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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. „Wieso ist die SPD so hasenfüßig?“
  2. Verdeckte AfD-Wahlwerbung: „Die größten intransparenten Geldflüsse der letzten Jahre“
  3. Österreichs Rente auch in Deutschland? Bloß nicht!
  4. Viel Geld, wenig Effekte – So absurd ist Familienförderung in Deutschland
  5. „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, wir finden keine Fahrer mehr“
  6. Nur leere Versprechen an Langzeitarbeitslose?
  7. Stärkung der Betriebsrente
  8. Kinder und Jugendliche: Armutsgefährdungs- und SGB-II-Quoten – Ländervergleich 2006 bis 2016
  9. Lauterbach-Whitewashing? Campact! greift ins Klo!
  10. Zulassungsbehörde schrieb bei Glyphosat-Bewertung vom Hersteller ab
  11. Wie Lobbyisten bestimmen, was wir essen
  12. Die US-Koalition begeht schwerste Kriegsverbrechen in der IS-Hauptstadt Raqqa
  13. „Die Feinde sind immer die Linken und die Ausländer“
  14. Tausende demonstrieren gegen verschärftes Asylrecht
  15. Sterbender in Bankfiliale in Essen – “Ich habe noch nichts Vergleichbares erlebt”
  16. Debatte SPD und Hartz IV – Nichts übrig für die Armen
  17. Wurden FDP-Inhalte wirklich vermisst?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Wieso ist die SPD so hasenfüßig?“
    nterview Der Grandseigneur der Linken, Oskar Lafontaine, über die Bedingungen für eine neue Politik jenseits der Großen Koalition
    der Freitag: Was wäre anders geworden, wenn Sie Kanzler geworden wären?
    Lafontaine: Da könnte ich jetzt viel erzählen. Die deutsche Einheit wäre anders verlaufen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, das zu gestalten. Ganz entscheidend ist, dass der Abbau des Sozialstaates mit mir nicht zu machen gewesen wäre.
    Welche Fehler hätten Sie als Kanzler vermieden?
    Ein wichtiger Fehler war die Währungsunion. Im Saarland war die Wirtschaft in den französischen Markt integriert und es wäre unvernünftig gewesen, die saarländische Wirtschaft von einem Tag auf den anderen auf den deutschen Markt zu verweisen. Also hat man eine Übergangsphase von vier Jahren gewählt und hat auch noch den Franc als Zahlungsmittel dort gelassen.
    Das war klug …
    Richtig, weil damit die Wirtschaft Zeit hatte, sich umzustellen. Mit Blick auf die DDR-Wirtschaft musste doch klar sein: Wenn man so eine schwache Wirtschaft mit der härtesten Währung der Welt konfrontiert, ist das ein brutaler Fehler mit schlimmen Folgen. Wenn man einer schwachen Wirtschaft eine harte Währung aufdrückt, dann macht man sie platt. (…)
    Warum schaffen die Rechten etwas, was Linken nicht gelungen ist, nämlich etablierte Parteien vor sich herzutreiben, den öffentlichen Diskurs zu bestimmen?
    Man kann das am besten in Frankreich beobachten. Dort ist der Parti Socialiste inzwischen marginalisiert. Weil er, wie alle traditionellen europäischen Arbeiterparteien, die Seiten gewechselt hat. Und der Front National versprach: Wir schützen euch vor den Gefährdungen der Globalisierung. Das ist das große Problem! Jetzt können wir die Parallele zu Deutschland ziehen. Die SPD war jahrzehntelang der Ansprechpartner der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – hat aber seit Schröder die Seite gewechselt.
    Martin Schulz’ Steuerkonzept sieht so aus: Entlastung für die Mitte, moderate Erhöhung für die Wohlhabenden, eine Reichensteuer. Klingt gut, oder?
    Das klingt gut, ist aber nur ein Schrittchen in die richtige Richtung. Das reicht noch nicht, wenn man wirklich etwas verändern will. Vor der letzten Wahl haben die Sozis erzählt, sie wollten die Vermögenssteuer einführen. Gabriel hat später gesagt, dass das nicht so gemeint gewesen wäre. Sie haben ein Erbschaftssteuergesetz mit verabschiedet, bei dem man Milliarden-Vermögen praktisch ohne Besteuerung weitergeben kann.
    Also Umverteilung von Milliarden?
    Kein Mensch kann so viel arbeiten, dass er ein Milliarden-Vermögen anhäuft. Das ist immer „geraubtes“ Vermögen! Umverteilung ist ein völliges falsches Wort! Es muss heißen: Rückverteilung. (…)
    Eine simple Rechnung lehrt, dass Rot-Rot-Grün nur eine Chance hätte, wenn die SPD über 30 Prozent kommt. Das geht aber nicht mit Schröder-Politik. Es ist absurd! Die SPD hat die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler und auch ihrer Mitglieder verloren und will nicht dazulernen!
    Wieso ist das so?
    Ich weiß es nicht.
    Das kann nicht sein! Wenn Sie das nicht wissen, wer soll das sonst erklären können?
    Ich verstehe wirklich nicht, wieso man immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand rennt. Ich kann nur Erklärungsansätze liefern: Die sind so tief im neoliberalen Denken gefangen, dass sie den Ausweg nicht mehr finden.
