Hinweise der Woche
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Berlin macht Ernst
- Agenda 2010 auf Französisch
- Island versus Griechenland
- Afghanistan: Intensität der US-Luftangriffe gestiegen
- Flüchtlinge: EU schränkt Export von Schlauchbooten nach Libyen ein
- Steuerzahler: Die Tea Party lässt grüßen
- Hören wir auf, der Arbeit hinterher zu rennen
- Spannungen auf dem Ausbildungsmarkt nehmen zu
- Ex-Rentenversicherungs-Chef hält weitere Anhebung der Altersgrenze für nötig
- Der NSA-Untersuchungsausschuss ist vorbei, die Aufarbeitung geht weiter
- G20-Gipfel-Nachlese
- A despot in disguise: one man’s mission to rip up democracy
- Aufruf an die Bundesregierung: Treten Sie dem Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen bei
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Berlin macht Ernst
Wenn die Türkei sogar Daimler und BASF als Terrorunterstützer listet, hört der Spaß auf. Aber der Flüchtlingspakt bleibt erst mal
Ein Ende des sogenannten Flüchtlingspakts mit der Türkei ist derweil nicht in Sicht. Die EU überweist Ankara bis zu sechs Milliarden Euro, um mit Hilfe der türkischen Küstenwache bis zu drei Millionen Geflüchtete von Europa fernzuhalten und in der Türkei mit dem Nötigsten zu versorgen. Als wirksames Druckmittel gegenüber Ankara sieht die Bundesregierung ein Ende des seit März 2016 geltenden Abkommens nicht – schließlich kämen die Gelder den Schutzsuchenden zugute, so die gängige Argumentation.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, sieht das anders: »Erdogan meint, er könne uns nach Lust und Laune erpressen. Wenn wir aus seinen Fängen entkommen wollen, müssen wir den Flüchtlingspakt aufkündigen«, sagte er der Heilbronner Stimme vom Donnerstag.
Quelle: junge Weltdazu auch: Menschenrechte unter Terrorverdacht
Bereits am 5. Juli stürmte die türkische Polizei einen Workshop von Amnesty International in Istanbul und nahm alle zehn Anwesenden fest, darunter der deutsche Aktivist und Dokumentarfilmer Peter Steudtner und die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, Idil Eser. Erst 30 Stunden nach ihrer Verhaftung durften die Aktivist*innen ihre Angehörigen verständigen. Für große mediale Aufmerksamkeit und sichtbare politische Reaktionen sorgte der Fall aber erst knapp zwei Wochen später, als ein türkisches Gericht Untersuchungshaft für den deutschen Staatsbürger anordnete. Der Vorwurf lautet Terrorunterstützung, die Untersuchungshaft kann in der Türkei bis zu fünf Jahre andauern. Dass zwischen Inhaftierung und richterlichem Beschluss fast zwei Wochen vergehen konnten, ermöglicht der infolge des Putschversuchs vom Juli 2016 in der Türkei ausgerufene Ausnahmezustand. Steudtner war bereits mindestens der zehnte deutsche Staatsbürger, der in der Türkei seit dem Putschversuch festgenommen wurde. […]
Nachdem auch für Steudtner Untersuchungshaft angeordnet wurde, äußerten sich die Spitzenpolitiker*innen deutlicher und die Bundesregierung zog diplomatische Register, bestellte den türkischen Botschafter ein und kündigte eine Überarbeitung der Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts an.
Bemerkenswert hingegen ist das Schweigen unmittelbar nach der Festnahme Steudtners – aber nur auf den ersten Blick. Denn zwei Tage nach seiner Festnahme begann in Hamburg unter deutscher Präsidentschaft der G20-Gipfel in Hamburg, auf dem auch die Türkei als Mitglied der G20 vertreten war. Diplomatische Querelen über das Vorgehen der Türkei bei der Bekämpfung dessen, was sie Terrorismus nennt, hätten schlecht zur Inszenierung des Gipfels samt Gruppenfoto gepasst. Dies gilt umso mehr, als sich die G20 neben ihrer allgemeinen Gipfelerklärung und mehreren gemeinsam beschlossenen Anhängen auch auf eine „Erklärung zur Bekämpfung des Terrorismus“ geeinigt hatten.
Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V. - Agenda 2010 auf Französisch
Nach der Präsidentenwahl steht der radikale Umbau des Arbeitsmarktes bevor (…)
In Deutschland dürfte die „Macron-Revolution“ vertraut sein: Im Grunde geht es um die Durchsetzung der Agenda 2010, die das Land auf den Weg des wirtschaftlichen Erfolgs bringen soll. Nur sind die Franzosen über die sozialen Nachwirkungen der deutschen Wirtschaftspolitik wohl informiert: Lohnsenkungen, wachsende Ungleichheit, Prekarisierung und Altersarmut. (…)
Deutschland mag als Vorbild dienen, allerdings schießt das Kernstück des neuen Gesetzes weit über die hiesigen Bedingungen hinaus: Künftig sollen Arbeitszeit, Überstunden, Löhne, Sicherheitsbestimmungen nicht mehr wie üblich auf Branchenebene oder über alle Branchen hinweg vereinbart werden, sondern in jedem einzelnen Betrieb. Solch ein Abbau allgemeingültiger Regeln würde, so ein Journalist der Zeitung Die Welt, „selbst die deutschen Gewerkschaften auf die Barrikaden bringen“.
