Adenauers gekaufte Demokratie
Konrad Adenauer wäre nie Bundeskanzler geworden und nicht geblieben, wenn er sich an Grundgesetz und demokratische Verfahren gehalten hätte. Schwarze Kassen, Schweizer Nummernkonten, Liechtensteiner Stiftungen, gefakete Anzeigen, Tarnorganisationen und Geheimdienste im In- und Ausland: Mit Verfassungsbruch und krimineller Energie finanzierten Konzerne die Regierungsparteien der neu gegründeten Bundesrepublik – und schon vorher. Interessant ist auch die von Werner Rügemer beschriebene Umpolung der Europa Union auf eine konservative, wirtschaftsnahe Linie und die Erfindung von NGOs. Schon in den fünfziger Jahren wurden Vorfeldorganisationen für politische Zwecke missbraucht. Wie heute WWF und NABU. Siehe hier. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Rügemers Text ist auch der Auftakt für eine noch folgende Betrachtung zu den ungleichen Wettbewerbschancen des rechtskonservativen und des linken Lagers – vom Anfang der Bundesrepublik bis heute.
Werner Rügemer
Adenauers gekaufte Demokratie
Politische Parteien, die als regierungsfähig gelten, werden in der westlichen Demokratie zwischen Washington, Paris, London, Seoul und Tokio routinemäßig von Unternehmen und Banken (mit)finanziert – das ist eine ebenso bekannte wie banale Tatsache. Die Bundesrepublik Deutschland ist aber der einzige größere Staat mit demokratischem Anspruch, in dem die als regierungsfähig erklärten Parteien sofort von Beginn an durch Privatunternehmen finanziert wurden, ja ohne diese Umstände vermutlich nicht in die Regierung gekommen wären.
Dies betrifft (bis heute) CDU, CSU, FDP, daneben die 1961 aufgelöste rechtsradikale Partei DP (Deutsche Partei), die ab 1949 zu allen drei Regierungskoalitionen des Bundeskanzlers Adenauer gehörten. Sie alle waren erst nach 1945 vor Gründung der Bundesrepublik gegründet worden, vorher gab es sie nicht. Sie hatten deshalb zunächst kein Vermögen und wenig zahlende Mitglieder. Sie standen den Parteien SPD und KPD gegenüber, die zwar durch das Hitler-Regime bekämpft und geschwächt worden waren, aber sich rasch reorganisierten, über Vermögen und auch über moralische Autorität verfügten, da sie Widerstand gegen die Nazis geleistet hatten (das galt teilweise auch für den gewerkschaftsnahen Teil der Zentrumspartei, zu dem Adenauer nicht gehört hatte). Die staatliche Parteienfinanzierung gab es noch nicht.
Vor der Gründung der Bundesrepublik:
Bankier Pferdmenges und westliche Militärregierungen
Aber es gab den Bankier Robert Pferdmenges und seine feine Kölner Privatbank Sal. Oppenheim & Cie – während der Nazizeit hatte sie als Bank Pferdmenges firmiert. Nach 1945 brachte der bekennende evangelische Christ und Synodale Pferdmenges das evangelische Milieu mit in die erneuerte christliche Partei seines langjährigen katholischen Kölner Freundes Konrad Adenauer – man kannte sich aus dem 1928 gemeinsam gegründeten Kölner Rotary-Club. Pferdmenges war schon der wichtigste Spendensammler für den Kölner Oberbürgermeister Adenauer gewesen, dessen schwarze Kasse für die rheinische Landschaftspflege er bis 1933 immer gut gefüllt hatte.
Pferdmenges übernahm sofort 1946 das Amt des Schatzmeisters der CDU Rheinland. Er erwies sich wegen seiner Unternehmenskontakte als der erfolgreichste Spendensammler der Partei; niemand außer seinen Mitgesellschaftern Friedrich Carl und Waldemar von Oppenheim hatte in der Bank-, Versicherungs- und Konzernwelt der Nachkriegszeit bis in die 60er Jahre so viele Aufsichtsratsmandate wie Pferdmenges. So finanzierte er CDU-Geschäftsstellen, den Landtagswahlkampf 1946 und die Kommunalwahlkämpfe.
Die westlichen Militärregierungen beeinflussten durch Visumserteilungen die Reisen von CDU-Funktionären zwischen den drei Besatzungszonen. Kontakte mit der Ost-CDU wurden verhindert. Adenauer war von Anfang an der Wunschkandidat der USA. Sein wichtigster Konkurrent, der ehemalige Reichskanzler Joseph Wirth, der im Unterschied zu Adenauer Widerstand gegen die Nazis geleistet hatte und ins Schweizer Exil flüchten musste, bekam erst 1948 ein Visum, als Adenauers Führung abgesichert war. Adenauer bekam jedes Visum sofort sowie geräumige Autos mit Chauffeur. Zugleich konnte Pferdmenges durch Zuteilung und Verweigerung von Raum-, Fahrt- und Hotelkosten das Datum und die Zusammensetzung von CDU-Versammlungen steuern.
In den Kreisen, die sich in der CDU sammelten, gab es nach dem Hitler-Regime Zustimmung für einen „christlichen Sozialismus“. Die Hessen-CDU hatte sich ein solches Programm gegeben und hatte mit der SPD Sozialisierungs-Klauseln in der Landesverfassung verankert. Der erste CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Arnold, war 1947 für die Zusammenarbeit mit SPD und KPD offen. Das war für Pferdmenges, Adenauer und ihre Freunde eine Todsünde.