    Habe ich Sie jetzt provoziert?
    Ach Quatsch. Ich bin überzeugt, die können gar nicht mehr sozialdemokratisch denken! Die sind immer weiter nach rechts gerückt.
    Quelle: der Freitag
  2. Verdeckte AfD-Wahlwerbung: „Die größten intransparenten Geldflüsse der letzten Jahre“
    LobbyControl veröffentlicht 10 Fakten zur intransparenten Wahlkampfhilfe für die AfD
    Anonyme Geldgeber unterstützen die AfD seit Langem mit millionenschweren Wahlkampfhilfen. Auch bei der Bundestagswahl profitiert die Partei wieder von verdeckter Wahlwerbung. So startete gestern ein AfD-Unterstützer-Verein eine deutschlandweite Plakatoffensive. Im Hintergrundpapier „Geheime Millionen und der Verdacht illegaler Parteispenden“ fasst LobbyControl die wesentlichen Fakten zusammen. Demnach hat die verdeckte AfD-Wahlwerbung bislang mindestens sechs Millionen Euro gekostet. Dazu kommen die Ausgaben für die jetzt angelaufene Plakataktion. Der Verein spricht von „mehreren tausend Plakaten“. Soweit bekannt, sind es die größten intransparenten Geldflüsse zugunsten einer einzelnen Partei der letzten Jahre.
    Ein zentraler Akteur der AfD-Unterstützung ist der „Verein zur Erhaltung der Rechtstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“, der seit Monaten Plakate und Anzeigen schaltete, sowie Gratis-Blätter und einen „Deutschland-Kurier“ in Millionenauflage verteilte. Der zentrale Akteur hinter diesem Verein ist die bei Europas Rechtspopulisten beliebte Schweizer Werbeagentur Goal AG. Profitiert haben neben der Partei aber auch AfD-Spitzenpolitiker wie Jörg Meuthen und Marcus Pretzell. In diesen Fällen besteht der dringende Verdacht illegaler Parteispenden.
    „Anonyme Kräfte versuchen, mit einer millionenschweren Kampagne die deutschen Wahlen zu beeinflussen und umgehen dabei das Transparenzgebot des Grundgesetzes“, kritisiert Ulrich Müller von LobbyControl. „Das ist eine massive Verletzung der demokratischen Standards hierzulande und nicht hinnehmbar.“
    Der Fall zeigt erneut den dringenden Reformbedarf im deutschen Parteienrecht. Die verdeckte AfD-Wahlwerbung nutzt eine Gesetzeslücke. Während Parteien Spenden ab 10.001 Euro offenlegen müssen, gibt es für Wahlwerbung durch Dritte keine Transparenzpflichten. Die Finanziers des Wahlwerbe-Vereins können dadurch verborgen bleiben. „Dieses Schlupfloch muss dringend geschlossen werden. Wir müssen wissen, mit welchem Geld Parteien in ihrem Wahlkämpfen unterstützt werden. Wenn der Fall der AfD-Wahlwerbung Schule macht, sind der massiven und unkontrollierten Beeinflussung von Wahlen durch externe Akteure Tür und Tor geöffnet“, so Müller.
    Das Hintergrundpapier von LobbyControl zeigt auf, dass die Gelder aller Wahrscheinlichkeit nach von anonymen Großspendern stammt. Die Behauptung des Vereins, es stamme von seinen „vielen Unterstützern“, ist unwahrscheinlich. Nach Informationen von LobbyControl gab es in den letzten Monaten keine Spendenaufrufe an die „Unterstützer“ des Wahlwerbe-Vereins.
    Quelle: LobbyControl

    Anmerkung Christian Reimann: Das 8-seitige Hintergrundpapier über die AfD können Sie hier nachlesen.

  3. Österreichs Rente auch in Deutschland? Bloß nicht!
    Eine Wählerin will im Fernsehen von Kanzlerin Merkel wissen, warum es hierzulande keine “Bürgerversicherung” gibt wie im Nachbarland. Der Grund: Damit wäre rein gar nichts gewonnen. […]
    Es stimmt, die österreichischen Renten sind im Durchschnitt wesentlich höher als die deutschen, das Land hat auch eine einheitliche Pensionsversicherung. Nur haben die beiden Dinge nichts miteinander zu tun.
    Der Preis, den die Österreicher für ihre hohen Renten zahlen, ist eine der höchsten Abgabenquoten der Welt. Zusätzlich werden sie als Steuerzahler herangezogen: 14 Prozent des Bundeshaushalts (in Deutschland 10,3 Prozent) gehen an die Pensionskasse. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist dies das Fünffache dessen, was die Wiener Regierung für Universitäten ausgibt. Und weil der Steueranteil immer weiter steigt, halten die meisten Experten, darunter die des Internationalen Währungsfonds, das österreichische System für nicht nachhaltig. Deshalb debattiert das Nachbarland über Pensionsreformen in Permanenz.