Gegen diese Entmachtung der Gewerkschaften hat die CGT bereits einen „Streik- und Aktionstag in allen Betrieben“ für den 12. September angekündigt. Das Problem ist aber: Seit diesem Jahr und zum ersten Mal in ihrer Geschichte ist die CGT nicht mehr die stärkste Gewerkschaft im Lande. Wegen des Mitgliederschwunds in der Industrie wurde sie von der Macron-freundlichen CFDT überholt.
In einer gemeinsamen Erklärung protestieren die übrigen Gewerkschaften (FO, Solidaires, UNEF und FSU) gegen „die Möglichkeit, Arbeitnehmer zu kündigen, die sich weigern würden, ihren bestehenden Arbeitsvertrag einer betriebsinternen Absprache anzupassen, selbst wenn diese nur von einer Minderheit akzeptiert wäre“. Jedoch wollen sie auf die Endfassung des Gesetzes warten, ehe sie sich für den Arbeitskampf entscheiden. Nach der erfolglosen Bewegung im vorigen Jahr ist es ohnehin unsicher, ob genug Arbeitnehmer streikbereit sind.
Allerdings hat sich Emmanuel Macron schon für eine mögliche Konfrontation gerüstet. Amnesty International hat die Bürgerrechtsverletzungen und die Polizeigewalt angeprangert, die in jüngster Zeit in Frankreich gegen Demonstrant/innen, Gewerkschafter/innen, Journalisten und Sanitäter massiv zugenommen haben. Vorwand für dieses Verhalten war die Verhängung des Ausnahmezustands nach den Pariser Terroranschlägen gewesen. Mit einem neuen Gesetz hat Präsident Macron nun die Bestimmungen des Ausnahmezustands zum Regelfall gemacht.
Quelle: ver.di publikdazu: SPD-Kanzlerkandidat Schulz betont Gemeinsamkeiten mit Macron
SPD-Kanzlerkandidat Schulz sieht sich in der Europapolitik auf einer Linie mit Frankreichs Präsident Macron.
Es gebe eine enorme Übereinstimmung bei den nötigen Reformschritten in Europa und der Eurozone, sagte Schulz nach einem Treffen mit Macron im Elysée-Palast in Paris. Als Beispiele nannte er die Forderung nach einem Euro-Finanzminister und einem Investitionsbudget für die Eurozone.
Zuvor hatte Schulz bei einer Rede vor französischen Studenten die Europa-Politik von Bundeskanzlerin Merkel kritisiert. Deutschland habe in Europa zu oft einen eisernen Händedruck geboten und zu selten die Hand gereicht.
Quelle: DeutschlandfunkAnmerkung J.K.: Es ist zum Weinen! Die neoliberale Politik Macrons sieht Schulz nicht? Das Komische, auch Merkel versteht sich prima mit Macron.
Und auch: Rückkehr der deutsch-französischen Allianz
Europa steuert auf eine neue, gefährliche Phase seiner nunmehr permanenten Krise zu. Der Wahlerfolg Emmanuel Macrons signalisiert eine beunruhigende Erneuerung der deutsch-französischen Allianz. (…)
Die sogenannte deutsch-französische Allianz war der zentrale Akteur hinter allen wichtigen Phasen der europäischen politisch-ökonomischen Integration: angefangen bei der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, 1951), über die Einheitliche Europäische Akte (EEA, 1986), den Vertrag von Maastricht (1992) bis hin zum Europäischen Fiskalpakt (2012). Macron selbst erklärte während seines ersten Treffens mit der Europäischen Kommission:
„Es gibt keine bedeutenden europäischen Lösungen, wenn sie nicht für Frankreich und Deutschland von Bedeutung sind.“
Die Wahl des neuen französischen Präsidenten hat nun den Weg für die nächste Phase der europäischen „Top-Down“-Integration geebnet: Die Etablierung einer sogenannten „Fiskalunion“ mit „Eurobudget“ und einem „Europäischen Finanzminister“. Die notwendigen Schritte für die Umsetzung dieser Pläne wurden schon lange von der Achse Berlin-Frankfurt-Brüssel gefordert. Bis vor Kurzem fehlte dafür jedoch noch die notwendige Unterstützung durch Frankreich. Wie es scheint, hat sich das nun geändert.
Doch man sollte sich keine Illusionen machen. Die Fiskalunion der neuen deutsch-französischen Allianz gleicht keinesfalls jenem Modell, das mit all seinen Mängeln – speziell der Frage der politischen Umsetzbarkeit – von progressiven Föderalisten gefordert wird. Denn auf föderaler Ebene sind keine wirklichen fiskalischen Kompetenzen für diese neue supranationale Behörde vorgesehen (…)
Ein weiterer Vorschlag, der in die gleiche Richtung geht, ist der deutsche Plan, die Finanzierung von Haushaltsdefiziten der Länder der EWU durch ihre Banken zu erschweren. [2] Offen wird erklärt, dass es darum geht, „die Verbindung zwischen Banken und Regierungen zu trennen“ und „langfristige Schulden tragfähig zu halten“. Konkret sollen diesen Zielen die folgenden Maßnahmen dienen:
1.Die Aufhebung der Ausnahmeregelung für die Risikogewichtung von Staatsforderungen. Was letztendlich heißt, dass Staatsanleihen für Banken nicht länger als risikofreie Anlage qualifizieren und damit je nach ihrem Rating entsprechend der Eigenkapitalerfordernisse nach Basel III mit Eigenkapital unterlegt werden müssen.