Den Gewerkschaftern und Sozialausschüssen wurden im „Ahlener Programm“ vom Februar 1947, ein paar kapitalismuskritische Passagen zugestanden, die oft nostalgisch zitiert worden sind. Die Schlussfassung des Programms fand unter Leitung von Pferdmenges in den Räumen der Bank Oppenheim statt.
Gleichzeitig hintertrieb Adenauer gnadenlos jegliche Änderung im Sinne des Ahlener Programms. So verhinderte er als CDU-Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag ein paar Monate später, zusammen mit der FDP, die Abhaltung eines Plebiszits zur Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien. Als die kritischen Stimmen in der CDU eingebunden und ausmanövriert waren, ließen Pferdmenges/Adenauer ein neues Programm ausarbeiten, die „Düsseldorfer Leitsätze“ von 1949. Darin hieß das programmatische Ziel „soziale Marktwirtschaft“. Das Adjektiv „sozial“ war der unscheinbare, unkenntliche Rest, der vom „Ahlener Programm“ übrigblieb.
„Christlichen Nothilfe“ und CIA in der Schweiz
In den USA wurde 1948 unter der Leitung von CIA-Chef Allen Dulles das American Committee on United Europe (ACUE) gegründet. Vereinigtes Europa – damit war, im engen, auch personellen und finanziellen Verbund mit Marshall-Plan und NATO – ein von den USA dominiertes West-Europa gemeint.
Auf Dulles‘ Initiative – er hatte von 1942 bis 1945 von der Schweiz aus den CIA-Vorgängergeheimdienst OSS geleitet – trafen sich 1947/48 in Genf Politiker, die christliche, „westlich“ orientierte Parteien gründeten, in Westdeutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Österreich und den Niederlanden. Adenauer war der Vertreter Deutschlands, in Begleitung seines engen Mitarbeiters Otto Lenz, der später der erste richtige Chef des Bundeskanzleramts werden sollte. Bei diesen geheimen „Genfer Gesprächen“, die 16 mal stattfanden und die Adenauer in seinen Memoiren verschweigt, sollte eine west-europäische antikommunistische Front aufgebaut werden.
Die Reisen nach Genf und die Aufenthalte in dortigen Luxushotels mussten organisiert und finanziert werden, und sie mussten geheim bleiben. Deshalb bediente sich die Adenauer-Truppe des unverdächtigen Vereins „Christliche Nothilfe“. Sie war nach dem Krieg in Zürich durch deutsche Emigranten gegründet worden, vor allem durch Alois Stegerwald, Sohn des ehemaligen Zentrumspolitikers Adam Stegerwald, 1930 bis 1932 Reichsarbeitsminister, ein Freund Adenauers, nach 1945 Mitbegründer der CSU. Die „Nothilfe“ sammelte in den vier Jahren ihrer Tätigkeit etwa 40 Millionen Schweizer Franken vor allem bei vermögenden Schweizer Bürgern ein und verschickte damit standardisierte „Liebesgabenpakete“ an hungernde Menschen im Nachkriegs-Deutschland, jedenfalls wenn sie sich zum Christentum bekannten.
Die „Genfer Gespräche“ fanden in der Genfer Dépendance der „Nothilfe“ statt. Inwieweit Adenauer und Lenz von den Gaben des sehr freigiebigen American Committee on United Europe profitierten (CIA, State Department und US-Stiftungen wie Rockefeller und Ford finanzierten gemeinsam), ist bisher noch nicht genau erforscht. Bei diesen Treffen wurde beispielsweise 1949 eingefädelt, dass die Westalliierten das Land Berlin, obwohl es im gleichzeitig in Bonn beratenen Grundgesetz als Bundesland gelten sollte, keine Abgeordneten in den Bundestag entsenden durfte. Das hatte allein den Grund, dass mit abstimmungsberechtigten Berliner Vertretern der SPD die Mehrheit Adenauers bei der Wahl des Bundeskanzlers nicht zustande kommen würde. So wurde Adenauers Wahl 1949 – gerade mal mit einer Stimme Mehrheit – hinmanipuliert. Das war aber nur ein Teil der Manipulationen, die Adenauer zum Sieg verhalfen.
Trio Capitale: Pferdmenges, Adenauer, Berg
In diesen Jahren führte Pferdmenges treuhänderisch die Geschäfte für den von den Alliierten wegen seiner NS-Aktivitäten zu Gefängnis verurteilten Friedrich Flick. Der wird zu einem Groß- und Dauerbespender der Adenauer- und dann auch der Kohl-CDU und der FDP aufsteigen.
Pferdmenges organisierte auch die Finanzierung des ersten Bundestags-Wahlkampfes 1949. Er versorgte auch die anderen Parteien, die absehbar für das Regierungsbündnis und die Wahl Adenauers als Bundeskanzler notwendig waren, einschließlich der rechtsradikalen DP.
Kein kommunistisches Zentralkomitee hat je zentralistischer und rigoroser durchgegriffen als das Trio Capitale aus Pferdmenges, Adenauer und dem damaligen Präsidenten des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), Fritz Berg. Die Arbeitgeberverbände BDI und BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) und die Bank Oppenheim schlossen 1949, ein halbes Jahr vor der ersten Bundestagswahl, das „Pyrmonter Abkommen“: Danach hatten die Mitgliedsfirmen insgesamt 4 Millionen DM aufzubringen, die streng zentral- und planwirtschaftlich nach dem Schlüssel 65 – 25 – 10 Prozent auf CDU, FDP und DP aufgeteilt wurden.
