Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Freitag-Interview: „Die sind doch bekloppt“
  2. Sahra und der Aufstand der Easy-Jetter
  3. Portugal: Mit links aus der Krise
  4. Arbeitsvolumen lag im dritten Quartal 2017 auf dem höchsten Stand seit 25 Jahren
  5. Warum die Deutschen so früh in Rente gehen
  6. Krank gespart
  7. Eine Bürgerversicherung wäre grundgesetzwidrig
  8. Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl
  9. BND installierte Spitzel bei Willy Brandt
  10. Internet-Alchemie

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Freitag-Interview: „Die sind doch bekloppt“
    Fabio De Masi über die Machtkämpfe in der Linken, die GroKo, Flüchtlingspolitik und die Zukunft der EU.
    der Freitag: Herr De Masi, sind Sie froh, dass es nun wohl kaum zu Neuwahlen kommen wird und die Linke Zeit für die Beilegung eigener Konflikte bekommt?
    Fabio De Masi: Nein, ich kann die Große Koalition nicht mehr sehen. Unsere Aufgabe ist es, so schnell wie möglich die sozialen Verhältnisse zu verändern. Und wenn uns eine Wahl die Chance dazu gibt, müssen wir sie nutzen. Aber klar, Neuwahlen würden die Linke fordern. Denn im Gegensatz zu FDP, AfD, Union, SPD und Grünen erhalten wir keine üppigen Parteispenden von Konzernen. Und Wahlen machen nur einen Sinn, wenn es eine echte Wahl gibt. Dazu müsste sich die SPD erneuern. Das ist bisher nicht zu erkennen.
    Neulinge in der Linken-Fraktion, so ist zu hören, waren geschockt, wie erbittert dort Rivalitäten und Streit ausgetragen werden.
    Ich war nicht geschockt, aber ich verstehe, wenn viele sagen: Die sind doch bekloppt. Wir müssen die inhaltlichen Debatten auch führen – wenn es dabei nicht nur um Machtspiele geht. (…)
    Wir sind die Fluchtverhinderungspartei, weil wir Fluchtursachen wie Regime-Change-Kriege und unfaire Handelspolitik bekämpfen. Und wir wollen, dass der Staat sich um die, die hier sind, kümmert. Nicht, dass er sich billige Arbeitskräfte für Unternehmen holt, um den Rest ins Industriegebiet zu schicken. Das ist asozial, ein Geschäft mit der Not. Bei G20 hatten wir in Hamburg ja Berliner Polizisten, die waren für zwei Tage in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht – und haben Party gemacht, weil es so trostlos war.
    Braucht es linke Flüchtlings- und Einwanderungsgesetze, wie das Linken-Abgeordnete aus ostdeutschen Landtagen fordern?
    Nein, ein Einwanderungsgesetz fordern der Bundesverband der Deutschen Industrie, FDP, Grüne, SPD und AfD. Warum müssen wir gezielt Fachkräfte abwerben? Was wir brauchen, ist ein echtes Integrationsgesetz, um den Leuten, die hier sind, Perspektiven zu geben. Einen starken, mitfühlenden Staat. Wir wollen das Asylrecht verteidigen, da gibt es keinerlei Dissens. Aber eine Forderung nach offenen Grenzen für alle hilft uns nicht.
    Warum nicht?
    Weil es das Asylrecht schwächt. Wir müssen unsere Ressourcen auf Menschen in Not konzentrieren. Und der Staat muss auch wissen, wer ins Land kommt, um seine Pflicht gegenüber Menschen zu erfüllen. Schutzlose Minderjährige etwa müssen zur Schule, in den Sportverein und Deutsch lernen. Wenn Menschen Staatsversagen als Kontrollverlust empfinden, dann sollte ich ihnen nicht gleich die Rassismus-Keule über den Kopf ziehen, sondern zuhören. Reden. Gespräche an Info-Ständen laufen besser, wenn ich zuhöre.Und wenn ich frage: Dass der Syrer gegenüber eine Wohnung hat – wäre das noch ein Problem, wenn dein Lohn doppelt oder deine Miete halb so hoch wäre? Dann antworten die meisten mit Nein und sprechen über ihre Probleme, nicht über Flüchtlinge.
    Quelle: Fabio De Masi
  2. Sahra und der Aufstand der Easy-Jetter
    Machtkampf in der LINKEN: Die Kritik an Lafontaine und Wagenknecht ist zum Teil hysterisch und naiv
    Die undurchdachte Easy-Jet-Philosophie ist keine linke Utopie, sondern eine neoliberale Dystopie. Sie klingt als Slogan verführerisch, würde real aber in die soziale Katastrophe führen. Sie ist der Traum einer globalistischen Finanz- und Internetwirtschaft, die ideologie- und ortlos nirgendwo mehr Rechenschaft über ihre Gewinne ablegen möchte. Bei einer Erosion der staatlichen Strukturen (wozu auch Grenzen gehören) kann der nichtprivilegierte Bürger nur verlieren. Ein jüngeres Papier der LINKEN-Fraktion im Bundestag erklärt darum auch richtig, dass das Konzept der Grenzenlosigkeit für einen finanziell gepäppelten Erasmus-Studenten völlig anders klingt als für einen ausgeplünderten Arbeitslosen.
    Katja Kipping, Parteichefin der LINKEN, ist dennoch große Fürsprecherin einer grenzenlosen Welt. Man will Frau Kipping keine neoliberale Katastrophensehnsucht unterstellen. Ihr sicherlich gut gemeinter Fokus liegt auf den Rechten der Geflüchteten. Doch die dafür genutzte grenzen- und staatsfeindliche Rhetorik ist geeignet, den Weg für gravierende und negative Umwälzungen zu ebnen. Darum erscheint Kippings Trommeln für eine diffuse weltweite Barrierefreiheit mindestens naiv.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein sehr lesenswerter Artikel.

