Obskures vom Lagerwahlkampf
Kanzlerkandidat Steinmeier sagt: “Schwarz-Gelb darf keine Mehrheit erhalten, weil die Ideologie, die in die Krise geführt hat, sicherlich nicht die Antwort auf die Krise sein kann.” Er schreibt die neoliberale Ideologie den Gelben und den Schwarzen zu. Das ist nicht falsch, falsch jedoch ist es, so zu tun, als habe man selbst, namentlich Kanzleramtsminister Steinmeier und der jetzige Finanzminister Steinbrück wie auch sein Vorgänger Eichel und Merkels Vorgänger Schröder nichts mit dem neoliberalen Kurs in Deutschland zu tun. Sie haben alle daran mitgewirkt. Was Steinmeier jetzt versucht, nämlich sich mit der SPD aus der Verantwortung zu stehlen, das hat ein Stratege der Union schon vor ihm versucht: Dr. Geißler. Dazu und zu anderen obskuren Blüten des Wahlkampfes gleich mehr. Albrecht Müller
Heiner Geißler hat mehrmals, unter anderem in der Süddeutschen Zeitung vom 14.7.2008 behauptet, die Union habe sich vom neoliberalen Kurs ihres Leipziger Parteitages verabschiedet. Schröder habe mit der Agenda-Politik die Seele der SPD verkauft, die SPD halte an der Agenda 2010 fest.
Das ist wirklich eine obskure Konstellation. Sowohl die Behauptungen von Steinmeier wie von Geißler stimmen nicht. Beide Parteien halten im Kern am so genannten Reformkurs fest. Die SPD lehnt die Kurskorrektur dezidiert ab. Und die CDU und Angela Merkel freuen sich und setzen auf die Verschärfung dieses mit Recht neoliberal zu nennenden Kurses mit der FDP.
Die Union führt de facto einen Wahlkampf gegen alles Linke. Und die SPD verschärft die Wirkung dieses Kurses mit ihrer Aggression gegen die Linkspartei. Sie erhöht damit die Glaubwürdigkeit des Anti-links-Kampfes der Union und ihrer Hilfsorganisationen und mindert zugleich das Wählerpotenzial für die Linkspartei und für sich, die SPD.
Zu den obskuren Seiten dieses Wahlkampfes gehört die Wiederauflage des alten Anti-Kommunismus-Wahlkampfes. Wir haben das in den Fünfzigern mit Adenauer erlebt, dann in den Sechzigern und Siebzigern, insbesondere im Wahlkampf 1972 und dann danach in den Kämpfen mit der Formel „Freiheit statt Sozialismus“. Viele andere Wahlen wurden ähnlich geführt. Die Niedersachsenwahl 1986 zum Beispiel und dann die Volkskammerwahl vom 18. März 1990 mit der Kombination „STOP: SEDPDSPDPDSED …“ Immer das gleiche.
Die Union hat sich dabei auch offensichtlich rechter Kreise bedient beziehungsweise sich bedienen lassen. Ein Beispiel dafür kam mir in den letzten Tagen auf den Tisch: der Brandbrief eines Ferdinand von Bismarck, der behauptet, Deutschland drifte nach links und deshalb dagegen mobilisieren will und zugleich für das rechts-konservative Blatt „Junge Freiheit“ wirbt.