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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Kranker Kapitalismus
  2. Auto-Terrorismus in Deutschland
  3. „Hunderttausende Menschen werden kalt enteignet“
  4. Kollektivversagen: Cum/Cum, Cum/Ex und Hopp!
  5. Die Kosten der Zuwanderung – ein Konjunkturprogramm
  6. Griechenland: Verordnete Verarmung
  7. DGB-Faktencheck
  8. Zu kleine Räume für zu viele Schüler
  9. Opium für die Mächtigen
  10. Zypries droht den USA
  11. Hysterischer Niedergangstaumel
  12. Flüchtlinge werden nicht weniger, nur weil wir wegschauen
  13. Das Scheitern der »Hamburger Linie«
  14. Wie die Märkte eine politische Bewegung umdeuten
  15. Pflugschare zu Schwertern
  16. Sahra Wagenknecht für bessere Arbeitsbedingungen
  17. Urheberrecht: Das macht Facebook gegen illegale Piraterie

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Kranker Kapitalismus
    Die deutsche Autoindustrie kann machen, was sie will. Es ist wie bei den Banken: Ist man erst mal “too big to fail”, dann sind die Gesetze egal, und die Politik hat ganz viel Verständnis – sogar die Grünen.
    Es gibt eine Definition der Justiz- und Innenminister der Länder, wie man den Begriff der organisierten Kriminalität zu verstehen hat: “Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig … unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.”
    Vermutlich ist der Umfang der dauernden, geradezu systemischen Gesetzesverstöße in der deutschen Autoindustrie so groß, dass die Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssten, wenn sie beschlössen, sich vom einen auf den anderen Tag zu legalisieren. Immerhin, die Werbeabteilungen der Konzerne müssen sich keine neuen Slogans ausdenken: “Freude am Fahren” kann man auch mit einem Auto haben, das eigentlich nicht zulassungsfähig ist. Und “Vorsprung durch Technik” stimmte insoweit, als offenbar alle technischen Mittel zum gewerbsmäßigen Betrug zum Einsatz kamen.
    Die Skandale der deutschen Autoindustrie sind das Versagen der deutschen Politik. Kein Wunder: Die Autoindustrie ist schon personell eine Außenstelle der Bundesregierung – vielleicht ist auch die Bundesregierung eine Außenstelle der Autoindustrie.
    Jedenfalls beschäftigt Daimler den früheren Staatsminister der Kanzlerin als Cheflobbyisten. Bei VW arbeitet ein ehemaliger Vizesprecher der Bundesregierung und außerdem Merkels früherer Bürochef. Der Automobilverband wird von einem ehemaligen Bundesverkehrsminister geleitet. Und sein Nachfolger im Amt, der CSU-Politiker Dobrindt, verhält sich ganz so, als strebe auch er später eine glänzende Karriere in der Industrie an.
    Quelle: Jakob Augstein auf SPON
  2. Auto-Terrorismus in Deutschland
    Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Den Anfang machte Norwegen. Bis 2025 sollen dort keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Die Niederlande lassen ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos zu. In Schweden verabschiedet sich sogar der Autohersteller Volvo vom Verbrennungsmotor – schon im Jahr 2019.
    China will ab 2018 oder 2019 eine ehrgeizige Quote für Elektroautos einführen, vor der die deutschen Autobauer Angst haben, weil sie darauf nicht vorbereitet sind. Und nun hat die konservative Regierung in London bekanntgegeben, dass im zweitgrößten Auto-Land Europas ab 2040 der Verkauf von Benzin- oder Dieselautos verboten sei. Die französische Regierung hat Ähnliches beschlossen.
    Und was macht in dieser Umbruch-Situation Europas größtes Autoindustrieland Deutschland? Es behandelt diese Ankündigungen wie einen Aprilscherz. Dabei ist hierzulande jeder siebte Arbeitsplatz von der Autoproduktion abhängig. Die Sprecherin von Verkehrsminister Dobrindt, der in Wirklichkeit ein Autominister ist, sagt zur aktuellen Ankündigung aus England: Dieser Beschluss sei “relativ phantasielos”. Wie phantasievoll ist denn diese deutsche Phantasielosigkeit?
    Quelle: Telepolis
  3. „Hunderttausende Menschen werden kalt enteignet“
    IG-Metall-Chef Hofmann warnt im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor pauschalen Fahrverboten und erklärt, warum Deutschland auf Elektroautos setzen sollte.
    Die Führung der Gewerkschaft IG Metall reagiert bestürzt auf die Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten. „Ich bin mit Vehemenz gegen pauschale Fahrverbote, wenn sie kurzfristig eingeführt werden, sich die Leute darauf nicht einstellen und nicht dagegen wehren können“, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Hunderttausende Verbraucher werden dadurch um den Wert ihres Fahrzeuges betrogen, das heißt Hunderttausende Menschen werden kalt enteignet. Die Pendler, die auf ihr Auto angewiesen sind, trifft es besonders hart.“
    In dem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung beklagt Hofmann auch eine „höchst unlautere Skandalisierung des Automobils“. Dahinter stecken nach seinen Worten „vermeintliche Ökogruppen“, von denen „abstruse Dinge zu hören“ sind, wenn etwa behauptet werde, dass Autoabgase Menschenleben töten. Schuld an der Krise der Autobranche habe aber die Industrie selbst, betont Hofmann: „Jahrelang wurden die wahren Verbrauchswerte der Autos nicht ausgewiesen und so Kundeninteressen ignoriert.“
    Die Zukunft der Branche sieht er in der Elektromobilität. „Wir wollen hier in Deutschland die Autos für die Mobilität der Zukunft bauen. Da führt an Elektroautos nichts vorbei, also müssen wir dafür kämpfen, dass möglichst viele davon aus den Fabriken unserer Hersteller kommen“, sagte Hofmann. „Als IG Metall müssen wir die Treiber für den technischen Fortschritt sein, und gleichzeitig den Transformationsprozess sozial gestalten.“
    Quelle: FAZ