  3. Portugal: Mit links aus der Krise
    Auch sieben Jahre nach Beginn der Eurokrise warten fast alle südeuropäischen Staaten weiter auf das Licht am Ende des Tunnels. Erhebliche Teile der Bevölkerung leben in Armut oder prekären Verhältnissen. Selbst in Spanien, das in Brüssel gern für sein wiedererstarktes Wirtschaftswachstum gelobt wird, verharrt die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau.
    Die erstaunliche Ausnahme bildet ausgerechnet ein Land, das lange Zeit als das ärmste Westeuropas galt: Portugal. Noch 2011 musste Lissabon Notkredite beantragen und stand danach für vier Jahre unter Kontrolle jener Gläubiger-Troika, die auch Athen und Dublin ein Sparprogramm auferlegte. Seit zwei Jahren aber geht es aufwärts: Die Wirtschaft wächst stetig und die in der Krise massiv gestiegene Arbeitslosigkeit sinkt deutlich.
    Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Portugal hat diesen Aufschwung zum einen deshalb geschafft, weil es den Empfehlungen der EU-Kommission gerade nicht gefolgt ist. Statt weiter zu sparen, hat Lissabon schrittweise mit der Austeritätspolitik gebrochen – aber eine Konfrontation mit Brüssel vermieden. Zum anderen konnte der Rechtspopulismus in Portugal bis heute nicht Fuß fassen. Beide Entwicklungen sind eng verbunden mit der portugiesischen Linken, insbesondere mit der Regierung von Premierminister António Costa. Seit dem 26. November 2015 führt er ein sozialistisches Minderheitskabinett an, das sich im Parlament auf die Tolerierung durch zwei Linksparteien stützt.
    So positiv Costas Halbzeitbilanz ausfällt, so unsicher erschien seine politische Zukunft noch vor zwei Jahren. Eine geringonça nannten oppositionelle Konservative und Teile der Medien seine Regierung anfangs abfällig: ein schräges Konstrukt, das nicht lange halten werde. Tatsächlich übernahmen die Sozialisten ein Land, das eine Schocktherapie hinter sich hatte.
    Portugal hatte schon vor der globalen Wirtschaftskrise unter stagnierendem Wachstum und niedriger Produktivität gelitten. In der Krise musste Lissabon den strauchelnden Finanzsektor des Landes mit Milliardenbeträgen stützen, und die Staatsschulden schossen durch die Decke. Als dann auch noch die Bundesregierung unter Angela Merkel Anfang 2010 die europäische Antwort auf Griechenlands Finanznöte verzögerte, gerieten weitere Eurostaaten in den Fokus der nervösen Finanzmarktakteure – darunter auch Portugal. Die Ratingagenturen stuften das Land zwischen 2010 und 2011 mehrfach herab, bis der sozialistische Premierminister José Sócrates schließlich europäische Hilfskredite beantragen musste. Im Gegenzug verpflichtete sich auch Sócrates zur Austeritätspolitik. Und nach vorgezogenen Neuwahlen verschärften die siegreichen Konservativen diesen Kurs noch.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  4. Arbeitsvolumen lag im dritten Quartal 2017 auf dem höchsten Stand seit 25 Jahren
    Im dritten Quartal 2017 arbeiteten die Erwerbstätigen in Deutschland insgesamt 15,36 Milliarden Stunden. Das sind 1,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. (…) Die Erwerbstätigkeit ist im dritten Quartal 2017 gegenüber dem Vorjahresquartal mit 1,5 Prozent erneut kräftig gestiegen und lag bei 44,5 Millionen Personen. „Der Aufwärtstrend beim Arbeitsvolumen beruht auf der stark steigenden Zahl von Beschäftigten“, sagte Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“.
    Quelle: IAB
  5. Warum die Deutschen so früh in Rente gehen
    Wenn die Deutschen nicht pünktlich in Rente gehen wollen, können sie länger arbeiten – aber kaum einer tut es. Ein Experiment von Universität Mannheim und F.A.Z. zeigt Gründe dafür. […]
    Mehr als 3000 F.A.Z.-Leser wurden gefragt, unter welchen Bedingungen sie wie in Rente gehen würden. […] Immer fragten die Forscher, ob die Leute lieber mit 63 oder mit 67 Jahren in Rente gehen würden und wie hoch der Rentenunterschied dafür sein müsste. Die Hälfte der Leute aber wurde gefragt, ob sie mit 67 Jahren in Rente gehen würden und welche Abschläge sie hinnehmen würden, um vier Jahre früher zu gehen. Die andere Hälfte wurde gefragt, ob sie mit 63 Jahren in Rente gehen würden und wie weit die Rente steigen müsste, damit sie erst vier Jahre später gehen.
    Allein dieser Unterschied in der Frage änderte die Antworten fundamental: Wenn sie „früher“ in Rente gehen würden, würden sie für die vier Jahre einen Rentenunterschied von durchschnittlich 327 Euro im Monat für angemessen halten. Wenn es aber darum geht, „später“ in Rente zu gehen, sind die vier Jahre in ihren Augen plötzlich 764 Euro wert – ziemlich genau das Doppelte. […]
    Die Studienautoren empfehlen dem Staat, schon mal die Rentenauskunft neutraler zu gestalten und die Deutschen besser über Zu- und Abschläge zur Rente zu informieren. Später in Rente zu gehen – darüber steht auf dem Brief überhaupt nichts. Doch die Ergebnisse der Studie legen noch etwas anderes nahe: Vielleicht müsste der Rentenabschlag für Frührentner noch kräftiger werden.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Willkommen in der Parallelwelt der FAZ-Wirtschaftsredaktion. In Zeiten, in denen viele Arbeitgeber ohnehin Mitarbeiter über 50 Jahren lieber heute als morgen auf die Straße setzen würde, kramt Patrick Bernau den angestaubten Homo Oeconomicus aus der Schublade abglegter Ideologien und stellt die Frage des Renteneintrittsalters als freiwillige Entscheidung der Arbeitnehmer dar, die einzig und allein von finanziellen Boni und Mali im Rentensystem abhängt. Und dann bringt er auch noch absurde Zahlen ins Spiel. 764 Euro Rentenbonus pro Monat für „Spätverrentete“? Das sind nur 23 Euro weniger als die durchschnittliche komplette Altersrente in Westdeutschland. Typisch FAZ auch die „Lektion“ am Ende des Artikels. Kürzungen als Allheilmittel für die Sozialsysteme. Patrick Bernau ist übrigens Jahrgang 1981, also zarte 36 Jahre alt. Vielleicht sollte er einfach mal eine Woche ein Praktikum als Krankenpfleger, Bauarbeiter oder Landschaftsgärtner machen, um zumindest einmal grob Einblick in die echte Welt zu bekommen, die mit der Parallelwelt der FAZ nur recht wenig zu tun hat.