    Würde man der Linken mit ihrer Begeisterung für Österreich folgen und eine “Erwerbstätigenversicherung” einführen, in die auch Freiberufler, Beamte und Bundeskanzlerinnen einzahlen, dann wäre für die Rente überhaupt nichts gewonnen, im Gegenteil. Weil Beamte im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung haben als der Rest der Bevölkerung, sind sie relativ teure Ruheständler. Zudem wäre der Staat auf Jahre hinaus doppelt belastet. Er müsste weiter die Altersbezüge der bisherigen Beamten zahlen und gleichzeitig die Sozialbeiträge für die neuen. Das wäre zwar nur ein Übergangsphänomen, aber eines, das 50 Jahre dauern kann.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Der Preis, den die Österreicher für ihre hohen Renten zahlen, ist eine der höchsten Abgabenquoten der Welt.” – Der zentrale Satz, und eine völlige Tautologie. Wer hohe Renten will, muß einen hohen Anteil des BSP reservieren und hohe Beiträge bezahlen – und bekommt dafür hohe Renten. Warum ist damit “nichts gewonnen”, wenn offensichtlich viel gewonnen ist? Piper schreibt selbst, “die österreichischen Renten sind im Durchschnitt wesentlich höher als die deutschen”. Aber wozu sauber argumentieren, wenn eine armselige Polemik für die Süddeutsche Zeitung reicht.

  4. Viel Geld, wenig Effekte – So absurd ist Familienförderung in Deutschland
    Elterngeld, Kindergeld, kostenlose Mitversicherung in der Krankenkasse: Familien in Deutschland werden mit vielen Milliarden Euro unterstützt. Das Geld bewirkt aber oft das Gegenteil dessen, wofür es gedacht ist.
    Kaum ein Land in Europa gibt so viel für Familien aus wie Deutschland, so steht es jedenfalls in vielen Veröffentlichungen, die die niedrige Geburtenrate hierzulande beklagen.
    Tatsächlich gibt der Staat eine Menge Geld für die Förderung von Familien aus, insgesamt wohl rund 200 Milliarden Euro pro Jahr. Genau ist das kaum festzustellen, weil kaum jemand klar sagen kann, welche der weit mehr als 160 familienpolitischen Leistungen, Subventionen, Fördermittel mitgezählt werden sollten und könnten – und welche sich in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben.
    Für den internationalen Vergleich dürfte vor allem eine Größe sinnvoll sein: der Anteil der staatlichen Ausgaben für Familien an der Wirtschaftsleistung des Landes, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Daran zeigt sich, dass die wechselnden Bundesregierungen zwar immer neue Maßnahmen beschlossen oder bekannte Förderungen wie das Kindergeld erhöhten, die Quote jedoch weitgehend gleich blieb: Im Jahr 2001 lag sie laut Industrieländerclub OECD bei 2,9 Prozent, 2013 war sie nach kleinen Schwankungen minimal auf 3,0 Prozent gestiegen. Deutschland liegt damit im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich finde es ziemlich logisch, die Mehrkosten, die Eltern für Kinder entstehen, von der ganzen Gesellschaft mitbezahlen zu lassen. Was ist daran absurd, Kindergeld zu zahlen oder Kinder kostenlos in der GKV mitzuversichern? Genannt wird, daß Kindergeld nicht an Familien im Hartz-IV-Bezug ausgezahlt wird; das könnte man aber ändern. “Die Zahl der von Armut bedrohten Kinder ist seit Mitte der Siebzigerjahre stark gestiegen.” – Das ist das Ergebnis von Massenarbeitslosigkeit, Hartz IV und gezielter Verarmung, aber ganz sicher nicht von Kindergeldzahlungen. “Auch die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist mit 27 Milliarden Euro extrem teuer – und könnte verheiratete Frauen tendenziell davon abhalten, einen sozialversicherungspflichtigen Job anzunehmen, und stattdessen dazu anregen, nur zu jobben.” – Stimmt ja: als Presseorgan der Arbeitgeberverbände muß der SPIEGEL sich melden, wenn die Reservearmee, die Arbeitslosenzahl unter 4 Millionen zu fallen droht. Würde man alle diese sozialstaatlichen Maßnahmen aber einstellen, dann müßten noch mehr Familien und noch mehr Kinder in Armut leben, oder die Geburtenrate würde noch stärker sinken. Was will der SPIEGEL eigentlich?

  5. „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, wir finden keine Fahrer mehr“
    Der Online-Handel boomt. Doch es mangelt an LKW-Fahrern, die den Menschen die Waren nach Hause bringen wollen. Die Logistiker buhlen oft vergeblich um Fachkräfte – und die Folgen sind beträchtlich. […]
    Der Fahrermangel wächst sich zum zentralen Problem der Logistik aus. Selbst deutlich höhere Stundenlöhne oder Geldgeschenke zum Jobanfang helfen mancherorts nicht mehr weiter. Betroffene Firmen rechnen damit, dass demnächst Waren nicht mehr zur Verfügung stehen werden.