2.Die Festlegung einer allgemeinen Höchstgrenze von Staatsanleihen auf den Bilanzen der Banken.
3.Einführung eines automatischen „Staatsinsolvenz-Mechanismus“, der die „Bail-In“-Regelung, die ursprünglich von der Bankenunion für Banken eingeführt wurde, auf Staaten ausdehnt. Das bedeutet, dass ein Staat, wenn er finanzielle Unterstützung vom ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) aus welchem Grund auch immer benötigt, seine Staatsanleihenlaufzeit verlängern (wodurch der Marktwert dieser Anleihen bei hohen Verlusten für alle Anleihegläubiger sinkt) und, falls notwendig, einen nominalen „Schuldenschnitt“ auf Kosten privater Gläubiger verhängen muss.
Peter Bofinger, der sich als einziges Mitglied des deutschen Sachverständigenrats gegen diesen „Bail-In“-Plan ausspricht, warnte davor, dass diese Art von Regulierung höchstwahrscheinlich zu einer Staatsschuldenkrise wie im Jahr 2012 führen wird.
Quelle: Makroskop - Island versus Griechenland
In den Schweizer Zeit-Fragen erschien ein lesenswerter Artikel “Island in der Hochkonjunktur – in Griechenland ein Trauerspiel” . Ohne dies inhaltlich zu wiederholen, hier einige Charts die eine starke Aussagekraft haben, welche die Aussagen im Schweizer Artikel untermauern. Eine Krise, zwei Wege in Folge und diametral entgegengesetzte wirtschaftliche und damit gesellschaftliche Ergebnisse.
Während man in Griechenland die Gläubiger rettete und das griechische Volk und deren Volkswirtschaft ruinierte, zog sich die isländische Demokratie aus dem Sumpf, ließ die Gläubiger darin und brachte seine Volkswirtschaft aus dem Tal. Faszinierende Daten:
Die Entwicklung des nominalen BIPs von 2008 bis 2016 (als Index 2008=100) in Island (blau) und in Griechenland (rot). Während es in Island um +56,1% seit 2008 aufwärts ging, zeigt sich in Griechenland ein Einbruch der Wirtschaftsaktivität von -27,3%!
Quelle: Querschüsse - Afghanistan: Intensität der US-Luftangriffe gestiegen
In Afghanistan haben die US-Luftangriffe auf die radikal-islamischen Taliban und die Terrormiliz IS deutlich zugenommen. Nach Zahlen des amerikanischen Militärs warfen Piloten im ersten Halbjahr mehr als 1.630 Raketen oder Bomben ab. Zum Vergleich wurde auf 2016 verwiesen. Damals seien rund 1.330 Geschosse abgefeuert worden. Weiter hieß es, damit sei die Intensität der Luftangriffe wieder auf dem Niveau von 2012 angekommen, als noch knapp 80.000 US-Soldaten zur Bekämpfung der Taliban in Afghanistan gewesen seien.
Quelle: DeutschlandfunkAnmerkung Paul Schreyer: Ein nun bald 16 Jahre dauernder Krieg, eine offenbar endlose Mord- und Zerstörungsorgie, ursprünglich begründet mit 9/11 und einem darauffolgenden Nato-Bündnisfall, für dessen Rechtmäßigkeit damals keine Beweise vorgelegt wurden – oder mit den Worten von Daniele Ganser: ein illegaler Krieg. Bei einem Vortrag meinte er jüngst: „Wie dekadent ist denn dieser Zustand, wenn man eines der ärmsten Länder bombardiert, und das auf der Basis eines ungeklärten Terroranschlages.“
- Flüchtlinge: EU schränkt Export von Schlauchbooten nach Libyen ein
Die EU schränkt die Ausfuhr von Schlauchbooten und Außenbordmotoren nach Libyen ein, um Schleusern ihr Geschäft zu erschweren. Auf eine entsprechende Regelung haben sich die Außenminister der Staatengemeinschaft geeinigt. In Gesprächen mit Drittstaaten soll zudem geprüft werden, wie die Beschränkungen über die EU hinaus ausgeweitet werden können.
Quelle: Zeit Onlinedazu: Flüchtlingskrise? Bitte erst wieder nach der Wahl
Immer mehr Flüchtlinge aus Afrika kommen in diesem Sommer in Italien an. Doch das Thema spielt in Deutschland keine Rolle. Die Krise an Italiens Küste wird vertagt – bis nach der Bundestagswahl. (…) Seit Wochen landen immer mehr Flüchtlinge an Italiens Küsten. In diesem Jahr waren es bereits 90.000, sie stechen mit Booten, die meist von Schleppern gestellt werden, über Libyen ins Mittelmeer und werden – wenn sie nicht ertrinken – von den Schiffen der EU-Mission „Sophia“ aufgenommen und nach Italien gebracht. (…) Die Große Koalition – vor allem die Kanzlerin – will alles vermeiden, was nur den Anschein haben könnte, der Sommer 2015 würde sich wiederholen, die Zeit, als eine Million Flüchtlinge in den Norden kamen, vor allem nach Deutschland. Im angelaufenen Bundestagswahlkampf wird das Thema fast nicht mehr erwähnt.