Die Spenden wurden nicht von den Unternehmern und Managern persönlich gezahlt, sondern anteilig nach Beschäftigtenzahl aus den Firmenkassen. Deshalb konnten die Unternehmen ihre Spenden als steuermindernde Betriebsausgaben ansetzen. Die Spendenkonten wurden vorzugsweise bei kleinen Privatbanken geführt, so auch in der Bank Oppenheim. So wurde die erste Bundestagswahl 1949 gewonnen.
Ab 1951: Gemeinnützige Fördergesellschaften auf Landesebene
Dieses Ergebnis war aber nicht einfach zu halten: Die Popularität Adenauers war nach der Wahl schnell auf 20 Prozent abgestürzt. Die Landtagswahlen in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen gingen katastrophal aus – wegen der auf die wenigen Montankonzerne beschränkten Mitbestimmung, wegen der absehbar endgültigen Spaltung Deutschlands und wegen der von Adenauer nun offen propagierten Wiederaufrüstung.
Unter der Führung von Pferdmenges, der seit 1951 auch Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Banken war (damals Bundesverband des privaten Bankgewerbes), wurden deshalb die Methoden des Politikkaufs weiterentwickelt.
Entgegen ihrer Propaganda für die (staats)freie Marktwirtschaft waren die großzügigen Förderer ihrer Regierungsparteien schon damals auf die Plünderung der Staatskassen erpicht: Die Spenden wurden wegen ihrer angeblichen Gemeinnützigkeit steuerlich begünstigt. Dies war in den ersten Jahren nach 1949 zwar verbreitete Praxis gewesen, aber manche Unternehmen mussten sich dazu mit ihrem Finanzamt herumschlagen. Um die Sache grundsätzlich zu regeln, leitete Pferdmenges zusammen mit dem BDI die Gründung von „Fördergesellschaften“ auf Landesebene ein. Sie dienten als regionale Spendensammelstellen. Mitglieder waren die einzelnen Unternehmen, die pro Beschäftigten und Jahr Beträge zwischen ein und zwei DM als jährlichen Mitgliedsbeitrag entrichteten. Als Unternehmensvereinigungen wurden sie gesetzwidrig als gemeinnützige Vereine anerkannt und sicherten die Steuerbegünstigung ab.
Bereits für die Bundestagswahl 1953 waren die Vereine in allen Bundesländern präsent: Volkswirtschaftliche Gesellschaft Bayern e.V., Fördergesellschaft der Hessischen Wirtschaft e.V., Institut für die Niedersächsische Wirtschaft e.V., Verein zur Förderung der sozialen Marktwirtschaft in NRW e.V. usw. Die Satzungen waren nun vorsichtiger formuliert, so wurde von „staatspolitischen“ oder „staatsbürgerlichen“ Zielsetzungen gesprochen.
Deutsches Industrie-Institut, Anzeigen- und Plakatserie
Zusätzlich wurde Wahlkampfhilfe über das unternehmensfinanzierte Deutsche Industrie-Institut organisiert. Es hatte seinen Sitz unmittelbar neben BDI und BDA auf der Hinterbühne in Köln. (Später wurde es umbenannt in Institut der Deutschen Wirtschaft, IDW; heute heißt es Institut der Wirtschaft, IW). Hier bestellten die Unternehmen den „Unternehmerbrief“, den „Schnelldienst“, den „Rundfunkspiegel“ und den „Mitarbeiterbrief“, den sie durch ihre Abonnements finanzierten und durch das Institut an die Beschäftigten verschicken ließen.
1952 wurde der Verein „Die Waage“ als „Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichs“ ins Kölner Vereinsregister eingetragen. Er wurde ebenfalls als gemeinnützig anerkannt. Vorsitzender war der Kölner IHK-Präsident Fritz Greiss. Zu den Gründern der „Waage“ gehörten noch der Kölner CDU-Abgeordnete Fritz Burgbacher (Landesschatzmeister der CDU-NRW, Nachfolger von Pferdmenges), der Kaufhauseigentümer Alphons Horten und der Zigarettenfabrikant Philipp Reemtsma. Ziel war nach US-Vorbild, „public relations“ gegen die Sozialisierung zu machen, die durch SPD und Gewerkschaften drohe („Der Sozialismus alter Art marschiert geschlossen“). Die KPD brauchte man nicht mehr zu bekämpfen, sie war anderweitig dezimiert worden.
Die „Waage“ sollte zwar ebenfalls die Adenauer-Parteien CDU, CSU, FDP und DP unterstützen, aber in allgemeinerer Form, die der gegenwärtigen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vergleichbar ist. Dazu sollte vor allem im Vorfeld von Wahlkämpfen „ein einheitlicher Anzeigen-Typ in der gesamten Tagespresse zum Einsatz kommen“. Die Resonanz wurde jeweils zeitnah vom befreundeten Institut für Demoskopie Allensbach ausgewertet.
So wurden Ende 1952 im Blick auf die 1953 anstehende Bundestagswahl Anzeigen in 445 Tageszeitungen und Wochenblättern geschaltet – also praktisch in allen damaligen Zeitungen. Und gleichzeitig prangten Plakate an 41.100 Werbetafeln des Bundesgebietes. Allein für diese Anzeigen- und Plakataktion wurden schätzungsweise sechs bis 10 Millionen DM ausgegeben.
