Warum Mister President und Genosse Kim nicht einfach mal zusammen einen Hamburger essen gehen. Eine Glosse von Rainer Werning.
Der Politikwissenschaftler & Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien hat für die NachDenkSeiten eine Glosse zum Konflikt USA vs. Nordkorea geschrieben. Den Wahnsinn gut auf den Punkt gebracht. Albrecht Müller.
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Koreanische Halbinsel
(Sur-)Reales aus FernOstWest
Warum Mister President und Genosse Kim nicht einfach mal zusammen einen Hamburger essen gehen
Eine Glosse von Rainer Werning
Für nur wenige Momente stellen Sie sich folgendes Szenario am vorletzten Wochenende vor: In klammheimlichem Rollentausch hätte der Staatschef der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK – Nordkorea), Kim Jong-Un, 72 Stunden lang an den Gestaden des Potomac Rivers zu Washington, D.C. gesessen und von dort aus als weltweit mächtigster Politiker die Geschicke „seines“ Landes gelenkt. Derweil Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (USA), als oberster Genosse der DVRK von den Ufern des Tädong-Flusses aus im museal anmutenden Pjöngjang ebenfalls 72 Stunden lang die Oberhoheit über „sein“ Land ausgeübt hätte. Beide wären auf je unterschiedliche Weise ziemlich ver-rückt geworden.
Genosse Kim war angesichts seines strammen Regiments und aufgrund zähen Überlebenswillens völlig von der Rolle, weil er sich so schnell gar nicht die Namen der Zu- und Abgänge in seinem Kabinett merken konnte. Und dann auch noch das! Da ist doch glatt am 18. August mit Steve Bannon einer der Regierungslotsen von Bord gegangen worden, der zuvor als inniger Busenfreund, Chefstratege gar, über den grünen Klee gelobt worden war. Ausgerechnet Steve sucht den direkten Schlagabtausch mit der VR China und bezeichnete Nordkorea doch glatt nur als „Nebenschauplatz“. Mister President indes war völlig aufgelöst und die Ärzte diagnostizierten bei ihm flugs eine „sensorische Deprivation“; sein Golfset war aus unerfindlichen Gründen abhanden gekommen und das von der Generalität verordnete Twitter- und Tweetverbot ließ ihn in eine lähmende Depression fallen. Die dadurch noch vertieft wurde, dass eben diese Generalität ihm gegenüber wegen seines launischen Zickzackkurses stets grimmig dreinschaute.
Doch zurück zur und in die Realität. Tatsächlich hatte Donald Trump während seines Wahlkampfs Kim Jong-Un einen „Jungspund“ genannt, mit dem „man mal einen Hamburger essen kann“. Mittlerweile Präsident, sprach derselbe Trump gegenüber US-Medien im Frühjahr sogar von der Möglichkeit, sich mit Nordkoreas Staatschef „zum angemessenen Zeitpunkt zu treffen“. Und in der vorletzten Woche dann die mehr als unangemessene Drohung, die Volksrepublik „mit entsicherten und geladenen Waffen“ in einem Anflug von „Feuer und Zorn“ zu plätten. Das ist Perversion des Denkens pur und bedeutete das willentliche Inkaufnehmen einer unvorstellbaren Katastrophe! Zuvor, am 8. August, hatte Verteidigungsminister Jim Mattis laut dem Reuters-Korrespondenten John Walcott Nordkorea im Falle weiterer feindseliger Handlungen „mit einem Ende seines Regimes und der Vernichtung seiner Bevölkerung“ gedroht.
Das bis Ende des Monats laufende amerikanisch-südkoreanische Militärmanöver „Ulchi Freedom Guardian“ (UFG), an dem allein 17.500 US-Soldaten teilnehmen, um wieder einmal Nordkorea international als ideellen Gesamtschurken anzuprangern und einzuschüchtern, bringt nolens volens auch und gerade den „Verbündeten Südkorea“ und dessen seit reichlich 100 Tagen amtierenden Präsidenten Moon Jae-In in die Bredouille. Die Crux: Die USA haben nach dem Koreakrieg bis zur Staatsgründung der Republik Korea (Südkorea) am 15. August 1948 qua Militärregierung direkt das Zepter geschwungen, behandelten das Land danach schlicht als Vasallen und unterhalten dort noch immer ein Militärkontingent von mindestens 25.000 GIs. Und vor dem Amtsantritt von Moon im Mai schuf das US-Militär im Geiste von „Arroganz der Macht“ Fakten, indem es das neben Nordkorea auch China und Russland bedrohende hochmoderne Raketen„abwehr“system THAAD (teilweise) installierte.
Dass es zu alledem eine Alternative – nämlich eine politisch-diplomatisch verfolgte Strategie zur Konfliktdeeskalation – gibt, zeigte sich nach dem am 21. Oktober 1994 in Genf ausgehandelten Rahmenabkommen (Agreed Framework) zwischen den USA und Nordkorea. Höhepunkt dieses Entspannungskurses, der seinerzeit durch Südkoreas „Sonnenscheinpolitik“ vis-à-vis dem Norden und seitens der EU flankiert wurde, war der Pjöngjang-Besuch von US-Außenministerin Madeleine Albright Ende Oktober 2000. Im selben Monat hatte US-Präsident Bill Clinton zuvor mit Vizemarschall Jo Myong-Rok den zweithöchsten Staatsvertreter Nordkoreas im Oval Office empfangen. Natürlich wurden bei den entsprechenden Galadinners keine Hamburger gereicht.
Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler & Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, ist u.a. Koautor des Buches Korea: Von der Kolonie zum geteilten Land (Promedia Verlag, Wien 2012).