Quelle: Spiegel Onlineund: Europäische Flüchtlingspolitik: Anleitung zum diskreten Völkerrechtsbruch
Quelle: Monitor via Facebook - Steuerzahler: Die Tea Party lässt grüßen
Wie jedes Jahr ruft der Bund der Steuerzahler auch jetzt seinen Gedenktag aus. Die Berechnung allerdings ist falsch und nichts anderes als vulgärökonomischer Populismus.
Heute ist Steuerzahlergedenktag. Das behauptet zumindest der Bund der Steuerzahler. Bis zum heutigen Tag haben demnach die Deutschen im Durchschnitt gearbeitet, um ihre Steuern und Sozialabgaben zu zahlen. Die Botschaft, die der Steuerzahlerbund damit vermitteln will: Die Steuern und Abgaben sind viel zu hoch, der gierige Staat nimmt den rechtschaffenen Bürgern das hart erarbeitete Geld weg und verschwendet es.
Nur hat das mit der realen Situation in Deutschland wenig zu tun. Das Konzept des Steuerzahlergedenktags ist verkorkst und geht in weiten Teilen von falschen Annahmen aus. Kurz gesagt: Es handelt sich um Vulgärökonomie und libertären Populismus – die Tea Party lässt grüßen.
Quelle: Zeit OnlineAnmerkung JK: „Vulgärökonomischer Populismus“ treffender kann man es nicht beschreiben. Das gilt auch für den Namen „Bund der Steuerzahler“. Dieser neoliberale Lobbyverein vertritt mit Nichten die Interessen aller Steuerzahler.
dazu: Ein „Gedenktag“ für den gebeutelten Steuerzahler? An sich unsinnig und dann auch noch kalendarisch aufgeblasen
Und noch eine Anmerkung zum skandalisierenden und effektheischende Getöse, dass die Belastungsquote „so hoch wie noch nie“ sei. Ein Blick auf die Abgabenquoten seit 1960 relativiert das doch ganz erheblich.
Was aber auch diese Gesamtdarstellung verwischt sind die erheblichen Streuungen, die wir auf der Ebene der einzelnen Haushalte und deren Belastungsprofile haben. Und da wäre ein genauerer Blick auf die Verschiebungen zwischen einzelnen Belastungsarten im komplexen System der Steuern und Sozialabgaben und deren Verteilungswirkungen relevant und übrigens weitaus aufschlussreicher als die Konstruktion eines imaginären deutschen Abgabenbelasteten, den es so gar nicht geben kann. Wenn man da genauer hinschaut, dann zeigen sich erhebliche Verwerfungen, die auch sozialpolitisch brisant sind. […]
Bei genauerer Betrachtung ist das deutsche Steuersystem allerdings bei weitem nicht so progressiv, wie es zunächst scheint. Denn um die tatsächliche Belastung der Haushalte zu messen, darf man nicht nur die direkten Steuern wie etwa die Einkommenssteuer betrachten, sondern muss zusätzlich auch die sogenannten indirekten Steuern berücksichtigen, zu denen beispielsweise die Mehrwert-, die Kfz- oder die Tabaksteuer gehören. Diese indirekten Steuern machen knapp die Hälfte des gesamten Steueraufkommens in Deutschland aus.
Und es gibt noch einen weiteren Faktor, der bei der Ermittlung der Gesamtbelastung berücksichtigt werden muss: die Sozialbeiträge. Man kann zeigen, dass in den unteren Einkommensschichten die Verteilungswirkung von direkten und indirekten Steuern sogar regressiv ist. Dass das deutsche Steuersystem überhaupt etwas Progressives hat, ist den Sozialbeiträgen geschuldet: Die Abgaben für die Gesundheitsversorgung, Rentenbeiträge etc. fallen in den mittleren Einkommensschichten proportional höher aus als in den unteren und oberen Schichten der Einkommenspyramide.
Quelle: Aktuelle Sozialpolitik - Hören wir auf, der Arbeit hinterher zu rennen
Arbeit für alle zu schaffen, ist ein wichtiges Ziel. Das schaffen wir aber nur, wenn wir die Rahmenbedingungen für die unbezahlte Arbeit verbessern, statt immer bloß der bezahlten hinterher zu rennen.
Die Arbeit geht uns nicht aus, aber zumindest die bezahlte Arbeit macht sich rar. Mit der Folge, dass der Sesseltanz um die Arbeit schon bald mehr Ressourcen verschlingt als die (produktive) Arbeit selbst. Ein Beispiel: Wie die Neue Züricher Zeitung berichtet, haben sich neulich in Italien 85.000 Bewerber um 30 Stellen bei der Banca d’Italia beworben. Davon wurden die 8.140 mit den besten Curricula (mindestens Uni-Abschluss) zu einer schriftlichen Prüfung (Concorso) eingeladen, auf die sie sich im Schnitt 5 Monate lange vorbereitet haben. Nach derselben Quelle sollen sich 8.063 Interessenten für 10 Pflegerstellen in einer Mailländer Poliklinik beworben haben.