    dazu auch: Altersarmut muss nicht sein
    Pensionistin müsste man sein, in Österreich! Das denkt sich so manche deutsche Ruheständlerin mit Blick auf ihren kargen Rentenbescheid. Denn es hat sich herumgesprochen, dass die Renten in der Alpenrepublik deutlich höher liegen als in Deutschland. Grundlage für gute Altersbezüge sind in beiden Ländern Beitragszahlungen, die gute Erwerbsbiografen widerspiegeln. Aber fahren bloß Beschäftigte, die lange und viel eingezahlt haben, in Österreich besser? Oder gilt das auch für diejenigen, die nur geringe Ansprüche gesammelt haben? Dem sind Florian Blank vom WSI und Erik Türk von der Arbeiterkammer Wien nachgegangen. Sie haben die deutsche „Grundsicherung im Alter“ mit dem österreichischen System der „Ausgleichszulagen“ und „Mindestsicherung“ verglichen und beide Arrangements auf ihre „Armutsfestigkeit“ untersucht. Ergebnis: Staatliche Programme in Österreich leisten einen „größeren Beitrag zur Milderung von Altersarmut“. Das heißt zwar nicht, dass es in Österreich keine Altersarmut gäbe. Allerdings liegt die Armutsquote Älterer dort merklich niedriger als in Deutschland. (…) Politisch müsse es in Deutschland nun darum gehen, die „strukturelle Armutsfestigkeit“ des öffentlichen Rentensystems wiederherzustellen. Das Beispiel Österreich zeige einen möglichen Weg auf.
    Quelle: Böckler Impuls

