Die AfD legt bei Umfragen zu. Das ist schon allein wegen der Wahlwerbung kein Wunder. Höchste Zeit, die AfD-Parole zu entschärfen. Trau Dich, aber richtig!
Die NachDenkSeiten haben am 10. August Plakate und die bisher erkennbaren Hauptparolen der Parteien zur Bundestagswahl vorgestellt. Ich fand schon damals die Wahlwerbung der AfD herausragend wirkungsvoll. Wenn die anderen Parteien und die Kritiker der AfD, also auch wir, die NachDenkSeiten und ihre Leserinnen und Leser, nichts dagegen tun, dann werden wir am Wahlabend vermutlich eine noch größere Überraschung erleben als mit der heute veröffentlichten Umfrage der ARD/Infratest Dimap. Albrecht Müller
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Kurze Erläuterung meiner Einschätzung:
Es gibt vermutlich noch viele Unentschiedene (siehe hier und hier). Und es gibt Protestwähler, deren Unzufriedenheit und Protest wohlbegründet ist. Viele Wählerinnen und Wähler suchen eine Alternative zu Merkel. Auf sie zielt schon der Name der AfD: „Alternative“ – das passt, „für“ – klingt positiv, „Deutschland“ – spricht im Kontext nationale Gefühle an, wie andere Parteien das auch versuchen.
Der darauf aufbauende Hauptslogan „TRAU DICH“ zielt auf die Protestwähler und potentiellen Wechselwähler. Das ist clever gemacht: Vermutlich wird die AfD diese Parole bis zum Wahltermin beibehalten. Das ist dann ein auf Plakaten, Fernseh- und Rundfunkspots, bei Facebook und Twitter und Flyern tausendfach vermittelter Impuls. Wenn dagegen nichts von Seiten der anderen Parteien geschieht, dann werden sich, so meine Einschätzung, in der Wahlkabine oder beim Ausfüllen der Briefwahlunterlagen noch mehr Wählerinnen und Wähler „trauen“. Der Slogan gibt den Schubs.
Übrigens: Dass die Protestwähler und unsicheren Wähler nicht massenhaft zur Linkspartei gehen, ist eine Folge der massiven Propaganda und der Stigmatisierung dieser Partei von Seiten der CDU/CSU, der Grünen und der SPD. Die Oppermanns, die Taubers, die Heils und Scheuers helfen so mit, die AfD groß zu machen.
Noch eins übrigens: Die Plakate und Parolen der anderen Parteien sind hoffnungslos unkommunikativ. Ist jenen unter unseren Leserinnen und Lesern, die den Beitrag vom 10. August angeschaut haben oder ansonsten die Wahlwerbung beobachten, etwas hängen geblieben?
Was könnte gegen die Wirkung des Slogans TRAU DICH getan werden?
Einfach ist das nicht, das sei vorweg gesagt. Aber ungestört laufen lassen kann man die Wirkung dieser cleveren Parole auch nicht.
- Reden Sie mit potentiellen Wechselwählern und Protestwählern über die beabsichtigte Wirkung dieses Slogans und klären Sie darüber auf, was daraus folgt, wenn sich allzu viele trauen:
- eine weitere Militarisierung der Politik
- eine Verschärfung der Agenda 2010, eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Unten und Oben, eine Gesellschaftspolitik, die ganz und gar nicht im Sinne der Protestwähler ist, die sich trauen sollen.
Carsten Weikamp hat am 7. Februar für die NachDenkSeiten das Programm analysiert. Hier sind Überschrift und Link auf diese wichtige Unterlage für Ihre Argumentation:
Die Auseinandersetzung mit der AfD: meist hohl und damit ungenügend. Deshalb hier ein Versuch der inhaltlichen Auseinandersetzung
Carsten Weikamps einleitende Zusammenfassung:
„Die AfD muss man nach Lektüre ihres Programms zusammenfassend charakterisieren als eine Vereinigung kulturpessimistischer Demagogen mit sozialdarwinistischen Vorstellungen, die sich in den Dienst der Ideologie des Neoliberalismus stellt.“
- Die Linke, die SPD, die Grünen könnten den Basisslogan der AfD aufgreifen und ergänzen und ihn damit entwerten.
Im Urlaub haben wir vor zehn Tagen zusammen mit Freunden Variationen des Slogans der AfD weitergesponnen:TRAU DICH RICHTIG
TRAU DICH VORWÄRTS
Trau dich, aber doch nicht rückwärts
Die Nutzung des Slogans der AfD könnte auch Basis einer gemeinsamen Aktion der potentiellen Koalitionspartner SPD, Die Linke und Die Grünen sein.
Spinnen wir einfach mal vor uns hin. Stellen Sie sich vor, Sie würden nacheinander am Straßenrand Plakate mit den folgenden Slogans finden:
Trau dich richtig: Die Linke
Trau dich vorwärts: SPD
Trau dich, aber nicht rückwärts: Die Grünen
Das sind nur Anregungen. Wenn ich verantwortlich wäre für einen Wahlkampf, würde ich den Spitzenpolitikern empfehlen, in ihren Reden und Verlautbarungen auf die Kampagne der AfD einzugehen und sie wie beschrieben zu kontern.