Fiktive Anzeigen
Der sogenannte Informationsdienst „Wirtschaftsbild“ war ein vervielfältigtes Blättchen mit 20 Seiten im DIN-A4-Format, wurde vom CDU-Schatzmeister Ernst Bach herausgegeben und erschien wöchentlich. Es konnte von Unternehmen zum sagenhaften Preis von 1200 DM pro Jahr abonniert werden; manche Unternehmen abonnierten das Papierkorb-Produkt dutzendweise. Dazu hatten sie noch die Möglichkeit, eine Anzeigenseite pro Ausgabe für 3.000 DM zu schalten. 1953 hatten 1.746 Firmen den Informationsdienst abonniert und finanzierten damit vor allem die CDU-Bundesgeschäftsstelle und CDU-Landesgeschäftsstellen.
Auch direkt betrügerische Methoden kamen zum Einsatz: So wurden Firmenspenden zum Teil als Inseratenbestellung bezeichnet, mit dem Zusatz, die Werbeeinschaltung in parteieigenen Medien erfolge „auf Abruf“. Pferdmenges persönlich kümmerte sich um solche Anzeigen. In manchen Fällen gab es nicht einmal die behaupteten Medien wie das „Wirtschaftsbild“, vielmehr dienten fingierte Korrekturabzüge als Belege. Die FDP griff zu ähnlichen Methoden.
Von der Hitler-Spende zur Adenauer-Spende
Der Präsident des RDI (Reichsverband der Deutschen Industrie), Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, hatte 1933 zusammen mit Hermann Göring und dem zukünftigen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht die „Hitler-Spende“ eingerichtet. Sie sollte dem „nationalen Wiederaufbau“ dienen. Die Spendenhöhe wurde anteilig an der Gesamtlohnsumme der Betriebe berechnet. Die jährlichen Spenden, die damit steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben waren, wurden zentral von einem Kuratorium unter Vorsitz von Krupp eingesammelt und standen Hitler zur freien persönlichen Disposition.
Das zentrale Spendensammeln von Unternehmen für genehme Politiker, fürsorglich verbunden mit der Anerkennung als steuerbegünstigte Betriebsausgabe, musste für die neue Demokratie folglich nicht erst neu erfunden werden. Ob sich der Vorstand des BDI, der RDI-Nachfolgeorganisation, zu Beginn der Bundesrepublik die „Hitler-Spende“ bewusst als Vorbild genommen hat, ist nicht überliefert. Die andere Möglichkeit ist die, dass die Praxis während der 12 NS-Jahre den Unternehmern und ihren Lobbyverbänden so in Fleisch und Blut übergegangen war, sodass sie im Unterbewussten abrufbereit lebendig blieb. Die letzten Zahlungen an Hitler lagen ja nur sechs Jahre zurück.
Jedenfalls kam BDI-Präsident Berg auf die Idee, den Mitgliedsunternehmen – es waren ja dieselben wie vor 1945 – eine „Adenauer-Spende“ vorzuschlagen. In seinem Rundscheiben vom 19.12.1950 wies Berg darauf hin, dass Herr Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer am 5. Januar 1951 seinen 75. Geburtstag begeht. Da sein Wirken „für die deutsche Industrie und die Erhaltung des Eigentums und damit für das Ergehen des deutschen Volkes “ – so wurde der „nationale Wiederaufbau“ nun umschrieben – so segensreich gewesen sei, sei eine Geldspende angemessen. (Er schrieb „Eigentum“ statt dem gemeinten Privateigentum, und er schrieb „Ergehen“ und keineswegs etwa „Wohlergehen“) Dem Kanzler solle die Verwendung für wissenschaftliche und kulturelle Zwecke freigestellt werden, „zur persönlichen Disposition“. Die Spende solle pro Unternehmen 1000 DM nicht unterschreiten und mit der Bezeichnung „Adenauer-Spende“ ausschließlich und möglichst umgehend auf das BDI-Konto beim Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim eingezahlt werden. Die Behandlung der Spende als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe werde mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium der von Adenauer geführten Bundesregierung verhandelt und sicherlich positiv entschieden werden.
Auf eine spätere Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion wegen der steuerlichen Begünstigung und der tatsächlichen Verwendung der „Adenauer-Spende“ antwortete Innenminister Lehr, die Spende sei Adenauer nicht als Bundeskanzler, sondern als CDU-Vorsitzendem zugekommen. Das war einerseits gelogen, denn Berg hatte ja ausdrücklich die Verdienste des Bundeskanzlers als Begründung angeführt. Aber andererseits war das auch zutreffend, denn die Spende füllte eine der schwarzen Kassen des CDU-Vorsitzenden. Lehr konnte deshalb auch zutreffend darstellen: Es seien keine Nachweise erforderlich, welche mildtätige und wissenschaftliche Einrichtung der CDU-Vorsitzende mit dem Geld im Einzelnen bedacht habe. Ebenso könnten deshalb auch keine Angaben über die privaten Spender gemacht werden, da stehe das Bankgeheimnis vor.