    Nachtrag A.M.: Um Missverständnisse nicht aufkommen zu lassen, bleibt anzumerken, dass die NachDenkSeiten über dieses Interview der FAZ mit dem IG Metallvorsitzenden informieren wollten. Wir machen uns damit eine Reihe von Aussagen des IG Metall Vorsitzenden nicht zu eigen. Wenn die Gewerkschaften in der jetzigen Situation Verständnis für das Automobil und seine Produzenten erhalten und erreichen wollen, dann macht zum Beispiel die Rede von „vermeintlichen Ökogruppen“ wenig Sinn.

  4. Kollektivversagen: Cum/Cum, Cum/Ex und Hopp!
    Dividendenstripping bezeichnet Aktientransaktionen rund um den Dividendenstichtag, bei denen Aktien mit Dividendenanspruch veräußert (cum Dividende) und mit (cum) oder ohne (ex) Dividendenanspruch geliefert werden. Solche Transaktionen werden in Deutschland seit den späten 1970er Jahren getätigt. Cum/Ex-Geschäfte in der Kombination mit Leerverkauf haben bis einschließlich 2011 dazu geführt, dass einmal einbehaltene Kapitalertragsteuer mehrfach bescheinigt und erstattet worden ist. Möglich war dies infolge eines Systembruchs bei der Einbehaltung und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer: Einbehalten und ans Finanzamt abgeführt wurde die Steuer durch die ausschüttende Aktiengesellschaft, die Bescheinigungen stellten sodann die depotführenden Banken aus – eine für den Aktieninhaber und eine zweite (oder sogar mehrere) für den Leerkäufer. Der dadurch entstandene Steuerschaden beläuft sich auf mindestens 10 Mrd. Euro, und das ist eine sehr vorsichtige Schätzung. Seit 2012 funktioniert das nicht mehr, denn die Kapitalertragsteuer wird seitdem von dem depotführenden Kreditinstitut einbehalten, und nur dieses stellt auch die Steuerbescheinigung aus. Es kommt also nicht mehr zum Ausstellen von Steuerbescheinigungen, falls zuvor keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde.
    Wie es geschehen konnte, dass Cum/Ex-Geschäfte mit Leerverkauf mehrere Jahrzehnte nicht unterbunden wurden, sollte ein 2016 vom Deutschen Bundestag eingesetzter Untersuchungsausschuss klären. Der am 23. Juni 2017 vorgelegte Abschlussbericht ist aus mehreren Gründen erschütternd. Erstens dokumentieren die Ergebnisse der Ausschussarbeit eindrucksvoll, dass das Nichtaufgreifen dieser Cum/Ex-Geschäfte auf eine überaus bedenkliche Mischung aus einem Desinteresse der politischen Führungsebene, einer nicht vorhandenen Governance im Bundesfinanzministerium (BMF), unsäglichen Verquickungen des BMF mit dem Bundesverband deutscher Banken, fachlichen Fehleinschätzungen des BMF sowie einer mangelhaften Abstimmung zwischen dem BMF und einzelnen Unterbehörden wie etwa mit der Finanzmarktaufsicht und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) herrührte.
    Das mehrfache Ausstellen von Steuerbescheinigungen bei Cum/Ex-Geschäften mit Leerverkauf war illegal, eine Gesetzeslücke bestand insoweit zu keinem Zeitpunkt. Diese Rechtsauffassung bestätigen mittlerweile auch einschlägige Urteile der Finanzgerichte. Trotz deutlicher Hinweise über Steuerausfälle im Milliardenbereich bereits in den 1990er Jahren blieb die politische Führungsebene im BMF untätig.
    Quelle: Ökonomenstimme
  5. Die Kosten der Zuwanderung – ein Konjunkturprogramm
    An Stammtischen, in CSU-Festzelten und auch immer wieder in den Medien heißt es, Deutschland stehe aufgrund der Zuwanderung vor hohen Kosten. Sinngemäß wird so getan als sei das Boot voll. Es wird eine Obergrenze gefordert. Und seit kurzem werden gar Geflüchtete ins Kriegsland Afghanistan abgeschoben.
    Doch ist die Aufregung und (politische) Abkehr von der Willkommenskultur (hier) nicht kurzsichtig? Diskutiert wird, ob die zuwanderungsbedingten Ausgaben nicht direkt wieder ins System zurückfließen und zu einer Steigerung der Inlandsnachfrage führen.
    Tatsächlich sprechen Wirtschaftsforscher mittlerweile von einem Konjunkturprogramm durch die Flüchtlingskosten. […]
    Die Prognosen und Studien großer Forschungsinstitute zeigen, dass die fiskalische Perspektive, bei der die Kosten der Zuwanderung nur die Einkommenssteuerzahlungen und die Abgaben der Geflüchteten entgegengestellt werden, viel zu kurz greift. Werden auch der gesteigerte Konsum und die Multiplikatoreffekte mit in Betracht gezogen, wirken die staatlichen Ausgaben für Geflüchtete wie ein Konjunkturprogramm.
    Quelle: Zebralogs
  6. Griechenland: Verordnete Verarmung
    Während Angela Merkel nach außen – und im Wahlkampf – die Europäische Union zur Schicksalsfrage erklärt, nehmen im Innern der EU die Auseinandersetzungen wieder zu. Im Brennpunkt steht dabei erneut der Umgang mit Griechenland. Die Koalition um Ministerpräsident Alexis Tsipras stimmte am 19. Mai für ein weiteres Sparpaket, das als Voraussetzung für neue „Hilfen“ von Griechenlands Gläubigern gefordert wurde. Athen ist darauf angewiesen, weil Rückzahlungen fällig werden, die aus eigener Kraft nicht gestemmt werden können. Dagegen gab es massive Proteste vor dem griechischen Parlament – Ausdruck einer zunehmend verzweifelten Gesellschaft.
    Um die Absurdität der bisherigen „Rettungsversuche“ zu verstehen, hilft zunächst ein Blick auf die bloßen Summen, die bisher zwischen Gläubigern und Griechenland geflossen sind: Addiert man alle drei bisherigen Hilfspakete, wurde Griechenland ein Kreditrahmen von 368,6 Mrd. Euro gewährt – eine gewaltige Summe, gemessen am griechischen BIP von 176 Mrd. Euro im Jahr 2015. Allerdings wurde dieser Kreditrahmen bis 2015 nur im Umfang von 215,9 Mrd. Euro ausgeschöpft, und davon sind weniger als fünf Prozent, nämlich 10,8 Mrd. Euro, wirklich in den griechischen Staatshaushalt geflossen – wohlgemerkt als rückzahlbare, verzinsliche Kredite. Der weit überwiegende Teil floss entweder in Zinszahlungen, in die Schuldentilgung bzw. in die Umschuldung – das heißt in einen Risikotransfer von privaten Banken hin zu öffentlichen Trägern (EU, EZB, IWF, ESM) – oder, jedenfalls teilweise, in die Finanzierung von Anreizen für private Gläubiger, sich am Umschuldungsprogramm zu beteiligen.
    Umgekehrt hat Griechenland im Zeitraum von 2010 bis 2015 aber 52,3 Mrd. Euro an Zinsen an seine Gläubiger gezahlt, vor allem an EU, EZB und IWF. Bis 2018, wenn das dritte Programm ausläuft, werden es sogar 70,1 Mrd. Euro sein. Der Saldo des Kapitalflusses war und ist für Griechenland also negativ – trotz aller „Hilfen“. Damit wird deutlich, dass es sich letztendlich um die Ausbeutung des griechischen Staates handelt: Diese 70,1 Mrd. Euro Zinsen entsprechen etwa 40 Prozent des gesamten griechischen BIP des Jahres 2015.
    Quelle: Egbert Scheunemann in den Blättern für deutsche und internationale Politik