    Auf 50.000 Rentner kommen 10.000 Neuanfänger
    Die Lobbyverbände schlagen Alarm. Laut einer aktuellen Studie der Weltbank, die von der Kühne Logistics University angefertigt wurde, fehlen in ganz Europa Lkw-Fahrer. „Gegenwärtig sind EU-weit die Probleme in Deutschland und Großbritannien am Größten“, heißt es in der Analyse. […]
    Auch mehr Geld helfe derzeit nicht weiter. „Wir werden bei den Löhnen in Richtung des Niveaus der IG Metall gehen“, sagt Krage. Statt 2000 Euro Bruttomonatslohn, wie es noch vor einem Jahr üblich war, fingen Fahrer heute mit 2500 bis 3000 Euro eine neue Stelle an. […]
    Vorgeschriebene Pause auf öden Industriearealen
    Doch an der Attraktivität hapert es ganz gewaltig. So beklagen die Lobbyisten zum Beispiel den „schlechten persönlichen Umgang an den Be- und Entladerampen von Industrie und Handel“. Im Alltag kommen Lkw-Fahrer auf überfüllten Lagerplätzen an, auf denen in Spitzenzeiten mehr als 100 Ladungen auf Abfertigung warten.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wenn jemand seinen Angestellten (für diesen harten Job) einen Hungerlohn von 2.000 Euro brutto zahlt, von dem man kaum oder nicht alleine leben, aber definitiv keine Familie ernähren kann, dann hat er keinen Fachkräftemangel. “Auch mehr Geld helfe derzeit nicht weiter.” – Solange die Leibeigenschaft in Deutschland noch nicht vollständig wieder eingeführt worden ist, gibt es in einer Marktwirtschaft nur Lohn und Arbeitsbedingungen als Steuerungsinstrumente. Bei aktuell mindestens 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland sollte es ein Leichtes sein, Arbeitskräfte zu finden. Wozu überhaupt diese Jammerei der Arbeitgeberverbände? Im Übrigen wäre eine Abnahme – oder wenigstens geringere Zunahme des Lkw-Verkehrs aus ökologischen und Verkehrslenkungsgründen nur zu begrüßen. Daß dann davor gewarnt wird, daß schlimmstensfalls Amazon nicht mehr lieferfähig wäre: lächerlich. In einer Marktwirtschaft sind Unternehmen selbstverantwortlich, oder nicht?

    Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Wenn der Mangel wirklich so groß ist, dann können die Logistik-Konzerne ja verstärkt ausbilden. Und hiermit meine ich vor allem, dass sie Arbeitslosen (auch Langzeitarbeitlosen), die gerne als LKW-Fahrer arbeiten würden, doch ganz einfach den für Privatleute viel zu teuren LKW-Führerschein finanzieren könnten. Der Arbeitgeber zahlt die Ausbildung und bietet einen langfristigen Job, der Arbeitnehmer bindet sich für einen bestimmten Zeitraum an den neuen Arbeitgeber. So einfach könnte es sein.

  6. Nur leere Versprechen an Langzeitarbeitslose?
    Andrea Nahles fordert im Wahlkampf von der Union zwei Milliarden Euro mehr für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser. Doch als Ministerin hat sie dafür gesorgt, dass die Mittel de facto gekürzt worden sind.
    „Der Mitteleinsatz für die Eingliederung Arbeitssuchender wird um 1,4 Milliarden Euro angehoben.“ So steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD von 2013. Erreicht werden sollte dieses Ziel nicht durch eine Erhöhung des entsprechenden Haushaltstitels selbst. Stattdessen sollten jedes Jahr in anderen Aufgabenbereichen Einsparungen in Höhe von bis zu 350 Millionen Euro, sogenannte Haushaltsreste, dem Haushaltstitel „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ im Folgejahr gut geschrieben werden, um so schrittweise auf die 1,4 Milliarden Euro Erhöhung zu kommen.
    Tatsächlich passiert ist jedoch etwas anderes: Die Jobcenter haben seit 2013 jedes Jahr bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik sogar mehr als 350 Millionen Euro eingespart. Im Ergebnis kam es damit nicht zu einer Erhöhung des Eingliederungstitels, sondern es wurden nur immer wieder die gleichen 350 Millionen Euro ins nächste Jahr weitergereicht. Nur 2015 gab es Haushaltsreste in Höhe von 38,2 Millionen Euro zusätzlich aus dem Haushaltsmittel für „Zusätzliche Mittel für Bildungsmaßnahmen“. Dies ergibt sich aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen, die dem Handelsblatt vorliegt.
    Quelle: Handelsblatt
  7. Stärkung der Betriebsrente
    Warum ein neues Gesetz die gesetzliche Rente schwächt
    Eilig, kurz vor der Bundestagswahl und nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat unsere Bundesregierung etwas beschlossen, das schwerwiegende Folgen für uns alle hat: Weniger Rente für Alle, im Schnitt 30 Euro pro Monat. Dabei klingt der Name des Gesetzes an sich ganz anders: Betriebsrentenstärkungsgesetz. Das soll uns eigentlich vor Altersarmut bewahren, verspricht die Regierung, bewirkt aber das genaue Gegenteil. (…)
    Eigentlich hat eine Betriebsrente Vorteile für Arbeitnehmer. Und so funktioniert die Entgeltumwandlung: Verdient ein Arbeitnehmer zum Beispiel 3.000 Euro und zahlt davon 100 Euro in einen Betriebsrenten-Vertrag ein, mindert dies sein Bruttogehalt. Das heißt: Er muss nur noch 2.900 Euro versteuern.
    Arbeitsministerin Andrea Nahles will erreichen, dass alle Arbeitnehmer eine solche Betriebsrente abschließen. Was sie verschweigt: Das wird zu Lasten der gesetzlichen Rente gehen.
