Die AfD und ihre unfreiwilligen Helfer. Von Oskar Lafontaine.
In einem beachtenswerten Kommentar hat Jakob Augstein unter der Überschrift „Die AfD und der nationale Sozialismus“ geschrieben: „Die AfD dürfte künftig auf einen Politikmix setzen, der in der deutschen Geschichte schon einmal furchtbar erfolgreich war: Rassismus plus Sozialstaat. Dann droht der Aufstieg der Rechten zur Massenbewegung.“ Zwar ist noch nicht ausgemacht, ob der Höcke-Flügel die Neoliberalen – an ihrer Spitze das Mitglied der Hayek-Gesellschaft Alice Weidel – verdrängen kann. Aber dass dieses Szenario Wirklichkeit werden kann, kann man nicht mehr übersehen.
Weiter heißt es: Es war die „Vernachlässigung der Wirklichkeit, mit der die liberalen Eliten den Rechten in der Vergangenheit Raum zum Wachstum gelassen haben.“
Noch mehr als die liberalen Eliten haben führende Politiker linker Parteien, allen voran die Sozialdemokraten, der AfD den Raum zum Wachstum gelassen. Zu Recht weist Augstein darauf hin, dass 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder, in Ostdeutschland 22 Prozent, bei der letzten Bundestagswahl für die AfD gestimmt haben.
Die „Export“-Gewerkschaften wollen Arbeitsplätze in Deutschland schaffen oder erhalten und drücken deshalb beim Lohndumping und der Prekarisierung der Arbeit schon mal ein Auge zu. Gewerkschaftsmitglieder wollen aber feste Arbeitsplätze, die gut bezahlt sind. Politiker linker Parteien, die das Credo des Neoliberalismus, offene Grenzen für Waren, Geld und billigere Arbeitskräfte nachbeten, übersehen, dass diese “schöne neue Welt” zwar wohlsituierte Besserverdienende begeistern kann, bei Millionen schlecht bezahlten Arbeitnehmern in unsicheren Arbeitsverhältnissen und Rentnern mit Minijobs aber nur auf Verständnislosigkeit und Ablehnung stößt. Spätestens dann, wenn die Konkurrenz um schlecht bezahlte Arbeitsplätze und preiswerte Wohnungen geleugnet wird, fühlen sich diese Menschen nicht mehr vertreten.
Kann die politische Linke den Aufstieg der Rechten noch verhindern? Ja, wenn sie aufhört, Menschen, die Existenzängste und Sorge vor sozialem Abstieg haben, als Rassisten zu beschimpfen. Wenn sie lernt, dass Flüchtlings-Solidarität zu allererst dazu verpflichtet, den Ärmsten zu helfen – dass man also mit einer Milliarde Euro das Leid von ungleich mehr Menschen in den Lagern und Hungergebieten lindern kann (wozu die Migrationsforschung rät), als durch die Aufnahme und Betreuung in den Industriestaaten – dass man selbst die Milliarden, die der Staat durch die Besteuerung des ungerechtfertigten Reichtums einnehmen könnte, nur einmal ausgeben kann und dass man so durch soziale und wirtschaftliche Investitionen die Interessen von Millionen Niedriglöhnern und Armuts-Rentnern ebenso berücksichtigen kann wie die der Millionen Notleidenden in den Krisen- und Hungergebieten. Und noch eins: Willy Brandt wollte die Rüstungsausgaben drastisch senken und mit den freiwerdenden Milliarden das Elend in der Welt bekämpfen. Heute streiten die Groko-Verhandler darüber, wieviel zusätzliches Geld sie ausgeben müssen, um die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu finanzieren. Unter „mehr Verantwortung in der Welt“ hatte Willy Brandt doch etwas ganz anderes verstanden.