    Anmerkung JK: Ein exzellenter Beitrag, der den völligen Irrsinn des deutschen Austeritätsdiktates gegen Griechenland verdeutlicht und der eine möglichst breite Verbreitung verdient. Der Beitrag entlarvt auch, um was bei der Privatisierung öffentlicher Infrastruktur geht, nicht darum den Bürgern öffentliche Dienstleistungen effizient und kostengünstig anzubieten, sondern ausschließlich darum privaten Investoren neue Renditemöglichkeiten zu eröffnen. Also letztlich darum die Taschen der Reichen und Superreichen och praller zu füllen. Zugleich handelt es sich bei Griechenland um das neoliberale Freiluftlabor der EU. Man testet in Griechenland offenbar aus wie weit sich der Wunschtraum der Neoliberalen, den Staat soweit wie möglich zu zerstören, realisieren lässt. Die Frage ist, ob die, durch die Neoliberale Austeritätspolitik in Griechnland angerichteten sozialen und ökonomischen Verwüstungen jemals wieder behoben werden können.
    In Griechenland zeigt sich, die neoliberale Politik entbehrt jeder realen ökonomischen Grundlage. Es geht dabei nur um die Durchsetzung einer absurden Ideologie mit dem Ziel die Reichen noch reicher zu machen. Sind das die europäischen Werte, die Merkel angeblich gegen Trump, Putin, Erdogan verteidigen will?

    Dazu: Griechenlands krankes Gesundheitssystem
    Das griechische Gesundheitssystem steckt in der Krise: Tausende medizinische Fachkräfte haben das Land verlassen, die Ausgaben für Gesundheit wurden halbiert und drei Millionen Griechen sind nicht krankenversichert. Sie fühlen sich vom Staat im Stich gelassen.
    Ein Lichtblick für krisengebeutelte Griechen ohne Versicherungsschutz sind die Sozialkliniken des Landes. Eine davon ist das Ellinikó im gleichnamigen Athener Stadtteil. Die arte-Reportage von Tanja Dammertz zeigt den ehrenamtlichen Einsatz der Helfer im Ringen um die Gesundheitsversorgung für die sozial Schwächsten des Landes.
    Quelle: Spiegel.TV

    Und: Widerstand in Weiß
    Seit Beginn der Krise ist das griechische Gesundheitssystem in katastrophalem Zustand. Hunderte Ärzte und Freiwillige wollen das ändern: mit solidarischen Kliniken, kostenlosen Behandlungen – und Druck auf die Politik.
    Quelle: SPON

  7. DGB-Faktencheck
    • Armut in Deutschland
      Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bezeichnet die Aussagen,