    Für den Arbeitsmarktexperten Stefan Sell, Sozialwissenschaftler an der Hochschule Koblenz, ist das ein echter Skandal: “Wir haben heute in der Rentenversicherung bereits weit über drei Milliarden Beitragsausfälle durch die Entgeltumwandlung, die heute fehlen. Und alle zukünftigen Rentner müssen diesen Ausflug einiger in die Entgeltumwandlung über geringere gesetzliche Renten mitfinanzieren.”
    Denn wer Entgeltumwandlung macht, zahlt neben geringeren Steuern auch weniger in die gesetzliche Rente ein: Verdient ein Arbeitnehmer 3.000 Euro, zahlt er rund 560 Euro in den gesetzlichen Rententopf. Zwackt er aber 100 Euro für die Entgeltumwandlung ab, zahlt er nur noch 540 Euro. Und wenn das künftig viele machen, schrumpft der Inhalt des Topfs, aus dem alle Rentner bezahlt werden.
    Quelle: plusminus

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben sich mehrfach gegen die Privatisierungen der Rente ausgesprochen und stattdessen für die Stärkung der gesetzlichen Rente – nach dem Vorbild Österreichs – plädiert. Bitte lesen Sie dazu u.a. Betriebsrente oder Betrugsrente? Aufklärung in der heute show statt im Heute Journal/Heute Nachrichten.

  8. Kinder und Jugendliche: Armutsgefährdungs- und SGB-II-Quoten – Ländervergleich 2006 bis 2016
    In 2016 galten 20,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland als arm bzw. armutsgefährdet (Mikrozensus), insgesamt 2,7 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von unter 18 Jahren. (Tabelle 1 und 3) In den Ländern reichte die Armutsgefährdungsquote in dieser Altersgruppe in 2016 von 13,1 Prozent in Bayern bis 36,6 Prozent im Land Bremen.
    14,8 Prozent der Kinder und Jugendlichen lebte 2016 in Familien (oder allein), die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß SGB II (Hartz IV) erhielten, nahezu 2,0 Millionen (1,967 Millionen) Kinder und Jugendliche. (Tabelle 2 und 4) In den Ländern reichte diese SGB II-Quote in 2016 von 7,0 Prozent in Bayern bis 31,2 Prozent in Berlin.
    Die absolute Zahl der armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland (Tabelle 3) überstieg die absolute Zahl der Kinder und Jugendlichen in den sogenannten SGB II-Bedarfsgemeinschaften (Tabelle 4) im Jahr 2016 um 725.000. (Tabelle 6)
    Siehe dazu und zur Entwicklung in den Jahren von 2006 bis 2016 die BIAJ-Materialien vom 16. September 2017: Download_BIAJ20170916 (PDF: 5 Seiten mit sieben Tabellen)
    Quelle: BIAJ
  9. Lauterbach-Whitewashing? Campact! greift ins Klo!
    Unterstützt campact! nun die SPD? Nein, so campact!:
    “Für uns ist klar: Campact war, ist und bleibt parteipolitisch strikt neutral. Deswegen rufen wir nicht zur Wahl der SPD oder einer anderen Partei auf. Stattdessen machen wir uns eine Besonderheit des Wahlrechts zu Nutze. Bei der Bundestagswahl hat jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen: Die Erststimme bestimmt, wer als Abgeordneter aus dem Wahlkreis Leverkusen/Köln IV in den Bundestag einzieht – ein progressiver Kandidat wie Karl Lauterbach oder der CDU-Kandidat Helmut Nowak.”
    Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein dieser Vorstellung zuzustimmen.Allerdings wissen nicht nur die die campact!-Macher von der gängigen Praxis im Bundestag mit der eigenen Fraktion zu stimmen (Fraktionsdisziplin). Da nun campact! Lauterbach mit dem Begriff „progressiv“ geadelt hat, ist dies bei Lauterbach offenbar nicht der Fall?
    Im Gegenteil: Sowohl in der 17., als auch in der 18. Legeslatur hat Karl Lauterbach kein einziges mal gegen die SPD-Fraktion (bei 167 bzw. 116 Abstimmung) gestimmt. Dafür wurde Lauterbach offenbar sogar zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden (seit Ende 2013) „gekürt“.
    Quelle: Maskenfall
  10. Zulassungsbehörde schrieb bei Glyphosat-Bewertung vom Hersteller ab
    Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat signifikante Teile seiner Bewertung des Totalherbizids Glyphosat aus dem Zulassungsantrag von Monsanto abgeschrieben. Das berichten heute die britische Tageszeitung The Guardian und weitere Medien.
    Die Bewertung des BfR war die entscheidende Vorarbeit für die europäischen Behörden EFSA und ECHA: Deren Schlussfolgerung, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend sei, beruht in erster Linie auf dem Bewertungsbericht des BfR und liefert die Begründung für die geplante Wiederzulassung des Wirkstoffs in der EU.
    Doch wie jetzt bekannt wurde, hat das BfR die Bewertung von wissenschaftlichen Studien über die krebserzeugende, fruchtbarkeitsschädigende und DNA-schädigende Wirkung von Glyphosat über viele Seiten wortgleich aus dem Zulassungsantrag von Monsanto übernommen. Genau diese Stellen sind nach europäischem Recht entscheidend für die Frage, ob Glyphosat wieder zugelassen werden darf oder verboten werden muss.