In Italien sind 36% der Jugendlichen ohne bezahlte Arbeit, aber fast rund um die Uhr damit beschäftigt, Bewerbungen zu schreiben, sich für alle möglichen Eventualitäten weiter zu bilden und immer wieder mal zu einem Concorso zu reisen. […] Unter dem Strich kommt man schnell mal pro bezahlte Arbeitsstunde auf eine Stunde unbezahlter Vorbereitung.
Das ist grotesk, aber das ist noch nicht alles. Denn dazu kommen noch die psychologischen Kosten. Ein Dossier auf einem Stapel von zehntausenden zu sein, ist hart. Auf engstem Raum neben tausenden Mitbewerbern zu sitzen und knifflige Frage zu lösen, braucht Nerven. Zum zweiten, dritten oder siebten Mal abgelehnt zu werden, kann auch bei robusten Naturen zum Stoff von Albträumen werden. Wenn das so weiter geht, geht eine ganze Generation vor die Hunde. Es muss dringend etwas geschehen. […]
Um diesen Trend zu brechen, müssten wir uns erst einmal darauf einigen, dass eine bezahlte Arbeit nur zumutbar ist, wenn sie soziale Teilhabe ermöglicht. Arbeit auf Abruf, oder ein Mindestlohn von 8,86 Euro erfüllen diese Bedingung ebenso wenig wie ein Arbeitsweg von mehr als 2 Stunden täglich. Wir haben uns daran gewöhnt, dass man der Arbeit hinterherrennen muss. Jobs müsse man dort suchen, wo es sie gibt. Da könne man nicht einfach nur rumsitzen. Klingt logisch. Aber ebenso logisch ist, dass Arbeit immer dort ist, wo die Menschen sind, wo sie Bedürfnisse haben, die befriedigt werden müssen. Schließlich arbeiten wir nicht für den Mond, sondern für uns. […]
Die Menschen hinter der Arbeit herrennen zu lassen, ist also keine kluge Strategie. Damit kann man im besten Fall den Nachbarn ein wenig bezahlte Arbeit abluchsen, doch insgesamt nimmt damit sowohl die bezahlte als auch vor allem die unbezahlte Arbeit ab. Stattdessen muss man die Arbeit wieder zu den Menschen bringen. Ein wichtiges Mittel dazu ist die Siedlungspolitik. Jung und Alt, Wohnen und Arbeiten (zumindest gewerbliche Arbeit) müssen wieder näher zusammenrücken. Es braucht mehr Spielplätze, Schrebergärten und Gemeinschaftsräume, nicht nur für kulturelle und kulinarische Anlässe, sondern etwa auch für Werkstätten. Dann organisiert sich die Arbeit schon fast von alleine. (…)
Diese Probleme sind nicht trivial. Finanzielle Entschädigungen für sozial notwendige (bisher unbezahlte) Arbeit kann Teil der Lösung sein. Doch zunächst einmal geht es darum, die bezahlte Arbeit nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern die ganze Arbeit und nicht nur die Arbeitskraft, also den ganzen Menschen zu sehen. Die Ökonomen und Wirtschaftspolitiker müssen da noch ein bisschen dazu lernen.
Quelle: Makroskop - Spannungen auf dem Ausbildungsmarkt nehmen zu
„Die Spannungen auf dem Ausbildungsmarkt nehmen zu“, sagt DGB-Vize Elke Hannack. „Erstmals haben mehr Jugendliche mit Studienberechtigung als Hauptschüler einen Ausbildungsplatz. Jugendliche mit einem niedrigeren Schulabschluss sind von vielen Angeboten oft von vorneherein ausgeschlossen, ihnen droht ein Leben in Arbeitslosigkeit oder prekärer Beschäftigung.“
„1,22 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren haben heute keine abgeschlossene Ausbildung. Das sind knapp 13 Prozent dieser Altersgruppe. Unter dem Strich verlieren wir pro Jahr mehr als 120.000 Jugendliche auf dem Weg von der Schule in die Ausbildung“, warnt Hannack. „Wer Vollbeschäftigung erreichen will, muss das ändern. Wir brauchen deshalb eine Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen die Perspektive auf einen Berufsabschluss eröffnet.“
„Mehr noch: Die Zahl der Jugendlichen in den Warteschleifen von der Schule in die Ausbildung nimmt wieder zu. Insgesamt 300.000 Jugendliche stecken in dem Maßnahmendschungel des Übergangsystems fest“, so Hannack weiter. „Fast die Hälfte von ihnen verfügt über einen Hauptschulabschluss, ein Viertel sogar über einen mittleren Schulabschluss. Auch sie brauchen in naher Zukunft einen Ausbildungsplatz. Es kann aber auch nicht zufrieden stellen, wenn nach amtlichen Statistiken noch rund 43.000 Ausbildungsplätze offen bleiben. Dies ist vor allem bei Hotels und Gastronomie sowie im Lebensmittelhandwerk der Fall – in jenen Branchen, in denen es hohe Abbruchquoten gibt. Diese Branchen müssen dringend in die Ausbildungsqualität investieren.“
Quelle: DGBAnmerkung André Tautenhahn: Leider gibt der Mainstream regelmäßig nur das Gejammer der Arbeitgeber wieder, die fortwährend einen Nachwuchsmangel beklagen. Dabei wäre auch hier eine Debatte zur amtlichen Statistik nötig, in der viele Jugendliche ohne Ausbildungsplatz gar nicht auftauchen, weil sie etwa für ausbildungsunreif erklärt und in ein sog. Übergangssystem verschoben werden.