      • dass Millionen Menschen in Deutschland in Armut verharren und
      • dass viele Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können

      als Zerrbilder, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.
      Die Zahlen des 5. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung (2017) zeigen:
      Das Ausmaß der Armut stagniert in Deutschland seit Jahren auf hohem Niveau. Die Armutsrisikoquote lag 2015 bei 15,7 Prozent. Somit ist jede und jeder Sechste arm oder von Armut bedroht. In absoluten Zahlen sind das fast 13 Millionen Menschen. Die Bundesregierung stellt in ihrem Armutsbericht (S. 386) fest: „Menschen aber, die einmal unter die Armutsrisikoschwelle geraten, tun sich vergleichsweise schwer, diesen Zustand zu überwinden.“
      Mit anderen Worten: Millionen Menschen verharren in Deutschland in Armut.
      Von den abhängig Beschäftigten sind 7,6 Prozent arm oder armutsgefährdet. Besonders häufig von Armut betroffen sind prekär Beschäftigte (Armutsrisikoquote 19,2 Prozent), insbesondere Minijobber/innen (25,7 Prozent) und Leiharbeiter/innen (17,7 Prozent).
      Mit anderen Worten: Viele Menschen können von ihrer Arbeit nicht – frei von Armut – leben.
      Quelle: DGB

    • Niedriglöhne in Deutschland
      Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) stellt die Thesen auf:

      • der Niedriglohnsektor ist für Geringqualifizierte ein „Sprungbrett in gute Beschäftigung“
      • der Niedriglohnsektor ist ein Einstieg in besser entlohnte Tätigkeiten

      Der Niedriglohnbereich wächst nicht mehr – auch dank des Mindestlohns und der guten Konjunktur. Wenn die Wirtschaft boomt, müsste auch der Niedriglohnsektor kleiner werden. Das ist aber nicht der Fall. Das reiche Deutschland hat den größten Niedriglohnbereich in Westeuropa – nur übertroffen von den EU-Ländern Lettland, Rumänien, Litauen, Polen und Estland. Mehr als jeder fünfte Beschäftigte muss für weniger als 10 Euro die Stunde arbeiten.
      Die These, der Niedriglohnsektor sei für Geringqualifizierte ein Sprungbrett, ist nicht haltbar. Zwei Drittel der Niedriglohnbeziehenden haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, weitere 10,5 Prozent sogar einen Hochschulabschluss. Die große Mehrheit verfügt also mindestens über ein mittleres Qualifikationsniveau. Wenn die BDA anführt, ein Viertel aller Niedriglohnbezieher steige binnen eines Jahres in eine besser entlohnte Tätigkeit auf, sind das nur begrenzt Geringqualifizierte.
      Quelle: DGB

  8. Zu kleine Räume für zu viele Schüler
    Marode Gebäude, viel zu wenig Platz – und jetzt auch noch unqualifizierte Quereinsteiger als Lehrer: Der neue Präsident des Deutschen Lehrerverbandes schlägt Alarm, appelliert bei einem Thema aber auch an das Bewusstsein der Schüler.
    In Zeiten des Lehrermangels tendieren Länder dazu, jeden Quereinsteiger zu beschäftigen. Denn vor nichts graut Kultusministern mehr als vor rebellierenden Eltern, die fortgesetzten Unterrichtsausfall beklagen. Der neue Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), der bayerische Gymnasialschulleiter Heinz-Peter Meidinger, hält das für genau den falschen Weg. Er hat die Länder im Gespräch mit der F.A.Z. aufgefordert, auch in Zeiten des Lehrermangels nicht jeden Bewerber zu nehmen, sondern allenfalls befristet anzustellen. „Es ist nicht vertretbar, in Mangelzeiten auch unzureichend qualifizierte Bewerber auf Dauer einzustellen“, sagt Meidinger. Er befürchtet, dass besseren Bewerbern zu späterer Zeit durch solche Praktiken der Weg ins Lehramt versperrt wird.
    In Zeiten mit wenigen Einstellungen sollten die Länder über den Bedarf einstellen. Das geschehe jedoch in den seltensten Fällen, da die verantwortlichen Politiker Angst davor hätten, dass sich die Schulen an eine Überversorgung gewöhnten, sagte Meidinger. Ostdeutsche Länder wie Sachsen, wo demnächst die Schule wieder beginnt, können ihre Unterrichtsversorgung nur durch geliehene Lehrer etwa aus Bayern aufrechterhalten. So haben bayerische Lehrer sich aufgrund einer Rückkehrvereinbarung in den Süden darauf eingelassen, in Sachsen auszuhelfen. In die Randregionen allerdings lassen auch sie sich nicht gerne versetzen. Wegen des Geburteneinbruchs nach der Wende haben ostdeutsche Länder ihre Lehrerstellen erheblich abgebaut. Unmittelbar nach der Wende lag das Durchschnittsalter der Lehrer im Osten bei 41 Jahren, im Westen bei über 50 Jahren. Auch durch den Zuzug vieler Flüchtlingskinder sind die Schülerzahlen jetzt wieder schneller gestiegen. Jetzt würden die damals entlassenen Lehrer dringend gebraucht. Und zwar vor allem an den Grundschulen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Sicher, auch der Präsident des Lehrerverbands ist ein Lobbyist. Aber wenn auch nur ein Drittel seiner Klagen berechtigt sind: warum gab es zu den Zeiten, als die “Baby-Boomer” in der Schule waren (d. h. etwa 50 Prozent mehr Schüler als heute), genug Geld für Bildung, ausreichend viele Lehrer und gepflegte Klassenzimmer? Wie paßt eine Austeritätspolitik auf Kosten der Schüler zu der unsäglichen Klage, es gäbe “aus demographischen Gründen zu wenige” Kinder – sind das nicht heute schon viel mehr, als sich der Staat leisten will? Und welcher Wahnsinn reitet die Parteien, die unterfinanzierte Bildung und die unterfinanzierte Infrastruktur durch weitere Steuersenkung(sversprechung)en noch mehr unter Druck zu setzen?

