Schlagabtausch der „Kleinen“
Wen das große TV-Duell zwischen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Schulz unbefriedigt oder ratlos zurückließ, durfte auf den Schlagabtausch der „Kleinen“ hoffen. Den gab es sowohl im ZDF als auch in der ARD.
Im ZDF stellten sich Alexander Dobrindt (CSU), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Dietmar Bartsch (die Linke) den Fragen des ZDF-Politikchefs Matthias Fornoff. Das Format nannte sich „Schlagabtausch”. Auf weiten Strecken zu Recht. Anette Sorg.
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Langeweile konnte nicht so schnell aufkommen, weil das Frage-Antwort-Spiel unterbrochen wurde durch kurze Video-Einspieler mit Experten und Schnellfragerunden mit Publikumsfragen aus dem Netz. Der Themenkomplex Flüchtlinge/Einwanderung wurde in 8 Minuten diskutiert. Bei der Frage der Fluchtursachen war es Dietmar Bartsch vorbehalten, auch auf die deutschen Waffenlieferungen und die westlichen Kriege hinzuweisen. Ein Thema, das trotz deutlich längerer Bearbeitungsdauer beim TV-Duell Merkel/Schulz mit keiner Silbe erwähnt worden war.
Es fielen Begriffe wie „Lüge“ (Bartsch in Richtung Göring-Eckardt wegen deren Aussage zu einem Positionspapier dreier brandenburgischer Linken-Politiker zum Braunkohleabbau) oder „Kumpanei mit der Autoindustrie“ (Bartsch in Richtung Dobrindt) und „kaputtsparen“ (Bartsch zu Dobrindt über die jahrelange Reduzierung der Einsatzkräfte bei der Polizei)
Dobrindt erntete Gelächter beim Publikum, als er, nach seiner Verantwortung für den Dieselskandal befragt, antwortete: “Wir haben klar bei allen Manipulationen, bei allem was an Betrug stattgefunden hat, dafür gesorgt, dass die Fahrzeuge, die manipuliert worden sind, auch in einen rechtskonformen Zustand gebracht werden müssen.”
Insgesamt machte Dobrindt die schlechteste Figur. Umfangreiche Überwachungsvorhaben rechtfertigte er mit der Aussage, dass Freiheit nur mit Sicherheit gehe. Seine Hinweise auf die guten Kriminal-Statistiken in Bayern und weitere – eher trotzig-hilflos wirkende – Zahlen-Bombardements nervten nicht nur die Grünen-Spitzenkandidatin Göring-Eckardt. Auf die Frage nach den Ursachen für das Auseinanderklaffen von Armut und Reichtum im prosperierenden Deutschland wusste Dobrindt nur auf 44 Millionen Beschäftigte zu verweisen. Prekäre Beschäftigung scheint es in seinem Weltbild nicht zu geben.
Trotz kürzerer Sendezeit wurden viel mehr Themen angesprochen als beim TV-Duell der GroKo und die Runde wirkte deutlich lebhafter, was auch den Publikumsreaktionen zu verdanken war. Fazit: Geht doch! Fairerweise muss man sagen, dass es zum Format dieses Schlagabtausches keine bekannten „Vorgaben“ wie beim TV-Duell gegeben hat. An die Opposition darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland wohl härter ran als an die Regierungsparteien.
Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Auch das ARD-Format „Fünfkampf“, bei dem um 20.15 neben den drei im Bundestag vertretenen kleineren Parteien auch noch die AfD und FDP teilnehmen durften, zeigte, dass anders als beim Fußball im deutschen Wahlkampf das Spiel um den Dritten Platz meist wesentlich interessanter ist. Im offenen und durchaus kurzweiligen Format kam stellenweise sogar Spannung auf, auch wenn die Themenauswahl schon beinahe wie beim „großen TV-Duell“ deutliche Lücken aufwies. Ein Teil der Brisanz resultierte freilich aus dem Umstand, dass es zwischen Linken und FDP oder Grünen und AfD tatsächliche inhaltliche Differenzen gibt, die zwischen den beiden Volksparteien kaum mehr wahrnehmbar sind. Ärgerlich war jedoch, dass im ZDF ausgerechnet der neoliberale Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest bei den Einspielern den „ökonomischen Sachverstand“ mimen durfte. Dabei ist er doch alles andere als unumstritten, wie ein auch ein bizarrer Zwischenfall vor wenigen Wochen zeigte.