    Anmerkung Christian Reimann: Seit vielen Jahren ist das Thema Rente ein Schwerpunkt-Anliegen der NachDenkSeiten. Bitte lesen Sie dazu z.B. erneut:

    1. Es ist höchste Zeit die gesetzliche Rente wieder armutsfest zu machen
    2. Wer den von der Anstalt belegten Ausverkauf bei Rente und Autobahn begriffen hat, versteht nicht mehr, dass CDU, CSU und SPD überhaupt noch Wähler haben
  6. Krank gespart
    Wund gelegen, nicht gefüttert, Pillen zu spät gegeben: ZEIT ONLINE und „Report Mainz“ liegen interne Dokumente vor, die die Gefahr fehlender Pfleger in Kliniken zeigen.
    Die Hilferufe sind kurz und sachlich. Doch was die Formulare erzählen, klingt bedrohlich: „Gefährdung des Personals durch eingeschränkte Hygiene“, heißt es in einem von ihnen. In einem anderen Dokument steht: „Zeitnahe Medikamenten-Gabe nicht möglich.“ Oder gar: „Pat. postoperativ kollabiert, Präsenz beim ersten Aufstehen konnte nicht gewährleistet werden, → Rea.“ Was bedeutet, dass ein frisch operierter Patient zusammengebrochen war und wiederbelebt werden musste, weil niemand bei ihm war, als er versuchte, das erste Mal selbständig aufzustehen.
    Die Sätze stammen aus internen Dokumenten deutscher Krankenhäuser. Es sind sogenannte Überlastungs- oder Gefährdungsanzeigen. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinen Arbeitgeber darauf hinzuweisen, wenn er sich überlastet fühlt oder ihm Gefahren drohen. Verzweifelte Pflegekräfte beschreiben darin ihren frustrierenden Alltag und immer wieder auch lebensbedrohliche Situationen. Ob Unfallchirurgie, Psychiatrie oder Intensivstation – das Problem ist überall das gleiche: Zu wenige Krankenschwestern und Pfleger müssen sich hierzulande um zu viele Patienten kümmern. Solche schriftlichen Gefährdungsanzeigen sind ihr Versuch, ihre Arbeitgeber auf das tägliche Drama hinzuweisen. Sie fordern endlich Hilfe, für sich und für ihre Patienten.
    Normalerweise verschwinden diese Hilferufe in den Schubladen der Klinikleitungen. ZEIT ONLINE hat mehr als 100 solcher Überlastungsanzeigen aus einem Dutzend Kliniken ausgewertet und zusammen mit dem ARD-Magazin Report Mainz die Situation recherchiert. Egal ob das entsprechende Krankenhaus einem privaten Träger gehört, kirchlich oder kommunal organisiert ist, überall ist das Missverhältnis zwischen Pflegepersonal und Patienten so groß, dass Pfleger und Krankenschwestern nahezu gezwungen sind, die Patienten und sich selbst in Gefahr zu bringen.
    Quelle: Zeit Online
  7. Eine Bürgerversicherung wäre grundgesetzwidrig
    Eine Bürgerversicherung wäre grundgesetzwidrig
    Rupert Scholz argumentiert auf Basis verfassugnsrechtlicher Argumente, warum eine Bürgerversicherung grundgesetzwidrig sei:
    „Wenn eine solche gesetzliche „Bürgerversicherung“ tatsächlich eingeführt werden sollte, so würde dies – zumindest schrittweise – das Aus beziehungsweise den wirtschaftlichen Ruin der privaten Krankenversicherungsunternehmen bedeuten. Zugleich würde in massiver Weise in die auch sozialrechtlich relevante Vertragsfreiheit bisher privat versicherter Personenkreise eingegriffen.
    Ihnen würde die ebenso freiheitliche wie eigenverantwortliche Entscheidung über die Gestaltung ihrer Gesundheitsvorsorge schlagartig genommen – zugunsten staatlicher beziehungsweise öffentlich-rechtlicher Bevormundung. Alles dies wirft nicht nur eine Fülle wirtschafts- und sozialpolitischer Probleme auf, es wirft vor allem auch verfassungsrechtliche Fragen von größter Bedeutung auf.“
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers Jens Breitenbach: So liest sich ein Gefälligkeitsgutachten. Bei Licht betrachtet ist nämlich keines von Scholzens Argumenten stichhaltig. Art. 74 GG bezieht sich nämlich auf die Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern. Private Sozialversicherungen sind nicht explizit erwähnt; „privatrechtliches Versicherungswesen“ steht genauso für Haftpflicht- oder Hausratversicherungen, aber eben nicht zwingend privatrechtliche SOZIALversicherungen. Da Scholz hierauf seine ganze Argumentation aufbaut, bekommt diese tönerne Füße.