Aber vermutlich gibt es unter den Wahlberatern und in den Parteizentralen immer noch das schon vor 50 Jahren virulente Vorurteil, man dürfe die Elemente des Wahlkampfs des Konkurrenten nicht zum Thema machen, ihn nicht einmal erwähnen. Diese Warnung ist mehrfach widerlegt. Aber sie hält sich auch deshalb, weil Wahlkampagnen heute ähnlich wie die kommerzielle Werbung langfristig und starr festgelegt sind und schon deshalb Kontern angeblich schwierig geworden ist.
- Schulz und die SPD müssen eine wirkliche Alternative bieten, damit die AfD nicht weiter zulegt.
TRAU DICH MIT SCHULZ. Er bringt die Alternative.
Ein solches Plakat würde eher als Lachnummer empfunden, weil Schulz und die SPD programmatisch und inhaltlich keine Alternative anbieten.
In der Not und angesichts des Erstarkens der AfD und übrigens auch der FDP, und angesichts des weiteren Niedergangs der SPD (22 % statt der vom Wahlkampfleiter Hubertus Heil propagierten über 30 %) muss man auch zu unkonventionellen Schritten fähig und willens sein:
Schulz könnte auch noch auf den letzten Metern versuchen klarzumachen, dass er und seine SPD wirklich eine Alternative zu Frau Merkel wollen.
Dafür bietet sich an:
- Ein wirkliches und glaubhaft formuliertes Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit allen Staaten in Europa, also auch mit Russland. Das ist zugleich die Rückkehr zu den Verabredungen von 1990 und damit Vertragstreue.
- Die Ankündigung, dass die SPD Schluss machen werde mit der Militarisierung der Außenpolitik und den militärischen Interventionen. Schulz wäre (und könnte immer noch) dem CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in die Parade (ge)fahren, nachdem dieser sich in Sachen Afghanistan hinter Trump gestellt hatte: keine Aufbauhilfe, mehr Krieg, mehr Tötungen. Bessere Vorlagen zur Profilierung als die von Röttgen gibt es nicht.
- Schulz könnte deutlich machen, dass Deutschlands und Europas Zukunft auf mittlere Sicht die Loslösung von der Vorherrschaft der USA verlangt. Damit böte er eine Perspektive und Zündstoff. Es gibt im deutschen Volk einen virulenten und berechtigten Antiamerikanismus. Darauf könnte Schulz aufbauen.
Da dieser letzte Gedanke schon einmal zu einem Aufschrei geführt hat, nämlich beim früheren Mitherausgeber der NachDenkSeiten Lieb, muss ich dazu ergänzen: das zielt nicht auf die Bürgerinnen und Bürger der USA. Der virulente Antiamerikanismus macht sich fest am Verhalten der US-amerikanischen Führungskräfte und der verschiedenen Präsidenten und Regierungen, an ihrem imperialen Verhalten und an ihrem Grundverständnis, die einzig wahren Guten auf der Welt zu sein. Die Freundschaft mit den Menschen in den USA ist damit nicht gemeint und nicht tangiert.
Sie merken an diesen Bemerkungen schon, wie viel Musik bei diesem Thema anklingt. Der Vorschlag C. alleine würde Schulz und seine potentielle Koalition schon nach vorne bringen.
- Ein klares Bekenntnis zur Sozialstaatlichkeit. Das könnte Schulz markieren, indem er ankündigt, in der Rentenpolitik alles auf die Stärkung der Gesetzlichen Rente zu konzentrieren und nach österreichischem Vorbild die Altersarmut zu bekämpfen.
- Ein klares Bekenntnis zur möglichen Koalition, die die Alternative bringen soll, also auch zur Linkspartei.
- Täglich gibt es Nachrichten dazu, dass der Rückzug des Staates, die Austeritätspolitik und die forcierte Privatisierung falsch sind. Das Scheitern der Privatisierung im Bereich der Autobahnen – siehe A1 – und die Vernachlässigung der Infrastruktur – siehe Schließung der Bahnstrecke am Oberrhein – werden immer wieder thematisiert und könnten ein immerwährender Anknüpfungspunkt für den Spitzenkandidaten der SPD sein. Er müsste nur einen alten Slogan seiner Partei neu mobilisieren, der übrigens auch den Vorteil hat, eng mit der Hauptforderung des Martin Schulz nach mehr Gerechtigkeit verknüpft zu sein:
Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. SPD.
Es sind nur noch vier Wochen bis zum Wahltermin und damit ist die Zeit sehr kurz, um zur Besinnung zu kommen und das dann auch noch umzusetzen. Aber die Aussicht, an die 20%-Grenze heranzukommen, müsste für die älteste Partei Deutschlands so verheerend sein, dass auch unkonventionelle Rettungsversuche überlegt werden müssen.
Wenn die Sorge, dass die AfD zu stark und damit gefährlich wird, ernst genommen werden soll, dann spräche das ebenfalls für einen unkonventionellen Rettungsversuch in letzter Minute.
Wenn das innerparteilich nicht möglich sein sollte, dann spricht das dafür, was viele unserer Leserinnen und Leser meinen, dass man die SPD vergessen kann.
Es bleibt unabhängig vom Schicksal der SPD die Notwendigkeit, den Aufwind der AfD zu kontern. Deshalb dieser Text und der Appell an unsere Leserinnen und Leser, sich des Themas anzunehmen und in Gesprächen klarzumachen, dass “Trau dich” mit der AfD in die falsche Richtung führt.