auch Gewerkschaftsfunktionären nutzt, die zusammen mit der Versicherungswirtschaft die von uns Steuerzahlern subventionierten Rentensysteme ausprobieren, installieren und verwalten wollen.
Fazit, festzumachen schon an diesem einen Beispiel: Mit Andrea Nahles bekommt die SPD keine unabhängige Vorsitzende.
Und mit dem Dreigestirn aus Schulz, Scholz und Nahles wird die SPD die Erneuerung nicht schaffen und auch nicht zur Ruhe kommen.