    Darüber hinaus: Inwieweit die bisherige faktische Zweiklassenversicherung mit dem Gleichheitsgrundstz vereinbar sein sollte, darüber schweigt Scholz sich aus. Ebenso fällt für ihn unter den Tisch, daß die „eigene beziehungsweise eigenverantwortlich gehandhabte Versicherungsfreiheit, […] die verfassungsrechtlich ebenfalls geschützt ist“ offenbar nur für für diejenigen gelten soll, die über das nötige Einkommen verfügen, sich die Freiheit leisten zu können.

  8. Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl
    Zwei Journalisten haben herausgefunden, wie der frühere Bundeskanzler die Öffentlichkeit in der Spendenaffäre Ende der Neunziger getäuscht hat: Doch wofür setzte Kohl das Geld ein?
    Wenige Monate nach den Staatsakten des Abschiednehmens von Helmut Kohl, sorgen die Journalisten Stephan Lamby und Egmont R. Koch für eine große Irritation. Sie haben zu den schwarzen Kassen recherchiert, welche die CDU seit den siebziger Jahren und zu Zeiten des Bundeskanzlers und CDU-Parteivorsitzenden Kohl unterhielt. Was die Journalisten herausgefunden haben, lässt den Staatsmann Kohl in einem anderen Licht erscheinen.
    Den Ansatzpunkt für die Enthüllung lieferte Wolfgang Schäuble. In dem Porträt, das der Dokumentarfilmer Stephan Lamby 2015 über ihn drehte, sagte Schäuble auf die Frage, wer Helmut Kohls vier oder fünf Spender seien: Die habe es gar nicht nicht gegeben.
    Die anonymen Spender hätten als Pappkameraden gedient, um den Blick auf schwarze Kassen aus der Flick-Zeit der siebziger Jahre zu verstellen: „Es gibt keine anonymen Spender. Es gab aus der Zeit von Flick schwarze Kassen“, sagte Schäuble.
    Mit seinem „Ehrenwort“ und der Weigerung, die Spender zu benennen – so die Recherchen -, legte Helmut Kohl 1999 in der sogenannten Spendenaffäre also eine falsche Spur. Es hätte nur wenig gefehlt und es wäre zu einer Amnestie gekommen, von der besonders derjenige profitiert hätte, der mit Millionenbeträgen jahrzehntelang politische Landschaftspflege betrieben hatte: Der frühere Flick-Geschäftsführer Eberhard von Brauchitsch (1926 – 2010). Er gab erst kurz vor seinem Tod Auskunft und war erzürnt – weil Kohl nicht geliefert habe, was von ihm erwartet worden sei.
    Zu den Erkenntnissen, die Lamby und Koch zutage fördern, zählt, dass Rainer Barzel, der gescheiterte Kanzlerkandidat von 1972, Unions-Fraktionschef im Bundestag und Parteivorsitzende, nach seiner Niederlage und Ablösung aus seinen Ämtern nicht zu einem „Sozialfall“ werden sollte.
    Durch die Vermittlung Kurt Biedenkopfs (der darüber die Auskunft verweigert) und Eberhard von Brauchitschs sei Barzel nach dem Verzicht auf den Parteivorsitz zugunsten Helmut Kohls mit jährlich 250.000 DM zufrieden gestellt worden.
    Quelle: FAZ