  9. Opium für die Mächtigen
    Wieder einmal macht die Bertelsmann Stiftung mit einer Studie von sich reden, diesmal über Populismus. Das Muster ist dabei immer gleich: Unter dem Deckmäntelchen des „zivilgesellschaftlichen“ Engagements soll die Gesellschaft auf Linie gebracht werden
    Demokraten sind Populisten. Das geht gar nicht anders. Denn die Demokratie ist die Herrschaft („kratos“) des Volkes („demos“). Und letzteres heißt auf Latein „populus“. Soviel dazu.
    In Deutschland jedoch genießt der Populist keinen guten Ruf, im Gegenteil. Anti-Populismus gehört zur neuen deutschen Staatsräson. Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch verständlich. Schließlich hat man in Deutschland mit politischen Marktschreiern unangenehme Erfahrungen gemacht.
    Doch der Populismus ist kein Privileg der extremen politischen Rechten. Populismus hat überhaupt keine inhaltliche Positionierung. Im Kern ist er vielmehr ein Anti-Elitarismus. Der Populist, so kann man ihn vielleicht definieren, ist davon überzeugt, dass es ein gesundes Volksempfinden gibt und verbildete oder gar korrupte Eliten an den wahren Interessen des Volkes vorbeiagieren.
    Quelle: Cicero
  10. Zypries droht den USA
    Die US-Sanktionen gegen Russland sorgen nicht nur zwischen den Regierungen in Moskau und Washington für Streit, auch in Berlin ist man verärgert. Wirtschaftsministerin Zypries wirft den USA “völkerrechtswidriges” Verhalten vor und droht mit Gegenmaßnahmen.
    Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat den USA wegen ihrer schärferen Russland-Sanktionen, die auch deutsche Firmen treffen könnten, mit Gegenmaßnahmen gedroht. Sie nannte die Strafmaßnahmen wegen ihrer Wirkung auch auf nicht-amerikanische Firmen “schlicht und ergreifend völkerrechtswidrig”. “Die Amerikaner können nicht deutsche Unternehmen bestrafen, weil die sich in einem anderen Land wirtschaftlich betätigen”, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung JK: Reiner Theaterdonner, es gibt definitiv niemanden in der deutschen Politelite, der sich den geostrategischen und ökonomischen Interessen der USA ernsthaft entgegenstellen würde. Bisher wurde die US-Sanktionspolitik gegen Russland ohne Wenn und Aber von der Bundesregierung aus SPD und CDU mitgetragen. Dazu sind auch zu viele der Personen in den deutschen Führungsetagen seien es die Medien, die Wirtschaft oder die Politik in transatlantische Elitenetzwerke eingebunden.