Wahlkampfspenden aus ersten Rüstungsverträgen
Daneben blühten dunkle Landschaften mit weiteren schwarzen Kassen. Hier landeten heimlich und illegal Millionenbeträge. Sowohl Pferdmenges wie die Kanzleramtschefs Otto Lenz und nach ihm Hans Globke unterhielten noch Sonderkonten, die ebenfalls von Unternehmen gespeist wurden. Zusätzlich wurden im Tresor des Bundeskanzleramts Barbestände bereitgehalten. Damit hatte Adenauer ein zusätzliches Instrument, um direkt Freunde und Gegner – innerhalb und außerhalb seiner CDU – zu fördern bzw. zu disziplinieren.
Mit Wissen Adenauers und Beteiligung des CIA gründete der Waffenhändler Rudolf Ruscheweyh im Januar 1952 in Vaduz den Octogon Trust. Ruscheweyh war Staatsbürger der bei deutschen Unternehmern schon während der Nazizeit beliebten Finanzoase Liechtenstein, hatte während des Krieges die Waffenlieferungen des Schweizer Rüstungskonzerns Bührle/Oerlikon an die Wehrmacht vermittelt und dabei Millionen verdient.
Adenauer, Pferdmenges und Franz-Josef Strauß (damals „Minister für besondere Aufgaben“) wollten in Voraussicht auf die schon heimlich vorbereitete Bundeswehr die Waffenproduktion ankurbeln. Zunächst wurden von der Schweizer Rüstungsfirma Hispano Suiza Kanonen und Munition für den Bundesgrenzschutz geliefert – 5 Prozent des Kaufpreises landeten als Provision auf Oppenheim-Konten und damit in schwarzen CDU-Kassen. Das war umso leichter, weil Otto Lenz, bis 1953 Chef des Kanzleramtes, nicht nur zugleich CDU-Wahlkampfleiter war, sondern als Mitinhaber einer Bonner Anwaltskanzlei noch als rechtlicher Vertreter von Hispano Suiza agierte.
Ruscheweyhs Octogon und der CIA lenkten noch weitere dunkle Gelder in Richtung Oppenheim und Adenauers Bargeld-Tresor im Bundeskanzleramt. Dazu gehörten in der Schweiz geparkte Auslandsgelder des Wehrmachtsgeheimdienstes Abwehr und sogar Teile des in der Schweiz gebunkerten Parteivermögens des Chefs der britischen Nazis, Sir Oswald Mosley.
Tarnfirmen des Bundespresseamtes
Auch die Wahl 1953 stand für Adenauer und seine Koalitionsparteien auf der Kippe. Aber Lenz, in US-Public-Relations geschult, konnte mithilfe der schwarzen Kassen ein teures, noch aufwendigeres Wahlkampffeuerwerk entzünden.
Er schaltete die an US-Methoden geschulten Meinungsforscher des Allensbacher Instituts für Demoskopie ein. Die erkundeten unter Leitung von Elisabeth Noelle-Neumann in geheimen Befragungen die Stimmung im Volk und lieferten Stichworte für populistische Wahlkampfreden des Bundeskanzlers. Mobile Filmbühnen drangen bis in die abgelegensten Dörfer vor. Zielgruppenspezifisch wurden Akademiker, Arbeiter und Landbevölkerung mit unterschiedlichen Werbefilmen, Broschüren und Veranstaltungen bearbeitet. Am selben Tag hingen zehntausende Plakate mit einfachen Parolen und Adenauer-Konterfei gleichzeitig an allen Litfasssäulen der Republik. Lenz mietete 85 Lautsprecherwagen. Sportflugzeuge warfen Flugblätter ab. In 4.000 Kinos wurden Dias und Filme gezeigt. Für tausende Veranstaltungen wurden Räume gemietet. Auch die FDP wurde mitfinanziert: Sie bekam eine Wahlkampf-Illustrierte, in der Unternehmen 20.000 DM für eine ganzseitige Werbeanzeige bezahlten.
Zur Durchführung gründete Lenz ein Netz von Tarnfirmen des Bundespresseamtes, abgestimmt auch mit dem vom CIA gelenkten Geheimdienst „Organisation Gehlen“, dem Vorläufer des BND. Auch das war sowieso gesetzwidrig, nicht nur deswegen, weil Gehlen/BND der Auslandsgeheimdienst war.
Erich Peter Neumann, der Ehemann von Elisabeth Noelle-Neumann, agierte mit einem eigenen Büro als enger Berater des Wahlkampfleiters Lenz und des Bundespresseamtes. Ein halbes Jahr vor dem Wahltermin 1953 dirigierte Lenz Neumann an eine Straßenecke im nächtlichen Bad Godesberg, um aus einem Auto mit undurchsichtigen Scheiben zwei Koffer in Empfang zu nehmen. Die 100- und 50 DM-Scheine wurden von der Sekretärin gezählt und im Tresor verstaut. So verschaffte sich Neumann auch die finanzielle Grundlage für weitere Propagandaaufträge an sich selbst und an seine Frau. Adenauer und seine Regierungskoalition gewannen so auch diese Wahl.
Bank Oppenheim übernimmt die Europa-Union
Die Propaganda für das Vereinte (West)Europa lief über die Europa-Union. Die meisten Gelder kamen von Dulles‘ American Committee on United Europe. Über die Bank Oppenheim wurden auch die deutschen Unternehmensspenden für die Europa-Union organisiert. Diese, ursprünglich linksliberal orientiert, wurde damit unternehmer- und USA-freundlich umfunktioniert.
Die deutsche Sektion war von 1949 bis 1954 von ihrem Präsidenten Eugen Kogon geprägt. Der Linkskatholik, der im Unterschied zu Adenauer Widerstand gegen den NS geleistet hatte (vgl. sein Buch „Der SS-Staat“, 1946), trat für eine demokratische CDU, für ein föderales Europa und gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands ein.