    dazu: Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl
    Vor zwei Jahren sorgte Wolfgang Schäuble mit einer Behauptung zu Helmut Kohls Spendenaffäre von 1999/2000 für Aufsehen. In einer SWR/ARD-Dokumentation von Stephan Lamby behauptete Schäuble: „Es gibt keine anonymen Spender. Es gab aus der Zeit von Flick schwarze Kassen.“
    Schwarze Kassen? Flick-Zeit? Hatte Helmut Kohl 1999 gelogen, als er öffentlich erklärte „zwischen 1993 und 1998 bis zu zwei Millionen DM von Spendern entgegen genommen zu haben“? War das legendäre „Ehrenwort“ des Altkanzlers, „die Namen der Spender nicht zu nennen“, erfunden? Seit eineinhalb Jahren recherchieren Stephan Lamby und Egmont R. Koch in Kooperation mit dem SPIEGEL, was es mit dem Ehrenwort von Helmut Kohl wirklich auf sich hatte. Sie stießen auf entlarvende Dokumente und sprachen mit vielen Zeitzeugen, auch nach Helmut Kohls Tod. Die Recherche der Autoren führte bis in die 60er und 70er Jahre zurück, als deutsche Konzerne ein weit verzweigtes, illegales Spendensystem anlegten – ein System, von dem Helmut Kohl so sehr profitierte wie kein anderer Politiker.
    Quelle: ARD

    Anmerkung JK: Dies liefert wieder ein bezeichnendes Bild nicht nur auf das Politik- und Demokratieverständnis von Kohl, sondern auf das der Konservativen generell, die sich schon immer primär als Sachwalter der Interessen der deutschen Oligarchie verstanden und verstehen. Es stellt sich auch die Frage ob es sich bei der Bundesrepublik nicht schon immer um eine gelenkte Demokratie gehandelt hat. Gleichzeitig ist die Reportage ein herausragendes Beispiel für guten Journalismus. Selbstverständlich sendet die ARD dieses journalistische Meisterstück erst um 22:45 Uhr.