- Ex-Rentenversicherungs-Chef hält weitere Anhebung der Altersgrenze für nötig
Für ein langfristig tragfähiges Alterssicherungskonzept hat sich der frühere Chef der gesetzlichen Rentenversicherung, Franz Ruland, stark gemacht. In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ kritisierte Ruland am Wochenende, keine Partei habe „den Mut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen“. Dazu zählt der Münchner Rentenexperte „die Notwendigkeit, die Altersgrenzen an die um bis zu fünf bis sechs Jahre weitersteigende Lebenserwartung anzupassen“. Dieser Schritt sei der „nicht einfache, aber einzig sinnvolle Weg“, das Absinken des Rentenniveaus und den Anstieg des Rentenbeitrags zu begrenzen.
Quelle: Ihre VorsorgeAnmerkung unseres Lesers S. N.: Es ist erschütternd, dass nun selbst ehemalige Führungspersonen der GRV blindlings ein höheres Renteneintrittsalter für alle fordern. Zudem noch mit dem Verweis, dass bisherige Verbesserungen solidarischer Elemente der GRV nie vom Bund (voll) erstattet wurden. Dabei ist genau das die Lösung: Der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel kann derart umgebaut werden, dass er bei einer Verschlechterung des Verhältnisses von Beitragszahlern und Rentnern für eine Anhebung des Bundeszuschusses sorgt, aber nicht die Renten kürzt. Dann wird die „demographische Last“ nämlich von allen Bürgern getragen und nicht nur von den Sozialversicherten und Rentnern. Aber stattdessen wird mit nebulösen Argumenten gegen „mehr Steuerfinanzierung“ der GRV gewettert.
- Der NSA-Untersuchungsausschuss ist vorbei, die Aufarbeitung geht weiter
Unsere neue Dossierseite trägt alle wichtigen Informationen zum NSA-Untersuchungsausschuss zusammen und soll als Ausgangspunkt für weitere Recherchen dienen. Denn der Ausschuss mag abgeschlossen sein, die Aufarbeitung aber noch lange nicht.
Seit 2014 beschäftigt uns der NSA-Untersuchungsausschuss. Er sollte nach den Snowden-Enthüllungen aufklären, was US-Geheimdienste in Deutschland treiben und wie deutsche Behörden – insbesondere der BND – daran beteiligt sind. Wir haben die Sitzungen und Geschehnisse rund um den Ausschuss minutiös begleitet, Live-Blogs mit insgesamt 5,6 Millionen Zeichen geschrieben, Leaks veröffentlicht und Berichte entschwärzt. In anderen Worten: Wir waren all die Jahre eng am Thema dran und haben nun ein Dossier zum Thema erstellt.
An vielen Stellen hat uns der Ausschuss frustriert. BND und Bundeskanzleramt haben alles dafür getan, so wenig wie möglich preiszugeben, Zeugen hatten abgrundtiefe Erinnerungslücken oder verwiesen mantra-artig darauf, nur in geheimer Sitzung aussagen zu können. Und obwohl trotz alledem an vielen Stellen das rechtswidrige Handeln der Geheimdienste und ihre teils abenteuerlichen Gesetzesinterpretationen zu Tage traten, bekam der BND ein Gesetz geschenkt, das große Teile seines bisherigen Handelns legalisiert und seine Befugnisse ausweitet.
Quelle: netzpolitik.org - G20-Gipfel-Nachlese
- Verletzte Grundrechte
Erst wurden über 10.000 gewaltbereite Demonstranten für den Gipfel in Hamburg prophezeit, dann etablierte die Polizei die Zahl 8.000. Am Ende schritten hochgerüstete Polizeieinheiten gegen 1.000 Demonstranten (Angaben der Polizei) bei der »Welcome to Hell«-Demo am Donnerstag am Hamburger Hafen ein, weil die sich angeblich nicht demaskieren wollten. Augenzeugen berichteten allerdings, dass es lediglich einige hundert waren. Wer aber steckt hinter so einer Vermummung? Linksautonome Aktivisten? Staatsbeamte mit Spezialauftrag? Faschos und Hools? Oder Kriminelle? Klar dürfte jedenfalls sein: Wenn Tausende von militärisch auftretenden und hochgerüsteten Staatsbeamten mit ihren Granatwerfern, Schnellfeuerwaffen und Maschinenpistolen demonstrativ tagelang gegen alle, die ihnen auf der Straße begegnen, äußerst aggressiv vorgehen, geht es nicht um ein paar hundert Vermummte. Wenn unter solchen Umständen Häuser gestürmt, Menschen die Knochen gebrochen, Brände gelegt und Straßenzüge verwüstet werden, ist da keinesfalls etwas »aus dem Ruder gelaufen«, wie manche mutmaßen: Hier sollen nicht nur »Gewaltbereite«, hier sollen alle Demonstranten, Passanten, aber auch gar nicht anwesende Kritiker des Staates eingeschüchtert werden. Mit erstaunlicher Klarheit haben das in diesen Tagen mehrere Polizeisprecher und Politiker kundgetan. »Grundrechte einzuschränken ist nun mal Teil der Aufgabe und schützt die Demokratie vor zu großem Individualismus«, postete etwa die Hamburger Gewerkschaft der Polizei über Twitter am Mittwoch. Dagegen nennt die Gewerkschaft Verdi die Ereignisse ein einziges »Festival der verletzten Grundrechte«.