    Dazu Sophia Guttenberger, Referentin für Landwirtschaft beim Umweltinstitut München: “Wenn das BfR seine Bewertung an vielen Stellen eins zu eins beim Hersteller abschreibt, dann kommt es seiner Aufgabe der unabhängigen Risikobewertung nicht nach. Die Entscheidung, ob Glyphosat in der EU wieder zugelassen wird, ist keine Lappalie. Sie hat Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz von rund 500 Millionen Menschen in Europa. Wir erwarten von einer Bundesbehörde eine kritische Prüfung des Zulassungsantrags, kein copy-and-paste.”
    An zusätzlicher Brisanz gewinnt das “Glyphosat-Plagiat” des BfR durch eine Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage des Bundestagsabgeordneten Harald Ebner: In der von Staatssekretär Peter Bleser (Bundeslandwirtschaftsministerium) gezeichneten Antwort heißt es, dass die komplette Bewertung des BfR aus der Feder von MitarbeiterInnen des Bundesinstituts stamme. Dies stellt sich nun als offensichtlich falsch heraus.
    “Entweder weiß die Bundesregierung nicht, was das BfR treibt, oder sie hat den Bundestag und die Öffentlichkeit bewusst belogen. Das Vertrauen in das Zulassungsverfahren droht in beiden Fällen wie ein Kartenhaus zusammenzufallen. Wir fordern jetzt personelle Konsequenzen an der Spitze der Bundesbehörde. BfR-Präsident Hensel sollte seinen Hut nehmen. Nur durch einen Neuanfang kann das BfR wieder Vertrauen gewinnen,” so Guttenberger.
    Quelle: Umweltinstitut München e.V.
  11. Wie Lobbyisten bestimmen, was wir essen
    • Auffällig viele CDU/CSU-Abgeordnete aus dem Agrarausschuss des Bundestags besetzen Posten in Agrarfirmen und Finanzkonzernen.
    • Die Frage ist nun: Wie unabhängig kann ein Abgeordneter sein, der sowohl politische als auch wirtschaftliche Interessen vertritt. Was die Deutschen essen, wie Millionen Nutztiere gehalten werden, oder wie viel Chemie auf Feldern landen darf? Wer erfahren will, wo solche Fragen hierzulande maßgeblich mitentschieden werden, der muss sich auf den Weg nach Berlin machen. Dort sitzt in einer Seitenstraße des Machtzentrums um Kanzleramt und Reichstag der Deutsche Bauernverband. Der DBV ist die größte Lobbyorganisation der Landwirte, Dachverband von 18 Landesbauernverbänden, seine Präsidenten sind meist populärer als die Bundeslandwirtschaftminister. Constantin Heereman, der kürzlich verstorben ist, hat in seinem Amt drei Kanzler überlebt, legendär auch sein Nachfolger Gerd Sonnleitner. Joachim Rukwied, seit fünf Jahren an der Spitze des DBV, ist nicht so prominent, aber sehr umtriebig.

    Etwa 90 Prozent der 300 000 landwirtschaftlichen Betriebe sind im DBV organisiert. “Wertegemeinschaft und gesellschaftliche Kraft”, so stellt er sich dar, und das ist ziemlich untertrieben: Keinem anderen Wirtschaftsverband in Deutschland wird so großer, so unmittelbarer Einfluss auf die Politik zugeschrieben. Schließlich geht es beim Ringen um Regeln für die Produktion von Fleisch, Milch, Obst oder Gemüse um ein Milliardengeschäft.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  12. Die US-Koalition begeht schwerste Kriegsverbrechen in der IS-Hauptstadt Raqqa
    Anfang Juni begann der Sturm auf Raqqa durch die von Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) am Boden in Allianz mit unablässigen US-Luftschlägen. Die Koalition begeht bei der „Befreiung“ der Stadt schwerste Kriegsverbrechen: Flüchtlingsunterkünfte, Krankenhäuser, ganze Wohnviertel und Raqqas Altstadt werden zerstört. Weißer Phosphor wird auf Wohnhäuser abgeworfen. Die Zurückgebliebenen sind buchstäblich eingesperrt und werden von sämtlichen Kriegsparteien aufgerieben.
    Im März 2013 nahm ein im Westen oft euphemistisch als „gemäßigte Rebellen“ bezeichnetes Bündnis die strategisch wichtig im zentralen Norden Syriens gelegene Stadt Raqqa ein. Die Leitung der Operation oblag den Extremisten der Ahrar al-Scham – den mit rund 20.000 Kämpfern zu der Zeit stärksten Dschihadistengruppe in Syrien. Raqqa wurde damit zur größten Stadt im Nahen Osten unter Kontrolle radikaler Dschihadisten (von Riad einmal abgesehen). Kurze Zeit später wurde Raqqa vom Islamischen Staat überrannt und gilt seither als die inoffizielle Hauptstadt des selbsternannten Kalifats, als Dreh- und Angelpunkt des IS-Terrors und Zentrum seines Bürokratieapparats. Die initialen Eroberer der Ahrar al-Scham wurden und werden massiv von Saudi-Arabien und der Türkei unterstützt – mit Waffen, Geld, Logistik. Dieser Umstand kann nicht genug betont werden: „unsere“ engsten Verbündeten in Ankara und Riad legten den Grundstein für vier Jahre Schreckensherrschaft und Terrorlogistik des IS in Raqqa.