  9. BND installierte Spitzel bei Willy Brandt
    Der ehemalige SPD-Chef Willy Brandt wurde in seiner Zeit als Vizekanzler und Außenminister vom Bundesnachrichtendienst (BND) geheimdienstlich umfangreicher überwacht als bislang bekannt. Um ihn und andere führende Sozialdemokraten auszuspionieren, wurde ein Spitzel in der Parteizentrale platziert. Dies belegen Dokumente aus einem bislang geheimen Nachlass des ersten BND-Chefs Reinhard Gehlen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.
    Das umfangreiche und zu einem großen Teil bislang unveröffentlichte Material zeigt das Ausmaß, in dem der eigentlich nur für die Auslandsaufklärung zuständige BND unter Führung des früheren Wehrmachtsgenerals Gehlen jahrelang im Inland Spitzenpolitiker ausspioniert hat – allen voran solche der SPD. Die Dokumente belegen, dass SPD-Informationschef Fried Wesemann, ein führendes Mitglied im Parteiapparat, seit den 1950er-Jahren sowohl für den BND als auch den US-Geheimdienst CIA arbeitete.
    Vor allem im späteren Bundeskanzler Willy Brandt, der als Sozialist 1933 aus Nazideutschland emigriert war, sah Gehlen einen Vaterlandsverräter. Spätestens seit 1961 wurde der SPD-Politiker vom BND nicht nur beobachtet; es wurde auch versucht, ihn mit Gerüchten über Frauengeschichten und über seine Rolle im Spanischen Bürgerkrieg zu verleumden.
    Der Überwachungseifer ließ auch nicht nach, als der Berliner Regierende Bürgermeister 1966 in der ersten großen Koalition unter CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger Außenminister und damit eines der wichtigsten Regierungsmitglieder wurde. Als Brandt und andere führende Sozialdemokraten 1968 in Rom Vertreter der Kommunistischen Partei Italiens zu vertraulichen Gesprächen trafen, um sie im Zuge der Entspannungspolitik als diskrete Vermittler zur DDR und der UdSSR zu gewinnen, ließ Gehlen den Minister und seine Begleiter überwachen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Albrecht Müller: „eklig“ – das ist der Kommentar eines nds-Lesers. Kurz und treffend! Typen wie Gehlen und Adenauer haben den Beginn der Bundesrepublik bestimmt und versaut. Ich werde in einem Beitrag über Foschepoths neues Buch „Verfassungwidrig“ auf Macht und politisches Wirken der Rechten und Nazis in den Anfängen der BRD zurückkommen.

  10. Internet-Alchemie
    Ist Bitcoin das Versprechen auf eine Zukunft ohne mächtige Banken und gängelnde Staaten – oder das jüngste Spekulationsobjekt der Finanzmärkte? Einblicke in eine unbekannte Szene. […]
    An Mahnern mangelt es dabei nicht: Die Liste reicht von Finanzaufsichten über Zentralbanken zu Bankern und Wirtschaftsnobelpreisträgern. Der bekannteste Kritiker ist wohl Jamie Dimon: Mit der Digitalwährung „wird es nicht gut ausgehen“, sagte der JP Morgan-Chef auf einer Konferenz im September. „Bitcoin ist ein einziger Betrug“, und es sei „schlimmer als die Tulpenblase“. […] Auch Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein spricht von einer Bitcoin-Blase. Star-Investor Warren Buffet riet den Leuten, die Finger von Bitcoin zu lassen, da sie nur eine Illusion seien.
    Nun könnte man Bankern und Geschäftemachern wie Buffet, Blankfein und Dimon Geschäftsinteressen unterstellen. Doch selbst der linksliberale Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz forderte ein Verbot, da die Digitalwährung „keinerlei sinnvolle soziale Funktion erfüllt“. Die Bundesbank warnt vor dem spekulativen Charakter, die Finanzaufsicht Bafin vor einem Totalverlust, ähnlich wie die Europäische Zentralbank. Die chinesische Zentralbank hat den Handel in Yuan verboten. Und die amerikanische Zentralbank Fed mahnt: Bitcoin könne das Finanzsystem destabilisieren. […]
    Der Enthusiasmus der Szene, die sich überall auf der Welt verabredet, ist vergleichbar mit dem der Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens. Wie dort fokussiert sich in einer zentralen Idee ein gesellschaftliches Heilsversprechen. Ein Instrument werde Fortschritt bringen, so der Glaube. […]
    Die ersten Pioniere haben sich jedenfalls abgewendet. Rick Falkvinge, der Gründer der schwedischen Piratenpartei und Vordenker der Szene, hat in dieser Woche einen Text auf seine Internetseite gestellt, in dem er sich von Bitcoin lossagt. „Niemand, den ich kenne, benutzt Bitcoin noch für irgendetwas, weil es Stunden dauert, eine Transaktion zu beenden, und sie mehr als 20 Dollar kostet“, schreibt er. Ihn habe im Jahr 2011 an Bitcoin fasziniert, dass Transaktionen frei, verlässlich und unmittelbar waren. Heute sei er ein Spekulationsobjekt, das noch dazu sehr viel Strom verbraucht.
    Quelle: FAZ

    Lesen Sie dazu bitte auch auf den NachDenkSeiten “Der Bitcoin-Hype und die Verantwortung der Medien”.
    Die FAZ hebt sich mit ihrer Berichterstattung zum Bitcoin übrigens positiv von ihren Mitbewerbern ab.

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