  11. Hysterischer Niedergangstaumel
    Jedenfalls nimmt in den USA die Hysterie in Sachen Russland, „Russland-Connection“ des Präsidenten Trump, angeblicher Einmischung in die Präsidentenwahlen 2016 nicht ab, wie normalerweise im Zeitverlauf zu erwarten wäre, sondern weiter zu. Am 15. Juni hatte der US-Senat mit 97 zu zwei Stimmen nahezu geschlossen für die Verlängerung der unter Obama verhängten Sanktionen gegen Russland gestimmt. Betroffen sind Bereiche des Maschinenbaus und des Bergbaus, vor allem aber geht es gegen den russischen Energiekomplex. Der notorische Russland-Hasser John McCain tönte, Russland müsse „einen Preis für seine Taten“ bezahlen, die es mit seinem Angriff „auf unsere Demokratie“ begangen habe. Die sind zwar nach wie vor nicht bewiesen, aber man scheint sich im politischen Washington weitgehend einig zu sein. McCain, der republikanischer Senator ist, müsste eigentlich mit den anderen Republikanern froh sein, dass diese Partei seit langem erstmals wieder einen republikanischen Präsidenten und zugleich die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses stellt. Da er aber Donald Trump ebenso hasst wie Russland, trägt er lieber zur weiteren Demontage der politischen Verhältnisse in den USA bei. Andere Abgeordnete meinten, Russlands „Aggressionen“ in Syrien oder der Ukraine als Gründe anführen zu sollen.
    Am 25. Juli beschloss das USA-Repräsentantenhaus mit der breiten Mehrheit von 419 gegen drei Stimmen seinerseits ein Gesetz, das neue Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea vorsieht, im Paket. Das soll besonders schlau sein: Trump hatte sich mehrfach dafür ausgesprochen, Sanktionen gegen Nordkorea und Iran zu verhängen. Wenn er hier intervenierte, um die Bestimmungen zu Russland zu erleichtern, würde er seine Politik in den beiden anderen Fällen desavouieren. Zugleich wird das als geschickte Falle angesehen: lässt Trump das Gesetz, nachdem es ebenfalls vom Senat bestätigt wurde, passieren, verunmöglicht er seine beabsichtigte Russlandpolitik. Versucht er, es mit einem Veto anzuhalten, würde dies als Eingeständnis seiner Russland-Connection interpretiert. Zugleich wurden Beschränkungen beschlossen für den Fall, dass der Präsident die Sanktionen aufheben oder lockern will. Das schränkt seine exekutiven Spielräume in der Außenpolitik ein, aber auch das ist den Protagonisten dieses Gesetzes entweder egal oder ein Herzensanliegen.
    Quelle: Das Blättchen
  12. Flüchtlinge werden nicht weniger, nur weil wir wegschauen
    DIE WELT: In dem Papier kritisieren die Grünen „eine Blockade der gemeinsamen Flüchtlingspolitik durch nationalistische Regierungen einiger Mitgliedstaaten“ der EU. Welches sind die Staaten, die aus Ihrer Sicht bereit sind, Flüchtlinge in großer Zahl unterzubringen?
    Göring-Eckardt: Die Bundesregierung hätte sich seit 2015 um eine europäische Lösung kümmern können. Das hat sie nicht, und das rächt sich jetzt. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir sagen: Wir werden das in Europa nicht mehr konsensual hinbekommen, dass alle aufnehmen.
    Deshalb braucht es Finanzdruck: Wer nicht aufnimmt, obwohl der EuGH das erst dieser Tage allen Staaten ins Stammbuch geschrieben hat, muss Strafzahlungen leisten – und die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, bekommen aus dem EU-Haushalt mehr Gelder. Ich bin für faire Aufnahmeanteile – für Deutschland wie für die anderen Staaten. Ich bin froh, dass sich der französische Präsident Macron dieses Themas annehmen will. Gemeinsam mit den nordeuropäischen Staaten sollten wir eine neue Initiative starten.
    DIE WELT: Sie haben auf dem Parteitag 2015 gesagt: „Diese Menschen sind ein Geschenk für Deutschland.“ Würden Sie das heute wiederholen? Nach der Ernüchterung in der Wirtschaft, nach Köln, nach Integrationsproblemen, nach dem Terroranschlag von Berlin, nach Hamburg?
    Göring-Eckardt: … Ich sage auch heute: Es ist gut für unser Land, dass Leute hierherkommen, weil wir sie brauchen; es ist schlecht gewesen, dass wir zwei Jahre lang viel zu wenig gemacht haben für die Integration. Und ich sage auch: Straftäter sind Straftäter, ob sie geflüchtet sind oder nicht.
    Das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) sagte damals, es werde fünf bis sieben Jahre brauchen, dann erwirtschaftet ein Flüchtling mehr, als er den Staat kostet. So gesehen, haben wir zwei Jahre verloren. Viele dieser Menschen sind zu integrieren, wenn wir stärkere Anstrengungen unternehmen, wenn wir mehr Deutschkurse organisieren. Doch fehlt es an Lehrern.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es gibt viele gute humanitäre Gründe, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Behauptung, Deutschland “bräuchte” (Subtext: aus Arbeitsmarkt- oder “demographischen” Gründen) Flüchtlinge, ist angesichts von über vier Millionen Arbeitslosen und dem Niedrig- und Armutslöhnerelend, das die Grünen (vorweg Frau KGE als Fraktionsvorsitzende) unter Schröder maßgeblich mitverursacht haben, der übliche Hohn von dieser wirtschachftsliberalen Seite. Vieles wäre machbar, gesellschaftlichen Konsens und die entsprechende Finanzausstattung vorausgesetzt, aber jetzt wieder über die Köpfe der von Wohnraum- und Arbeitsplatzmangel betroffenen Menschen hinweg “mehr Flüchtlinge” zu fordern, ist mehr als arrogant. Und die Umsetzung des Vorschlags, die Finanzzuweisungen durch die EU von der Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge abhängig zu machen, wäre nur ein weiterer Sargnagel für die EU insgesamt, die schon mit ihrer zerstörerischen Austeritätspolitik den Zorn der Mitgliedsstaaten auf sich zieht. Im Übrigen zeigt die Weigerung zur Flüchtlingsaufnahme doch an, daß andere Länder sich mehr Sorgen um Arbeitslose machen als Deutschland, wo Arbeitslosigkeit zum individuellen Problem umdefiniert worden ist. Alle Flüchtlinge abzuweisen ist unmenschlich; alle Flüchtlinge aufzunehmen unmöglich. Die Flüchtlingsproblematik bleibt schwierig und einfache Lösungen werden nicht funktionieren – Zwang aber wäre die allerschlechteste Idee von allen.

    Anmerkung JK: Göring-Eckhardt ist wahrlich eine idealtypische Repräsentantin des links-liberalen Juste Milieus, das die Flüchtlingsfrage hauptsächlich dazu benutzt, um sich in seiner kosmopolitischen Weltsicht und seiner vorgeblichen ethischen und moralischen Überlegenheit zu sonnen, das aber die sozialen und ökonomischen Folgen völlig ausblendet.