Medien können in einer bürgerlichen Demokratie eine wichtige, den Herrschenden durchaus unangenehme Rolle spielen. Offensichtlich deshalb hat man wohl auch sie ins Visier genommen. Journalisten unterschiedlicher Medien wurden von Beamten geschlagen, drangsaliert, in der Ausübung ihres Berufes massiv behindert. Eigentlich war auch das nicht nötig, die meisten Medien funktionierten als verlängerter Arm der Staatsmacht: Erklärungen der Polizei wurden ohne Gegenrecherche übernommen und gebetsmühlenartig wiederholt, schon im Vorfeld der Ereignisse. Als die Polizei meldete, dass sie gegen 1.000 vermummte Personen vorgegangen sei, wurde diese Zahl beispielsweise vom TV-Sender N24 brav gemeldet und auch dann noch ständig wiederholt, als ihr Reporter vor Ort aussagte, dass es deutlich weniger Personen gewesen seien.
Mit dem martialischen Auftritt sollte wohl ein Zeichen gesetzt werden: Egal ob Linksautonomer, Journalist oder friedlicher Demonstrant: Wer nicht spurt, wird repressiert. Dabei treten komische Helfershelfer auf, wie die junge Welt erleben musste. Schon im Vorfeld der Protestaktivitäten gegen den G-20-Gipfel wurde die junge Welt inhaltlich angegriffen, weil G20 nicht G7 sei und man wegen der Teilnahme der Regierungen etwa aus Russland oder China gegen den Gipfel nicht protestieren dürfe.
Quelle: junge welt - Regierungssprecher Seibert: „Konkretisierung von Grundrechtsschranken“
„Wie vielen für den G20-Gipfel akkreditierten Journalistinnen und Journalisten ist diese Akkreditierung kurzfristig vor bzw. beim Gipfel in Hamburg entzogen worden (…) und inwieweit waren diese Maßnahmen nach Auffassung der Bundesregierung mit der Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung nach Art. 5 Grundgesetz vereinbar?“, hat Jan Korte die Bundesregierung nach bekanntwerden der Vorfälle auf dem G20-Gipfel gefragt. Über die Anzahl wurde bald darauf berichtet und über die jeweiligen Gründe gibt die Bundesregierung auch auf Anfragen aus dem Parlament keine ausreichende Antwort. Die Einschränkung der Pressefreiheit nennt Regierungssprecher Seibert eine „verfassungsmäßige Konkretisierung der Grundrechtschranken“. „Wer dermaßen abgedrehte Sätze hinbekommt hat auf jeden Fall Talent“, kommentiert dies Jan Korte. „Hätte George Orwell sicher auch neidlos eingeräumt.“
Quelle: Jan KorteAnmerkung Paul Schreyer: Tatsächlich schreibt der Regierungssprecher in seiner Antwort: „Die Entziehung der Akkreditierung aufgrund von sicherheitsrelevanten Erkenntnissen stellt eine verfassungsmäßige Konkretisierung der Grundrechtschranken dar.“ Das ist nicht nur skurril, sondern vor allem Ausdruck einer ausgesprochen verfassungsunfreundlichen Willkür, da die „sicherheitsrelevanten Erkenntnisse“ nicht konkretisiert, sondern im Dunkeln gelassen werden.
- „Linke Gefährder an einer Hand abzählbar“
Von Rechtsradikalen geht laut dem Chef des Bundeskriminalamts eine deutlich größere Terrorgefahr aus als von Linksextremisten. Das Thema Zuwanderung habe das Problem verschärft.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, hält die Terrorgefahr durch Linksextremisten in Deutschland für überschaubar. Es gebe innerhalb dieses Spektrums nur wenige Gefährder, denen die deutschen Behörden Terroranschläge zutrauten, sagte Münch der „Frankfurter Rundschau“ vom Freitag. „Im Bereich links gingen die Länder bislang von einer Größenordnung aus, die man an einer Hand abzählen kann.“
Unter den Rechtsextremisten liege die Zahl der Gefährder im niedrigen zweistelligen Bereich. Die Gefahr der Bildung terroristischer Strukturen sei hier größer. „In den letzten zwei Jahren hat das Thema Zuwanderung zu einer erkennbaren Radikalisierung der Szene beigetragen. Die immense Zahl von Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte in den Jahren 2015 und 2016 unterstreichen das“, sagte Münch.
Quelle: FAZ - Versammlungsfreiheit gilt für alle!
Es ist eine gespenstische Debatte. Nach den Krawallen von Hamburg und dem nationalistischen Dumpfbacken-Konzert von Themar diskutiert die Republik ernsthaft über eine Einschränkung des Versammlungsrechts. Und ausgerechnet ein linker Ministerpräsident gibt dazu den Takt vor.
