Die FDP hat schon immer staatliche Leistungen missbraucht, sie war aber zugleich perfekt im Bemänteln
Mich bewegt immer noch die Meldung vom 5. September, wonach Westerwelle gegen „staatlich bezahlte Faulheit“ und Sozialmissbrauch wettert. In den 40 Jahren aktiver politische Betätigung und Beobachtung des Geschehens habe ich nämlich immer wieder erlebt, dass die Freidemokraten Politik fast nur als die Vertretung privater Interessen begreifen und den Staat im Interesse ihrer Klientel missbrauchen. Albrecht Müller
Vorweg: ich bin engagierten und sympathischen Mitgliedern der FDP begegnet und habe in der Zeit der sozialliberalen Koalition mit vielen auch gut zusammenarbeiten können. Aber die Politik der FDP insgesamt war über weite Strecken nur von Einzelinteressen bestimmt, im kleinen wie im großen, und meist gepaart mit einer Wolke von schönen Erklärungen, die die Verpflichtung auf das Gemeinwohl suggerieren sollen. Dazu vier Beispiele:
- Schon im ersten Jahr der sozialliberalen Koalition hat die FDP Vorteile für die privaten Krankenversicherungen durchgesetzt. Siehe hier. Der FDP-Politiker Lambsdorff war als Vertreter der Versicherungswirtschaft erkennbar, wenn man das erkennen wollte. So ist es bis heute.
- Die FDP hat in der damaligen Koalition aus SPD und FDP mithilfe ihres konservativen Flügelmanns und Landwirtschaftsministers Josef Ertl die finanziellen Leistungen zu Gunsten der Landwirtschaft fortgeführt und erweitert. Beide sozialdemokratischen Bundeskanzler, Willy Brandt und Helmut Schmidt, waren auf die Mitwirkung des konservativen Flügels der FDP angewiesen. Die Subvention der Landwirtschaft wurde eben nicht nur von der Union, sondern wesentlich auch von der FDP betrieben. Es geht dabei um Milliardenbeträge und es geht auch bei einzelnen Personen um Subventionen und Abzocke, die weit höher liegen als die von Einzelpersonen durch Sozialmissbrauch entzogenen Gelder. Der einzige Unterschied ist, dass die Subventionen für die Landwirtschaft als staatserhaltend gelten, während Sozialleistungen ein bewusst gemachtes negatives Image haben.
- FDP-Politiker haben von der auch wesentlich von der FDP betriebenen Privatisierung profitiert. So war zum Beispiel der ehemalige Außenminister und FDP-Vorsitzende Klaus Kinkel Berater der privatisierten Deutschen Telekom für ihre Tätigkeit im Ausland. Ein typischer Fall von Drehtüreffekt.
- Die FDP hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir heute ein Steuerrecht haben, bei dem sich Gutverdienende und Reiche der Steuerpflicht auf vielfältige Weise entziehen können. Ich verweise auf das Buch von Sascha Adamek und Kim Otto: “Schön reich! Steuern zahlen die anderen”.
Ein bisschen Aufklärung über die wahre FDP täte unserem Land ganz gut. Dass um die 15 % der Deutschen eine reine Klientel-Partei wählen wollen, ist schon etwas befremdlich und hat sicher damit zu tun, dass sehr viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen die FDP nicht richtig einschätzen können. Das liegt nicht an ihnen sondern an einer ziemlich perfekten Meinungsmache.