    Quelle: JusticeNow
  13. „Die Feinde sind immer die Linken und die Ausländer“
    Ein junger Polizist spricht über Rassismus und Korpsgeist in der Polizei.
    Anfang Januar 2017 – unter dem Eindruck der Polizeikontrollen in der Kölner Silvesternacht – haben zwei junge Menschen jetzt von ihren Erfahrungen mit Racial Profiling in Deutschland berichtet. Kurz darauf erreichte uns folgende E-Mail:
    „Mit Interesse und Erschrecken habe ich gestern Ihren Bericht […] gelesen. Um es vorwegzunehmen – ich bin Polizeibeamter […] und zu diesem Thema kann ich Ihnen eine ganze Menge berichten. Als ‚Linker’ in der Polizei gehöre ich zu einer fast nicht existenten Spezies in diesem System. Aus diesem Grund habe ich vielleicht auch ein anderes Auge auf das Handeln meiner Kollegen.“
    Der Absender, der anonym bleiben muss und hier Robert heißen soll, kommt aus Süddeutschland, ist zwischen 30 und 40 Jahre alt und bereits seit vielen Jahren im Polizeidienst. Wir haben ihn Zuhause besucht, in seinem Wohnzimmer ein langes und intensives Gespräch mit ihm geführt und ihn als sensiblen, aufrichtigen und vertrauenswürdigen Menschen kennengelernt, den sein Gewissen quält und dem es wichtig ist, das Richtige zu tun. Er hat uns von Kollegen erzählt, die sagen, dass sie „Bimbos jagen“ gehen, von rassistischen Witzen und von gewalttätigen Übergriffen durch Polizisten.
    Wir können seine Vorwürfe nicht belegen, ebensowenig können wir die beschuldigten Kollegen damit konfrontieren, weil wir Robert dadurch enttarnen würden, was negative Auswirkungen auf sein berufliches wie auch auf sein Privatleben hätte. Das Beamtengesetz verpflichtet ihn, über Interna zu schweigen, andernfalls drohen berufliche Konsequenzen. Zudem herrscht innerhalb der Polizei ein inoffizieller „Code of Silence“, der es verbietet, Kollegen nach außen hin zu kritisieren. Robert würde als Verräter geächtet werden.
    Darum haben wir uns dazu entschlossen, Roberts subjektive Sicht auf die Dinge im Wortlaut wiederzugeben (Namen, Orte und Situationen, die unseren Gesprächspartner eindeutig identifizierbar machen, haben wir ausgelassen bzw. verfremdet). Das Protokoll seiner Aussagen bietet einen interessanten und seltenen Einblick in das Innere der deutschen Polizei. Ergänzend haben wir mit Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften, über die ungeschriebenen Regeln von Polizisten, Probleme mit Rassismus innerhalb der Polizei und Roberts Gewissenskonflikt gesprochen (hier geht es zum Interview).
    Quelle: jetzt
  14. Tausende demonstrieren gegen verschärftes Asylrecht
    Gegen Rassismus und Asylrechtsverschärfung, für Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung – mehr als 10.000 Menschen sind am Samstag durch Berlin gezogen. Die meisten kamen zu einer Demo gegen härtere Asylgesetze.
    Rund 7.500 Menschen, darunter viele Flüchtlinge, Migranten und linke Gruppen aus ganz Deutschland, sind laut Veranstalterangaben am Samstag mit einer “antirassistischen Parade” durch Berlin gezogen. Unter dem Motto “We’ll Come United” zogen die Demonstranten durch das Regierungsviertel zum Kreuzberger Oranienplatz. Mit der Parade sollte eine Woche vor der Bundestagswahl denjenigen eine laute Stimme gegeben werden, die sonst nicht gehört werden, erklärten die Veranstalter.
    Um 13 Uhr war das “Welcome-United”-Bündnis gegen Asylrechtsverschärfung am Bundesinnenministerium losgezogen. “30 Busse mit Geflüchteten aus der ganzen Republik sind zur Demo gekommen. Wir rechnen mit vielen tausend Teilnehmern”, hatte ein Sprecher am Samstagmittag erklärt. Bis auf wenige Störer blieb es ruhig. (…)
    Nach einer Zwischenkundgebung am Berliner Lustgarten für sexuelle Selbstbestimmung wurde der Abschluss auf dem Oranienplatz mit einem Konzert gefeiert. Veranstalter der Demonstration waren unter anderem die Hilfsorganisation medico International, Attac Deutschland, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und viele Flüchtlingsräte aus den Bundesländern. Die Seenotretter-Organisation Sea Watch begleitete die Parade mit einem großen Schlauchboot auf der Spree.