Vielleicht hilft erstmal ein bisschen Juristerei: Erstens gilt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für alle – also auch für solche Menschen, deren Anliegen kein vernunftbegabter Mensch teilen möchte. Zweitens gibt es Grenzen dieses Grundrechts. Strafbares Verhalten gehört laut Verfassung ganz sicher dazu. Wer also meint, er könne eine Versammlung für Gewalttaten, Volksverhetzung oder NS-Symbole nutzen, hat sich geschnitten. Die Rechtslage ist klar: Eine Versammlung, die gegen Strafnormen verstößt kann aufgelöst, Straftäter können verfolgt werden.
Was also einschränken? Keine Versammlungsfreiheit mehr für Doofe? Ausschluss von Gefährdern und Vertretern radikalen Gedankenguts? Gesichtskontrollen? Musikverbote? Meint Herr Ramelow das, wenn er von „Präzisierung“ eines Grundrechts spricht?
Klar, es wirft Fragen auf, wenn die Polizei in Hamburg gegen eine Versammlung vorgeht, weil ein Teil der Demonstranten das Vermummungsverbot nicht befolgt, in Themar aber weiter demonstriert werden darf, obwohl Hunderte gleich gegen zig Strafgesetze verstoßen. Hierüber sollte diskutiert werden.
Aber eine Einschränkung des Versammlungsrechts ist das Letzte, was die Republik gerade braucht. Ob Schwarzer Block oder fremdenfeindliches Gegröle: Das müssen wir aushalten. Sonst diskutieren wir morgen über eine Gesinnungspolizei, die nur noch zulässt, was Staat und Regierung gerade so in den Kram passt.
Quelle: Georg Restle für Monitor
- Verletzte Grundrechte
- A despot in disguise: one man’s mission to rip up democracy
James McGill Buchanan’s vision of totalitarian capitalism has infected public policy in the US. Now it’s being exported.
It’s the missing chapter: a key to understanding the politics of the past half century. To read Nancy MacLean’s new book, Democracy in Chains: The Deep History of the Radical Right’s Stealth Plan for America, is to see what was previously invisible.
Her discoveries in that house of horrors reveal how Buchanan, in collaboration with business tycoons and the institutes they founded, developed a hidden programme for suppressing democracy on behalf of the very rich. The programme is now reshaping politics, and not just in the US.
Buchanan’s programme is a prescription for totalitarian capitalism. And his disciples have only begun to implement it. But at least, thanks to MacLean’s discoveries, we can now apprehend the agenda. One of the first rules of politics is, know your enemy. We’re getting there.
Quelle: The Guardian - Aufruf an die Bundesregierung: Treten Sie dem Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen bei
122 Staaten verabschiedeten am 7. Juli 2017 bei den Vereinten Nationen in New York einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen. Nach Jahrzehnten stockender Abrüstung senden sie ein klares Signal an die Atomwaffenstaaten: diese Massenvernichtungswaffen sind endgültig delegitimiert. Das völkerrechtlich verbindliche Abkommen verbietet neben der Herstellung, dem Einsatz und Besitz auch die Drohung mit einem Nuklearschlag sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten. Damit handelt künftig auch die Bundesregierung mit der nuklearen Teilhabe in der NATO und der Verfügung über US-Atomwaffen in Deutschland gegen geltendes Völkerrecht. Wir fordern die jetzige und zukünftige Bundesregierung auf: Entsprechen Sie dem Wunsch der überwältigenden Mehrheit der Bundesbürger/innen (Forsa-Umfrage März 2016*), zeigen Sie Verantwortung und übernehmen Sie Vorbildfunktion gegenüber allen NATO-Partnern: Treten Sie dem Vertrag für ein Atomwaffenverbot bei. Verhindern Sie die nukleare Aufrüstung in Deutschland. Halten Sie am Beschluss des Deutschen Bundestages vom 26. März 2010 fest, der den Abzug aller Atomwaffen aus Büchel fordert, und setzen Sie sich tatkräftig dafür ein. Wir unterstützen dazu alle Aktionen im Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe in vielen Städten in Deutschland und weltweit. *Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Internationalen Ärzten zur Verhütung eines Atomkriegs vom März 2016 ergab: 85% der Befragten sprachen sich dafür aus, dass die auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen abgezogen werden. 93% befürworteten, dass Atomwaffen, ähnlich wie Chemie- und Biowaffen, völkerrechtlich verboten werden sollen. 88% sprachen sich dagegen aus, dass die USA aufgerüstete Atomwaffen in Deutschland neu stationieren.
Quelle: Pacemakersdazu: UN-Übersetzungs-Text des Atomwaffen-Verbotsvertrags vom 7.7.2017
Hier ist der offizielle Übersetzungstext der UNO zum Atomwaffen-Verbotsvertrag, wie er auf der Staatenkonferenz am 7. Juli 2017 in New York mit einer Mehrheit von 122 bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme beschlossen wurde. Die „NachDenkSeiten“ dokumentieren den Text aus sachlichen Gründen und wegen des Umstands, dass daran auch das dämliche Verhalten der deutschen Bundesregierung und der Koalition sichtbar wird:
Obwohl das EU-Parlament im September 2016 u.a. mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD diese Verhandlungen begrüßt hatte und obwohl diese dann am 23.12.2016 von der UN-Generalversammlung beschlossen wurden, hat die deutsche Bundesregierung auf Verlangen der US-Regierung diese Verhandlungen – ebenso wie alle anderen NATO-Staaten außer den Niederlanden – boykottiert.
Albrecht Müller