Die neue Militärregierung der USA
Nachdem in der vergangenen Woche auch der Posten des Stabschefs im Weißen Haus, eines der mächtigsten Ämter in Washington, mit einem General neu besetzt wurde, amtieren in der US-Regierung derzeit drei Generäle. Diese Häufung von Militärs ist in der jüngeren Geschichte des Landes ohne Beispiel und für eine parlamentarische Republik ungewöhnlich. Machtausübung wird in den USA offenbar immer mehr zu einer militärischen Angelegenheit. Von Paul Schreyer.
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Der alte Stabsschef Reince Priebus, ein eher diplomatischer Jurist, der in seiner Freizeit Klavier spielte, wird nun ersetzt durch den 4-Sterne-General John Kelly, der zuvor Truppen im Irak befehligte und anschließend als Chef des Southern Command die Befehlsgewalt über sämtliche US-Soldaten und Militäroperationen in Mittel- und Südamerika, inklusive Guantánamo besaß. Jetzt organisiert er das Tagesgeschäft des Präsidenten, koordiniert dessen Termine und entscheidet, wer ins Oval Office vorgelassen wird.
Der letzte hohe Militär im Amt des Stabschefs des Weißen Hauses war vor über 40 Jahren Alexander Haig, ebenfalls eingesetzt in einer besonderen Schwächephase und Instabilität der US-Regierung, damals als Krisenmanager des durch die Watergate-Affäre angeschlagenen Präsidenten Richard Nixon. Haig agierte später als Scharfmacher und verursachte einige Aufregung, als er 1981, auf dem Höhepunkt der Konfrontation mit der Sowjetunion, einen „nuklearen Warnschuss“ ins Gespräch brachte, um die Russen „abzuschrecken“. So denken Militärs.
Der aktuelle Stabsschef John Kelly gilt als Hardliner im „Krieg gegen den Terror“, der seiner Ansicht nach längst nicht vorbei ist, sondern noch „über Generationen“ geführt werde. Einer von Kellys Söhnen, selbst Soldat, wurde 2010 in Afghanistan getötet.
Auch das Pentagon wird seit diesem Jahr direkt von einem General gelenkt, was ebenso ungewöhnlich ist. Der derzeitige US-Verteidigungsminister James Mattis befehligte zuvor als Chef des Central Command alle Soldaten und Operationen im Nahen Osten und Zentralasien. Das Central Command ist, wie auch das oben erwähnte Southern Command, eines der sechs Kommandos, mit denen das US-Militär die Welt aufgeteilt hat – und aufgrund des Öl- und Gasreichtums dieser Region wohl das wichtigste. Das letzte Mal, dass das Pentagon direkt von einem General geführt wurde, liegt mehr als 60 Jahre zurück.
Der dritte General in der aktuellen US-Regierung ist Sicherheitsberater H. R. McMaster, der als Stratege einer zukünftigen Entwicklung der amerikanischen Streitkräfte gilt. Die Funktion des Sicherheitsberaters existiert seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zunächst wurden Zivilisten ernannt, beginnend mit Brent Scowcroft in der instabilen Post-Watergate-Phase der 1970er Jahre dann zunehmend Militärs.
Wenn Zivilisten als vermittelnde Instanz immer mehr in den Hintergrund rücken und Militärs direkt das Zepter im Weißen Haus und in der Kriegspolitik übernehmen, dann ist das für eine parlamentarische Republik eine Art Ausnahmezustand. Die Eliten radikalisieren sich, die Machtsicherung erfolgt direkter und unverblümter.
Ergänzt wird die neue „Militärregierung“ durch eine selbst für Washingtoner Verhältnisse ungewöhnlich hohe Dichte von Wall-Street-Bankern in der Administration. Finanzminister Steve Mnuchin kommt von Goldman Sachs, ebenso der Leiter des National Economic Council und Chef-Wirtschaftsberater des Präsidenten, Gary Cohn (der Gerüchten zufolge nächster Chef der US-Notenbank FED werden soll). Auch Dina Powell, Stellvertreterin von Sicherheitsberater H. R. MacMaster, arbeitete zuvor für Goldman Sachs. Den gleichen Arbeitgeber hatte für einige Jahre der heutige Chefstratege des Weißen Hauses, Steve Bannon. Handelsminister Wilbur Ross ist Milliardär und war mehrere Jahrzehnte lang Bankier bei Rothschild. Der Chef der Börsenaufsichtsbehörde SEC, Jay Clayton, arbeitete zuvor für die Wirtschaftskanzlei Sullivan & Cromwell und vertrat dort auch die Interessen von Wall-Street-Banken wie Goldman Sachs. Ebenfalls eine Vergangenheit bei dieser Bank hat der Hedge-Fonds-Manager und derzeitige Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Anthony Scaramucci.
Wer noch daran zweifelt, dass es sich bei den USA um eine lupenreine Oligarchie handelt, dem dürften angesichts dieser Häufung langsam die Argumente ausgehen. Doch wo der Einfluss der Banker zwar massiv, aber vom Prinzip her nicht neu ist, erscheint die Besetzung von Schlüsselposten durch Generäle durchaus als neue Entwicklung. Angesichts des ungelösten Konfliktes mit Russland und den zahlreichen Kriegsschauplätzen und Brandherden mit US-Beteiligung lässt diese Machtverlagerung hin zum Militär nichts Gutes erwarten.