  13. Das Scheitern der »Hamburger Linie«
    Über 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten laufen derzeit im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel, wie die Hamburger Innenbehörde bestätigte. In der überwiegenden Zahl der Fälle geht es dabei um Körperverletzung im Amt.[1] Dennoch bestreitet Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Hansestadt, noch immer vehement, dass es zu Übergriffen seitens der Polizei gekommen sei.[2] Scholz’ Behauptung erscheint grotesk auch angesichts zahlreicher Berichte, wonach die Polizei in den Tagen rund um den Gipfel massiv gegen Demonstranten und Unbeteiligte vorgegangen ist – sei es mit Tritten, Fausthieben und Schmerzgriffen, sei es mit Schlagstock, Pfefferspray und Wasserwerfern. Auch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten wurden Opfer polizeilicher Gewalt; Dutzenden von ihnen wurde zudem vor Ort überraschend die Akkreditierung entzogen und damit der Zutritt zum Pressezentrum des G20-Gipfels verwehrt.
    Bereits im Vorfeld des Gipfels setzte die Polizeiführung unmissverständliche Zeichen, die sich sowohl an die Protestierenden als auch an die eingesetzten Beamten richteten: So wollte sie, trotz eines anderslautenden Beschlusses des Hamburger Verwaltungsgerichts, das geplante Protestcamp auf Entenwerder um jeden Preis verhindern; ein großer Teil der Innenstadt wurde zur demonstrationsfreien Zone erklärt. Stadtweit gingen Einsatzkräfte gegen Menschenansammlungen vor, die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Pauli und Teilen Altonas waren dem Dauerlärm von Hubschraubern ausgesetzt und wurden immer wieder in Polizeimaßnahmen verwickelt.
    Den Höhepunkt dieses versammlungsfeindlichen Vorgehens bildete die Zerschlagung der antikapitalistischen „Welcome to Hell“-Demonstration. Den Anlass dafür lieferten vermummte Teilnehmende, die jedoch nach übereinstimmenden Aussagen von Beobachtern größtenteils auf die Forderung der Polizei reagierten und Masken und Tücher ablegten. Doch selbst nachdem der schwarze Block in die Zange genommen war und manche seiner Teilnehmer in Panik über eine Flutmauer geflüchtet waren, räumten Wasserwerfer und gepanzerte Einheiten auch die verbliebenen 10 000 Demonstrierenden von der Straße. Dieser Einsatz setzte den Rahmen für die Ereignisse der folgenden Tage: Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestgruppen, Zuschauern und der Polizei. Diese gipfelten in Ausschreitungen mit brennenden Barrikaden und geplünderten Geschäften.
    Angesichts der ausufernden Gewalt ist eine nüchterne Aufarbeitung der Hamburger Ereignisse bitter nötig. Erfolgt diese Aufarbeitung nicht, so bleibt es bei der bloßen Skandalisierung der Geschehnisse, ohne dass ihr Kontext betrachtet würde. Ressentimentgeladene Antworten und weitere Eskalationen sind dann unweigerlich die Folge.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Dazu: Von den Schweden lernen
    Nicht nur bei G20: Auch beim EU-Gipfel in Göteborg 2001 gab es Krawalle. Es folgte eine ernsthafte Aufarbeitung. Ob das auch in Hamburg möglich ist?
    Nachdem sich der Rauch über Hamburg verzogen hat, wird nun gestritten, was dort eigentlich passiert ist. Das medial dominierende Narrativ geht davon aus, dass hoch gefährliche Autonome von einer heldenhaften Polizei bekämpft worden seien. Dagegen steht das Bild, dass die Polizei mit übergroßer Härte vorgegangen sei und die Krawalle erst produziert habe.
    Aufklärung ist also nötig. Bewegungsforscher Dieter Rucht hat gefordert, dass eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt wird. Seinem Kollegen Peter Ullrich schwebt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss oder eine Art Wahrheitskommission vor. Die schwedischen Erfahrungen nach den Krawallen in Göteborg 2001 zeigen, dass derartige Kommissionen hilfreich sein können – wenn man ihren Auftrag richtig gestaltet.
    Quelle: taz

  14. Wie die Märkte eine politische Bewegung umdeuten
    We Should All Be Feminists” – “Wir alle sollten Feministinnen und Feministen sein”. Dieser Spruch stand Anfang des Jahres nicht nur auf vielen Plakaten beim sogenannten “Women’s March” als Reaktion auf die Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump – sondern auch auf einem mehrere Hundert Dollar teuren T-Shirt einer Luxusmarke. Stars wie die Schauspielerinnen Natalie Portman oder Jennifer Lawrence trugen das simple Stück Stoff mit der wirkmächtigen Botschaft in die Welt. Ein Grund zum Jubeln für alle Feministinnen, könnte man meinen, scheint doch der Feminismus nun auch und endlich die Popkultur erobert zu haben.
    Das Problem ist – das Problem war schon immer –, dass Feminismus kein Spaß ist. Er soll auch kein Spaß sein. Feminismus ist komplex und schwierig, und er nervt. Er ist eine ernsthafte Angelegenheit, denn hier fordern Menschen, dass ihr Menschsein als wertvoll anerkannt wird. Die Kernthemen, die der Feminismus anspricht – Lohnungleichheit, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, institutionalisierter Rassismus und Sexismus, strukturelle Gewalt und natürlich körperliche Autonomie –, sind alles andere als sexy.”
    Und doch werde uns die marktkonforme Illusion von Feminismus als “sexy” angepriesen – vor allem mithilfe zahlreicher Stars aus Hollywood oder der Musikbranche, die sich als “Feministinnen” und “Feministen” verkaufen. Auch wenn Zeisler zufolge der Feminismus wie jede andere Bewegung auf prominente Fürsprache angewiesen ist – unweigerlich stellt sich die Frage nach der damit sehr oft verbundenen politischen Sinnentleerung.
    Die Kritik am Marktfeminismus ist nach wie vor aktuell. Genährt wird sie auch durch einen “Feminismus”, den einige Frauen in politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Führungspositionen vermarkten – wie beispielsweise Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook. In Büchern, Interviews oder auf Konferenzen vermittelten diese Frauen oft den Trugschluss, individuelle Selbstverwirklichung sei die große feministische Errungenschaft, so Zeisler:
    “Die Definition einer Feministin als einer ‘Frau, die das von ihr gewählte Leben führt’, ist wunderbar für eine, die diese Wahl bereits hat. Doch für die große Mehrheit der Frauen, die nicht in die Konferenzsäle gelangen und vergeblich darauf warten, dass die Ermächtigung nach unten durchsickert, bleibt dieser Feminismus völlig wirkungslos.”
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Zeislers Kritik trifft die Problematik genau. So wird die Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsgremien größer und börsennotierter Unternehmen als großartiger Erfolg im Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen gefeiert. Dabei betrifft dies nur hochqualifizierte und gutverdienende Frauen aus den oberen sozialen Schichten. Was hilft dies aber den Frauen in prekären sozialen Verhältnissen? Im Gegenteil, die Repression etwa gegen Alleinerziehende Mütter unter dem Hartz IV Regime wurde noch verschärft, in dem die betroffenen Frauen, wenn sie sich weigern den Vater ihres Kindes zu nennen, mit Sanktionen bedroht werden. Das Hartz-IV Regime wurde genau von jenen Parteien eingeführt, der SPD und den Grünen, die nun die Frauenquote in den Aufsichtsgremien größer und börsennotierter Unternehmen als Sieg des Feminismus feiert.

