Bonnopoly – vielleicht ein Anreiz dafür, auch anderswo die Skandale der Privatisierung und der gen Himmel schreienden Großprojekte auf die Bühne zu bringen
In Bonn gibt es ein politisch relevantes Theaterereignis. Der wegen besonderer Theaterereignisse in Hamburg, in Stuttgart und anderswo bekannte Regisseur Volker Lösch inszenierte „Bonnopoly“, Untertitel: „Das WCCB, die Stadt und ihr Ausverkauf“. Dabei geht es um einen in Bonn abgelaufenen Riesenskandal. Albrecht Müller.
Zur Darstellung des Inhalts zitiere ich aus dem Bonner Generalsanzeiger vom 10.9.2017:
„Die Vorstellung beginnt mit dem Gong der Tagesschau und einer traurigen Nachricht. Bonn hat den Wettbewerb um die Rolle der Bundeshauptstadt gegen Berlin verloren. Acht Frauen und Männer sitzen in einem bieder holzgetäfelten Rahmen wie Witzfiguren. Es sind Bonner, und sie leiden. Es fühle sich an, sagt die Schauspielerin Birte Schrein, „als ob die Zeit stehengeblieben ist“. Das sichere, internationale Bonn mit den vielen Botschaften und der präsenten Polizei wird beschworen, die gute alte Bundeshauptstadtzeit, eine Idylle „so wie immer Frühling“.
Das erste Bild von Volker Löschs Inszenierung von „Bonnopoly“ in den Kammerspielen – Untertitel: „Das WCCB, die Stadt und ihr Ausverkauf“ – stimmt ein auf einen dreistündigen Theaterabend, der in der ersten Hälfte mit den Mitteln von Satire und Groteske arbeitet. …
Bernd Braun setzt der anfänglichen Lethargie und resignativen Stimmung eine Ruck-Suada à la Roman Herzog entgegen. „Uns fehlt der Schwung“, kritisiert er. Was folgt, ist ein Plädoyer für Neoliberalismus und Individualismus: „Let’s ruck and roll.“ Wortspiele und veralberte rheinische Redewendungen gehören zu den Highlights der Aufführung.
Auftritt Bonner Bürgermeisterin: Laura Sundermann entfaltet eine Vision und bekennt: „Ich habe einen Traum von Bonn.“ Die Idee des World Conference Center Bonn (WCCB) ist geboren. Die Bürgermeisterin – das „Ober“ hat man ihr gestrichen – gibt den Startschuss zu einem der größten kommunalpolitischen Skandale Deutschlands. Er war Gegenstand der mehrjährigen Serie „Millionenfalle“ im General-Anzeiger und steht nun im Zentrum der Aufführung „Bonnopoly“. Den Text hat Ulf Schmidt mit Elisa Hempel, Volker Lösch und Leonard Merkes erarbeitet.
Es gelingt dem Schauspielteam, den komplexen Skandal mit all seinen Absurditäten und aberwitzigen Wendungen transparent zu machen.“
Werner Rügemer, der bei der Premiere mit dabei war und mitgewirkt hat, schreibt:
„das stück ist wirklich toll, nicht nur faktenmäßig, sondern auch ästhetisch, und mit der einbeziehung der zivilgesellschaft (wissenschaftler, publizist) und der bürger und bürgerinitiativen vor ort. über die sachliche aufklärung, die unsereins macht, sind ja demonstrative, kollektive, öffentliche, sozusagen ganzkörperliche manifestationen notwendig, um demokratisch voranzukommen.“
Damit hat er recht. Deshalb mache ich darauf aufmerksam.
Regisseur Volker Lösch schickte mir den einschlägigen Auszug aus dem Programmheft und Links auf andere Besprechungen:
Wer in der Nähe von Bonn wohnt, hat vielleicht noch die Chance, sich das Stück anzuschauen. Hier ist der Spielplan für September und Oktober.
Die nächsten Aufführungen:
23., 24. und 29. September; 1., 7., 11., 15. und 28. Oktober.
Vielleicht kann das Stück kreative Kräfte in anderen Städten und Regionen anregen, ähnliches zu versuchen: die Skandale der Privatisierung, der Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) und der irrsinnigen Großprojekte auf die Bühne bringen.
Material gibt‘s genug: die Privatisierung der Eisenbahner-Wohnungen durch Helmut Kohl, die Privatisierung der städtischen Wohnungen in Dresden, die Privatisierung der Deutschen Post und der Telekom und vieler Stadtwerke und Wasserwerke, Stuttgart 21, Pforzheim, wo wie in vielen anderen Städten riskante Finanzgeschäfte betrieben worden sind.