Friedrich Carl von Oppenheim, FDP-Sponsor, neben Pferdmenges persönlich haftender Gesellschafter der Bank Oppenheim, hatte sich schon seit 1949 als Vorsitzender des Kölner Kreisverbandes der Europa-Union für eine andere Richtung eingesetzt: Die Privilegien der Privatunternehmen sollten nicht angetastet werden, Europa sollte keine dritte Kraft, sondern Bündnispartner der USA sein. Der Bankier finanzierte den Kölner Kreisverband mithilfe von Unternehmensspenden; dazu gehörten auch Sachspenden. So stiftete etwa die Autofirma AutoUnion, mithilfe der Bank Oppenheim in Westdeutschland neu gegründet, den Dienst-PKW. Wegen seiner finanziellen Potenz übernahm der Kölner Kreisverband auch Aufgaben des Landesverbandes und sponserte z.B. Europa-Fahrten für den Bund Europäischer Jugend.
Als 1953 der Frankfurter Zentrale der Europa-Union unter Kogon das Geld abgedreht wurde und sie in finanzielle Schwierigkeiten geriet, ergriff Friedrich Carl von Oppenheim die Gelegenheit. Er verlegte die Geschäftsstelle des Verbandes kurzerhand nach Köln in die Räume seiner Bank. Hier fanden nun auch die Vorstandssitzungen statt. Er spendete selbst etwa 100.000 DM pro Jahr und wandte sich an dieselben Konzerne, die auch Pferdmenges für die Parteienfinanzierung ansprach. So flossen schnell große Beträge, in der Regel zwischen 10.000 und 20.000 DM. Konzerne wie Bayer und Hoechst – die die Adenauer-Regierung und sein Finanzberater Pferdmenges vor der Zerschlagung bewahrten – spendeten 100.000 DM.
Auch hier war der BDI der natürliche Filzpartner. Er richtete ein Spendenkonto zugunsten der Europa-Union ein. Der BDI-Hauptgeschäftsführer Wilhelm Beutler wurde ins Präsidium der Europa-Union gewählt. Friedrich Carl von Oppenheim berief in ein erweitertes Präsidium Bankiers und Industrielle wie den Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs und den Chef des Klöckner-Konzerns, Günther Henle, der neben Pferdmenges und Abs zu den Wirtschaftsberatern Adenauers gehörte.
Steuergelder flossen dann wie automatisch vom Auswärtigen Amt – Außenminister war zu dieser Zeit in Personalunion Kanzler Adenauer selbst (1951 – 1955). Die Europa-Union unter dem Oppenheim-Bankier wurde neben Adenauer zu einem Sprachrohr der Bundesregierung. Kogon hatte nichts mehr zu sagen. So war innerhalb eines Jahres die Europa-Union umgedreht und blieb so.
Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V.
Der höchst aufwendige Wahlkampf 1953 war mithilfe von teilweise einmaligen dunklen Geldquellen finanziert worden. Außerdem verließen enttäuschte Mitglieder die Adenauer-Partei: Die CDU hatte 1947 etwa 400.000 Mitglieder, 1954 waren es nur noch 215.000. Da bohrte die Pferdmenges-Berg-Globke-Truppe neue trübe Geldquellen an.
Die Adenauer-Mehrheit änderte 1954 das Steuerrecht und schrieb die Begünstigung von Großspenden an politische Parteien prinzipiell fest, während individuelle Kleinspenden steuerlich nicht gefördert wurden. Aber es war unsicher, ob das verfassungsrechtlich zu halten war. Außerdem wollten Adenauer/Pferdmenges gegenüber den relativ selbständigen Landes-Fördergesellschaften eine Spendenquelle erschließen, auf die sie direkteren Zugriff hatten.
Deshalb schritt das bewährte Gespann Pferdmenges/Berg 1954 in Köln zur nächsten Gründung: Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V. (SV) Im Präsidium des Vereins saß die Crème der deutschen Industrie: AEG-Chef Friedrich Spennrath (er war in Adenauers Kölner OB-Zeit dessen Beigeordneter gewesen), Pferdmenges mit einem zweiten Oppenheim-Banker, Graf Strasoldo, BDI-Präsident Berg und BDA-Präsident Constantin Paulssen. Auch der neue Oppenheim-Gesellschafter Harald Kühnen, der von der Dresdner Bank kam, übernahm zahlreiche Aufgaben. BDI-Hauptgeschäftsführer Gustav Stein war Vorstandsmitglied. Hier gingen nun die ganz großen Spenden der wichtigsten 50 Konzerne ein, darunter Bayer, Bosch, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Henkel, Mannesmann, Reemtsma, Rodenstock, Unilever, VEBA, Otto Wolff, Zentis.
Wegen der voraussehbaren rechtlichen Schwierigkeiten wurden die Versteckspiele immer komplizierter. Die Unternehmen spendeten zunächst an die SV. Die Gelder wurden dann weitergeleitet auf Konten in Zürich, wurden aber – eine routinemäßige Kombination – von Liechtensteiner Stiftungen mit Namen wie Aspe, Wisotest und Interdroit verwaltet. Sie erst leiteten das Geld an die Parteien und stellten den Unternehmen Spendenquittungen für angebliche Beratungen aus.