    Quelle: rbb24
  15. Sterbender in Bankfiliale in Essen – “Ich habe noch nichts Vergleichbares erlebt”
    Drei Menschen stehen am Montag in Essen vor Gericht, weil sie in einer Bankfiliale über einen Sterbenden hinwegstiegen. Ihre Tat wurde zum Symbol für eine gefühlskalte Gesellschaft. […]
    Das alles nimmt eine Überwachungskamera auf, ebenso die Szenen danach: Vier Menschen betreten in den folgenden Minuten die Bank, steigen zum Teil über den Rentner hinweg, erledigen ihre Bankgeschäfte und verlassen die Filiale wieder, ohne sich um den Mann zu kümmern. Erst der fünfte Kunde ruft den Notarzt, der 20 Minuten nach dem Zusammenbruch des Mannes in der Bank eintrifft. Eine Woche später stirbt der Rentner im Krankenhaus an den Folgen einer Schädel-Hirn-Verletzung. […]
    Zwei Angeklagte sagten bislang aus, dass sie den Rentner für einen Obdachlosen gehalten hatten – tatsächlich hatten damals häufiger Obdachlose dort geschlafen. Allerdings lag der Mann in der Mitte des Raumes, war ordentlich gekleidet und hatte keine Habseligkeiten wie Plastiktüten, einen Schlafsack oder ähnliches dabei. Deshalb hält Staatsanwältin Jürgens die Aussagen für Schutzbehauptungen. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten eine Geldbuße und bis zu einem Jahr Haft.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  16. Debatte SPD und Hartz IV – Nichts übrig für die Armen
    Die SPD wirbt mit sozialer Gerechtigkeit. Für Arbeitslose machen die Genossen aber kaum Angebote und bringen sich so um Wählerstimmen.
    Der Wahltag rückt näher, und wieder einmal sieht es düster aus für die deutsche Sozialdemokratie. Vielerorts wird gerätselt, warum die SPD es trotz engagierter Wahlkampagne und einem charismatischen Kandidaten nicht schafft, sich aus dem Umfragetief zu befreien. An Schulz’ Wahlkampfthema kann es eigentlich nicht liegen. Laut einer Yougov-Umfrage vom August finden Wähler fast aller großen Parteien mehrheitlich, dass soziale Ungerechtigkeit ein sehr großes Problem in Deutschland ist – das gilt auch für Nichtwähler und Unentschlossene.
    Die Wähler müssten den Sozialdemokraten also in Scharen zulaufen. Dennoch liegt die SPD laut aktuellen Umfragen bei mageren 23 Prozent. Das liegt daran, dass sie das Thema soziale Gerechtigkeit nicht glaubwürdig besetzen kann. Denn einen wichtiger Teil der Wähler lässt sie außer Acht: Arbeitslose und Abgehängte.
    Sinnbildlich dafür war Schulz’ Rede am Nominierungsparteitag Ende Juni. Der SPD-Chef sprach von „den Menschen, die in unserem Land hart arbeiten“, von „Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern“. Damit machte er klar, dass er sich politisch nur an die sogenannte Mitte richtet. Eine „sozial gerechte“ Politik orientiert sich aber an den Schwächsten. In seiner fast eineinhalbstündigen Rede erwähnte Schulz weder Langzeitarbeitslose noch die fast 1,2 Millionen Hartz-IV-Aufstocker, die so wenig verdienen, dass sie trotz Arbeit nicht ohne Sozialleistungen überleben können. Nur aus vorherigen Äußerungen lässt sich Schulz’ Haltung zum Thema Hartz IV ableiten.
    Quelle: taz
  17. Wurden FDP-Inhalte wirklich vermisst?
    Eine letzte Chance: Die FDP will nach vier Jahren unbedingt wieder in den Bundestag gewählt werden. Aber wofür eigentlich?
    An diesem Sonntag versammeln sich die Liberalen zu ihrem „a.o. Bundesparteitag“. A.o. steht für außerordentlich – und diesmal, vier Jahre nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag, dürfte es sich tatsächlich um einen Parteitag außerhalb der bisherigen Ordnung handeln. Das Ereignis, innerparteilich liebevoll „Feldgottesdienst“ genannt, soll jetzt noch mal viele gute Bilder produzieren – um die FDP am Wahlsonntag zurück an die Macht zu befördern.
    Und Macht bedeutet: zurück an den Kabinettstisch. Da mag Christian Lindner in Interviews noch so oft betonen, kraftvolle Oppositionsarbeit sei etwas ganz Wunderbares. Fakt ist, dass die FDP nur diesen einen Versuch hat, sich als politisch geläuterte Verheißung neu zu profilieren. Und diese Chance wird sie nutzen, vorausgesetzt, die Wähler geben sie ihr.
    Um die zehn Prozent der Umfrageergebnisse deuten darauf hin. Aber, die Frage muss erlaubt sein: Wofür eigentlich? Fürs Nachdenken? Für eine coole Digital-Hipster-Kampagne? Oder wurden die politischen Inhalte der FDP wirklich schmerzlich vermisst?
    Jenen, denen die schwarz-gelbe Regierungszeit zwischen 2009 und 2013 noch präsent ist, dürfte mulmig werden. Selten hat sich eine Partei derart an ihrem kühlherzigen Personal statt an ihrer eigenen Arbeit berauscht. Entwicklungsminister Dirk Niebel versorgte Parteifreunde mit gut bezahlten Jobs. Außenminister Guido Westerwelle bezichtigte Hartz-IV-Bezieher „spätrömischer Dekadenz“. Und Parteichef (und Vizekanzler und Wirtschafts- und gleich auch noch Gesundheitsminister) Philipp Rösler forderte 20.000 arbeitslos gewordene Schlecker-Mitarbeiterinnen auf, „schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden“. Eigenverantwortung wurde bei der FDP eben schon immer groß geschrieben.
    Quelle: taz

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