  15. Pflugschare zu Schwertern
    Vorgebliche Armutsbekämpfung. Wie die EU per Rechtsbeugung Militarisierung unter dem Mantel der Entwicklungshilfe betreibt
    Die Bundesrepublik hat 2016 eine »Ertüchtigungsinitiative« ausgerufen. Sie sei, heißt es in einem »Arbeitspapier« einer Bundesakademie, anders als geunkt werde, kein Versuch, »Rüstungsexporte in Krisengebiete zu rechtfertigen«, sondern »ein vielschichtiges Instrument vorbeugender Sicherheitspolitik«.1 Dahinter stehe die Idee, »regionale Akteure in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrer Nachbarschaft zu sorgen«. Sie sei »Hilfe zur Selbsthilfe«: »Staaten oder Organisationen, die als Stabilitätsanker in fragilen Regionen dienen können, sollen dahingehend ausgebildet und befähigt werden. Neben Schulung und Ausbildung zivilen und militärischen Personals schließt das deutsche Konzept auch die Bereitstellung von Ausrüstung mit ein.« Schwerpunktländer sind gegenwärtig der Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria.
    Auch die NATO »ertüchtigt«, vor allem im Rahmen des Einsatzes »Resolute Support« in Afghanistan, an dem Deutschland mit knapp 1.000 Soldaten beteiligt ist. Und unter dem Dach der Europäischen Union tragen 14 von 16 momentanen »Missionen« in der ein oder anderen Form zur »Kapazitätsbildung« bei, wie es im Brüsseler Jargon heißt. Bezahlt werden müssen solche EU-Einsätze derzeit allerdings noch überwiegend aus der nationalen Tasche – und genau das soll sich in Kürze ändern.
    Quelle: Junge Welt
  16. Sahra Wagenknecht für bessere Arbeitsbedingungen
    Mit der Agenda 2010 haben SPD und Grüne unterstützt von CDU/CSU und FDP in Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas geschaffen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“? Der Grundsatz gilt längst nicht mehr. Stattdessen werden Beschäftigte gegeneinander ausgespielt und Millionen Arbeitnehmer werden in Leiharbeit, Werkverträgen und Dauerbefristungen zu Beschäftigten zweiter Klasse degradiert. Insbesondere in vielen Dienstleistungsbranchen verdienen die Menschen nicht mehr genug, um über die Runden zu kommen. DIE LINKE sagt: Es reicht! Von Arbeit muss man leben können! Schluss mit Lohndumping über Leiharbeit oder Werkverträge. Wir brauchen Tarifverträge für alle und einen Mindestlohn von 12 Euro brutto die Stunde!
    Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook
  17. Urheberrecht: Das macht Facebook gegen illegale Piraterie
    Illegal hochgeladene und verbreitete Bilder und Videos stellen für Facebook ein großes Problem dar. Um die Produzenten der hochwertigen Inhalte nicht zu verlieren, hat das soziale Netzwerk nun eine Technologie erworben. Diese erkennt Verstöße gegen das Urheberrecht automatisch.
    Das illegale Hochladen und Verbreiten von urheberrechtlich geschützten Inhalten ist kein Kavaliersdelikt. Trotzdem werden auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Instagram täglich Hunderte Bilder und Videos kommentiert, geliked und geteilt – und das obwohl sie zum Teil eindeutig gegen das Urheberrecht Dritter verstoßen.
    Facebook und das Urheberrecht: zwei Perspektiven
    Am schwersten haben es in diesen Fällen häufig die Produzenten der Inhalte. Fotografen und Regisseure können ihre Inhalte nur bedingt vor Vervielfältigung schützen. Hinzu kommt, dass es bei mehr als zwei Milliarden Facebook-Nutzern für einen einzelnen Menschen unmöglich ist, jeden Verstoß zu erkennen.
    Quelle: Basic Thinking

    Anmerkung Jens Berger: Wenn Facebook jedes Bild auf die Urheberrechte abklopfen und bei jedem Katzenvideo einen Copyright-Check machen würde, sähe das Netzwerk wohl schon bald sehr, sehr grau und fad aus. Das weiß natürlich auch Facebook und engagiert sich nur leidlich gegen Copyright-Verstöße. Man sollte sich hier ohnehin fragen, ob die Urheberrechtsmodelle des 20. Jahrhunderts sich überhaupt noch sinnvoll auf die Sozialen Netzwerke übertragen lassen. Für mich ist das ein Kampf gegen Windmühlen, der eigentlich nur die Anwaltsbranche freut.

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