Erpressung, schwarze Kassen
Auch hier wurde mit dem Geld direkt in Regierungsgeschäfte und Parteientscheidungen eingegriffen. So strichen die Kölner Zahlmeister 1956 dem nordrhein-westfälischen Landesverband der FDP sofort alle Zuwendungen, als diese mit der SPD ein sozialliberales Bündnis eingehen wollte. Das Geld floss erst wieder, als der Hardliner Graf Lambsdorff als FDP-Landesvorsitzender dem Experiment ein Ende setzte.
Die große Zeit der Spendenwaschanlage SV sollte allerdings erst 1958 kommen. In diesem Jahr erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die steuerliche Begünstigung von Großspenden an Parteien als verfassungswidrig, weil gegen das Grundrecht auf Chancengleichheit verstoßen werde. Da das BVerfG sich aber nur auf direkte Spenden bezog, lenkten die Unternehmen nun unter Anleitung von Pferdmenges/Berg ihre Spenden fortan vor allem über die SV.
Das ging auch und gerade dann weiter, nachdem das Parteiengesetz 1967 endlich vom Bundestag beschlossen wurde und die öffentliche Rechenschaft für Spenden verbindlich machte. Im Zusammenhang des „Flick-Skandals“ flog Ende der 80er Jahre die betrügerische Praxis auf. Schätzungen über die Spendensummen liegen nur für die Jahre zwischen 1969 und 1980 vor: 214 Millionen DM wurden heimlich an CDU, CSU und FDP geschleust, und etwa die Hälfte davon wurde aus der Staatskasse den Spendern zurückerstattet. Zahlen über die Spendensumme von 1954 bis 1969 liegen bisher nicht vor, dürften aber in ähnlicher Größenordnung liegen. Aufgelöst wurde die SV übrigens erst 1990.
Skrupelloser Verfassungsbruch
Der CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler Adenauer traf sich ausweislich seiner Terminkalender wesentlich häufiger mit BDI-Präsident Berg und den Bankiers Pferdmenges und Abs als mit seinen Ministern. Präsident Berg lobte bei der Jahrestagung des BDI 1953 unverblümt:
„Es kann als ein Erfolg angesehen werden, wenn heute die unternehmerischen Gedanken und Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft in den Kreisen Anerkennung finden, die ihnen einmal scharf gegenübergestanden haben.“
Es handelt sich somit um eine moderne und zugleich elementare Form der politischen Korruption: Brechung des politischen Willens der Mehrheit und von Teilen der Bevölkerung.
Im Grundgesetz von 1949 hieß es in Artikel 21: Parteien müssen über die Herkunft ihrer Gelder öffentlich Rechenschaft ablegen. Dies sah der Parlamentarische Rat als eine notwendige Konsequenz aus der Weimarer Republik und dem Faschismus, wo heimliche Unternehmens-Spenden zu Aufstieg und Festigung von Rechtsparteien und der NSDAP beigetragen hatten. Die nähere Regelung, wie die öffentliche Rechenschaft auszusehen habe, sei der Gesetzgebung überlassen, heißt es weiter in Absatz 3 des Artikels 21.
Doch Adenauer, Pferdmenges, Berg & Co., die allgemeinen demokratischen Formeln mit auffälliger Begeisterung zustimmten, verhinderten die gesetzliche Ausführung dieser Vorschrift. Sie begingen von Anfang an Verfassungsbruch, flächendeckend, nachhaltig, bedenkenlos. Das Parteiengesetz von 1967 wurde hinsichtlich der Unternehmensspenden durch die Staatsbürgerliche Vereinigung und ähnliche Spendenwaschanlagen sofort systematisch umgangen.
Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein urteilte später:
„Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes 1950 – 1953 belegen klar das wichtigste Ziel aller Sitzungen, an denen Adenauer teilnahm: das Wahlgesetz entweder zu ändern oder zu umgehen und dabei gleichzeitig illegale Geldquellen zu erschließen, die nach dem Grundgesetz verboten waren.“
Die Gesetz- und Verfassungsbrüche betrafen nicht nur die diversen Formen der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Mit Verfassungsbruch wurde auch die lebendige Leiche der KPD öffentlich juristisch hingerichtet. Vor allem alle Initiativen und Bewegungen gegen die Spaltung Deutschlands und die Wiederaufrüstung des Teilstaats Bundesrepublik wurden mit aller auch geheimdienstlichen Macht der CIA und der Organisation Gehlen bzw. ab 1956 des Nachfolge-Auslandsgeheimdienstes BND mit der KPD, dem „kommunistischen Russland“, der „Soffjetzone“, dem „Marxismus“ und dem Anti-Christ in Verbindung gebracht und verfolgt. Die rechtliche Grundlage bot das Strafrechtsänderungsgesetz von 1951. Es wurde jährlich mit neuen Straftatbeständen novelliert: Wegen Hoch- und Landesverrat und Staatsgefährdung (darunter fielen Kontakte zur „Ostzone“) inszenierte die NS-durchsetzte Justiz etwa 200.000 Ermittlungsverfahren. Die DGB-Gewerkschaften wurden nach Kommunisten durchschnüffelt. Der CIA finanzierte wichtig erscheinende DGB-Funktionäre und infiltrierte mit der Organisation Gehlen/dem BND die KPD mit V-Leuten. Die KPD hatte zunächst 300.000 Mitglieder, zum Zeitpunkt ihres Verbots noch etwa 6.000.
Nochmal Parteispenden aus Rüstungsgeschäften
Weil das erste Rüstungsgeschäft mit Hispano Suiza für die CDU so spendenreich geklappt hatte, machte Adenauer hier weiter, in weit größerem Stil. Otto Lenz hatte im Kanzleramt seinem Nachfolger Hans Globke, der bis 1953 wegen seiner angreifbaren NS-Tätigkeit vorsichtshalber als Ministerialrat geparkt worden war, Platz gemacht. Lenz war nun Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Verteidigungsausschuss, Vorsitzender der 1956 von ihm gegründeten Deutschen Atlantischen Gesellschaft (NATO-Werbung) und weiter der CDU-Wahlkampfleiter. Und er war weiter als Anwalt für Hispano Suiza tätig und bereitete den nächsten Rüstungsvertrag mit der Bundesregierung vor.
1955 war endlich die Bundeswehr gegründet. Sie musste bewaffnet werden. Inzwischen war Strauß Verteidigungsminister. Er schloss mit Hispano Suiza in Genf 1957 den von Lenz ausgehandelten Vertrag über 3,7 Mrd. DM für die Bundeswehr ab: Sie sollte 10.000 neu entwickelte Schützenpanzer für die „Vorwärtsverteidigung“ bekommen. Als Vorschuss ließ Strauß auf ein Konto der Bank Oppenheim schon mal 205 Millionen DM überweisen, die dann nach Genf und Zürich weitergeleitet wurden. Davon flossen mindestens 50 Millionen DM zurück an die CDU.
Vom recht mangelhaften Schützenpanzer HS 30 wurden nach Gründung der Bundeswehr schließlich nur 2.200 geliefert. Hispano Suiza wurde bis 1965 trotzdem für die wenigen und wenig tauglichen Schützenpanzer fürstlich bezahlt – CDU-Wahlkampfleiter hatte gut verhandelt, jedenfalls um hohe CDU-Spenden herauszuholen. Dafür aber wurde der Bundeshaushalt erheblich geschädigt.
Die Staatsraison des Adenauer-Staates: Verdeckte Parteifinanzierung
Diese abenteuerliche Konstruktion drohte frühzeitig zum Skandal zu werden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Werner Plappert, zugleich Vorstandsmitglied der BDA und des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), beschwerte sich zunächst intern bei Wirtschaftsminister Erhard und bei Adenauer, weil Plapperts bevorzugter Schweizer Rüstungskonzern Bührle/Oerlikon benachteiligt worden war und dass Hispano Suiza Schmiergelder gezahlt habe. Strauß in seiner neuen Funktion als Finanzminister versuchte, Plappert dadurch ruhigzustellen, dass er ihm eine hohe Steuerschuld erließ.
Aber nach Adenauers Kanzlerzeit quollen in den 1960er Jahren die Gerüchte hoch. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages musste eingerichtet werden. Der Vorsitzende Hans-Joachim von Merkatz, der mehrfacher Minister in den Adenauer-Regierungen gewesen war, gab die Parole aus:
„Wer etwa die Gelder für die Wahlen gegeben hat, solche Fragen zu erörtern, wäre die Zerstörung der Grundlagen, auf denen wir alle miteinander stehen.“
Unsichtbare Geister kamen zu Hilfe: Der Hauptzeuge Otto Lenz, ein sehr vermögender Lebemann, verstarb schon im Mai 1957 plötzlich unter ungeklärten Umständen in einem Armenkrankenhaus Neapels. Seine Reisebegleiterin und Geliebte Maria Clerc, die sich aus Furcht im Ausland vernehmen ließ, beging danach Selbstmord, so hieß es. Wenige Tage nach seiner Aussage im Ausschuss verschwand der Zeuge Plappert – Jahre später wurde seine Leiche im Bodensee gefunden. Alle diese Tode wurden nie aufgeklärt. Der Untersuchungsausschuss verlief im Sand bzw. Sumpf. Die Staatsanwaltschaft ermittelte ergebnislos.
Die Staatsraison des Adenauer-Staates hatte sich durchgesetzt.
Abgesang: Anfütterung der SPD
In seinen Memoiren verschwieg Adenauer den Octogon Trust, die „Christliche Nothilfe“, die Beihilfe der westlichen Alliierten, seinen erfolgreichen Wahlkampfmanager Otto Lenz, die illegale Spendensammelei von Berg/Pferdmenges, die Gelder von Allen Dulles undsoweiter sowie die Gesetzes- und Verfassungsbrüche. Und das tun auch seine gut alimentierten Legenden-Verwalter in Stiftungen, Medien, Parteien und Regierungen bis heute. Der Anfang war gemacht, die Machtfrage war entschieden, danach konnte es weniger kriminell weitergehen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Willi Eichler hatte auf dem SPD-Wahlkongress 1953 festgestellt: Die bespendeten Parteien der Adenauer-Koalition sind „vorwiegend Hilfstruppen des Unternehmertums, nicht aber mehr unabhängige politische Körperschaften, wie sie nach Artikel 21 des Grundgesetzes bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken“. Doch so richtig kritisch ging die SPD mit Adenauers CDU und deren Finanzpraktiken nicht um. Sobald die SPD unter Helmut Schmidt regierte, begannen 1980 die CDU-Bespender – hier der Flick-Konzern – mit der Anfütterung.
Letzte Buchveröffentlichung von Werner Rügemer: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet. Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, Geschichte und Kultur. 2. Auflage Köln 2017